Protocol of the Session on July 11, 2007

(Beifall bei der SPD)

Deshalb unterscheiden wir auch sehr sorgfältig. Eine vernünftige Perspektive besteht darin, Herr Hirche, alle Branchen ins Entsendegesetz aufzunehmen. Dazu sind die ersten kleinen Schritte gemacht worden. Dort, wo die gewerkschaftliche Macht und auch der Organisationsgrad der Unternehmen - in diesem Punkt stimme ich Ihnen ausdrücklich zu - nicht ausreichen, tarifvertragsfähig zu sein, ist es eine gesellschaftliche Aufgabe, soziale Grundnormen auch für die Entlohnung zu schaffen. Dafür streiten wir.

(Starker Beifall bei der SPD - Zustim- mung von Stefan Wenzel [GRÜNE])

Danke schön. - Für die CDU-Fraktion hat Herr Kollege McAllister das Wort. Auch er erhält drei Minuten zusätzliche Redezeit.

Verehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der von der Großen Koalition gefundene Kompromiss zum Mindestlohn ist unter den gegebenen Umständen ein guter Kompromiss. Die Rolle der Tarifpartner wird gestärkt, und die Löhne werden auch weiterhin marktgerecht zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern ausgehandelt. Die Tatsache, dass die Tarifpartner im Elektrohandwerk gerade die Weichen für die Einführung eines branchenweiten Mindestlohns stellen, beweist, dass der im Berliner Koalitionsaus

schuss gefundene Kompromiss praxistauglich ist. Es gibt daher überhaupt keinen vernünftigen Grund, über das hinauszugehen, was die Bundesregierung jetzt vorgelegt hat.

Herr Jüttner, Sie müssen sich natürlich schon die Frage gefallen lassen, warum Sie nicht in Ihrer Regierungszeit, als Sie von 1998 bis 2005 zusammen mit den Grünen regiert haben, den gesetzlichen Mindestlohn eingeführt haben. Sie wissen ganz genau, warum.

(Beifall bei der CDU)

Wenn, wie die Welt schreibt, das Institut für Wirtschaftsforschung in Halle und das Ifo-Institut in Dresden sagen, dass die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns bis zu 680 000 Arbeitsplätze in Deutschland kostet, dann darf uns dies nicht unberührt lassen, sondern dann müssen wir sehr aufpassen, dass nicht etwas Gutgemeintes zu etwas Schlechtem wird.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ich bleibe auch dabei, dass wir Christdemokraten uns für die Tarifautonomie einsetzen. Gerade die Lohnverhandlungen stellen eine klassische Aufgabe für Arbeitnehmer und Arbeitgeber dar.

Noch etwas, Herr Jüttner: Sie wollen den Mindestlohn zum Wahlkampfthema in Niedersachsen machen. Sie sollten spätestens aus dem Bremer Wahlergebnis gelernt haben, dass man die Linkspartei bekämpft, indem man sich klar von ihr absetzt, aber nicht, indem man ihre Parolen nachplappert. Diesen Kampf werden Sie immer verlieren.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Schließlich habe ich noch eine Information, die der Landtag erfahren sollte. Herr Kollege Dinkla hat darauf hingewiesen, dass die Sekretärinnen in der SPD-Bundestagsfraktion zum Teil unter dem für die Zeitarbeit geltenden Mindestlohn von 6,70 Euro bezahlt wurden. Ich habe die Ausschreibung einer Praktikumsstelle - Herr Jüttner, das geht Sie an bei der SPD-Fraktion im Niedersächsischen Landtag gefunden. Der Praktikant soll ein Buch zum Thema „60 Jahre demokratisches Niedersachsen“ erstellen: Zeitraum der Beschäftigung drei Wochen, Wochenarbeitszeit 38,5 Stunden, also insgesamt 115,5 Stunden Arbeitszeit. Die Entschädigung für diese Arbeit beträgt 300 Euro. Das sind 2,59 Euro in der Stunde.

Herr Jüttner, Sie sollten sich was schämen!

(Starker, anhaltender Beifall bei der CDU und bei der FDP - Zurufe von der SPD - Gegenrufe von der CDU)

Danke schön. - Der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen erteile ich eine zusätzliche Redezeit von zwei Minuten. Herr Kollege Hagenah, Sie haben jetzt das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Jetzt wäre natürlich interessant zu hören, wie Praktikanten in der CDU-Fraktion bezahlt werden.

(David McAllister [CDU]: Wir machen es ja nicht zum Thema!)

Das mit dem Auskommen von Praktikantinnen und Praktikanten im sogenannten Prekariat ist aber eine bundesweite Erscheinung.

(David McAllister [CDU]: Reden und Handeln!)

Insgesamt ist festzustellen, dass die Wirtschaft einen Hang dazu hat, immer mehr Praktikanten anzunehmen, ohne sie gerecht zu entlohnen.

(David McAllister [CDU]: Reden und Handeln!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich komme auf Herrn Minister Hirche zurück, der in seiner Rede die Mindestlohndebatte in die Nähe eines Dirigismus zu Kaisers oder der Nazis Zeiten gerückt hat.

(Zuruf von Minister Walter Hirche)

- Das war ein Zitat aus Ihrer Rede; das sollten Sie einmal nachlesen. Ich war sehr überrascht, dass Sie die in Frankreich und England geltenden Mindestlöhne bis auf mögliche totalitäre Systeme in diesen Ländern zurückdatieren. Oder wie sind diese Länder nach Ihrer Auffassung zu den Mindestlöhnen gekommen?

Außerdem muss ich dem widersprechen, was hier hinsichtlich theoretischer Erörterungen von einigen Wirtschaftsforschungsinstituten geäußert wird. Die Praxis spricht gegen die Argumente dieser Wirt

schaftsforschungsinstitute; der Arbeitsmarkt in Frankreich und in England ist derzeit noch besser als der in der Bundesrepublik. Sie sind uns bislang den Beweis schuldig geblieben, wieso es bei uns schlechter werden sollte, wenn wir einen Mindestlohn einführen, als es in diesen Ländern ist. Die Praxis ist mit Ihrer Theorie nicht deckungsgleich.

Nun zu dem Zitat von Herrn Schmoldt, auf das sich Herr Minister Hirche berufen hat; das interessiert vielleicht auch die CDU-Fraktion. In diesem Artikel geht Herr Schmoldt auch sehr deutlich auf die vom Ministerpräsidenten immer wieder getätigte Aussage ein, gegen sittenwidrige Löhne einstehen zu wollen.

Herr Hagenah, noch einen letzten Satz.

In diesem Interview ist Herr Schmoldt ganz klar gegen gesetzliche Regelungen in Bezug auf sittenwidrige Löhne, also gegen die Vorschläge der CDU, zu Felde gezogen. Bei diesem Thema kann sich niemand in diesem Hause auf diesen Gewerkschaftsführer berufen. - Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Danke schön. - Für die FDP-Fraktion hat Herr Kollege Hermann das Wort. Er hat ebenfalls zwei Minuten Redezeit.

Frau Präsidentin! Verehrte Damen, meine Herren! Herr Hagenah, weil Sie eben gesagt haben, dass die Unternehmen einen Hang zum Praktikum hätten, also wieder die Unternehmen als die vermeintlich Bösen dargestellt haben, erinnere ich Sie daran, dass ein Praktikum dazu da ist, dass beide Seiten lernen.

(Enno Hagenah [GRÜNE]: Das hat McAllister eingeführt, nicht ich!)

- Moment, ich habe nicht vom Geld gesprochen, sondern ich rede vom Praktikum. Ich habe es so empfunden, dass Sie zynisch gesagt haben, die Unternehmen hätten einen Hang zum Praktikum. Es klang so, als seien die Unternehmen ganz bö

se. Bitte lassen Sie dies einfach sein und haben Sie mehr Vertrauen zu den Unternehmen!

Herr Jüttner, Sie stammen ja aus der Gewerkschaftsbewegung, und das ist gut so. Aber ich frage mich, warum Sie es jetzt zulassen, dass durch die Einführung des Mindestlohns die Gewerkschaften alles abgeben, und den Staat als Tarifpartner einsetzen wollen.

(David McAllister [CDU]: Ja, der will die Gewerkschaften entmachten! Das ist doch unglaublich! Jüttner will die Gewerkschaften entmachten! Das ist die Überschrift!)

Ich frage mich, warum Sie den Staat als Tarifpartner haben wollen. Hier sollten Sie ganz vorne in der Bewegung sein und darauf bestehen: Tarifpartner sind die Gewerkschaften und die Arbeitgeber.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Danke schön. - Zu einer Kurzintervention erteile ich Herrn Kollegen Möhrmann von der SPD-Fraktion das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn ein FDP-Politiker von dieser Stelle aus über Tarifautonomie redet und dabei völlig ausblendet, dass die FDP keine Chance auslässt, die Gewerkschaften zu schwächen, dann muss ich schon sagen, Herr Hermann: So sollten wir nicht miteinander diskutieren. Wenn Sie wirklich wollen, dass die Tarifautonomie durchsetzungsfähig ist, dann müssen Sie auch dafür sorgen, dass Gewerkschaften sich entwickeln können. Wir alle haben erlebt, warum dies an einer Stelle nicht ging.

Nun zu Herrn McAllister. Herr McAllister, es gibt Ausbildungs- und Studiengänge, bei denen eine gewisse Berufserfahrung nachgewiesen werden muss. Solche Praktika werden normalerweise überhaupt nicht entlohnt. Ich nehme an, in der CDU-Fraktion gibt es dafür gar nichts. Wir hingegen haben beschlossen, zumindest eine Aufwandsentschädigung zu zahlen. Dies als Beispiel für das Unterlaufen der Forderung nach einem Mindestlohn anzuführen, ist eine Unverschämtheit. Das lassen wir uns nicht bieten.

(Lebhafter Beifall bei der SPD)

Herr Kollege Möhrmann, da Sie „nun zu Herrn McAllister“ gesagt haben, möchte ich Sie darauf hinweisen, dass sich Ihre Kurzintervention auf den Herrn Kollegen Hermann bezieht.

Natürlich, Frau Präsidentin. Ich beziehe mich immer auch auf den Kollegen Hermann.

(Dr. Philipp Rösler [FDP]: Das haben wir gemerkt!)

Was Ihre Ausführungen zur SPD-Bundestagsfraktion und der von ihr beauftragten Zeitarbeitsfirma angeht, so wurde der Vertrag zu dem Zeitpunkt, zu dem die Dinge bekannt wurden, gekündigt. Dass Sie das so darstellen, als sei eine solche Zeitarbeitsfirma bewusst beauftragt worden, lassen wir uns nicht gefallen.

(Lebhafter Beifall bei der SPD)

Herr Kollege Hermann, möchten Sie antworten?