Protocol of the Session on June 7, 2007

Ihre Fähigkeiten und ihr Wissen gehen größtenteils viel zu früh verloren. Hier müssen wir ansetzen und durch Fortbildungsmaßnahmen, Weiterbildung und Umschulung das Potenzial nutzen.

Auch der Staat muss aber mit gutem Beispiel vorangehen. Das Argument der Opposition, Ältere müssten früh in Rente gehen, um Platz für Jüngere zu schaffen, spielt die Altersgruppen unverantwortlich gegeneinander aus. Wir müssen die Älteren verstärkt in reguläre Beschäftigung bringen und die Beschäftigungsquote mindestens auf OECD-Niveau bringen. Angesichts des demografischen Wandels ist dies dringend erforderlich. Der von uns vorgelegte Antrag leistet dazu einen wichtigen Beitrag. Wir wollen mit unserem Antrag das genaue Gegenteil von dem erreichen, was Sie erreichen wollen. Wir wollen nämlich das Wissen und die Erfahrung der Älteren länger nutzen und an junge Menschen weitergeben. Dies trägt auch dazu bei, Fachkräfte aufzubauen. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Jetzt hat Herr Hagenah von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Hoppenbrock, die junge Kollegin Hartmann hat Ihnen die Ohren schon ganz schön lang gezogen. Ich fand es sehr char

mant, aber auch treffend, wie sie es getan hat. In Ihrem Redebeitrag, in dem Sie sich im Wesentlichen einiger Auszüge aus den Reden der Opposition aus der Einbringungsdiskussion bedient haben, haben Sie allzu viel von der tatsächlich vernichtenden Kritik an Ihrem Antrag weggelassen.

(Unruhe)

Herr Hagenah, warten Sie einen Augenblick, bis erstens die Gespräche auf der Regierungsbank und zweitens die Gespräche hier Raum leiser werden. - Ich meine das ernst, Herr McAllister.

(Zustimmung von der SPD)

Jetzt können Sie fortfahren.

Sie haben schlicht und einfach zu viel von dem weggelassen, was sowohl vonseiten der SPD als auch von uns Grünen Ihrem Antrag entgegengehalten wurde. Es reicht eben nicht, das von allen unterstützte Ziel, Arbeitnehmer über 50 Jahre stärker am Aufschwung zu beteiligen und wieder stärker in Arbeit zu bringen, als Titel über einen Antrag zu stellen. Wir werden Ihrem NiedersachsenKombi selbst dann nicht zustimmen, wenn Sie ihn mit noch so vielen Rosen und lyrischen Formulierungen versehen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Ein nicht funktionierendes Instrument wird auch mit solchem Beiwerk nicht unsere Unterstützung finden. Darauf fallen wir nicht herein. Deswegen können wir auch Ihren anderen Anlehnungen an Initiativen der Bundesregierung oder an Anträge der Grünen, die in dieses Rankwerk um den Niedersachsen-Kombi eingestreut sind, der hier noch einmal zur Abstimmung gestellt wird, nicht zustimmen, weil sie nicht der wesentliche Inhalt des Antrages sind.

Das, was wesentlicher Inhalt ist, bleibt nur locker und ohne Finanzierungsinstrument genannt. Ein Gipfel, ein Pakt, eine Mottoerfindung - die werfen sie jetzt neu auf den Markt. Damit wollen Sie offensichtlich im Herbst im Wahlkampf Ihren bisher geübten Anscheinserweckungen eine paar neue hinzufügen; denn Sie werden bis zum Wahltermin Ende Januar nicht belegen müssen, ob das etwas

bringt. Insofern glaube ich, dass Sie diesen Antrag - genauso wie einige vorangegangene - schnell zu den Akten legen und mit uns gemeinsam bei konstruktiven, tatsächlich substanziellen Hilfen für Arbeitnehmer über 50 an einem Strang ziehen sollten. Der nächste Antrag, der hier zur Diskussion steht, bietet Ihnen gleich die Möglichkeit dazu. Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der SPD)

Jetzt spricht Herr Minister Hirche zu diesem Thema.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Eigentlich ist es über die Parteigrenzen hinweg unbestritten, dass wir etwas für die Älteren über 50 tun müssen.

(Erhard Wolfkühler [SPD]: Das finde ich auch!)

Die Frage ist, auf welche Art und Weise das geschehen soll. Da kann man natürlich Riesenprogramme machen und sagen „Wenn das und das nicht drin ist, dann lehnen wir alles andere ab“. So verfahren die Grünen und die SPD heute.

Es liegt ein guter Antrag auf dem Tisch, und Sie zieren sich, dem Antrag zuzustimmen, weil bestimmte andere Elemente nicht darin enthalten sind. Aber was sind das für Elemente, die Sie in der Vergangenheit verwendet haben? - Da gibt es einen politischen Dissens - Thema Frühverrentung -, ob das nicht zulasten des Mittelstandes im ganzen Lande gegangen ist, ob das die Sozialkosten nicht nach oben getrieben hat und damit Tausende von Arbeitsplätzen im Lande vernichtet hat. Es gibt die Auseinandersetzung, die die SPD Niedersachsen sozusagen als „Jüttner gegen Müntefering“ betreibt, nämlich die Rente mit 67 abzulehnen und damit der Bundesregierung besonderen Ärger in diesem Zusammenhang zu bereiten.

Meine Damen und Herren, wir haben das Thema Kombilohn. Die Niedersächsische Landesregierung hat ihn vor eineinhalb Jahren eingeführt. Damals hat die SPD gesagt: Das brauchen wir nicht. Das machen wir alles in Berlin. Das machen wir besser. - Meine Damen und Herren, anderthalb

Jahre später oder mindestens ein Jahr später: Null aus Berlin! Nichts! - Müntefering steht also für eine Nullnummer in diesem Zusammenhang. Wir haben das auch in anderen Bereichen erlebt.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Meine Damen und Herren, natürlich können Sie sagen, dass die etwas mehr als 2 000 Arbeitsplätze, die geschaffen worden sind, nicht das Gelbe vom Ei seien. Wir haben auch nie behauptet, das sei die Patentlösung. Aber es muss an dieser Stelle ganz viele Lösungen geben. Wir brauchen insgesamt einen Paradigmenwechsel, und zwar nicht nur in der Politik, sondern natürlich auch in den Personalabteilungen der Unternehmen.

Der Kollege Hoppenbrock hat schon zum Anfang darauf hingewiesen, dass die Fraktionen der CDU und der FDP die Landesregierung ermutigen, mit dem Qualifizierungsgipfel für Beschäftigte mit Erfahrung einen Schritt zu machen. Meine Damen und Herren, dagegen kann sich doch niemand vernünftigerweise wenden. Frau Hartmann, Sie können vielleicht hinterher sagen, dass der Gipfel nicht genug gebracht hat. Aber die Vorbereitung eines solchen Gesprächs

(Swantje Hartmann [SPD]: Fangen Sie doch einmal an zu arbeiten!)

mit den Arbeitgebern und mit den Gewerkschaften ist doch eine vernünftige Sache! Wenn Sie einmal auf Ihre Regierungszeit zurückschauen, dann wird deutlich, dass man immer versucht hat - ich halte das auch für die Zukunft für einen wichtigen Punkt -, offene Fragen mit den Betroffenen in der Gesellschaft gemeinsam zu erörtern.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Meine Damen und Herren, es geht auf diesem Qualifizierungsgipfel z. B. darum, ein eigenes Landesprogramm zu diskutieren, sich also sehr konkret darüber zu unterhalten, was wir dazu machen. Dazu werden noch entsprechende Arbeitspapiere vorgelegt.

Ich bitte doch sehr herzlich, nicht einfach zu sagen, das sei alles nichts, weil der Antrag nicht von Ihnen kommt. Sie werden noch erleben, dass dieser Vorstoß - Qualifizierungsgipfel für Ältere - auch von SPD-regierten Ländern aufgenommen wird, dann von der Bundesregierung aufgenommen wird, und dann ist es natürlich etwas ganz anderes, meine Damen und Herren.

Frau Hartmann, ich hoffe sehr, dass sich die SPDFraktion und auch die Grünen das alles noch einmal überlegen, sodass sie am Ende bei einem Thema mitmachen können und werden, das uns alle beschäftigen muss: Mehr Arbeitsplatzchancen für ältere Arbeitnehmer!

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor.

Ich schließe die Beratungen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Wer der Beschlussempfehlung des Ausschusses zustimmen möchte, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? Das erste war die Mehrheit.

Wir kommen jetzt zum

Tagesordnungspunkt 29: Erste Beratung: Programm zur Finanzierung von Arbeit statt Arbeitslosigkeit - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 15/3803

Zur Einbringung hat sich Herr Hagenah von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen gemeldet.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Arbeitslosenzahlen sind erstmals niedriger als vor der Arbeitsmarktreform Hartz IV. Sprudelnde Steuereinnahmen, stabile Konjunkturlage, dazu ein milder Winter und ein warmer April die Rahmendaten sind so günstig wie schon lange nicht mehr.

Wir Grünen sind der Meinung, dass wir diesen Schwung nutzen müssen, um auf dem Arbeitsmarkt für diejenigen eine Perspektive zu schaffen, die offensichtlich am wenigsten vom allgemeinen Aufschwung profitieren, nämlich für die Langzeitarbeitslosen, und zwar für die über 50 genauso wie für die unter 50.

Wir legen heute einen Antrag vor, der für diese Personengruppe eine Förderung entwickelt, wie sie bereits auch auf Bundesebene und in einigen anderen Bundesländern diskutiert wird. Der Ansatz

ist, Arbeit statt Arbeitslosigkeit zu finanzieren, also bestehende Mittel anders einzusetzen und eine Brücke in den ersten Arbeitsmarkt zu schaffen oder zumindest eine längerfristige Beschäftigungsperspektive für diese Personengruppe zu sichern. Das ist bisher mit den überwiegend genutzten Förderinstrumenten des Sozialgesetzbuches II und III noch nicht umfassend gelungen. Das müssen wir hier gemeinsam feststellen. Der Drehtüreffekt, den die Ein-Euro-Jobs haben, frustriert nicht nur die Geförderten. Eine hinreichende Qualifizierung ist während dieser sehr kurzfristigen Beschäftigungsverhältnisse kaum möglich. Damit wird der Wiedereinstieg in eine reguläre Erwerbstätigkeit für diese Personengruppe weiterhin erschwert.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das Ziel, möglichst viele Menschen in Arbeit und Beschäftigung zu bringen, ist nicht nur im Interesse der Entlastung der Sozialsysteme, sondern auch ein sozialpolitisches Anliegen von hohem präventiven und gesellschaftlich integrativen Wert. Kommunal gesteuerte Arbeitsmarktinitiativen, die der Finanzierung öffentlicher und gemeinnütziger Arbeit den Vorrang vor der Finanzierung von Arbeitslosigkeit geben, sind aus unserer Sicht ein Schritt in die richtige Richtung. Ich weiß: Auch die von CDU und FDP geführte Landesregierung hat darüber in den vergangenen zwölf Monaten schon intensiv nachgedacht. Wir wollen mit unserem Antrag jetzt den nötigen Schubs geben, damit wir hier zu einer gemeinsamen Initiative kommen.

Es gilt, Tätigkeitsfelder im Bereich der Kommunen und der kommunalen Infrastruktur zu identifizieren, die im Moment weitgehend unerledigt bleiben und große Lücken im sozialen Geflecht der Städte und Kreise hinterlassen. Ohne wettbewerbsverzerrend zu wirken, können dies Tätigkeiten im Bereich haushaltsnaher Dienstleistungen für ältere Menschen, im Bereich Quartiersmanagement oder Assistenzen in Kindergärten sein. Die Erfüllung dieser Aufgaben ist von hohem Nutzen nicht nur für die potenziellen Beschäftigten, sondern auch für die Gesellschaft, die von der Verbesserung der sozialen Infrastruktur maßgeblich profitiert.

Arbeitsmarktexperten warnen seit Langem vor der Zwei-Klassen-Gesellschaft: auf der einen Seite diejenigen, die nach dem Jobverlust schnell wieder eine neue Stelle finden, auf der anderen Seite die, die nach lang zurückliegender Kündigung kaum noch eine realistische Chance auf einen neuen Arbeitsplatz haben. Von den 120 000 Menschen,

die in Niedersachsen länger als ein Jahr arbeitslos sind, ist bereits jeder Dritte mehr als sechs Jahre nicht mehr sozialversicherungspflichtig beschäftigt gewesen. Daran wird, glaube ich, deutlich, wie sehr die jetzige konjunkturelle Entwicklung auch gerade an dieser Gruppe vorbeigeht und wie sehr sich dort die Langzeitarbeitslosigkeit für eine große Gruppe von Arbeitslosen verfestigt hat. Wir müssen dort unbedingt handeln.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, was das für den Einzelnen heißt, stellt eine dpa-Meldung in der letzten Woche anschaulich dar. Der Sprecher der hannoverschen Arbeitsagentur erklärte:

„Wer keinen richtigen Beruf gelernt hat, ist so gut wie ohne Chance. … Mangelhafte berufliche Qualifikation ist mit Abstand das größte Risiko für Langzeitarbeitslosigkeit.“

Dieses Abstempeln und damit auch Abkoppeln einer so großen Gruppe von Arbeitslosen dürfen wir nicht länger hinnehmen.