Protocol of the Session on April 27, 2007

(Beifall bei der CDU)

Danke schön. - Die nächste Frage stellt Frau Kollegin Janssen-Kucz.

Frau Präsidentin! Die Frau Ministerin hat die Situation sehr deutlich dargestellt und Drogenabhängigkeit und die Suchtproblematik insgesamt geschildert. Die Kritik aus dem Europarat insbesondere im Hinblick auf die Gesundheitsversorgung ist bekannt, auch das Problem von psychisch erkrankten Jugendlichen. Außerdem zeigt eine Studie der Universität Oldenburg, dass die Präventionsprogramme ungenügend sind. Meine Frage: Wird die Landesregierung künftig bessere Gesundheitsversorgungs- und -vorsorgeprogramme in den Haftanstalten durchführen? Dies gilt insbesondere für die Prävention im Jugendstrafvollzug im Hinblick auf psychisch erkrankte oder auffällige Jugendliche.

Herzlichen Dank, Frau Kollegin Janssen-Kucz. Für die Landesregierung hat Frau Ministerin Heister-Neumann das Wort.

Weil immer wieder suggeriert wird, dass in Hameln die ärztliche Betreuung schlecht sei, muss ich mir den Bericht selber noch einmal vorknöpfen. Als Erstes lese ich Ihnen vor, was auf Seite 53, Randnummer 126, steht - Ihnen liegt der Bericht vielleicht vor -:

„Das Gesundheitszentrum in der Jugendhaftanstalt Hameln war in Bezug auf Räumlichkeiten, Einrichtungen und Ausstattung beeindruckend.“

(Beifall bei der CDU)

In diesem Sinne geht es im Bericht weiter. Als Zweites lese ich vor, was bei Randnummer 133 steht - jetzt müssen Sie bitte auch einmal zuhören -:

„In der Jugendhaftanstalt Hameln wurde den Gefangenen eine höchst zufriedenstellende fachärztliche Versorgung zuteil. Ein Psychiater, ein Dermatologe, ein Zahnarzt und ein Orthopäde besuchten die Anstalt drei Mal die Woche und ein Augenarzt zwei Mal die Woche. Unter dem medizinischen Personal waren sechs Psychologen, von denen sich vier ausschließlich mit klinischer Arbeit in der Einrichtung befassten.“

Das gibt es in keiner anderen Jugendanstalt in der Bundesrepublik. Wir haben hier also eine gute fachärztliche Versorgung. Dies gilt auch für die Betreuung, Beratung und Therapie von Drogenabhängigen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Danke schön. - Die nächste Frage stellt Herr Kollege Dr. Biester!

Frau Präsidentin! Frau Ministerin, wer bereit ist den Bericht objektiv zur Kenntnis zu nehmen, wird, glaube ich, unschwer zwei Feststellungen treffen können. Erste Feststellung: Die Jugendanstalt Hameln wird mehrfach besonders lobend hervorgehoben. Zweite Feststellung: Seit Antritt dieser Landesregierung haben sich die Verhältnisse in der Anstalt nochmals deutlich verbessert.

(Beifall bei der CDU)

Daher meine Frage: Auf welche Maßnahmen führt die Landesregierung im Wesentlichen die seit dem Regierungswechsel eingetretenen Verbesserungen zurück?

Herzlichen Dank. - Für die Landesregierung antwortet die Justizministerin Heister-Neumann.

Sehr geehrter Herr Biester, die Verbesserungen sind auf jeden Fall darauf zurückzuführen, dass wir das Personal auch in der Jugendanstalt Hameln verstärkt haben, dass das Personal auch vor dem Hintergrund beruflicher Qualifikation hoch motiviert arbeitet - hier spielt die soziale Komponente eine größere Rolle - und dass wir in den sächlichen Bereich investieren. Zwischenzeitlich haben wir rund 1,9 Millionen Euro investiert. Dabei haben wir nicht nur bauliche Sanierungsmaßnahmen durchgeführt, sondern auch - das habe ich eben schon angesprochen - im Bereich des Wohngruppenvollzugs Abtrennungen eingerichtet. Es gibt in der Jugendanstalt Hameln die absolute Einzelunterbringung, wenn wir nicht aus erzieherischen oder psychologischen Gründen mit Zustimmung der Gefangenen eine Doppelbelegung durchführen. Es wurde also ein ganzer Strauß von Maßnahmen durchgeführt, was zu diesem erfreulichen Ergebnis geführt hat.

Danke schön. - Die nächste Frage stellt Frau Kollegin Körtner!

Frau Ministerin, ich kenne die Jugendanstalt Hameln seit vielen Jahren, weil sie in dem Landkreis

liegt, aus dem ich komme. Ich weiß vor allen Dingen, wie engagiert alle Leitungen und auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dieser Jugendanstalt ihre wirklich schwere Aufgabe wahrgenommen haben und wahrnehmen. Ich weiß auch, dass sie gerade im Hinblick auf eine Senkung des Gewaltpotenzials der jungen Gefangenen sehr engagiert und unter Einsatz externen Sachverstandes gearbeitet haben und arbeiten. Ich bitte Sie daher herzlich - das ist meine Frage -, konkrete Projekte zur Senkung des Gewaltpotenzials bei den jungen Gefangenen zu benennen.

Herzlichen Dank. - Für die Landesregierung antwortet die Justizministerin Heister-Neumann.

In der Jugendanstalt Hameln wurde im Jahre 2003 eine Projektgruppe eingerichtet, die jede tätliche Auseinandersetzung, jeden Übergriff und jede Verletzung genauestens analysiert. Die Analyse erstreckt sich auf den Tatvorwurf, die Tatwerkzeuge, die Herkunftsorte der Gefangenen und den Tatort. Aus dieser Analyse werden Vorschläge entwickelt, wie man die Übergriffe noch weiter reduzieren kann. Dass diese Arbeit sehr erfolgreich ist, zeigt sich auch in den Zahlen. Der Erfolg ist kein Zufall, sondern basiert auf der gründlichen und wirklich hoch motivierten Arbeit der Menschen vor Ort.

Danke schön. - Die nächste und für ihn letzte Frage stellt Herr Kollege Briese!

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Es wäre schon nett von der Landesregierung, wenn Sie, Frau Ministerin, die Fragen, die gestellt werden, auch konkret beantworteten. Wir haben gar nicht gesagt, dass die medizinische Versorgung in dieser Jugendstrafanstalt schlecht sei. Es gibt aber einen klaren Vorwurf des CPT, der besagt, dass das pflegerische Personal insbesondere an Wochenenden dort aufgestockt werden müsse. Darauf haben sich die Fragen kapriziert. Meine Kollegin Janssen-Kucz hat gefragt, wie Sie dort künftig mit psychisch erkrankten jugendlichen Strafgefangenen umgehen wollen. Es gibt Hinweise im CPT

Bericht, dass es in Niedersachsen in diesem Bereich Mängel gebe. Darauf haben Sie gar nicht reagiert. Meine Frage bezog sich darauf, dass die Zahl der hohen Einschlüsse bemängelt wird. Auch darauf haben Sie nicht geantwortet. Es wäre ärgerlich, wenn wir schon wieder zum Staatsgerichtshof ziehen müssten, weil die Landesregierung die Fragen hier nicht richtig beantwortet.

Meine konkrete Frage jetzt: Unter anderem wird in dem Bericht gesagt, dass die Abnahme der Gewalt in Hameln damit zusammenhängt, dass die Haftzahlen deutlich gesunken sind. Dass dies einer der zentralen Gründe sein kann, ist doch ganz klar: Weniger jugendliche Gewalttäter in einer Strafanstalt bedeuten weniger Gewalt insgesamt. Verfügt die Landesregierung über ein Programm oder ein Konzept zur Haftvermeidung bei jugendlichen Straftätern?

Herzlichen Dank. - Für die Landesregierung antwortet die Justizministerin Heister-Neumann.

Ich weise zurück, dass ich Ihre Fragen nicht beantwortet hätte. Ich mache es aber gern noch einmal.

(Beifall bei der CDU)

Zu dem Einschluss der Jugendlichen bzw. der Heranwachsenden habe ich Ihnen geschildert, aus welchen Gründen eine bestimmte Gruppe von Jugendlichen und Heranwachsenden nicht gleich zu Anfang in den Wohngruppenvollzug mit all seinen Freiheiten - dies beinhaltet auch die Unterbringung in Arbeits- und Ausbildungsmaßnahmen hineinkommen kann: weil man sich zunächst auf die Stabilisierung dieser jungen Menschen konzentriert, um sie nach der Stabilisierung in den Wohngruppenvollzug hineinführen zu können. Anderenfalls wären die Zahlen, die wir Ihnen zur Verringerung der Zahl der gewalttätigen Übergriffen vorgelegt haben, nicht so niedrig gewesen, sondern wir hätten es mit sehr viel mehr Opfern in der Jugendanstalt Hameln zu tun, weil diese jungen Menschen noch nicht stabilisiert sind. Wir wollen nicht das erleben, was an Vorkommnissen außerhalb der Anstalt von mir beschrieben wurde.

Was die Kritik an der Ausstattung mit medizinischem Personal angeht, habe ich Ihnen vorgetra

gen, wie diese Ausstattung aussieht. Ich habe Ihnen vorgelesen, wie das CPT die fachärztliche Betreuung der Jugendlichen in dieser Anstalt beschreibt, nämlich als besonders gut. Im CPT-Bericht wird ein Punkt angesprochen, den Sie vielleicht meinen. Insofern möchte ich das noch ergänzen. Es wird gesagt, dass während der Nachtzeiten die Ausstattung mit ärztlichem Personal nicht in dem Maße wie am Tage gegeben ist. Ich hatte eingangs gesagt, dass man alle Anstalten, die vom CPT besucht wurden, im Zusammenhang betrachten muss. Insofern muss das CPT natürlich berücksichtigen, dass wir während der Nachtzeiten eine Einzelunterbringung in verschlossenen Haftzellen haben.

(Beifall bei der CDU)

Deshalb brauchen wir während der Nachtzeiten Personal nicht in dem Umfang, in dem wir es benötigen würden, wenn wir offene Wohngruppen ohne Sicherungsmaßnahmen hätten; denn dann müsste Personal zur Verfügung stehen, um einzugreifen, falls sich Übergriffe ereignen würden. Das ist der Grund, weshalb wir einen Unterschied zwischen Nacht-, Tag- und Wochenendzeiten machen. Vor diesem Hintergrund ist nach unserer Auffassung die Personalausstattung sehr wohl in Ordnung.

Auf die psychosoziale Betreuung der Jugendlichen und Heranwachsenden bin ich eingegangen. Wir haben die entsprechenden Programme, wir haben die Sozialtherapie. Wenn wir einen Grenzfall bekommen, bei dem wir der Auffassung sind, dass das Personal in der Jugendanstalt mit diesem Täter nicht mehr klarkommt und der Täter eine andere fachärztliche Betreuung benötigt, dann sind wir darum bemüht, diesen Jugendlichen oder Heranwachsenden in eine entsprechende psychiatrische Einrichtung zu überweisen. Das ist bei Grenzfällen nicht einfach. Es ist aber unser Anliegen, so etwas, wenn es notwendig ist, auch zu realisieren. Ich meine, dass ich damit alle Ihre Fragen, Herr Briese, beantwortet habe.

(Beifall bei der CDU)

Danke schön, Frau Ministerin. - Die nächste Frage stellt Herr Dr. Noack.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich damit einleiten, dass ich trotz der pauschalen und insoweit auch unzutreffenden Kritik von Herrn Briese von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen sehr dankbar dafür bin, dass er dieses Thema heute zum Gegenstand der Fragestunde gemacht hat - schlichtweg deshalb, weil offensichtlich die sich bessernden Verhältnisse in Hameln und die noch vorhandene öffentliche Meinung nicht übereinstimmen - das hat sich auch aus der Presseberichterstattung ergeben -, sodass es Not tut, die Erfolge, die sich in Hameln eingestellt haben, hier der Öffentlichkeit klarzumachen.

(Beifall bei der CDU)

Mich interessiert im Zusammenhang mit dem, was Sie vorgetragen haben, ob es eine Art Frühwarnsystem in Hameln gibt. Ich habe mir das, was Sie gesagt haben, angehört, und das klang für mich überzeugend. Das, was Sie gesagt haben, war aber eher eine Art Reaktion: Gruppen, die sich Vorkommnisse genau ansehen und entsprechende Überprüfungen und Therapiemaßnahmen vornehmen. Ich meine, dass die Maßnahmen noch etwas früher ansetzen müssten. Die Maßnahmen müssten so ansetzen, dass es gar nicht erst zu Übergriffen kommt, indem bereits im Vorfeld, im Rahmen der Vorbereitung eines entsprechenden Haftplanes, möglicherweise aus dem Täterprofil oder der Verurteilung geklärt wird, ob es im Einzelfall besondere Gefahrenmomente oder -potenziale gibt, sodass man bereits agieren kann, bevor ein gravierendes Verhalten einsetzt.

Herzlichen Dank. - Für die Landesregierung spricht Frau Ministerin Heister-Neumann. Sie haben das Wort.

Ich hätte jetzt gerne zitiert, habe die Stelle im Bericht aber nicht so schnell gefunden. In dem Bericht wird angesprochen, dass ein Frühwarnsystem in der Jugendanstalt Hameln durch sehr differenzierte und sehr intensive Eingangsuntersuchungen vorbildlich existiert. Die Aufnahme in der Jugendanstalt Hameln erfolgt dergestalt, dass sich ein Team von Mitarbeitern mit jedem einzelnen Gefangenen beschäftigt, dabei genau auf das Täter

profil und den gesellschaftlichen soziologischen Hintergrund achtet, und die Gefangenen entsprechend diesen Feststellungen den unterschiedlichen Hafthäusern, die wir in Hameln haben, zuordnet.

Frau Bockmann hat auf die Subkultur hingewiesen, die es in Gefängnissen immer wieder gegeben hat und die wir in Hameln in einem bestimmten Zeitraum vor dem Hintergrund der Spätaussiedlerproblematik verstärkt hatten. Angehörige dieser Gruppe bringen wir nicht in denselben Hafthäusern unter, sondern verteilen sie auf die verschiedenen Hafthäuser in Hameln. Das tun wir, um zu verhindern, dass sich diese Strukturen neu aufbauen. Das ist im CPT-Bericht ausdrücklich gelobt worden. Es ist der Bundesregierung außerdem empfohlen worden, dieses Konzept als Systemkonzeption auch auf die anderen Haftanstalten in der Bundesrepublik auszuweiten.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Danke schön, Frau Ministerin. - Herr Kollege Nacke, Sie stellen die nächste Frage.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Ralph Lorenz hat in den WeserberglandNachrichten am 19. April die Presseveröffentlichung der SPD zu diesem Thema kommentiert. Mich interessiert Ihre Meinung dazu. Deshalb zitiere ich mit Erlaubnis der Präsidentin einleitend wenige Sätze. Da heißt es:

„Da muss eben der Anti-Folter-Bericht aus Straßburg für Ersatzhandlungen herhalten. Doch auch das können sie nicht. Zu lustvoll wird aus dem umfangreichen Bericht über blaue Augen im Hamelner Jugendknast zitiert und zu oberflächlich mit Sachverhalten umgegangen. Das Thema eignet sich wirklich nicht zum Punktsieg im Kampf um die Wählergunst.“

Ich frage die Landesregierung, wie sie diese Aussagen bewertet.

(Lachen bei der SPD)

Danke schön, Herr Kollege Nacke. - Für die Landesregierung antwortet Frau Ministerin HeisterNeumann.