Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Bedauerlicherweise mussten wir uns in der letzten Zeit hier im Plenum recht häufig mit dem Problem des Rechtsextremismus und des Extremismus insgesamt beschäftigen. Wir haben dies in der Vergangenheit immer gemeinsam, Seite an Seite, getan, wie es sich für aufrechte Demokraten gehört. Wir sollten diesen guten Weg auch in der Zukunft fortsetzen.
Meine Damen und Herren, der Rechtsextremismus hat in Niedersachsen ein Mitgliederpotenzial von etwa 3 000 Menschen. Etwa 3 000 Menschen das ist eine erschreckende Tatsache. Sie wird verstärkt durch eine Studie der Friedrich-EbertStiftung. Auch Studien von Stiftungen der Opposition lese ich natürlich sehr gern. Erschreckend ist, dass auch dort festgestellt worden ist, dass jeder vierte Deutsche der sogenannten Einstiegsdroge Ausländerfeindlichkeit verfallen sein soll. Wir können in einem freien Land natürlich nicht verhindern, dass Betonköpfe, wie wir sie in den Zeitungen sehen mussten, Extremisten oder Chaoten durch die Straßen ziehen und rassistische und ausländerfeindliche Parolen vertreiben, wie es am Wochenende in Bremen passiert ist. Jedoch ist es unsere Aufgabe als Demokraten, deutlich zu machen, dass dies alles mit der Mehrheit in unserem Land nichts, absolut nichts zu tun hat.
Deutschland ist ein Land, das nach bitteren Erfahrungen mit Extremismus und auch Gewalt vielleicht gründlicher als viele andere Länder seine historischen Lektionen gelernt haben sollte. Wir wollen
nie wieder zurück zu einem braunen Sumpf. Wir wollen nie wieder zurück in autoritäre oder totalitäre Verhältnisse, wie es bedauerlicherweise im vergangenen Jahrhundert wiederholt Phasen in unserer Geschichte gegeben hat. Toleranz und Weltoffenheit sind Markenzeichen einer freiheitlichen Gesellschaft. Sie sollen und müssen unser Markenzeichen sein. Deshalb dürfen weder Extremismus noch Rassismus und Antisemitismus bei uns eine Chance habe. Stattdessen setzen wir uns für eine freiheitlich-demokratische Grundordnung ein, d. h. für Grund- und Menschenrechte, für die Volkssouveränität, die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung und die Unabhängigkeit der Gerichte. Deshalb muss Rechtsextremismus politisch bekämpft werden. Das ist allerdings vor allem dort aussichtsreich, wo die Einflussnahme auf die Menschen noch möglich ist, nämlich wenn sie noch besonders jung sind.
Die Ursachen sind sicherlich vielfältig: Defizite im Elternhaus, bei Ausbildung und Bildung, fehlende Infrastruktur für Jugendliche, das soziale Umfeld, Perspektivlosigkeit durch Arbeitslosigkeit und gelegentlich auch Mitläuferschaft. In all diesen Bereichen müssen wir uns für die Jugendlichen einsetzen und eine intensive Aufklärung betreiben. Die Bemühungen der rechtsextremen Szene, auf Kinder und Jugendliche Einfluss zu nehmen, werden nur dann scheitern, wenn junge Menschen in der Lage sind, menschenverachtende Propaganda zu entlarven, wenn sie beispielsweise mit den Hintergründen der Einwanderung nach Deutschland vertraut sind, wenn sie sich mit den Verbrechen des Nationalsozialismus befasst und auseinandergesetzt haben, wenn sie über die Strategien der rechtsextremen Szene informiert sind und damit umgehen können.
Wir - damit meine ich den Staat als Ganzes, die Zivilgesellschaft gleichermaßen - müssen die jungen Menschen zu mehr Mitmenschlichkeit, zu mehr Toleranz und demokratischem Verhalten erziehen. Wir dulden in diesem Land keinerlei Fremdenhass. Dies ist unser Land. Wenn ich „unser Land“ sage, dann meine ich alle Menschen, die hier leben, mit deutschem oder mit anderem Pass. Wir alle sind Deutschland. Wir alle haben ein Stück Verantwortung für das Land und was aus diesem Land wird. Deshalb ist es wichtig, dass dieses Land eine Demokratie ist, eine Demokratie bleibt und dass nie wieder auch nur mit stiller Duldung in diesem Land irgendetwas passieren kann, das mit dem Ansehen Deutschlands und mit den demokratischen Strukturen in Schaden gerät. Daran wollen wir alle gemeinsam - das ist meine Bitte für die
weitere Behandlung dieses Antrages und auch der bisherigen Anträge - arbeiten. Dafür sollten wir gemeinsam in der Öffentlichkeit eintreten. Nur dann haben wir eine Chance. - Vielen Dank.
Danke schön, Herr Kollege Bode. - Nun hat sich Herr Innenminister Schünemann zu Wort gemeldet. Bitte schön!
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir sind uns darüber einig, dass wir allen Anlass haben, auch weiterhin entschieden gegen den Rechtsextremismus vorzugehen und staatliche und gesellschaftliche Kräfte für den Kampf gegen den Rechtsextremismus zu aktivieren.
Das Erscheinungsbild und die Virulenz des Rechtsextremismus in Niedersachsen wie auch auf Bundesebene werden durch die rechtsextremistische Subkultur, die in der Skinheadmusik ihren deutlichsten Ausdruck findet, durch die NPD und durch die neonazistischen Kameradschaften geprägt. Die NPD hat ebenso wie die neonazistischen Kameradschaften die identitätsstiftende Wirkung und die Werbewirksamkeit der rechtsextremistischen Musik erkannt.
Mit einer jugendspezifischen Werbestrategie unter Einsatz von Konzerten und eigens für diese Zwecke produzierten CDs sowie Jugendzeitschriften versuchen die Kameradschaften und die NPD, Jugendliche an den organisierten Rechtsextremismus heranzuführen. Dass gerade Hauptschüler generell für rechtsextremistisches Gedankengut besonders anfällig seien, kann ich allerdings so nicht bestätigen. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Verfassungsschutzes haben aber in zahlreichen Gesprächen mit Lehrern den Eindruck gewonnen, dass sich die Verbreitung rechtsextremistischer Einstellungsmuster an einigen Hauptund Realschulen zum Teil bereits in 5. und 6. Klassen mitunter zu einem Problem entwickelt hat.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, hier ist mehrfach gesagt worden: Man kann nicht nur ordnungspolitisch dagegen vorgehen, sondern Prä
Da muss man natürlich auch gerade beim Elternhaus anfangen. Wir dürfen die Eltern nicht allein lassen und müssen die Erziehungskompetenz da, wo es Probleme gibt, stärken und auch unterstützen. Angebote wie die gemeinsam mit dem Kinderschutzbund durchgeführten Elternkurse „Starke Eltern - starke Kinder“, Beratungs-, Betreuungsund Bildungsangebote zahlreicher Institutionen wie Familienbildungsstätten, Träger der Erwachsenenbildung, Mütterzentren, aber auch die Mehrgenerationenhäuser kommen insbesondere auch Familien aus sozial benachteiligten Familien zugute.
Meine Damen und Herren, der Rechtsextremismus selbst muss aber auch und vor allem gezielt bekämpft werden. Die Landesregierung unternimmt dafür vielfältige Anstrengungen. Unsere Gegenstrategien passen wir dabei den unterschiedlichen und wechselnden Agitationsräumen der Rechtsextremisten an. Nur ein konsequentes Vorgehen in allen Bereichen und eine Vernetzung der unterschiedlichen Ansätze können letztendlich zum Erfolg führen.
Wir haben deshalb beim Landespräventionsrat mit der Clearingstelle Prävention von Rechtsextremismus in Niedersachsen eine Stelle zur Koordination und Fachberatung eingerichtet. Im Fachbeirat der Clearingstelle wirken in der Präventionsarbeit hochkompetente staatliche und nichtstaatliche Stellen zusammen. Wir betreiben in Niedersachsen eine offensive Aufklärungsarbeit, mit der wir vor allem einem Abdriften von Jugendlichen in die rechte Szene entgegenwirken.
Die Behauptung, die Bildungsarbeit gegen Rechts sei durch die Abschaffung der Landeszentrale für politische Bildung zerschlagen worden, ist schlichtweg falsch. Deshalb möchte ich Ihnen einige Beispiele nennen, die dieses belegen.
Die Polizei hat im März 2006 unter dem Namen „Wölfe im Schafspelz“ in unseren Schulen eine Informations- und Aufklärungskampagne gestartet. Im Dezember letzten Jahres habe ich die vorrangig für Schülerinnen und Schüler konzipierte Wanderausstellung des Landesamtes für Verfassungsschutz „Unsere Demokratie schützen - Verfassungsschutz gegen Rechtsextremismus“ in Dörverden eröffnet, die am kommenden Montag in ihre
Kultusministerium und Landesamt für Verfassungsschutz führen seit dem Frühjahr 2005 in allen Regionen des Landes gemeinsame Fortbildungsveranstaltungen für Lehrkräfte und andere Multiplikatoren durch. Frau Leuschner, Sie haben dargestellt, dass das früher die Landeszentrale gemacht hat. Wir haben dieses noch konzentrierter durchgeführt, als es die Landeszentrale in der Vergangenheit überhaupt angeboten hat. Die Multiplikatorenschulung wird also weitergeführt und sogar verstärkt.
Das Landesamt für Verfassungsschutz geht mit einer Vielzahl von Vortrags- und Diskussionsveranstaltungen in die Schulen. Seit dem Jahr 2000 läuft das Projekt „Schule ohne Rassismus - Schule mit Courage“ der Ausländerbeauftragten. Über 50 Schulen sind schon mit dem Zertifikat für ihre Selbstverpflichtung ausgezeichnet worden.
Mit der Gedenkstättenarbeit in Bergen-Belsen und in regionalen Gedenkstätten wird hervorragende Jugendarbeit zur Aufklärung über die NS-Zeit geleistet. Unsere Schulen werden außerdem regelmäßig von Zeitzeugen besucht.
Wie wichtig ein breites Zusammenwirken von gesellschaftlichen Kräften und Behörden ist, zeigt die nachhaltige und in der Bevölkerung breit verankerte konzertierte Aktion gegen den Aufbau eines rechtsextremistischen Fortbildungszentrums auf dem Heisenhof in Dörverden, aber auch gegen den bisher verhinderten Erwerb eines Hotels in Delmenhorst durch den Rechtsextremisten Rieger.
Erfolgreich waren auch die gemeinsamen Bemühungen von Schulen, Verfassungsschutz und Polizei, die Verteilung von CDs mit rechtsextremistischer Musik an den niedersächsischen Schulen zu verhindern.
Meine Damen und Herren, das Internet spielt auch für die Verbreitung rechtsextremistischen Gedankenguts eine wichtige Rolle. Die Landesregierung hat deshalb im Landeskriminalamt eine Organisationseinheit mit acht Polizeivollzugsbeamten eingerichtet, die anlassunabhängige Recherchen in Datennetze durchführt und sich u. a. mit der Bekämpfung der politisch motivierten Kriminalität befasst. Werden strafbare Inhalte festgestellt, können umgehend Schritte eingeleitet werden, um die Bereitstellung dieser Inhalte zu unterbinden und Maßnahmen der Strafverfolgung einzuleiten.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich noch auf das Versammlungsrecht kurz zu sprechen kommen. Die Zusammenarbeit von Versammlungsbehörden und Polizei funktioniert gerade bei rechtsextremistischen Versammlungen sehr gut und professionell. Von den bestehenden Verbotsund Beschränkungsmöglichkeiten wird auch umfassend Gebrauch gemacht. Das Handlungsproblem im Umgang mit rechtsextremistischen Versammlungen liegt nicht in einer fehlenden Ausnutzung vorhandener Gestaltungsmöglichkeiten durch die Behörden, sondern in der Begrenztheit der verfassungsrechtlichen Möglichkeiten. Die Versammlungs- und Meinungsfreiheit lassen Verbotsund Beschränkungsmöglichkeiten nur in ganz engen Grenzen zu.
Frau Leuschner, ich bin durchaus bereit, mit Ihnen auch darüber zu sprechen, ob wir beim Versammlungsrecht etwas verändern können. Aber ich sehe aus den Gründen, die ich gesagt habe, kaum Möglichkeiten, hier zum Erfolg zu kommen. Aber wir können auch Ihre Vorschläge, wenn Sie konkrete Vorschläge machen, durchaus umsetzen. Wir können auch über Verfassungsrechtler versuchen, hier möglichst Rechtssicherheit zu haben. Aber das Versammlungsrecht ist, wie dargestellt, ein sehr hohes Gut. Insofern sehe ich da wenige Möglichkeiten.
Sie sehen anhand dieser Aufstellung, dass wir im Feld Bekämpfung des Rechtsextremismus in vielen Bereichen aktiv sind, gerade was Prävention, aber auch ordnungsrechtliche Maßnahmen angeht. Man muss in diesem Zusammenhang allerdings immer wieder alles auf den Prüfstand stellen und prüfen, ob wir neue Ansätze brauchen. Dazu sind wir natürlich bereit. Es ist ganz wichtig, dass dieses Feld nicht in die politische Diskussion gerät. Das wäre ein völlig falsches und fatales Signal. Vielen Dank.
Danke schön, Herr Minister. - Für die SPD-Fraktion hat sich Frau Kollegin Leuschner noch einmal zu Wort gemeldet. Bitte schön!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Hier im Haus besteht in vielen Positionen Übereinstimmung. Das ist ja bei diesem Thema nur positiv. Je
Ich habe mich zu Wort gemeldet, weil Herr Biallas gesagt hat, dass Rechtsextremismus mehr ein Problem in den neuen Ländern ist. Herr Biallas, schauen Sie sich einmal die Studie der FriedrichEbert-Stiftung und konkret die Vergleiche darin an, die nach den neuen und alten Bundesländern aufgegliedert sind. Dann kommen Sie zu der Erkenntnis, dass es kein Problem nur der neuen Länder ist. Gerade im Bereich der Ausländerfeindlichkeit, der sogenannten Einstiegsdroge, steht im Vergleich der westlichen Bundesländer Niedersachsen mit 31,4 % an erster Stelle. Das sollte uns doch wirklich zu denken geben, meine Damen und Herren!
Wir fordern ein Gesamtkonzept, Herr Schünemann. Wir sind durchaus der Überzeugung, dass die Landesregierung viele sinnvolle Maßnahmen macht. Aber wir müssen im frühkindlichen Bereich beginnen. Wir müssen Eltern unterstützen, ihre Kinder zu selbstbewussten Jugendlichen und Erwachsenen zu erziehen, die weltoffen und tolerant sind und von einer Gleichwertigkeit der Kulturen und Religions- und weltanschaulichen Gemeinschaften in unserem Land ausgehen. - Vielen Dank.
Der Antrag soll zur federführenden Beratung dem Ausschuss für Inneres und Sport überwiesen werden. Mitberatend sollen der Ausschuss für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr sowie der Ausschuss für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit tätig werden. Wer so beschließen möchte, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Gegenstimmen und Stimmenthaltungen sehe ich nicht. Dann ist so beschlossen.
Tagesordnungspunkt 32: Erste Beratung: Einsetzung eines 19. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drs. 15/3277
Zur Einbringung erteile ich Herrn Kollegen Hagenah von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort. Bitte schön!
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die genauen Ursachen und Verantwortlichkeiten für den tragischen Transrapidunfall am 22. September im Emsland liegen auch jetzt, sechs Wochen nach dem Unglück, leider immer noch im Unklaren. Die mittlerweile vier Befragungen und Berichte des Ministeriums im Verkehrsausschuss und im letzten Plenum ergaben zwar schrittweise immer tiefere Einblicke in den überraschend geringen Sicherheitsstandard des Parallelbetriebes der Magnetbahn und der regelmäßig in den Betrieb eingebundenen Werkstattwagen. Die Anzahl der offenen Fragen hat im Verlauf der Befragungen aber eher zu- als abgenommen.
Die Hauptkomplexe liegen Ihnen allen in unserem Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses vor. Ich will nur kurz und beispielhaft darauf eingehen.
Nachweislich gab es seit Jahren immer wieder Hinweise des Betriebsleiters, von TÜV-Mitarbeitern und von anderen Fachleuten - z. B. aus dem Eisenbahn-Bundesamt, das sich der Befragung, wie es gestern schriftlich mitgeteilt hat, scheinbar endgültig entzogen hat - auf die Notwendigkeit eines Sicherheitskonzeptes für das Gesamtsystem und die ungenügende Sicherung zwischen Magnetfahrzeugen und den regelmäßig verkehrenden Werkstattwagen.
Für das Eisenbahn-Bundesamt stellte im März 2005 der Projektleiter Magnetschwebebahn, Dipl.Ing. Rebentisch, dazu klar - ich zitiere aus einem Aufsatz von ihm -, dass
„Rechtsvorschriften bzw. anerkannte Regeln der Technik unabhängig von bestimmten Projekten verfasst werden... und deshalb... Sicherheitslücken entstehen.“
Herr Minister, das ist wichtig vor dem Hintergrund unseres Disputs, den wir immer über die Anwendung der Regeln der Technik in Bezug auf Lathen führen. Hier sagt uns der Projektleiter Magnetschwebebahn, dass schon dadurch Sicherheitslücken entstehen können.