Protocol of the Session on September 17, 2003

(Beifall bei der SPD)

Herr Minister Hirche, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich freue mich, am Schluss der Debatte feststellen zu können, dass die SPD Niedersachsen nach einigen Irrungen und Wirrungen offenbar bereit ist, die Landesregierung darin zu unterstützen, den kompletten Wegfall der GA-Mittel zu verhindern. Das ist das Fazit, das ich der Rede von Herrn Oppermann entnommen habe. Das empfinde ich schon einmal als eine gute Position.

Ich habe, als diese Nachricht aus Berlin kam, die Bundestagsabgeordneten aller Fraktionen angeschrieben und darum gebeten, dass zum 1. Januar nicht von hundert auf null gekürzt wird.

Wir haben heute schon einmal diskutiert, und wir werden sicherlich auch weiterhin diskutieren müssen, wie Institutionen und insofern auch ein Bundesland im Verhältnis zum Bund damit umgeht, wenn Mittel, die man eingeplant hat, plötzlich auf null zurückgeführt werden.

Meine Damen und Herren, es geht doch überhaupt nicht darum - darin sind wir uns einig -, dass nicht auch diese Subventionen schrittweise abgebaut werden könnten. Schließlich sah das europäische Recht bereits vor, dass uns diese Mittel nach 2006 nicht mehr zur Verfügung stehen. Bis dahin aber sollten sie uns schon noch zur Verfügung stehen, damit wir bestimmte Dinge aussteuern können.

Herr Oppermann, über einige Bemerkungen in Ihrem kurzen Wortbeitrag war ich schon etwas irritiert. Sie fragten, wo jemals eine Region mit Zuschüssen eine Aufholjagd gewonnen hat. - Ich sage: Bayern, wenn auch unter anderen Verhältnissen. Im Übrigen möchte ich Sie bitten, einmal mit Ihren ostfriesischen Freunden darüber zu reden, warum sie jahrelang um Zuschüsse gebeten haben, die Ihre und frühere Regierungen auch zugesagt haben, um vor Ort Entwicklung zu betreiben. Wir werden allerdings sicherlich gemeinsam einräumen, dass die Förderung manchmal zu sehr in Richtung einzelbetrieblicher Förderung und zu wenig in Richtung Infrastrukturförderung ging.

Aber das, was nach Meinung der Bundesregierung passieren soll, ist für das Land Niedersachsen etwas Unerträgliches und extrem Schädliches, insbesondere wenn ich an unsere Ostgrenze denke. Dort liegt der Förderunterschied schon heute bei 40 % und soll auf knapp 70 % steigen. Im Kreis Lüchow-Dannenberg, im Kreis Gifhorn oder auch im

Kreis Osterode soll die Förderung auf null zurückgeführt werden, während sie 10 km weiter mehr als 70 % beträgt, bestehend aus 25 % steuerfreier Investitionszulage, die oft vergessen wird, und bis zu 43 % übriger Förderung. - Meine Damen und Herren, das ist schlicht und einfach inakzeptabel.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Wir haben im Westen zehn Arbeitsmarktregionen, die schlechter sind als die zehn besten Arbeitsmarktregionen im Osten. Ich finde - und ich meine, dass ich nach meiner Arbeit in Brandenburg, wo wir am Ende die geringste Arbeitslosigkeit aller ostdeutschen Bundesländer hatten, wirklich etwas dazu sagen kann - , dass nach der deutschen Einheit allmählich einheitliche Kriterien gelten sollten. Ein Kriterium sollte die Arbeitslosigkeit sein, eines die Strukturschwäche, und darüber hinaus sollte es noch andere Kriterien geben.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Sigmar Gabriel [SPD]: Aber das ist z. B. in Bayern gescheitert!)

Wir wollen uns doch hier nicht immer über Bande unterhalten - ich stimme Ihnen ja zu, dass das in Berlin, Bayern oder wo auch immer so ist -, sondern wir sollten uns in Niedersachsen endlich auf eine gemeinsame Linie verständigen.

(Sigmar Gabriel [SPD]: Darauf kön- nen wir uns verständigen!)

Natürlich würde die Kürzung der GA-Mittel enormen Schaden anrichten. Man muss diese Kürzung vor allem einmal unter volkwirtschaftlichen Gesichtspunkten betrachten. Was hat denn die deutsche Volkswirtschaft gewonnen, wenn ein Arbeitsplatz von einem Ort zum anderen verlagert wird? Damit ist in der Arbeitslosen- oder der Wirtschaftsentwicklungsstatistik kein Quäntchen gewonnen, sondern sind lediglich Steuermittel umverteilt worden. Das ist das Problem, meine Damen und Herren.

Mein Vorschlag an die Bundesregierung ist ganz einfach: Auch sie muss ihren Einsparbetrag erbringen, und zwar auch im Zusammenhang mit der GA. Aber insoweit empfiehlt sich, die GA-Mittel in Ost und West gleichmäßig zu kürzen. Damit bleibt für die ostdeutschen Länder immer noch die steuerfreie Investitionszulage unberührt. Damit hätte sich die Situation geändert, und Niedersachsen könnte damit leben.

Ich sehe allerdings einen grundsätzlichen Unterschied zu Ihren Ausführungen, Herr Oppermann. Sie erwecken immer noch den Eindruck, als könnte man die Finanzen des Staates über höhere Einnahmen sanieren. Ich hingegen sage, die Finanzen können nur über eine Verringerung der Ausgaben saniert werden. Wichtig ist, dass draußen die Wirtschaft wieder läuft. Dort werden Arbeitsplätze bereitgestellt. Wenn dort mehr Arbeitsplätze sind, steigen automatisch die Steuereinnahmen. In Deutschland muss Priorität sein, dass wir auf diese Weise Arbeitsplätze schaffen und dass wir sie nicht künstlich beim Staat erhalten.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Zu Wort gemeldet hat sich noch einmal der Abgeordnete Dinkla. Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Herr Kollege Oppermann, ich lege schon großen Wert darauf, dass die Zahlen, die Sie hier darstellen, stimmen. Sie haben vorhin den Eindruck erwecken wollen, als stelle der Bund Mittel für den Bereich zur Verfügung, die auch noch verplant werden können. Ich sage Ihnen: Das ist falsch.

(Thomas Oppermann [SPD]: Die werden aber ausgezahlt!)

- Sie werden ausgezahlt, aber die Mittel, die jetzt noch eingeplant sind, sind bereits gebunden.

(Thomas Oppermann [SPD]: Die habt ihr schon verplant!)

Das sind Barmittel, die zur Abwicklung bereits eingegangener Verpflichtungen benötigt werden.

(Thomas Oppermann [SPD]: Die kommen trotzdem! - Sigmar Gabriel [SPD]: Gott sei Dank!)

Ich bleibe dabei: Der Spielraum für neue Zusagen ist null.

(Sigmar Gabriel [SPD]: Sie sollen ja auch nicht spielen!)

Von der Zahl muss man ausgehen und nicht von dem, was im Moment für alte Verpflichtungen ausgezahlt wird.

(Thomas Oppermann [SPD]: Das kostet aber trotzdem Geld!)

Herr Oppermann, Sie haben die Frage der neu zu schaffenden Arbeitsplätze noch einmal angesprochen. Es ist doch Realität, dass in den letzten Jahren - ich will das gar nicht auf ein Jahr festmachen, das war durchaus auch in den Jahren vor 1998 so, wenn Sie es gern hören wollen - Entwicklungen eingetreten sind, die eindeutig zulasten bestimmter Bereiche in Niedersachsen gingen. Das ist für uns doch auf Dauer inakzeptabel.

Ich sage noch einmal: Wir als Niedersachsen müssen jetzt, 13 Jahre nach der deutschen Wiedervereinigung, einmal unser Grundgesetz in Erinnerung rufen. Das Verfassungsgebot der föderativen Gleichbehandlung muss umgesetzt werden. Daran führt überhaupt kein Weg vorbei.

(Sigmar Gabriel [SPD]: Sie sind doch sonst dagegen!)

Wenn Sie, Herr Oppermann, vorhin - so habe ich Sie übrigens verstanden -, wenn auch leicht verkleidet und kaschiert, den Eindruck erwecken wollten, dass Sie irgendwo unsere Linie doch zumindest teilweise mittragen,

(Thomas Oppermann [SPD]: Ich bin überzeugter Marktwirtschaftler!)

dann sollten wir den Ansatz auch weiter verfolgen. Ich erwarte jedenfalls von der SPD, dass sie sich auch in Berlin für eine Lösung einsetzt, wie sie eben vom Minister hier angesprochen worden ist. Wenn durch Veränderungen Sparzwänge entstehen, dann führt kein Weg daran vorbei, nicht nur in den westdeutschen Ländern zu sparen, sondern bitte schön auch anteilig in den neuen Bundesländern.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, ich stelle fest, es gibt keine weiteren Wortmeldungen zu Punkt 1 c.

Ich rufe nun auf

d) Gemeindefinanzen - Antrag der Fraktion der FDP - Drs. 15/416

Herr Rösler, Sie haben das Wort.

Vielen Dank. - Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn ich hier nur über die schlechte kommunale Finanzausstattung klagen würde, könnte ich wahrscheinlich die rot-grüne Bundesregierung und die rot-grünen Parteien hier im Lande Niedersachsen nicht wirklich bewegen. Aber es ist ja nicht so, dass ich an dieser Stelle und auch mit dieser Behauptung alleine stehe. Gestern haben bundesweit diverse Bürgermeister in ihren Rathäusern Protestaktionen durchgeführt, von Beflaggungen bis hin zu Protesten vor Bundestag und Bundesrat. Mehr noch, am 24. September werden mehr als 1 000 Mitglieder des Städtetages in Berlin erwartet, die alle gemeinsam gegen die rot-grüne Bundesregierung demonstrieren wollen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Sie sehen, wir sind an dieser Stelle nicht allein, sondern parteiübergreifend, über alle Parteigrenzen hinweg, ist eines klar: Die jetzige rot-grüne Bundesregierung lässt die Kommunen finanziell im Stich und die Menschen, die vor Ort Verantwortung tragen, schlichtweg allein.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Sie kommen ja nicht einmal auf die Idee, vernünftige Konzepte zu entwickeln. All das, was in Ihrer Gemeindefinanzreformkommission entwickelt wurde, ist selbst von Ihrer eigenen Bundestagsfraktion vor kurzem in der Luft zerrissen worden. Von Ihrer Substanzsteuer, also einer Steuer auf Mieten, Pachten und Leasingraten, ist nichts übrig geblieben als die zusätzliche Besteuerung von Freiberuflern. Das nennen Sie dann so schön „Revitalisierung der Gewerbesteuer“. Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir als Freie Demokraten sind davon überzeugt, dass wir keine Revitalisierung der Gewerbesteuer brauchen, sondern dass wir im Gegenteil diese Steuer abschaffen müssen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Wir sind der Meinung: Sie ist längst nicht mehr zeitgemäß. Die Kommunen klagen darüber, dass sie nicht vernünftig planen können. Die Gewerbesteuer ist konjunkturabhängig und darüber hinaus auch noch prozyklisch und kann damit keine verlässliche Basis für solide und gesunde Gemeindefinanzen sein.

Herr Rösler, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Meinhold?

Nein, vielen Dank. - Deswegen, meine sehr verehrten Damen und Herren, kann ich Sie nur auffordern, in Ihr Konzept und in Ihre Prüfung vielleicht auch einmal das von führenden Wirtschaftsforschungsinstituten entwickelte Modell, das so genannte Zwei-Säulen-Modell, mit einzubeziehen, das besagt, dass wir, erstens, die Gewerbesteuer abschaffen müssen,

(Rebecca Harms [GRÜNE]: Dafür demonstrieren die Kommunen aber nicht!)

um sie, zweitens, durch dieses Zwei-SäulenModell zu ersetzen. Das bedeutet, Frau Harms, in der ersten Säule einen höheren Umsatzsteueranteil für die Kommunen. Dann haben Sie genau das, was Sie jetzt schon wollen, nämlich Planbarkeit, Verlässlichkeit und eine solide Basis für die Gemeindefinanzen.

(Enno Hagenah [GRÜNE]: Dagegen würden aber mehr als 1 000 protestie- ren!)