Protocol of the Session on November 9, 2006

(Zustimmung bei der SPD)

Sie nutzen die zugegebenermaßen wenigen Steuerungselemente zur Gestaltung zukunftsfähiger Strukturen nicht. Sie überlassen alles dem freien Spiel der Kräfte bzw. der unterschiedlichen Stärke der Träger der regionalen Raumordnung. Auch wenn eine Flexibilisierung an verschiedenen Stellen sinnvoll ist - wo bleibt aber Ihre Verantwortung für die Menschen in den Regionen des Landes, wenn Sie keinerlei Spielregeln mehr aufstellen?

(Zustimmung bei der SPD)

Der vorliegende Gesetzentwurf - und, soweit bekannt, die Verordnung in noch stärkerem Maße zeichnet sich durch windelweiche Formulierungen und durch Verlagerung von Verantwortung auf die Träger der regionalen Raumordnung aus. Das gilt u. a. für die Umsetzung des Zentrale-OrteKonzepts, das Sie ganz abschaffen wollten,

(Jan-Christoph Oetjen [FDP]: Das ist Quatsch!)

wozu Sie die Fachleute aber eines Besseren belehrt haben. Das gilt für den großflächigen Einzelhandel, das gilt für die Festlegung von Vorranggebieten für Natur und Landschaft.

Sie verlagern aber nicht nur die Verantwortung, Sie verlagern auch die Probleme, die z. B. aus Nutzungskonflikten entstehen, auf die Regionalebene. So heißt es beispielsweise zum Thema FOC: Es bedarf einer hinreichenden interkommunalen Abstimmung. - Was ist eigentlich eine „hinreichende Abstimmung“?

(Zuruf von Rolf Meyer [SPD] - Gegen- rufe von der CDU)

Meine Damen und Herren, es ist eine schwierige Gratwanderung, dem Anspruch nach Deregulierung, Entbürokratisierung und dem Wunsch nach mehr Flexibilität gerecht zu werden und dennoch nicht die ganze Verantwortung und die Steuerungsinstrumente der Raumordnung aus der Hand zu geben. Diese Gratwanderung ist Ihnen zumindest bisher nicht gelungen.

(Dr. Philipp Rösler [FDP]: Sehen wir anders!)

In keinem Bundesland - so die Meinung von Fachleuten - wird die Raumordnung so geschwächt wie in Niedersachsen.

(Zuruf von der CDU: Im Gegenteil!)

Es fehlen Verbindlichkeiten, Zielsetzungen und Handlungsstrategien. Sie ignorieren die Bedürfnisse und Herausforderungen in den Regionen des Landes. Sie stellen Grundsätze auf und erklären diese gleichzeitig in der Begründung für unverbindlich: „können flexibel angewandt werden“, „Abweichungen sind möglich“.

Die Konflikte in der Landesregierung über Sinn und Notwendigkeit von Landesraumordnung, die auch in der Presse und auf Veranstaltungen im letzten Jahr deutlich wurden, spiegeln sich in diesem Gesetz wider. Regionale Disparitäten werden sich verschärfen und nicht vermindern. Wir werden Strukturen unterschiedlicher Qualität und Güte in den Regionen Niedersachsens bekommen,

(Zuruf von der CDU: Haben wir schon!)

die im Hinblick auf Lebensqualität und Teilhabemöglichkeiten der Bevölkerung zu erheblichen Unterschieden führen werden. Bekanntlich sind nicht alle Landkreise gleich stark und in der Lage, den ihnen übertragenen Aufgaben gerecht zu werden. Ich füge hinzu: Dies soll keine Kritik an den Trägern der Regionalplanung sein. Es beschreibt aber die Realität angesichts der unterschiedlichen Größe, Strukturen und Probleme - etwa bei den Finanzen und der Bevölkerungsentwicklung - der Träger der Regionalplanung.

Meine Damen und Herren, wir müssen Gesetzentwurf und Verordnung gemeinsam beraten. Änderungen werden unserer Meinung nach zwingend erforderlich sein.

Zu Tagesordnungspunkt 15 wird meine Kollegin Frau Heiligenstadt sprechen. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Danke schön, Frau Kollegin Stief-Kreihe. - Ich habe jetzt Herrn Kollegen Biestmann von der CDUFraktion auf der Rednerliste. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine Kolleginnen und Kollegen! Frau Kollegin Stief-Kreihe, Sie haben nicht zum Raumordnungsrecht, sondern überwiegend zum Landes-Raumordnungsprogramm gesprochen. Letzteres steht hier aber gar nicht auf der Tagesordnung.

(Karin Stief-Kreihe [SPD]: Das gehört doch zusammen!)

Meine Damen und Herren, die Aufgabe der Raumplanung ist es, räumliche Anforderungen auf den unterschiedlichen Ebenen von Stadt und Land in Bezug auf die unterschiedlichen Aspekte abzustimmen. Mit einer nachhaltigen Raumentwicklung sollen die sozialen, wirtschaftlichen und ökologischen Ansprüche an den Raum miteinander in Einklang gebracht werden. Es gilt, Konflikte auszugleichen und Vorsorge für künftige Raumfunktionen und -nutzungen zu treffen. Nur so kann unser Land die Aufgabe erfüllen, im Einklang mit den entsprechenden Grundsätzen der Raumordnung in allen Teilen des Landes gleichwertige Lebensverhältnisse anzustreben.

Mit dem vorliegenden Entwurf eines Gesetzes zur Änderung raumordnungsrechtlicher Vorschriften werden wir den Zielen gerecht. Besonders freut mich aber, dass der Entwurf die Grundlage für eine Deregulierung und Vereinfachung des Raumordnungsrechts bildet.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung von Jan-Christoph Oetjen [FDP])

Frau Stief-Kreihe, dies ist gar nicht hoch genug anzusiedeln. Bisher existieren in Niedersachsen vier Regelwerke des Raumordnungsrechts; in Zukunft werden es nur noch zwei sein, nämlich das Niedersächsische Gesetz über die Raumordnung und Landesplanung (NROG) sowie das LandesRaumordnungsprogramm.

An dieser Stelle ein weiterer Nebensatz, Frau Stief-Kreihe: Sie unterstellen der Landesregierung, sie überlasse wesentliche Fragen den Trägern der regionalen Raumordnung. Das aber ist doch gerade Sinn und Zweck dieser neuen Politik: Verantwortung zu delegieren und den Gebietskörperschaften Mitspracherechte zu geben, damit sie das eigene Lebensumfeld mitgestalten können. Es ist nicht Ordnung, dass Sie das kritisieren.

(Beifall bei der CDU)

Neben der Verschlankung des Raumordnungsrechts dient der Gesetzentwurf aber auch der Umsetzung von Bundes- und Europarecht. Bis zum 31. Dezember dieses Jahres ist die strategische Umweltprüfung bei der Aufstellung von Raumordnungsplänen zwingend in das Landesrecht einzuführen. Diese Umweltprüfung wird mit der Novelle in das NROG integriert.

Meine Damen und Herren, ich komme noch kurz auf die Inhalte des NROG zu sprechen. Im Entwurf werden Leitvorstellungen und grundsätzliche Zielvorstellungen festgeschrieben, die sich an die strukturpolitischen Entwicklungen im Lande Niedersachsen anpassen. Dies ist besonders zu begrüßen. Spezielle planerische Feststellungen sind dem Landes-Raumordnungsprogramm vorbehalten. Frau Stief-Kreihe, wir werden darüber im Landtag beraten. Der Entwurf ist in der Anhörung und wird anschließend in den Landtag eingebracht werden.

(Karin Stief-Kreihe [SPD]: Das gehört aber zusammen!)

Wir können eine Stellungnahme abgeben und all das, was Sie angesprochen haben - vom ZentraleOrte-Prinzip über FOC bis hin zu allem anderen, was bedeutsam ist -, dort diskutieren. Hier geht es zunächst einmal um die Rahmengesetzgebung, das NROG.

Die kommunalfreundliche Politik unseres Landes spiegelt sich in den Strukturen der niedersächsischen Raumplanung wider; denn Regionalplanung ist auf die Landkreise und kreisfreien Städte übertragen worden. Damit sind wir das Bundesland mit der kleinsträumigen Regionalplanung. Um dem gerecht zu werden, wird in Zukunft auch das Gegenstromprinzip gewahrt. Somit gilt: Die Regionalen Raumordnungsprogramme dürfen dem Landesraumordnungsprogramm nicht widersprechen, und das Landes-Raumordnungsprogramm berücksichtigt auf übergeordneter Ebene im Gegenzug die

Belange der untergeordneten Ebenen, also die Träger der Regionalplanung.

(Zurufe von Rolf Meyer [SPD] und Ka- rin Stief-Kreihe [SPD])

- Hören Sie genau hin! Ich glaube, Sie hören nicht genau hin, Frau Stief-Kreihe.

(Karin Stief-Kreihe [SPD]: Ja klar, ich höre immer zu!)

Neben den elf Schwerpunkten zu den Grundsätzen der Raumordnung finden Sie im Entwurf auch allgemeine Vorschriften über Raumordnungspläne. Hier werden Feststellungen zur angestrebten Siedlungsstruktur, zur Freiraumstruktur und den zu sichernden Standorten und Trassen für die Infrastruktur getroffen. Mit der NROG-Novelle wird auch die Einführung der Öffentlichkeitsbeteiligung gewährleistet, die ebenfalls sehr wichtig ist. Die bisher durch das NROG vom 18. Mai 2001 geregelte allgemeine Öffentlichkeitsbeteiligung zu Vorhaben soll jetzt zwingend vorgeschrieben werden. Die Einführung einer allgemeinen Öffentlichkeitsbeteiligung ist erforderlich, um eine Bindung von Privatpersonen an Ziele der Raumordnung beispielsweise bei der Genehmigung privater Außenbereichsvorhaben zu erreichen.

Nun werde ich noch auf einen speziellen Punkt eingehen: die Einführung einer flexiblen Regelung zur Überprüfung der Regionalen Raumordnungsprogramme. Der Referentenentwurf zum NROG beinhaltete, dass ein Regionales Raumordnungsprogramm automatisch zehn Jahr nach seinem Inkrafttreten außer Kraft tritt, wenn man nicht vorher ein neues Regionales Raumordnungsprogramm in Kraft treten lässt oder die oberste Landesplanungsbehörde die Geltungsdauer verlängert. Die im nun vorliegenden Gesetzentwurf vorgenommene Änderung als Reaktion auf die Stellungnahmen der kommunalen Spitzenverbände begrüßen wir sehr. Danach sind die Regionalen Raumordnungsprogramme vor Ablauf von zehn Jahren insgesamt daraufhin zu überprüfen, ob eine Änderung oder Neuaufstellung erforderlich ist. Das Außerkrafttreten eines Regionalen Raumordnungsprogramms kann damit durch entsprechendes Handeln verhindert werden. Dies stärkt die kommunale Planungskompetenz und zeigt, wie hoch wir den Stellenwert der Kommunen in dieser Raumordnungsgesetzgebung einschätzen. - Danke schön.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Herzlichen Dank, Herr Kollege Biestmann. - Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat Herr Kollege Klein das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zunächst kann man den Eindruck haben, dass hier nicht viel Neues passiert. Das ist ja mehr oder weniger auch der Eindruck, den der Minister mit seiner Einbringung erzeugt hat: Eigentlich geht es hier nur um eine Neuordnung der Gesetzessystematik; der Inhalt von bisher vier Schubladen wird in zwei Schubladen verstaut. Außerdem wird ein bisschen höherrangiges Recht umgesetzt. Ob dies schon Deregulierung bewirkt, wage ich zu bezweifeln. Aber sicherlich ist es sinnvoll, das man Grundsatz- und Verfahrensfragen deutlicher von fachlich-inhaltlichen Detailfragen trennt, die häufiger überarbeitet werden müssen, wenn sich Rahmenbedingungen verändern.

Was die Verfahrensfragen angeht, haben wir vor allen Dingen Kritik an der Öffentlichkeitsbeteiligung. Wir glauben, dass die Auslegung der Unterlagen allein bei den Trägern der Planung zu wenig und auch nicht besonders bürgerfreundlich ist. Wir haben Zweifel, ob es sinnvoll ist, gerade im Bereich der Bürgerbeteiligung zu sparen, zumal man ja nicht sehr viel spart. Man muss nicht zwangsläufig Papierberge produzieren. Die Auslegung bei Gemeinden z. B. kann auch in elektronischer Form geschehen und ist dann relativ kostengünstig.

Neu im Verfahren ist - das ist sicherlich zu begrüßen und sinnvoll - die strategische Umweltprüfung, die jetzt Voraussetzung für das Landes-Raumordnungsprogramm und für die regionale Raumordnung ist. Das ist sicherlich der GöteborgStrategie der EU und den entsprechenden Bundesvorgaben geschuldet. Es ist sinnvoll, sich nicht erst dann Gedanken über die Nachhaltigkeit zu machen, wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist.

Die Landesregierung hängt diese Prüfung etwas tief. Das haben wir auch in den Ausführungen des Ministers gehört. Sie passt natürlich nicht so sehr in Ihre Ideologie der Entbürokratisierung mit dem Holzhammer. Aber es ist sicherlich sachlich richtig und sinnvoll, dass der Staat hier im Interesse aller eine vorsorgende und koordinierende Funktion übernimmt. Wichtig ist aber, dass man das auch materiell berücksichtigt und verinnerlicht. Wenn ich

an die bekannt gewordenen Planungen der Landesregierung zu den Factory-Outlet-Centern auf der grünen Wiese denke, dann kann ich das nur bezweifeln. Wenn wir diese Zersiedlung mit all ihren Belastungen für den ländlichen Raum und mit ihrer zerstörerischen Wirkung auf die Innenstädte durch eine solche strategische Umweltprüfung durchgehen lassen, dann hat diese strategische Umweltprüfung ihren Namen wirklich nicht verdient. Das kann ich mir jedenfalls nicht vorstellen. Das kann sich sicherlich nur jemand vorstellen, der Friedrich-Otto Ripke heißt und im Autobahndreieck Walsrode wohnt.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, wir werden solchen Ansinnen einen entschiedenen Widerstand entgegensetzen. Wir hoffen dabei auch auf die vernünftigen CDUler, die dann mit uns zusammen sagen: Das kommt nicht in Frage! - Nicht wahr, Herr Schönecke?

Damit sind wir schon beim Inhaltlichen. Die inhaltlichen Dinge zeigen sich in den Grundsätzen, die hier formuliert sind. Wir könnten gut damit leben, dass man sich nur auf die Grundsätze des Raumordnungsgesetzes bezieht und auf eigene verzichtet. Niedersächsische Spezifika, die als Begründung angeführt werden, sind nämlich überhaupt nicht zu erkennen. Mir scheint es sich hier vielmehr um den Versuch zu handeln, hinter wortreichen und in der Regel nichtssagenden Formulierungen die Abschwächungen und Aushöhlungen des Bundesrechts zu verstecken. Meine Damen und Herren, das geht nicht. Eine schwarz-gelbe Ideologie ist Gift für ein modernes und erfolgreiches Raumordnungsrecht.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD - Was? bei der CDU und der FDP)

Wir wissen und haben gehört, dass die Grenzen zwischen Gesetz und Plan fließend sind. Das ist ja auch in den Ergebnissen der Anhörung deutlich geworden. Dabei gibt es Schnittmengen, über die man streiten kann. Wir haben den Anspruch, diese Grundsätze im niedersächsischen Gesetz einer Klimaschutzverträglichkeitsprüfung zu unterziehen und gegebenenfalls entsprechende Änderungen zu diskutieren.