In der zweiten Säule soll die jetzige Gewerbesteuer ersetzt werden, meine sehr verehrten Damen und Herren, auch Herr Hagenah, durch ein eigenes Hebesatzrecht für unsere Kommunen.
Ich glaube, das wäre sinnvoll. Jede Kommune könnte dann ihren Steueranteil selber festlegen. Das führt zu mehr Wettbewerb. Da dieser Steueranteil auf der Lohnsteuerkarte mit ausgedruckt werden soll, führt das im Übrigen auch zu mehr Interesse an Kommunalpolitik, weil immer dann, wenn Rot-Grün vor Ort regiert, diese Steuern besonders hoch sind und man ein besonderes Interesse hat, sich auch kommunalpolitisch zu engagieren. Das ist unsere Forderung an dieser Stelle.
Ich bitte Sie ganz offen: Prüfen Sie es doch einfach ganz neutral. Lassen Sie die Argumente auf sich wirken. Hat dieses System Bestand, ja oder nein? Bisher haben Sie sich noch nicht einmal getraut, diesen Vorschlag in Ihre Gemeindefinanzreformkommission aufzunehmen.
geprüft haben, trotz eigener finanzieller Belastung zu sagen: Wenn die Bundesregierung nicht in die Puschen kommt, lassen wir unsere Kommunen nicht im Regen stehen. Sie wird im Bundesrat einen Antrag einbringen, die Gewerbesteuerumlage auf 20 Prozentpunkte zu senken. Das schafft Erleichterung für die Kommunen. Hier zeigt sich sehr deutlich, wer in unserem Lande tatsächlich für die Kommunen steht und wer nicht.
Das kann aber nur der erste Schritt sein. Es gibt viele Gesetze auf Bundesebene - ich erwarte von der Landesregierung, dass sie sich auch im Bundesrat engagiert -, die allesamt unsere Kommunen belasten. Das alles sind Ihre tollen Wohltaten wie Grundsicherung und Unterhaltsvorschussgesetz, um hier nur einige zu nennen. Bei Jugendhilfe sind selbst Ihre eigenen Parteifreunde inzwischen der Meinung: Das war doch ein bisschen zu viel des Guten.
Ich kann Sie nur auffordern: Nehmen Sie Gemeindefinanzreform ernst. Prüfen Sie alle Modelle ganz objektiv. Dann werden Sie zu dem Schluss kommen, dass wir viele Gesetze, die Sie im Rahmen der Verteilung von Wohltaten hier entwickelt haben, endlich abschaffen müssen. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Als Nächster hat sich der Minister für Finanzen zu Wort gemeldet. Herr Möllring, Sie haben das Wort.
Nein, jetzt kommt: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Schmalstieg wird heute in der Zeitung zitiert, dieses Gesetz, das die Bundesregierung vorgelegt hat, sei Murks. Ich weiß nicht, ob das ein parlamentarischer Ausdruck ist,
Bei dem vorgelegten Gesetzentwurf handelt es sich nicht um die Revitalisierung der Gewerbesteuer, sondern um ein Kreislaufsystem. Wir sollen bei den Selbständigen eine Steuer erheben, die Bund und Länder ihnen wieder erstatten,
und dafür sollen sich Bund und Länder bei der Gemeinde die Gewerbesteuerumlage holen. Das heißt, wir drehen ein Geldkarussell, ohne dass bei dem Gesamtgebilde Staat, also bei Kommunen, Land und Bund, auch nur ein Cent mehr bleibt.
Die Folge ist ein ausgesprochen kompliziertes Gesetz, das wir als Länder administrieren müssen. Das heißt, wir müssten 75 000 Gewerbesteuerbescheide neu erstellen und die Gewerbesteuer 75 000 mal bei der Einkommensteuer anrechnen. Wir hätten dadurch 150 000 weitere Vorgänge und damit 150 000 weitere Fehlerquellen bei unseren Finanzämtern. Das ist doch kontraproduktiv.
und, zweitens, den Kommunen einen erhöhten Anteil an der Umsatzsteuer zu geben. Dafür haben wir bereits eine Mehrheit im Bundestag, denn die Grünen haben während des bayerischen Wahlkampfs für die Bundesebene beschlossen, die Kommunen müssten einen höheren Anteil an der Umsatzsteuer bekommen, und wir schlagen vor, den Kommunen einen Anteil an der Einkommenund Körperschaftsteuer zu geben.
Über die notwendigen komplizierten Rechenvorgänge muss natürlich langfristig diskutiert werden, nicht nur in einer Sitzung des Vermittlungsausschusses zwischen dem 24. und 30. November. Mir als Finanzminister wäre natürlich ein eigenes Heberecht der Kommunen am liebsten. Aber wir müssen im Rahmen der Beratungen über ein ausgesprochen kompliziertes Zerlegungsmodell diskutieren, in dem es auch um die Zuständigkeit der Wohnsitzgemeinde oder der Betriebsgemeinde geht.
(Thomas Oppermann [SPD]: Also noch mehr Bürokratie! Noch mehr Fi- nanzbeamte! - Enno Hagenah [GRÜ- NE]: Das ist kein guter Vorschlag!)
Für diese Diskussionen muss man sich ein bisschen Zeit nehmen, denn man kann ein solches Steuergesetz nicht aus der Hüfte machen. Um die Gemeinden abzusichern, müssen wir die Verfassung entsprechend ändern, denn die Gemeinden glauben weder Bundes- noch Landespolitiken, dass das auf Dauer so bleibt.
Die verfassungsändernde Mehrheit haben wir. RotGrün hat nun einmal die Mehrheit im Bundestag, CDU und FDP haben die Mehrheit im Bundesrat, und durch beide Instanzen muss ein solches Gesetz. Wenn wir uns dann über vier Parteien hinweg einig sind, dann können wir das auch in die Verfassung hineinschreiben. Dazu brauchen wir aber Zeit. Deshalb hat die Niedersächsische Landesregierung gemeinsam mit Bayern ein Sofortprogramm für die Kommunen beantragt mit dem Ziel, den Umsatzsteueranteil von 2,2 % auf 3 % zu erhöhen und die Gewerbesteuerumlage zurückzunehmen. Ich hoffe, dass dieses vernünftige Anliegen auch von den SPD-Kollegen mitgetragen wird. Das Gesetz ist durch den Bundesrat durch und befindet sich jetzt im Bundestag. Morgen legt die SPD einen Antrag auf Reduzierung der Gewerbesteuerumlage vor. Sie können auf Bundesebene ja zustimmen. Auf diese Weise werden wir den Gemeinden kurzfristig helfen. Vielen Dank.
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister Möllring, es gibt auch in Ihrer Partei eine Reihe von Kollegen, die sich mit dem Bereich der Kommunalfinanzen intensiv befassen und auf diesem Gebiet als Experten gelten. Ihre Kollegin Petra Roth aus Frankfurt vertritt eindeutig das Kommunalmodell und sagt ganz deutlich: Wir müssen das Leistungsfähigkeitsprinzip stärken, und wir müssen dieses Prinzip auch in dem Sinne ernst nehmen, dass wir in Deutschland auch die Unternehmen an der Finanzierung des Gemeinwesens, an der Finanzierung unserer Kommunen beteiligen.
Die Modelle, die Sie hier vorschlagen - höhere Umsatzsteuer, Hebesatz auf Einkommensteuer -, zielen einzig und allein
- Sie haben eben aber Einkommensteuer gesagt auf die Einkommen der abhängig Beschäftigten ab. Die Unternehmen werden in diesem Umverteilungsspiel auf jeden Fall entlastet. Das verstehe ich aber nicht unter Leistungsfähigkeitsprinzip, Herr Rösler. Sie sind doch sonst immer für Leistung.
In Ihren Vorträgen halten Sie dieses Prinzip doch immer sehr hoch. Deshalb halten wir es für notwendig, dass die Steuergestaltung für Konzerne eingeschränkt wird und die Gemeinden vor Ort mehr Planungssicherheit gewinnen. Deshalb ist es auch richtig, gewinnunabhängige Elemente zu integrieren und auch die Freiberufler einzubeziehen. Das ist einfach ein Akt der Gerechtigkeit.
- Ja, Moment! Ich komme noch darauf zu sprechen, Herr Dr. Noack, weil sich hier auch Herr Möllring so intensiv mit dem Gesetzentwurf der
Bundesregierung auseinandergesetzt hat. Vor drei Wochen schon ist doch durch die Gazetten gegangen, dass dieser Gesetzentwurf im Bundestag keine Mehrheit findet. Die SPD-Fraktion und die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen haben sich im Bundestag darauf verständigt, den Gesetzentwurf im Hinblick auf das Kommunalmodell und auch im Hinblick auf das, was auch Ihre Kollegin Petra Roth in Frankfurt möchte, noch einmal zu überarbeiten. Letztlich ist es der Bundestag, der einen Gesetzentwurf auf den Weg in den Bundesrat bringen muss. Ganz entscheidend ist dann, was dort passiert. Dann sind Sie wieder gefragt. Es reicht dann nicht, nur “nein, wir wollen das nicht” zu sagen, sondern wir müssen dann nach Lösungen suchen, die am Ende auch eine Mehrheit finden.
Herr Rösler, ich habe gerade einmal nachgeguckt. Ihrer Fraktion gehören neun Abgeordnete an, die seit maximal zweieinhalb Jahren über kommunalpolitische Erfahrungen verfügen. Sechs von Ihnen haben überhaupt keine kommunalpolitischen Erfahrungen. Ich möchte Sie bitten: Setzen Sie sich noch einmal intensiv mit dem Kommunalmodell und mit der Frage auseinander, weshalb diejenigen, die seit Jahren oder Jahrzehnten Kommunalpolitik betreiben, sagen, dass das wichtig sei und dass wir ein Bindeglied zwischen der regionalen Wirtschaft und den Kommunen bräuchten. Das muss letztendlich doch auch in Ihrem Interesse liegen.
Herr Rösler, in einem anderen Zusammenhang haben wir gesagt: Die FDP feilt wieder einmal an dem Profil der Partei für den besser verdienenden Mann. Wenn ich mir anhöre, was Sie hier vorgetragen haben, fühle ich mich wieder einmal sehr daran erinnert. Ihnen geht es in erster Linie offensichtlich darum, das Thema Freiberufler aus der Diskussion herauszuhalten, wobei die durch den Gesetzentwurf aber gar nicht zusätzlich belastet würden.
Ich bitte Sie deshalb ganz ernsthaft: Lassen Sie es nicht auf eine Blockade im Bundesrat ankommen. Suchen Sie auch nach Kompromissen. Sie tragen an dieser Stelle viel Verantwortung. Wir alle gemeinsam müssen hier eine Menge Verantwortung tragen, damit wir es endlich schaffen, diese Diskussion zu einem Ergebnis zu führen. - Vielen Dank.
Meine Damen und Herren, als nächster Redner hat der Kollege Rolfes das Wort. Herr Kollege Rolfes, ich erteile es Ihnen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn man sich die Entwicklung der Kommunalfinanzen in den letzten Jahren vor Augen führt, dann stellt man fest, dass das Gewerbesteueraufkommen vom Jahr 2000 an so dramatisch gesunken ist, dass die Kommunen jetzt kaum noch handlungsfähig sind. Das ist die Ausgangslage, vor der wir stehen. Deshalb ist es auch notwendig, die Kommunen so schnell wie möglich zu entlasten. Bis zu 70 % aller öffentlichen Investitionen werden durch die Kommunen ausgelöst.