Ihre Bemerkungen zu den Apotheken sind natürlich das Beste. Meine Damen und Herren, was Sie dort in Gang setzen, wird ein Sterben von Apotheken im ländlichen Raum zulasten der Versorgung der ländlichen Bevölkerung werden.
Es muss Sie natürlich aufregen, wenn der renommierteste Bundeskanzler, den die SPD im Felde der Wirtschaftspolitik hatte, Helmut Schmidt, öffentlich erklärt, dass der Flächentarif überholt ist, dass betriebliche Bündnisse hermüssen. Meine Damen und Herren, es ist doch nicht so, dass das Helmut Schmidt als Gewerkschaftsmitglied leichtfertig sagt, sondern er sagt es wie die internationalen und auch die deutschen Ökonomen. Dies ist eine Verkrustung in der Politik, die so nicht mehr hinnehmbar ist.
Seien Sie doch so großzügig und sagen Sie: Wir geben den Menschen in den Betrieben ein Stückchen Freiheit zurück, damit sie die Möglichkeit haben, über ihre Zukunft selbst zu bestimmen.
(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Dr. Gitta Trauernicht [SPD]: Die FDP missbraucht den Freiheitsbe griff!)
Sie kümmern sich um Schutzrechte für die Tarifpartner. Wir kümmern uns darum, dass neue Arbeitsplätze in diesem Land geschaffen werden können. - Das ist der Unterschied zwischen Ihrer und unserer Politik: Wir wollen Dynamik nach vorn, Sicherung und Erhalt von Arbeitsplätzen; und bei Ihnen ist es Festhalten an starren Regeln aus der Vergangenheit.
Nach § 71 Abs. 2 unserer Geschäftsordnung hat der Kollege Gabriel um das Wort für weitere zwei Minuten gebeten. Bitte schön!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben ein flammendes Plädoyer für mehr Freiheit im Betrieb gehört. Herr Minister Hirche, mich würde Folgendes interessieren: Wenn Sie so viel Wert auf die Kompetenz der Leute vor Ort legen - Sie haben eben gesagt: Die sollen das entscheiden -, können Sie uns dann bitte erklären, warum Sie eigentlich nicht auf die Betriebsräte hören, die übereinstimmend sagen, dass sie nicht in diese erpresserische Situation kommen wollen? Wenn die so gut über ihre Lage Bescheid wissen und unisono erklären - -
- Nicht nur einer! Da gibt es eine ganze Menge. In Ordnung, wir einigen uns darauf: Wenn Sie also diese Unterschriftenliste in den nächsten Tagen oder Wochen übergeben bekommen, worauf hunderte von Betriebsräten eingetragen sind, die nicht von dieser großen Freiheit der FDP, die sie in die erpresserische Situation bringt, betroffen werden wollen, dann ziehen Sie Ihren Gesetzentwurf zurück. - Jedenfalls so habe ich Sie eben verstanden: Sie setzen doch auf die Kompetenz.
Das heißt, wir werden die fragen, die Sie für so kompetent halten. Die werden uns eine Auskunft geben.
Warum sind Sie der größte Gegner der Ausweitung der betrieblichen Mitbestimmung gewesen? Warum sind Sie so stark gegen die Ausweitung der Mitbestimmungsrechte - nicht Mitwirkungsrechte angegangen? Das würde mich einmal interessieren. Sie reden hier so und handeln völlig anders. Das ist das, was wir so kritisieren.
Im Übrigen, Herr Minister Hirche, haben Sie selbst einen Großflächenversuch in Ostdeutschland zur Senkung der Löhne miterlebt, mit Lohnniveaus, bis heute weit nicht nur unter dem Westtarif, sondern auch unter den durchschnittlichen Löhnen in Westdeutschland. Dies alleine schafft keine Arbeitsplätze. Ich sage Ihnen, wo wir Arbeitsplätze schaffen können. Wir müssen endlich wieder mehr in Wissenschaft, Forschung, Technologie investieren und vorher Subventionen abbauen, damit wir das Geld dafür haben, und dürfen nicht das Gegenteil tun und so handeln wie Sie im Bundesrat.
Wir haben auch den Eindruck, dass Sie sich Beispiele von vor 200 Jahren suchen. Dahin wollen Sie wohl zurück. Wer gegen die betriebliche Mitbestimmung ist, wer am Betriebstor ein Schild aufstellen will, auf dem „Hier endet der demokratische Sektor der Bundesrepublik“ steht, dem trauen wir nicht über den Weg. Deshalb werden wir dem nicht zustimmen, meine Damen und Herren.
Meine Damen und Herren, es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Ich schließe die Beratung dieses Punktes.
Wir kommen zur Ausschussüberweisung. Der Ältestenrat empfiehlt, den Ausschuss für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr mit diesem Antrag federführend zu befassen und den Ausschuss für Rechtsund Verfassungsfragen sowie den Ausschuss für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit mitberatend zu beteiligen. Gibt es hierüber andere Auffassungen? - Das ist nicht der Fall. Dann ist das so beschlossen.
Tagesordnungspunkt 32: Erste Beratung: Abschaffung der Lernmittelfreiheit belastet Familien - innovative Lernmittel fördern Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 15/379
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir alle wissen, dass heutzutage Kinder zu einem immer größeren Armutsrisiko werden und dass dies neben den fehlenden Betreuungs- und Ganztagsangeboten an den Schulen ein Hauptgrund dafür ist, dass sich immer mehr junge Paare gegen eigene Kinder entscheiden.
Frau Ministerin von der Leyen sagte hier gestern - meiner Ansicht nach zu Recht -, dass Kinder hochwillkommen seien, und forderte, die Familien zu entlasten. Recht hat sie, unsere Frau Ministerin. Aber dann, meine Damen und Herren von der CDU-Fraktion, tun Sie es doch auch.
Lassen Sie - trotz der großen Finanzprobleme des Landes, die wir ja alle kennen - die Finger weg von all denjenigen Haushaltstiteln, die Eltern und ihre Kinder entlasten, und erst recht von all jenen, bei denen es sich um Bildung und Ausbildung unserer Kinder handelt. Aber in dem Haushaltsplanentwurf wird genau das Gegenteil getan. Da wird zusammengestrichen, was der Rotstift so hergibt. Der Ansatz für Lernmittel wird um mehr als die Hälfte reduziert, und das auch noch planlos und ohne irgendein Konzept. Im Haushaltsplanentwurf steht nur die nichtssagende Erläuterung: „Es ist beabsichtigt, die allgemeine Lernmittelfreiheit mit Wirkung zum 01.08.2004 aufzuheben. Durch Gesetzesänderung wird sichergestellt, dass bedürftige Personenkreise weiterhin an einem eingeschränkten Auswahlverfahren teilnehmen können.“
Was heißt das denn eigentlich konkret, Herr Busemann? - Legen Sie doch einmal Ihr Konzept vor. Es grassieren inzwischen die unterschiedlichsten Varianten. Eine Variante ist, dass mit den verbliebenen Haushaltsmitteln die Mittel im Rahmen des kommunalen Finanzausgleichs aufgestockt werden, damit die Kommunen dann den Sozialhilfeempfängern die Lernmittel bezahlen können.
Eine andere Variante besteht darin, dass die Schulbücher weiterhin bei den Schulen ausgeliehen werden können, dass die Eltern dann allerdings eine Leihgebühr von - so heißt es im Augenblick – 30 Euro bezahlen müssen. Damit wäre diese Leihgebühr höher als in öffentlichen Bibliotheken.
Warum sagen Sie den Eltern eigentlich nicht, was Sache ist? - Auf Nachfrage im Kultusministerium hieß es, Sie, Herr Kultusminister, warteten darauf,
dass von den Betroffenen pfiffige Ideen dazu kämen, wie es denn nun bei den Lernmitteln weiter gehen solle. Haben Sie als Kultusminister bzw. das Kultusministerium selbst keine pfiffigen Ideen? Wollen Sie Ihre eigene Einfallslosigkeit und mangelnde Konfliktbereitschaft damit überdecken, dass Sie diese scheinbar demokratische Verfahrensweise vorschlagen? - Stellen Sie uns doch heute hier Ihre eigenen Ideen vor; dann können wir darüber diskutieren.
Sie haben konkrete Kürzungen bei den Lernmitteln vorgeschlagen. Im Haushalt soll die konkrete Summe von 9,7 Millionen Euro bleiben. Was haben Sie sich dabei gedacht? Warum sind es nicht 10,4 Millionen Euro oder 8,9 Millionen Euro? Wenn Sie so konkrete Zahlen nennen, dann müssen Sie doch ein Konzept haben. Wenn Sie verantwortungsbewusst mit dem Thema Lernmittelfreiheit umgehen würden, hätten Sie erst ein Konzept entwickelt und dann die sich daraus möglicherweise ergebenden Konsequenzen für den Haushalt gezogen. Sie machen es genau umgekehrt: Sie kürzen erst und denken dann nach.
Am Dienstag gab es eine Veranstaltung des Börsenvereins. Da wurden der angeblich so hohe Verwaltungsaufwand der Lernmittelfreiheit und die Kosten moniert, die angeblich durch Anrechnungsstunden entstehen würden. Dazu muss man aber wissen, dass nicht eine einzige Anrechnungsstunde zusätzlich für die Lernmittelfreiheit gewährt wurde. Übrigens: Auftraggeber dieser KienbaumStudie waren die Schulbuchverlage. Schulbuchverlage sind, was man verstehen kann, natürlich ausgewiesene Gegner der Lernmittelfreiheit, weil diese nämlich ihre Umsätze und damit ihre Gewinne dramatisch verringert hat.
Doch nun einmal zu einigen inhaltlichen Argumenten gegen die Lernmittelfreiheit, wie Sie von Ihnen immer wieder genannt werden. Da sagen Sie, meine Damen und Herren der Fraktionen von CDU und FDP, es sei angeblich so wichtig, dass die Schülerinnen und Schüler in die Bücher hineinschreiben könnten und die Bücher für spätere Schuljahre zum Nachschlagen behalten. Andererseits wird gesagt, ärmere Familien könnten die Bücher ja secondhand auf den Schulbuchflohmärkten kaufen. Was denn nun? Wenn die Bücher auf den Flohmärkten zum Verkauf angeboten werden, dann stehen sie nicht mehr zum Nachschlagen zur Verfügung, und die Schülerinnen und Schüler dürfen nicht hineinschreiben, weil die Bücher sonst unverkäuflich werden.
Ein weiteres Ihrer Argumente ist, dass die reichen Eltern die Schulbücher selbst zahlen könnten. Sicherlich könnten sie das; das können Sie auch jetzt. Doch statt dass diese Eltern sich auf den Elternabenden großspurig hinstellen und damit protzen, dass sie die Schulbücher ihrer Kinder selbst bezahlen können, sollten diese Eltern das Geld, wenn sie es denn noch übrig haben, den Schulen für Lernmittel, für interessante Bibliotheken, für N21 und andere notwendige Anschaffungen zur Verfügung stellen oder z. B. dem Schulverein spenden.
Man kann sich leicht vorstellen, was passiert, wenn die wohlhabenderen Eltern die Bücher selbst bezahlen müssen. Ihre Politik wird die Kinder aus so genannten bedürftigen Familien stigmatisieren. Ihre Politik führt dazu, dass die Kinder bereits in der ersten Klasse gehässig feststellen können: Ätsch, guck mal, ich habe neue Bücher. Meine Eltern können die Bücher selbst bezahlen, deine aber nicht. - Solche Demütigungen möchten wir von der SPD-Fraktion den Schulkindern ersparen.
- Herr Möllring, auf Ihre Zwischenrufe kann ich gern verzichten. Sie haben natürlich das Geld; Ihre Kinder betrifft das nicht. Aber tausende und Millionen anderer Kinder betrifft es.
Außerdem stellt sich die Frage, wer eigentlich definiert, wer zu dem bedürftigen Personenkreis gehört und wer nicht. Haben denn etwa nur solche Eltern, die Sozialhilfe erhalten, Schwierigkeiten, das zu finanzieren, was ihre Kinder im täglichen Leben brauchen? Wissen wir nicht alle, dass das so gar nicht stimmt? - Viele Eltern, besonders die mit mehreren Kindern, deren Verdienst knapp über dem Sozialhilfeniveau liegt, haben gleichwohl große Probleme, die Miete, die Ernährung ihrer Kinder und auch noch all das zu bezahlen, was die Kinder sonst noch brauchen: Füller, Arbeitshefte, Farben, Bastelmaterialien, Geld für Klassenfahrten und Schwimmbadbesuche und was so alles anfällt. Schon heute trägt das Land Niedersachsen nur 60 % der Kosten für Lernmittel. Alles andere müssen die Eltern selbst bezahlen. So sieht die Realität in Niedersachsen aus.
Wollen Sie denn wirklich, meine Damen und Herren der Fraktionen von CDU und FDP, dass sich diese Eltern outen müssen, zum Sozialamt oder zur Schule gehen und bitte bitte machen müssen, damit
sie ihren Kindern die Schulbücher bezahlen können? - Wir wollen diese Entwicklung für unsere Eltern und unsere Kinder nicht. Deswegen sind wir für die Beibehaltung der Lernmittelfreiheit.
Frau von der Leyen - sie ist jetzt leider nicht da hat ja Recht. Wir müssen unsere Eltern entlasten und dürfen sie nicht belasten.
Lassen Sie von der CDU-Fraktion - auch Sie, Frau Körtner; reden Sie nicht immer dazwischen - Ihren Reden endlich einmal Taten folgen und tun Sie etwas für unsere Familien und unsere Kinder.