Protocol of the Session on October 10, 2006

Für die FDP-Fraktion hat nun Herr Abgeordneter Rickert das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Frage der Besteuerung des Ehrenamts in den Zusammenhang einer großen Steuerreform oder des kommunalen Finanzausgleichs zu stellen, ist sicherlich etwas zu weit gefasst. Dazu müsste man wesentlich mehr Ausführungen machen.

Ich kann nur feststellen, dass es hinsichtlich der Bedeutung des Ehrenamts und der ehrenamtlich geführten gemeinnützigen Vereine für das Land Niedersachsen in diesem Hause überhaupt keinen Dissens gibt. Ich weise nur darauf hin, dass man das Ehrenamt nicht nur über den fiskalischmateriellen Inhalt definieren sollte. Viele Menschen, die Ehrenämter ausüben, sind von Idealismus und der Zufriedenheit an der Tätigkeit für das Gemeinwohl getragen. Nichtsdestotrotz muss auch eine entsprechende steuerliche Entlastung bzw. Zuwendung erfolgen. Ich hoffe, dass es Ihnen auf der linken Seite des Hauses gelingt, Ihren Finanzminister davon zu überzeugen, ohne dass Ihre Kanzlerin ein Machtwort sprechen muss. - Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Für die Landesregierung hat nun Herr Minister Möllring das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Helmhold, im Jahre 2004 mussten Sie nichts verteidigen. Ich hatte Ihnen schon damals gesagt, dass in dem merzschen Vorschlag die Steuerfreiheit für das Ehrenamt weiterhin berücksichtigt worden war. Dies war sicherlich ein Bruch im System. Aber ich habe es Ihnen damals vorgetragen, sodass kein Grund besteht, dass Sie heute etwas Falsches sagen. Das bringt ja nichts.

(Zustimmung bei der CDU)

Der Wissenschaftliche Beirat beim Bundesfinanzministerium hat aus rein ökonomischem Blickwinkel ohne Rücksicht auf die gewachsenen und bewährten Strukturen für eine erhebliche Einschränkung der bisherigen Vergünstigungen plädiert und empfiehlt z. B. eine engere Fassung des Begriffes der steuerlich begünstigten gemeinnützigen Tätigkeiten. Hiernach sollen nur noch die Förderung des demokratischen Staatswesens, die Pflege des kulturellen Erbes, die Förderung des Umweltschutzes und der Wissenschaft sowie die Förderung von Bildung und Erziehung gemeinnützig sein. Nicht mehr gemeinnützig soll danach u. a. die Förderung des Sports, abgesehen vom Jugendsport, sein. Ferner werden die Einschränkung des Kreises der von der Körperschaftsteuer befreiten Einrichtungen, die Abschaffung des sogenannten Übungsleiterfreibetrags bei der Einkommensteuer, eine engere Fassung der Spendenbegünstigung, eine Neufassung umsatzsteuerlicher Privilegien und die Aufhebung der Befreiung von der Grund- und Gewerbesteuer vorgeschlagen.

Dieser Weg der rigorosen Beschneidung bisheriger steuerlicher Positionen ist falsch. Er liefe den Bemühungen zuwider, das Ehrenamt zu stärken und die Bürger zu uneigennützigem Handeln zum Nutzen der Gemeinschaft zu ermuntern. Deshalb hat der entsprechende Arbeitskreis, der auf Bundesebene tagt und an dem Vertreter des Bundes beteiligt sind, alle diese Vorschläge abgelehnt. Unser politisches Ziel ist die Förderung von Ehrenamt und bürgerschaftlichem Engagement. Deshalb sind wir für eine Vereinfachung und Verbesserung

des Gemeinnützigkeits- und Spendenrechts und gegen dessen Einschränkung und Verschlechterung. So steht es auch im Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD auf Bundesebene. Danach hat sich die Bundesregierung zum Ziel gesetzt, die Bürgergesellschaft zu stärken und das Ehrenamt zu fördern.

(Zuruf von Petra Emmerich-Kopatsch [SPD])

- Das alles war steuerfachlich gar nicht zu beanstanden, allerdings relativ weltfremd. Deshalb haben wir als Land Niedersachsen dagegengehalten. Wir wollen, dass das Gemeinnützigkeitsrecht und der Übungsleiterfreibetrag unangetastet bleiben.

Wir stellen uns vor, dass das Spendenrecht wie folgt vereinfacht und verbessert werden könnte: Man beschränkt es auf einen einheitlichen Spendenhöchstsatz von 10 oder 15 % des Einkommens, ohne wie bisher zwischen wissenschaftlichmildtätigen, als besonders förderungswürdig anerkannten kulturellen Zwecken und religiösen Zwecken zu unterscheiden.

(Zustimmung von Ursula Körtner [CDU])

Auch sollten die Spendenbegünstigung und die Gemeinnützigkeit der Freizeitvereine beibehalten werden. Natürlich kann man über das Thema diskutieren. Zunächst einmal geht man in einen Sportverein, um sich selbst eine Freude zu machen und Sport zu treiben, in einen Gesangverein, um in der Gemeinschaft zu singen, und in einen Pudelverein - ich hatte ursprünglich an einen Kaninchenzuchtverein gedacht -, um sich darüber zu freuen, dass der Pudel besonders hübsch geschoren ist. Aber wo wollen Sie die Grenze ziehen? Singt der Gesangverein nur für sich oder zum Advent auch einmal im Altenheim? Kommen zu einer Pudelausstellung auch fremde Leute, die sich daran erfreuen, dass sich Menschen auf diesem Gebiet engagieren? - Sie werden die Grenze nicht ziehen können. Deshalb bin ich für ein einheitliches Recht für alle.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Ursula Helmhold [GRÜNE]: Auch für die Ordensgemeinschaft der Ritter- kreuzträger?)

- Das ist jetzt die große Frage. Auf der einen Seite gibt es Leute, die Umweltschutzverbände ganz kritisch besehen. Auf der anderen Seite gibt es

Leute, die sie sehr positiv sehen; dazu gehören wir alle. Es gibt Menschen, die z. B. Randale in Gorleben nicht so positiv sehen, und Vereine, die diese Randale unterstützen. Trotzdem sind solche Vereine als gemeinnützig anerkannt. Dann müssen Sie auch andere akzeptieren, die Traditionen pflegen, die wir vielleicht nicht richtig finden. Es gehört zu einer freiheitlichen Demokratie, auch Andersdenkende zu akzeptieren.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP - Dr. Philipp Rösler [FDP]: Tole- ranz kennen die Grünen nicht!)

Ich denke hier insbesondere an unsere Brauchtumsvereine. Sie werden vielleicht nicht zu jedem Schützenfest in ihrem Wahlkreis gehen. Aber auch sie gehören dazu und fördern unser Gemeinschaftsleben.

Wir brauchen eine Großspendenregelung. Die gegenwärtige Regelung über die Spendenrückund -vortrag ist zu kompliziert. Wir meinen, man sollte stattdessen alle Spenden, die die Höchstbeträge übersteigen, zeitlich unbegrenzt vortragen, dafür aber einen Rücktrag vermeiden. Ich meine, dass diese Vorschläge politisch durchsetzbar seien. Deshalb werden wir uns auch in Zukunft dafür einsetzen. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, für den Tagesordnungspunkt 1 c liegen keine weiteren Wortmeldungen vor.

Ich rufe nun auf

d) Wulffs Niedersachsen-Kombi: Ziel verfehlt Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 15/3219

Für die SPD-Fraktion hat sich der Abgeordnete Lenz zu Wort gemeldet. Ich erteile ihm das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich würde mir natürlich wünschen, dass gerade bei diesem Thema auch der Ministerpräsident und der zuständige Wirtschaftsminister teilnähmen. Aber vielleicht kommen sie ja noch.

(David McAllister [CDU]: Und Ihr Fraktionsvorsitzender!)

- Der sucht gerade die beiden, Herr McAllister.

(Dr. Philipp Rösler [FDP]: Wie immer erfolglos!)

Ich hoffe, dass er sie gleich findet.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, mit großem Presserummel ist am 1. Juli dieses Jahres der Niedersachsen-Kombi von der Landesregierung aus der Taufe gehoben worden. Wir als SPD-Fraktion haben hier im Plenum bereits in den Debatten im März und im Juni unsere kritische Haltung gegenüber dem Niedersachsen-Kombi deutlich gemacht. Wir sind nach wie vor der Auffassung, dass wir eine bundeseinheitliche Regelung brauchen. Wir sind nach wie vor der Auffassung, dass ein Kombilohnmodell mit Regelungen zum Mindestlohn kombiniert werden muss,

(David McAllister [CDU]: Falsch!)

um insbesondere Lohndumping zu vermeiden. Wir haben vor allem kritisiert, dass die Landesregierung hier mit fremdem Geld, nämlich mit Geld aus Berlin und aus Brüssel den Anschein erweckt, man sei in Fragen der Arbeitsmarktpolitik besonders aktiv.

(Heinrich Aller [SPD]: Wo sind die beiden denn? Es geht doch nicht, dass sie gar nicht da sind! Was soll denn das? - Weitere Zurufe)

Herr Abgeordneter, fahren Sie fort!

Jetzt setzt die Landesregierung noch einen drauf. In der Pressemeldung der Niedersächsischen Staatskanzlei vom 26. September lässt Ministerpräsident Wulff verkünden, dass der Niedersachsen-Kombi bereits Erfolge zeige. 321 Arbeitslose seien in den ersten zwei Monaten zu einer neuen Beschäftigung auf dem ersten Arbeitsmarkt gekommen.

Nicht dass mich jemand falsch versteht, liebe Kolleginnen und Kollegen: Ich freue mich für jeden ehemaligen Arbeitslosen, der einen neuen Job gefunden hat.

(Ministerpräsident Christian Wulff und Minister Walter Hirche betreten den Saal - Beifall bei der CDU und bei der FDP - Heinrich Aller [SPD]: Wir be- grüßen ausdrücklich Herrn Wulff und Herrn Hirche zu diesem Tagesord- nungspunkt! - Gegenruf von Dr. Phi- lipp Rösler [FDP]: Und Herrn Jüttner! - Glocke des Präsidenten)

Aber ich meine, es ist notwendig, diese Erfolgsmeldung hier im Parlament zu kommentieren.

Erstens. Ich finde, meine Damen und Herren von den Regierungsfraktionen, nach nur zwei Monaten von einem Erfolg zu sprechen, ist nicht wirklich seriös.

(Beifall bei der SPD - Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Zweitens. Wenn man nach einer so kurzen Zeit - hören Sie gut zu! - die Wirkung des Niedersachsen-Kombis beurteilen will, dann muss man sich die Entwicklung des gesamten Instrumentariums der Bundesagentur für Arbeit anschauen.

(Unruhe)

Herr Lenz, einen Augenblick einmal! - Meine Damen und Herren, es ist weitaus zu laut.

(Heinrich Aller [SPD]: Weil die beiden nicht da waren! Ist doch ganz klar!)

Herr Lenz, fahren Sie fort.

Danke, Herr Präsident. - Hierbei fällt insbesondere auf, dass die Eingliederungszuschüsse der ARGEn und der Optionskommunen z. B im Mai, also vor der Einführung des Niedersachsen-Kombis, 2 273mal bewilligt wurden. Diese Zahl ist größer als in den Monaten Juli, August und September. Das heißt, aktive Arbeitsmarktpolitik ist vor der Einführung des Kombilohnmodells in Niedersachsen offensichtlich besser gelaufen als nach der Einführung. Das sollten wir hier einfach einmal feststellen.

(Beifall bei der SPD)

Drittens. Laut der Regionaldirektion der Bundesagentur hier in Hannover haben die Hauptproblemgruppen am Arbeitsmarkt, die unter 25Jährigen und die über 50-Jährigen, bisher kaum vom Kombilohn profitieren können.

Viertens. Zur Inanspruchnahme von Qualifizierungsmitteln haben wir in Ihrer Pressemitteilung überhaupt keine Aussage gefunden. Es war ja Sinn der Übung, auch dafür ESF-Mittel einzusetzen.