Protocol of the Session on January 24, 2002

Zu 1: Der Vorfall ist in Niedersachsen seit dem 10. Januar 2002 bekannt und wird seit dem 11. Januar 2002 von den zuständigen Behörden bearbeitet. Bis heute liegen fast alle Verarbeitungs- und Handelswege des belasteten Materials offen. Gleiches gilt nach meinem Kenntnisstand für die anderen Bundesländer. Wir haben deren Dienststellen zeitnah über unsere Ermittlungen informiert.

Zu 2: Für das Antibiotikum Chloramphenicol gibt es wissenschaftlich abgesicherte Hinweise, dass es in Einzelfällen bei prädisponierten Menschen eine Knochenmarksschädigung hervorrufen kann, die mit einer a-plastischen Anämie verbunden ist. Das heißt, es kommt in diesen Fällen zu einer erheblichen Störung der Blutbildung, die auch zu Todesfällen führen kann. Da für das Auftreten dieser Schädigungen keine klaren Dosis-WirkungsBeziehungen festlegbar sind, ist die Anwendung von Chloramphenicol bei Tieren, die der Lebensmittelgewinnung dienen, seit dem 29. August 1994 in der gesamten Europäischen Union verboten.

Zu 3: Ich habe eingangs schon auf die Notwendigkeit der Neuorganisation der Futtermittelkontrolle sowie auf den Ausbau eines Schnellwarnsystems hingewiesen. Vorgänge wie dieser werden dadurch sicherlich schneller erkannt und aus der Welt geschaffen werden. Ich warne aber vor der Erwartung, dass kriminelle Energie dadurch aus unserem Wirtschaftsgeschehen eliminiert werden kann. In diesen Fällen kann nur der Sanktionsmechanismus der Behörden und der Staatsanwaltschaft wirken. Dieser muss bei derartigen Vorgängen voll ausgeschöpft werden.

(Beifall bei der SPD)

Die Abgeordnete Groneberg stellt eine Zusatzfrage. Dann folgt Herr Ehlen.

Herr Minister, ich frage Sie zum einen: Wie sind die Reaktionen auf Bundesebene? Zum anderen: In welchem Zusammenhang stehen damit die bekannt gewordenen Fälle der mit CAP belasteten Kalbsleber?

Zu der letzten Frage: Dies sind zwei unabhängig voneinander aufgetretene Ereignisse. Es ist kein Zusammenhang erkennbar.

Zu den Reaktionen des Bundes auf die Vorgänge: Wie Sie in den Medien haben lesen können, hat Frau Bundesministerin Künast zwei Unterabteilungsleiter von ihren Aufgaben entbunden. Auf einer Pressekonferenz hat sie das niedersächsische Vorgehen ausdrücklich gelobt.

Ich habe in meiner Antwort schon deutlich gemacht, dass ich Änderungsnotwendigkeiten bei uns in der Futtermittelüberwachung sehe. Das ist auf dem Wege. Ich hoffe, dass wir in der nächsten oder übernächsten Woche im Kabinett die entsprechende Organisationsentscheidung werden treffen können, die wir seit langem vorbereitet haben, um die Kontrollen weiter zu straffen und beim Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit zu konzentrieren.

Herr Ehlen, bitte! Dann Herr Brauns.

Herr Minister, Sie haben in Ihrer Pressemitteilung „Shrimps-News“ darauf hingewiesen, dass 1 140 t Fischmehl hergestellt worden seien und dass davon erst 50 t Fischmehl und 54 t Mischfutter sichergestellt worden seien. Was passiert mit den restlichen Tonnen? Was hat man als Mischfutterhersteller oder als Landwirt zu erwarten?

Herr Minister!

Herr Abgeordneter, ich kann bestätigen, dass es um insgesamt 1 144 t Fischmehl geht, die in dem fraglichen Zeitraum, in dem nach unserer Kenntnis die Anteile an Shrimps in Cuxhaven verarbeitet worden sind, produziert worden sind. Dahinter steht - das muss man wissen - eine Rohwarenmenge von 5 460 t. In diesen 1 144 t Fischmehl sind die 195 t Shrimps enthalten.

Ich könnte Ihnen die Spinne zeigen, die wir aufgrund unserer Ermittlungen haben erstellen können. Wir haben in den letzten eineinhalb Wochen sehr schwierige Aufgaben auf den unterschiedlichen Ebenen zu bewältigen gehabt, um überhaupt herauszufinden, wo das Fischmehl, das in Cuxhaven produziert worden ist, geblieben ist. Das ist keine leichte Aufgabe für die zuständigen Behörden gewesen, weil von Cuxhaven aus Fischmehlmengen als Rohware an Händler in Hamburg und Bremen geliefert worden sind, die von dort aus eine Weiterverbreitung organisiert haben. Von Cuxhaven aus ist ein großer Teil direkt an Drittstaaten und andere europäische Länder gegangen.

Außerdem sind - das muss ich dazu sagen - 888 t Fischöl gewonnen worden, von denen 11,7 t an eine Firma in Niedersachsen geliefert worden sind. Der Rest ist an Abnehmer außerhalb Niedersachsens geliefert worden.

Wir haben feststellen können, dass es bei der Firma in Cuxhaven noch einen Lagerbestand von 170 t gibt. An Betriebe im Ausland sind 608 t der 1 144 t geliefert worden. An Unternehmen in Deutschland sind 366 t geliefert worden. 277 t sind an Händler in Hamburg und Bremen geliefert worden, die Fischmehl herstellen und verwenden, und an Hersteller von Mischfuttermitteln. Direkt von Cuxhaven nach Niedersachsen wurden 50 t geliefert, darunter an zwei Hersteller von Heimtierfutter. Nach Baden-Württemberg und NordrheinWestfalen wurden 39 t geliefert.

Wir haben aufgrund unserer eigenen Ermittlungen sowie aufgrund der Ermittlungen der Hamburger und der Bremer Behörden feststellen können, dass neun Händler und Hersteller in Niedersachsen mit besagtem Fischmehl beliefert worden sind. Von denen sind 13 landwirtschaftliche Betriebe in Niedersachsen beliefert worden. Bei diesen Betrieben sind die Mengen, die angeliefert worden sind, soweit sie nicht bereits verfüttert worden sind, sichergestellt worden. Wir haben angeordnet, dass die Behörden, die vor Ort zuständig sind, die mit den fraglichen Futtermitteln gefütterten Tiere sichern müssen. Kein Tier darf so zur Schlachtung kommen. Ferner muss sichergestellt werden, dass die betroffenen Tiere beprobt werden, um festzustellen, ob dort noch Reste von Chloramphenicol enthalten sind.

Herr Brauns! Dann Herr Wojahn.

Herr Minister, können die Fischreste vor der Verarbeitung zu Fischmehl beprobt werden?

Zweite Frage: Hat die Fischmehlfabrik in Cuxhaven die Produktion bereits wieder aufgenommen, wenn nein, wann, und wird nach der Herstellung des Fischmehls sofort eine Beprobung vorgenommen?

Das waren drei Fragen.

(Adam [SPD]: Es war ein Komma- satz, Herr Präsident!)

- Ich habe ja nicht gesagt, dass das nicht zulässig ist.

Herr Abgeordneter Brauns, das Unternehmen ist beprobt worden. Ich habe die Ergebnisse. Im Jahr 2000 hat es drei Überwachungsmaßnahmen in futtermittelrechtlicher Hinsicht gegeben, bei denen es keine Beanstandungen gegeben hat. Im Jahr 2001 hat es sechs Überwachungsmaßnahmen gegeben. Vier Überwachungsmaßnahmen sind ohne Beanstandung geblieben. Bei zwei Überwachungsmaßnahmen laufen noch die Untersuchungen; dazu liegt mir das Untersuchungsergebnis noch nicht vor. Dabei geht es jedoch nicht um Chloramphenicol, sondern um andere Substanzen, auf die hin routinemäßig Proben durchgeführt werden.

Das Veterinäramt des Landkreises führt nach der Futtermittelherstellungsverordnung hygienische und mikrobiologische Kontrollen durch. Die letzte Kontrolle fand im Oktober 2001 statt.

Pro Jahr sind ca. 50 Untersuchungen auf Salmonellen im Veterinäruntersuchungsamt Cuxhaven durchgeführt worden, ebenfalls mit negativen Ergebnissen.

Der Betrieb hat in dieser Zeit weiterarbeiten können.

Es folgt Herr Wojahn! Dann Herr Ontijd.

Herr Minister, Sie und die Bundesregierung mit Frau Künast haben im Rahmen der Agrarwende zugesagt, dass es solche Pannen und Schlampereien der Behörden nicht mehr geben soll. Heute Morgen haben Sie gesagt, Sie wollten ein Schnellwarnsystem installieren.

(Zuruf von der SPD: Ist installiert!)

14 Monate nach der größten Ernährungs- und Agrarkrise aufgrund von BSE sagen Sie dem Parlament und der Öffentlichkeit heute, was Sie wollen. Ich frage Sie: Was hat die Regierung und was ha

ben Sie selbst getan, damit das Schnellwarnsystem bereits jetzt zur Verfügung steht?

(Beifall bei der CDU - Frau Harms [GRÜNE]: Das war ja wie bei Stoi- ber!)

Herr Wojahn, ich kann durchaus nachvollziehen, dass Sie Frau Künast gerne etwas an den Rock oder an den Hosenanzug kleben wollen; sie trägt ja häufiger Hosenanzüge. Aber um es klar zu sagen, meine Damen und Herren: Es handelt sich ursächlich um einen Vorgang, der in den Niederlanden und nicht in Deutschland passiert ist. Es handelt sich um einen Vorgang, der - das wissen Sie, wenn Sie aufmerksam zugehört haben - in den Niederlanden durch das Kontrollsystem festgestellt worden ist. Dabei hat es die erste große Panne gegeben, die ich zutiefst bedaure und über die ich wirklich ärgerlich bin. Deutschland hätte mindestens seit dem 6. Dezember eine Information von den Niederlanden bekommen müssen, dass gegen ein Unternehmen staatsanwaltschaftliche Ermittlungen eingeleitet worden sind, von dem vermutet wurde und bei dem genügend Tatverdacht bestand, dass dieser Betrieb chloramphenicolhaltige Shrimps Fischabfällen untergemischt hat. Die entsprechende Information hätte zu diesem Zeitpunkt erfolgen müssen.

Diese Panne ist leider passiert. Ein Schnellwarnsystem im Futtermittelbereich hätte uns in diesem Fall in der Tat helfen können; denn dann wäre die Warnung innerhalb von Stunden rund um den Erdball gegangen, wie wir es jetzt z. B. auch bei dem mit Chloramphenicol belasteten Kalb erleben konnten. So muss es laufen.

Dieses Kontrollsystem ist bei Futtermitteln aber noch nicht installiert. Deshalb lautete meine Forderung schon im Zusammenhang mit dem Weißbuch zur Lebensmittelsicherheit, dass auch der Futtermittelbereich dazu gehört; denn der Schritt vom Futtermittel zum Lebensmittel ist ein ganz geringer. Dann hätte man automatisch auch ein Schnellwarnsystem für Skandale im Futtermittelbereich gehabt. Diese meine Forderung habe ich noch einmal erhoben. Frau Künast hat diese Forderung unterstützt. Der Agrarrat hat zum Glück schnell gehandelt und hat am 21. - das Datum habe ich Ihnen eben genannt - eine Entscheidung dahin

gehend getroffen, dass dieses Warnsystem jetzt eingerichtet wird.

Unabhängig davon habe ich Ihnen in Beantwortung der Anfrage deutlich gemacht, dass wir in Niedersachsen für uns ein derartiges Schnellwarnsystem eingerichtet und damit schnell auf diese Herausforderung reagiert haben.

(Beifall bei der SPD - Adam [SPD]: Sehr gut!)

Herr Ontijd! Dann Herr Biallas.

Herr Minister, angesichts der Tatsache, dass Sie jetzt Pannen eingestanden haben, wie wir soeben gehört haben,

(Adam [SPD]: Was?)

frage ich Sie: Welche Auswirkungen sehen Sie angesichts der noch nicht wieder aufgehobenen Produktionseinstellung hinsichtlich der Fischwirtschaft in Cuxhaven? Wie bewerten Sie den Ausfall in Bezug auf die Wettbewerbsfähigkeit und auf die damit in Zukunft verbundenen Verteuerung? Sehen Sie dort nicht auch eine Verantwortung für sich selber?

Das waren auch drei Fragen. - Herr Bartels!

Herr Abgeordneter, ich kann ja verstehen, dass Sie immer versuchen, der Regierung irgendetwas am Zeug zu flicken. Aber dann, bitte schön, auch mit Fakten. Sie sollten dann jedoch zumindest auch die Antworten entgegennehmen, die wir gegeben haben. Aus den Antworten und aus den Fakten können Sie wirklich nicht ableiten, in Niedersachsen seien Pannen passiert. Dann müssten Sie schon eine nennen. Ich möchte Sie dringend bitten, sofort aufzustehen und mir eine zu nennen. Aber das können Sie nicht.

(Biallas [CDU]: Das darf er ja nicht! Fragestunde!)

Also will ich Ihnen eine Antwort geben. Ich bin traurig, dass Sie eben wieder nicht zugehört haben.

Auf die Frage des Abgeordneten Brauns habe ich ganz deutlich geantwortet, es habe keinen Produktionsstillstand in Cuxhaven gegeben. Damit sind die Folgen, die Sie andeuteten, überhaupt nicht eingetreten.

Herr Biallas! Dann Herr Kethorn.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Minister, vor dem Hintergrund der Tatsache, dass in allen durch Sie sichergestellten Fischmehlproben kein Nachweis von CAP erbracht werden konnte, frage ich Sie, wann die Vereinigten Fischmehlwerke denn damit rechnen können, dass Sie die Sicherstellung des Fischmehls aufheben.

(Frau Elsner-Solar [SPD]: Wer soll das noch essen?)