Protocol of the Session on January 26, 2001

Ich sage nur, dass wir diese Überweisung für unseren Antrag nicht beantragen. Das kann sich also nur auf den zu Tagesordnungspunkt 23 vorliegenden Antrag beziehen. Wir würden für unseren Antrag dabei bleiben wollen, dass der Innenausschuss federführend berät.

(Bachmann [SPD]: Das ist nicht sach- gerecht!)

Meine Damen und Herren, wir machen es jetzt so:

(Dr. Domröse [SPD]: Kampfabstim- mung!)

Wir stimmen jetzt ab über die Ausschussüberweisung betreffend den zu Punkt 23 vorliegenden Antrag, wie sie von SPD und Grünen beantragt worden ist. Wer so beschließen möchte, wie es in Abänderung der Empfehlung des Ältestenrats beantragt worden ist, den bitte ich um das Handzeichen. – Ich bitte um die Gegenprobe. – Stimmenthaltungen? – Das erste war die Mehrheit.

Jetzt frage ich SPD und Grüne, ob diese Überweisung auch für den zu Punkt 24 vorliegenden Antrag gelten soll.

(Bachmann [SPD]: Das geht nicht an- ders!)

- Das soll auch hierfür gelten. - Da ist die CDU anderer Meinung. Ich halte Sie damit einverstanden, dass ich darüber schlichtweg abstimmen lasse; denn anders lässt sich eine Mehrheit ja nicht feststellen.

Wer der Meinung ist, dass die Ausschussüberweisung, die zu dem zu Punkt 23 vorliegenden Antrag beschlossen worden ist, auch für den zu Punkt 24 vorliegenden Antrag gelten soll, den bitte ich um das Handzeichen. – Ich bitte um die Gegenprobe. – Stimmenthaltungen? – Für den Antrag zu Punkt 24 ist die gleiche Überweisung beschlossen worden. Damit sind die Tagesordnungspunkte 23 und 24 erledigt.

Meine Damen und Herren, wir kommen jetzt zu

Tagesordnungspunkt 32: Erste Beratung: Europaweite Öffnung des Wettbewerbs im ÖPNV - Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 14/2154

Zur Einbringung hat der Kollege Biel das Wort. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Dieser Entschließungsantrag meiner Fraktion knüpft an den gestern behandelten Antrag zur Bahnpolitik an. Es geht um eine der notwendigen Maßnahmen, um die Mobilität der Menschen in unserem Land zu gewährleisten und um diese Mobilität auf unterschiedliche Verkehrsträger wie auch auf unterschiedliche Anbieter zu lenken. In erster Linie muss es darum gehen, die große Zahl von Berufspendlern, für die der ÖPNV noch immer keine attraktive Alternative zum Auto darstellt, durch ein verbessertes Preis-Leistungs-Verhältnis und durch verbesserten Service zu überzeugen. Wenn uns das nicht gelingt, meine Damen und Herren, werden unsere Straßen, insbesondere in den Ballungsräumen, den Berufsverkehr nicht mehr lange bewältigen können.

Es geht aber auch um 6 400 Verkehrsunternehmen in Deutschland, für die ein europaweiter Wettbewerb eine enorme Herausforderung darstellen wird. Ihre Chance wird darin liegen, sich innerhalb Europas an jeder Ausschreibung beteiligen zu können. Ihr Risiko liegt darin, dass dieses Recht die gesamte europäische Konkurrenz dann auch in Deutschland hat.

An dieser Stelle müssen wir aufpassen, meine Damen und Herren, dass die Bedingungen für alle Teilnehmer an diesem Wettbewerb die gleichen sind. Wir müssen aufpassen, dass unser technischer Standard, dessen Qualität europaweit anerkannt ist, europäischer Standard wird. Nicht zuletzt geht es um 250 000 Beschäftigte, die sich große Sorgen machen, dass die sozialen Standards, die in unserem Land selbstverständlicher Teil von Arbeitsverträgen sind, zur Disposition gestellt werden. Wir müssen dafür sorgen, dass unsere sozial- und arbeitsrechtlichen Standards auch unter Wettbewerbsbedingungen gewahrt bleiben und dabei besonders auch die Chancengleichheit für die Unternehmen gewahrt bleibt.

Meine Damen und Herren, der europäische Wettbewerb im ÖPNV darf nicht von illegaler Beschäftigung und Sozialdumping geprägt sein, wenn die Arbeitsplätze und der soziale Frieden in unseren Verkehrsunternehmen erhalten bleiben sollen.

Ebenso wichtig wie der Schutz der Unternehmer und Arbeitnehmer ist in diesem Zusammenhang die Wahrung der Gemeinwohlinteressen der Bundesrepublik, d. h. der Interessen unserer Kommunen, die auch künftig im Bereich des ÖPNV Aufgaben der öffentlichen Daseinsvorsorge wahrnehmen müssen. Die Bundesregierung hat die Bedeutung der unterschiedlichen Interessen erkannt, die mit einer Umorientierung im ÖPNV verbunden sind. Sie hat deshalb alle betroffenen Gruppen an einen Tisch geholt, um die Bedingungen zu formulieren, unter denen die Öffnung des Wettbewerbs zum Erfolg für alle werden kann. Denn das sollten die Verkehrsunternehmen und ihre Beschäftigten trotz der durchaus berechtigten Sorgen im Auge behalten. In einem verbindlich geregelten und fairen Wettbewerb im ÖPNV, der aus der Sicht der Kunden zur Steigerung der Attraktivität führt, liegt eine große Chance für die Sicherung der Arbeitsplätze und für neue Arbeitsplätze. Uns geht es darum, dass viel mehr Autofahrer auf Bus und Bahn umsteigen, und wenn das gelingt, meine Damen und Herren, werden mehr Verkehrsanbieter und mehr Menschen Arbeit haben.

Meine Damen und Herren, ich freue mich auf die Beratungen über unseren Entschließungsantrag und gehe davon aus, dass alle Fraktionen dazu stehen werden.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank. - Frau Ministerin Knorre, Sie haben das Wort. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die EU-Kommission will mit ihrem Verordnungsvorschlag gemeinschaftsweit verbindliche Kriterien für den Wettbewerb im öffentlichen Verkehr einführen. Dieses ist in der Tat ein wichtiges Thema, auch wenn im Augenblick die Präsenz das nicht deutlich macht. Im ÖPNV sollen künftig die Bedienungsrechte nur noch im Wettbewerbsverfahren und für bestimmte Zeit an Verkehrsunternehmen

vergeben werden, d. h. es wird in der Regel eine Ausschreibung geben. Insofern ist es gut, dass der Entschließungsantrag der SPD-Fraktion Gelegenheit bietet, dieses wichtige Vorhaben der EUKommission im Parlament zu erörtern. Ich begrüße das ausdrücklich.

Zur Position der Landesregierung möchte ich folgende Anmerkungen machen. Wir unterstützen die zentrale Zielrichtung des Verordnungsvorschlages; denn wir sind mit der Kommission der Auffassung, dass die Einführung des so genannten kontrollierten Wettbewerbs im ÖPNV sowohl für Kunden als auch für Besteller die Chance bietet, zu einer spürbaren Verbesserung von Angebot und Nachfrage im ÖPNV zu kommen, und zwar - das hoffen wir natürlich - bei zumindest gleichbleibenden, wenn nicht sogar sinkenden Kosten für die öffentliche Hand.

Allerdings enthält der vorliegende Verordnungsentwurf noch einige Punkte, die wir für nicht zustimmungsfähig halten. Lassen Sie mich drei Punkte herausgreifen.

Erstens. Die Landesregierung ist der Auffassung, dass wir längere Übergangsfristen als vorgesehen brauchen, um den Verkehrsbetrieben, auch denen in Niedersachsen, eine faire Chance zu eröffnen, sich auf den künftigen Wettbewerb auf dem Nahverkehrsmarkt vorzubereiten. Wir wissen, dass alle öffentlichen und privaten Verkehrsbetriebe diese Übergangszeit benötigen, um ihre Kostenstrukturen weiter zu verbessern, damit sie sich in einem europäischen Wettbewerb behaupten können. Die Landesregierung versteht sich in diesem Prozess nicht nur als Beobachter, sondern auch als aktiver Partner.

Zweitens. Wir sind der Auffassung, dass sichergestellt sein muss, dass sich das mittelständische Verkehrsgewerbe überhaupt an der Ausschreibung beteiligen und bei der Auftragsvergabe - im wahrsten Sinne des Wortes - angemessen zum Zuge kommen kann.

Drittens geht es darum, dass die Einführung von Wettbewerb auf der Basis von Qualitätsstandards, die sich im Nahverkehr bewährt haben, erfolgt. Dies gilt - das betone ich ausdrücklich - auch für das arbeits- und sozialrechtliche Qualitätsniveau in den Verkehrsunternehmen, das wir nicht gänzlich dem Wettbewerb opfern wollen.

Die Landesregierung hat sich bereits in den vergangenen Monaten auf Bundesebene für diese

Punkte eingesetzt. Es gibt dort einen Bund-LänderArbeitskreis, in dem gemeinsame Positionen entwickelt werden. An diesem Bund-LänderArbeitskreis nehmen u. a. die Verbände der Verkehrswirtschaft, kommunale Spitzenorganisationen und die Gewerkschaft ÖTV teil. Parallel dazu haben bereits die Länder mit eigenen Anträgen, so auch Niedersachsen, über den Bundesrat ihre Mitwirkungsrechte bei diesem Thema wahrgenommen und eine umfassende Position zu diesem Wettbewerbsmodell der EU-Kommission entwickelt. Die Aufgabe der nächsten Monate wird sein, diese Position auf EU-Ebene nachdrücklich zu vertreten. Die Bundesregierung hat zugesagt, die Länder entsprechend zu beteiligen, und die Landesregierung wird diese Möglichkeit nutzen, um die niedersächsischen Interessen in diesen Beratungsprozess weiter einzubringen.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Frau Ministerin. - Das Wort hat der Kollege Wenzel.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Angeschoben wurde die erneute intensive Debatte u. a. durch Gerichtsurteile in der Bundesrepublik Deutschland, die die Eigenwirtschaftlichkeit der Nahverkehre infrage gestellt haben. Es gab schon seit langem ein EU-Recht, das eigentlich in diesem Bereich wesentlich stringenter war, es hat aber niemand angewendet. Spätestens durch diese Gerichtsurteile wurden neue Rahmenbedingungen gesetzt, auch wenn diese Gerichtsurteile zum Teil noch nicht in letzter Instanz entschieden sind.

Dieser Umstand und die Vorlage der EUKommission zwingen uns zum Handeln. Wir müssen verhindern, dass die Unternehmen von heute auf morgen einem Wettbewerb ausgesetzt und in einen Markt geworfen werden, der nicht reguliert ist, der zu Lohndumping und illegaler Beschäftigung führt und der kleinere Unternehmen chancenlos gegenüber größeren internationalen Konzernen dastehen lässt. Deshalb ist es richtig, dass die EU-Kommission zu diesem Zeitpunkt diese Initiative ins Leben gerufen hat. Ich finde es richtig, dass wir heute dieses Thema im Plenum diskutieren. Wir begrüßen grundsätzlich die Initiative der SPD-Fraktion und den Ansatz, der ja

sozusagen einen Prozess darstellt, nämlich eine Unterrichtung des Ausschusses über die Entwicklung im Bund-Länder-Bereich und eine Diskussion mit den Verbänden und den Gewerkschaften. Das halte ich für sehr interessant.

Die Organisationsstrukturen im öffentlichen Personennahverkehr sind seit Jahrzehnten gewachsen. Insofern ist unbestritten, dass öffentliche Fördermittel, die in diesen Bereich fließen, auf vielen Gebieten effektiver eingesetzt werden könnten. Von daher muss man jetzt die Gelegenheit wahrnehmen, in diesem Bereich Strukturen so zu verändern, dass Risiken vermieden und Chancen für verbesserte Angebote im öffentlichen Personennahverkehr, für bessere Qualität und für mehr Kundenfreundlichkeit wahrgenommen werden.

Ich will jetzt noch zwei Punkte anmerken, bei denen wir aufpassen müssen. Wettbewerb braucht Anbieter und Nachfrager. Wir brauchen auf beiden Seiten Strukturen, die es ermöglichen, dass Handlungsfähigkeit entsteht. Im Bereich der Busunternehmen gibt es mittlerweile einen Konzentrationsprozess, der von uns kritisch beobachtet und - soweit das Land in diesem Bereich Möglichkeiten besitzt - mit gesteuert werden muss. Wir brauchen Unternehmen in Niedersachsen, die in der Lage sind, auch international agierenden Konzernen Paroli zu bieten, damit letztlich nicht einzelne Stadtwerke über die Wupper gehen, weil sie sich nicht rechtzeitig auf Allianzen oder Kooperationen verständigt oder sich nicht rechtzeitig neu aufgestellt haben. Ferner müssen wir die Kompetenzen der Kommunen und der Verkehrsverbünde stärken, weil wir uns von einer stärkeren regionalen Verantwortung mehr Sicht auf die Probleme vor Ort und einen verantwortungsvolleren Umgang in diesem Bereich für das Wohl der Fahrgäste erhoffen.

Wir müssen sehr genau hinschauen, dass es uns gelingt, Lohndumping und illegale Beschäftigung zu verhindern. Wir brauchen ein Vergabegesetz, das auch die Option zur Festsetzung qualitativer Standards ermöglicht. Gerade im Bereich der Ausbildung auch von Busfahrerinnen und Busfahrern muss das geschehen. Es gibt einen Verkehrswissenschaftler, der sagt: Eine Busfahrerin muss mindestens zwei Fremdsprachen beherrschen. Sie muss nämlich ihre Fahrgäste beraten. - Das kann nicht einmal so eben erlernt werden, sondern das erfordert eine fundierte Ausbildung, wenn wir hier langfristig eine hohe Qualität gewährleisten wollen.

Wir wollen auch, dass sichergestellt wird, dass das Tarifrecht nicht unterlaufen wird. Auch dafür brauchen wir ein Vergabegesetz.

(Glocke des Präsidenten)

Ich hoffe, dass wir bei dieser Diskussion vorankommen. Bisher war es zäh im Ausschuss. Wir haben das Vergabegesetz schon länger gefordert, und zwar insbesondere für den Bereichbau.

Herr Kollege, auch ohne eine Fremdsprache zu gebrauchen, muss ich Ihnen sagen, dass Ihre Redezeit abgelaufen ist.

Ich komme zum letzten Satz. - Ich meine, in diesem Bereich sollten wir gemeinsam voranschreiten und den Kommunen Handlungsempfehlungen geben. Dann sind wir auf dem richtigen Weg. - Ich freue mich auf eine spannende Ausschussberatung. Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Wenzel. - Bitte schön, Herr Kollege Schirmbeck!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe bei dem vorherigen Tagesordnungspunkt ganz aufmerksam zugehört, bei dem es darum ging, dass wir uns nicht so sehr auf Nationalismen konzentrieren sollten, sondern weltoffen sein sollten. Wenn ich nun diesen Antrag sehe und die Diskussionsbeiträge höre, dann könnte ich sagen: So, wie das formuliert ist, könnten wir gleich darüber abstimmen. Wenn man dann jedoch einzelne Sätze liest und darüber nachdenkt, dann steht in dem Antrag so etwas Ähnliches wie: Am deutschen Wesen soll die Welt, aber zumindest die Europäische Union genesen. Als Mindestforderung für die Umorientierung müssen immer die deutschen Standards gelten. Das, was wir hier in Deutschland machen, soll überall getan werden. Alle anderen sollen sich an unseren Standards orientieren. Offensichtlich ist es mit der Weltoffenheit, die von Ihnen gern reklamiert wird, nicht so weit her.

(Zuruf von Frau Steiner [GRÜNE])

- Gnädige Frau Steiner, ich habe ja Lebenserfahrung. Wenn wir ein europäisches Vergaberecht haben, wenn Aufträge europaweit ausgeschrieben werden müssen, dann ist das keine theoretische Übung mehr, sondern eine ganz praktische. Auch ich wünsche, wie die Frau Ministerin dies ausgeführt hat, dass die Kosten, die die öffentliche Hand für den ÖPNV tragen muss, möglichst übersichtlich bleiben oder sogar zurückgehen. Das kann man zukünftig bei europaweiter Ausschreibung vielleicht auch erwarten. Allerdings ist es ein unredliches Spiel, in Aussicht zu stellen, dass das niemanden treffen wird. Das trifft nämlich die Mitarbeiter, weil dann natürlich niedrigere Personalkosten angesetzt werden.

Ich weiß, dass es in einer großen niedersächsischen Stadt eine rot-grüne Koalition gibt und dass es dort Stadtwerke gibt, die in großem Stil für die Stadt und das Umland ÖPNV betreiben. Die Stadtwerke haben schon eine Tochtergesellschaft gegründet, die sicherstellen soll, dass die Stadtwerke zukünftig wettbewerbsfähig sind.

(Zuruf von Frau Steiner [GRÜNE])

Deshalb stellen sie die Busfahrer unter Tarif ein, und zwar mindestens schon mit Duldung der ÖTVVertreter in den Aufsichtsgremien.