Für mich ist es schlechterdings nicht vorstellbar, dass der Wirtschaftsminister dieses Landes, der behauptet, mit den Bundesbehörden aufs Engste zusammenzuarbeiten, nicht über die absoluten Zahlen im Zusammenhang mit illegaler Beschäftigung und Lohndumping Bescheid weiß. Es kann nicht sein, dass er das Parlament nicht über die Zahlen und die Entwicklung in diesem Bereich informieren könne, weil er nicht zuständig sei. Ich
würde sagen: Wenn er so agiert, nimmt er sein Amt nicht wahr. Der Minister ist diesbezüglich für das Land verantwortlich und muss im Parlament Rede und Antwort stehen. Er muss sich, wenn ihm eine solche Anfrage vorliegt, die Zahlen beim Bund besorgen, der laut seiner Darstellung zuständig ist.
Da der Wirtschaftsminister die Antwort verweigert, frage ich nunmehr die Justizministerin. Sie hat gesagt, dass das Niveau zwar nach wie vor hoch sei, dass sich die Anzahl der Fälle aber um 300 verringert habe. Wie viele Fälle gab es in den letzten drei Jahren? Wir möchten absolute Zahlen hören. Die Angabe des Ministers, dass in Niedersachsen 0,5 % der Fälle ruchbar geworden sind, reicht uns nicht.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu der Anzahl der Ermittlungsverfahren wird die Justizministerin gleich etwas sagen.
Herr Hagenah, auch wenn Sie hier noch so eine Dramaturgie aufbauen: Die Zahlen, die uns vorliegen, resultieren aus einer - im Übrigen tadellosen Zusammenarbeit mit den Bundesbehörden. Das hat der Zoll in einem Schreiben vom 10. Juli deutlich gemacht. Dort steht, dass es vermehrt Spontanprüfungen gibt, dass die Prüfungen insbesondere im Bundesland Niedersachsen stattfinden und dass er bereit ist, verstärkt Prüfungen in diesem Zusammenhang durchzuführen. Auf Seite 3 dieses Schreibens steht wörtlich, dass der gerichtsverwertbare Beweis dieser unerlaubten Arbeitnehmerüberlassungen meist sehr schwierig sei; die Vertragsgestaltung sei in der Papierform nahezu unangreifbar. - Wir haben also die Bestätigung dieser Behörde, dass sie dafür zuständig ist und zuständig bleiben will.
Die Zahlen, die ich genannt habe, und die Tatsache, dass ich einige Zahlen nicht nennen kann, beruhen ausschließlich auf der Information des Bundes. Herr Hagenah, Sie dürfen sicher sein, dass wir uns um die Zahlen bemüht haben, weil wir uns nämlich nicht gerne solch bösartigen Unterstellungen aussetzen. Es ist uns aber nicht gelungen, die entsprechenden Informationen zu erhalten. Da hilft auch Ihr dreimaliges Nachfragen nicht
weiter; wenn keine Zahlen vorliegen, kann ich mir schließlich auch keine aus den Fingern saugen. Das Problem ist, dass die Erstellung von Statistiken sehr lange dauert. Das bietet Ihnen zwar die Chance für eine unfaire Oppositionsarbeit. Unsere Auskunft muss aber auf Fakten und nicht auf Vermutungen basieren.
Herr Hagenah, Ihre Frage ermöglicht es mir, die absoluten Zahlen aus der Strafverfolgungsstatistik in Niedersachsen darzulegen. Ich muss dazu sagen, dass das unsere eigene Statistik ist. Statistische Zahlen in Bezug auf den Bund haben wir nicht.
Wir haben im Jahre 2003 1 273 Verfahren, im Jahre 2004 1 531, im Jahre 2005 1 533 und im Jahre 2006 1 204 Strafverfahren gehabt. Daher rührt die Äußerung, dass wir in der Strafverfolgungsstatistik einen Rückgang von 329 Verfahren in diesem Bereich registriert haben.
Ich darf noch einmal darauf hinweisen, dass unsere größten Probleme in der Ermittlungsarbeit liegen, weil es sich da um nicht leicht zu durchschauenden Strukturen handelt. An dieser Stelle würde uns die Möglichkeit der Telekommunikationsüberwachung sehr viel weiterhelfen.
Ich darf gleich daran anschließen. Es wird immer wieder darauf verwiesen, dass es schwierig ist, die Beweisführung gerichtsfest zu machen. Sie fordern in dem Zusammenhang die Telefonüberwachung. Aber die gibt es doch, oder etwa nicht? Ich finde aber, wir haben viel bessere Möglichkeiten. Deswegen verwirrt mich immer wieder der Hinweis auf eine angeblich ausschließliche Bundeszuständigkeit.
In den Fleisch verarbeitenden Betrieben sind täglich, man kann fast sagen: rund um die Uhr, niedersächsische Amtsveterinäre im Einsatz, die die Arbeit dort kontrollieren. Warum gibt es keine Strategie, diese Amtspersonen in die Bekämpfung dieser menschenunwürdigen Arbeitsverhältnisse einzubinden, sodass man solche Missstände beweisen kann?
Herr Präsident! Herr Kollege Klein, es ist in der Tat so, dass wir auf der Veterinärebene eine sehr gute Überwachung der Betriebe haben. Die Zuständigkeit für die Kontrolle der Arbeitsbedingungen liegt aber nun einmal woanders. Die Kontrolle des Gesundheitszustands und der Hygiene ist das eine. Die Kontrolle der Einhaltung der arbeitsrechtlichen Vorschriften ist dagegen etwas ganz anderes. Die Zuständigkeiten sind klar geregelt. Ich warne davor, beide Zuständigkeiten miteinander zu vermengen. - Danke.
Herr Präsident! Sehr verehrte Frau Justizministerin, Sie haben vorhin darauf hingewiesen, dass es im letzten Jahr 1 204 Strafverfahren gegeben hat. In Ihrer ersten Antwort haben Sie erwähnt, dass Sie von einer Staatsanwaltschaft eine Personalbedarfsanmeldung bekommen haben, damit diese ihre Ermittlungsarbeit besser bewältigen kann. So habe ich Sie jedenfalls verstanden.
Wir müssen feststellen, dass von diesem Missstand, dass nämlich menschenunwürdige Stundenlöhne zwischen 1 und 3 Euro gezahlt werden, nicht nur das Fleisch verarbeitende Gewerbe betroffen ist, sondern dass er sich auch auf weitere Branchen ausweitet, z. B. auf die Kunststoffindustrie, die Torfverarbeitung und ähnliche Bereiche.
Branchen Lohnwucher normal wird und reguläre Beschäftigungsverhältnisse mehr und mehr zurückgedrängt werden? Ich glaube, eine der Maßnahmen könnte darin bestehen, die Ermittlungsbehörden zu stärken, um die Landesaufgabe in diesem Bereich stärker wahrzunehmen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die zweite Frage richtete sich an mich. Ich sage es noch einmal: Für das Arbeitsrecht ist die Bundesregierung zuständig. Diese Diskussion wird dort auch geführt. Die Landesregierung hat in dem Zusammenhang keine eigenen Kompetenzen. Das mag man bedauern. Aber im Rahmen der Föderalismusdiskussion ist es als richtig empfunden worden - und ich teile diese Ansicht -, dass es im Bundesgebiet ein einheitliches Arbeitsrecht geben muss. Insofern werden die Dinge an dieser Stelle auch nicht verändert.
Weil das Thema mit einer Diskussion hier im Parlament keineswegs erledigt sein wird, werden wir uns mit dem Bund - und zwar nicht nur mit der Zollverwaltung, sondern auch mit der Spitze des Bundesfinanzministeriums - darüber austauschen, ob wir hier auf andere Art und Weise vorgehen können. Mir erscheint es wichtig, diese Lücke zwischen Vermutungen, die an die Öffentlichkeit gebracht werden, und dem, was man beweisen kann, zumindest etwas enger zu fassen.
Meine Damen und Herren, die Justizministerin hat aus ihrer Sicht schon auf ein, wenn auch sensibles Instrument, nämlich die Telefonüberwachung, hingewiesen. Auch dafür müsste es aber einen konkreten Anhaltspunkt geben. Ansonsten könnte ich Ihnen, Herr Hagenah, ja unterstellen, dass Sie sich hier plötzlich für die Rasterfahndung einsetzen. Das kann es aber nicht sein. Wir müssen darauf achten, dass die rechtlichen Instrumente, deren Anwendung wir in Teilbereichen der Gesellschaft für richtig erachten, generell zulässig sind. Andernfalls müssten wir anlassbezogen eine andere Regelung schaffen. Die Möglichkeit dazu hätten wir durchaus.
Zu der Personalausstattung möchte ich Ihnen Folgendes sagen: Wir haben bei den Staatsanwaltschaften im Jahre 2005 425 Arbeitskraftanteile gehabt. Im Jahre 2006 lagen sie bei 437. Insofern sind die Staatsanwaltschaften dort personell durchaus anders aufgestellt.
Wie die Arbeitskraftanteile in den OLG-Bezirken verteilt werden, ist allerdings Sache des Geschäftsbereichs und nicht des Justizministeriums. Das Justizministerium ist für die Bereitstellung von Personal für das gesamte Land zuständig. Die Arbeitskraftanteile werden dann auf die einzelnen OLG-Bezirke heruntergebrochen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Aufgabe der Veterinäre ist es, das ankommende lebende Vieh zu beurteilen und das Lebensmittel Fleisch in der Produktion weiter im Auge zu behalten. Vor dem Hintergrund ist eine Frage wichtig: Gibt es anhand der arbeitsrechtlichen Bedenken und der humanen Gesichtspunkte, über die wir hier diskutieren, Besorgnisse in Bezug auf die Lebensmittelsicherheit?
Herr Präsident! Herr Kollege Biestmann, es ist nicht nachzuweisen, dass die Hygiene dann, wenn nicht deutsche Arbeitnehmer an den Schlachtbändern oder an den Verarbeitungsmaschinen stehen, schlechter ist, als wenn deutsche Arbeitnehmer
dort stehen. Ich fände es auch sehr gefährlich, in eine solche Diskussion einzusteigen. Unsere Prüfungsprotokolle weisen nicht mehr Auffälligkeiten auf, wenn osteuropäische Arbeitnehmer an den Arbeitsplätzen sind.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst eine Vorbemerkung zu den Äußerungen von Herrn Hoppenbrock, der uns im Grunde genommen vorgeworfen hat, dass wir als SPD-Landtagsfraktion das Thema auf die Tagesordnung gesetzt haben. Es hatte natürlich einen Hintergrund, dass wir das Thema auf die Tagesordnung gesetzt haben. Wir mussten feststellen, dass die Landesregierung in den letzten zwei Jahren offensichtlich untätig geblieben ist und sich die Situation auf hohem Niveau stabilisiert hat.
Mich macht auch die sehr beschwichtigende Haltung von Minister Hirche betroffen, der hier ständig die Worte „Man bewegt sich im Bereich der Vermutungen“ benutzt. Die Äußerung von Frau Ministerin Heister-Neumann hat gezeigt, dass die Anzahl der Ermittlungen so erheblich ist, dass man nicht davon reden kann, wir hätten in Niedersachsen kein Problem; vielmehr haben wir hier offensichtlich Handlungsbedarf.
Jetzt komme ich zu meiner Frage. Vor dem Hintergrund der Erkenntnisse in der Fleisch verarbeitenden Industrie in Niedersachsen und der Äußerungen, die wir im Wirtschaftsausschuss über die unterschiedlichen Lohnverhältnisse gehört haben - beispielsweise werden in Dänemark 15 bis 30 Euro pro Stunde bezahlt, während wir bei 1 bis 3 Euro liegen -, frage ich die Landesregierung, ob sie für einen Mindestlohn im Bereich der Fleisch verarbeitenden Industrie ist.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich muss noch eine Bemerkung zu meiner vorigen Aussage machen. Im Zusammenhang mit der Telefonüberwachung habe ich mir sagen lassen, dass es sich hier nicht um ein sogenanntes Katalogdelikt handelt. Der Katalog, der auf Bundesebene festgelegt worden ist, müsste erweitert werden, wenn das in Rede stehende Delikt zu einem Katalogdelikt werden soll. Hier müsste also die Diskussion weitergehen.
Ich weise zurück, dass die Landesregierung in den letzten Jahren untätig gewesen sei, Frau Hartmann. Wir haben in den Teilbereichen, für die wir zuständig sind, also Arbeitsschutz und, wie der Kollege Ehlen ausgeführt hat, auch im Hygienebereich, in vollem Umfang gehandelt und sind allem nachgegangen. Die Fälle, die Sie ansprechen, gehören in den Bereich illegale Beschäftigung und Lohndumping. Dies ist aufgrund unserer föderalen Arbeitsteilung eine Angelegenheit des Bundes. Auf Bundesebene führen wir die Diskussion darüber, ob durch die Aufnahme der Branche in das Arbeitnehmer-Entsendegesetz eine Verbesserung erreicht werden kann. Hier besteht im Augenblick allerdings die Schwierigkeit, dass es keine bundesweiten Tarifverträge gibt.
Deswegen muss die Diskussion weitergehen, wie wir diese Missstände beseitigen können. Dies ist ein so ernstes Thema, dass es - dessen bin ich mir sicher - uns auch über die Regelungen hinaus, die jetzt im Hinblick auf eine Ausweitung der Allgemeinverbindlichkeit in Berlin getroffen worden sind, beschäftigen wird.