Protocol of the Session on November 16, 2000

Um es hier präzise zu wiederholen, ohne die Vertraulichkeit der damaligen Ausschusssitzung zu brechen: Aus dem Auftrag und aus ihrem Amt heraus hatten die Vorstandsmitglieder der NORD/LB und der Geschäftsführer der HanBG Optimierungsstrategien zu überlegen. Diese sind mit mir, mit dem damaligen Ministerpräsident Gerhard Glogowski sowie offensichtlich auch im Bereich der Gewerkschaften und der Vorstände und Gremien der Salzgitter AG erörtert worden und haben dann zu den Ergebnissen geführt, die Sie kennen. Abgeschlossen wurde das Ganze mit einer lebhaften Diskussion hier im Landtag sowie einer Entschließung, der hoffentlich auch Sie zugestimmt haben.

Herr Kollege Golibrzuch, bitte schön!

Herr Minister, wie bewerten Sie den Umstand, dass entgegen der von Ihnen zitierten schriftlichen Erklärung der Mitglieder des Vorstands der Salzgitter AG das Vorstandsmitglied Fuhrmann die Darstellung von Herrn Selenz mittlerweile bestätigt hat, dass Herr Selenz im Dezember 1997 die Mitglieder des Vorstands über das Geldangebot von Herrn Frenzel informiert hat?

(Möllring [CDU]: Mehrfach sogar!)

Herr Minister!

Herr Kollege, ich habe davon gehört, dass Sie davon gehört haben sollen, dass sich Herr Fuhrmann in ähnlicher Weise eingelassen haben soll. Mehr kann ich zu dem Sachverhalt nicht sagen.

Herr Kollege Dinkla mit einer zweiten Zusatzfrage.

Vor dem Hintergrund, dass uns dieses Thema seit Ende 1997 in vielen Sitzungen, Berichterstattungen, Dringlichen Anfragen sowie auch Berichterstattungen in den Ausschüssen beschäftigt hat, stelle ich folgende Frage: Sieht die Landesregierung auf Grund der heutigen Bewertung, auf Grund der aktuellen Vorwürfe, die im Raum stehen, und vielleicht auch neuer Erkenntnisse einen Korrekturbedarf für die Positionen, die sie in den einzelnen Bereichen, Beantwortungen, Darlegungen in den verschiedenen Gremien eingenommen hat, oder bleibt die Landesregierung von „A bis Z“ bei all den Dingen, die sie bis jetzt offiziell hierzu geäußert hat?

Herr Minister!

Herr Kollege Dinkla, ich bitte um Verzeihung, aber eine solche Frage provoziert eine längere Antwort.

Ich gehe davon aus, dass die Vertreter der Landesregierung, von welcher Stelle aus oder in welcher Funktion auch immer, wenn sie unterrichtet oder gesprochen haben, zu dem jeweiligen Zeitpunkt aus Ihrer Sicht die richtige Aussage getätigt haben. Das gilt auch für mich.

Die Frage ist - dahin zielt ja Ihre Frage -, ob der Ansatz im Kern richtig war, dass die Landesregierung unter dem damaligen Ministerpräsidenten Gerhard Schröder in einer sehr kritisch zugespitzten Situation kurz vor dem Ausverkauf des Standorts Salzgitter interveniert hat und durch die Über

nahme durch die NORD/LB und das Land Niedersachsen den Ausverkauf verhindert hat. Zu diesem Vorgehen erst einmal 100-prozentige Zustimmung. Das gilt auch für die weiteren Aktivitäten, Börsengang, Diskussion um die strategische Neuaufstellung, unter dem Ministerpräsidenten Gerhard Glogowski und unter dem jetzigen Ministerpräsidenten Sigmar Gabriel.

(Zuruf von der CDU: Was?!)

- Wenn Sie so umfassend fragen, dann müssen Sie mir schon die Antwort überlassen. - Dahinter steht ein durchgängiges industriepolitisches Konzept, das schlicht und einfach lautet: Wir wollen die Kernkompetenz Stahlproduktion in Niedersachsen, in der Region Salzgitter halten. - Das ist aufgegangen. Von einem Übernahmekandidaten hat sich die Salzgitter AG inzwischen zu einem Stahlproduzenten erster Güte entwickelt, mit einer hervorragenden Positionierung am Markt und sogar mit der Chance, sich auszudehnen. Sie wissen, dass Mannesmann Röhren inzwischen dazu gekauft worden ist und das Angebot arrondiert.

Wenn Sie die Frage so gestellt haben, dann sage ich zu jedem Punkt der Frage: Alles richtig, Strategie stimmt, und es wird weiter auf dieser Linie verfahren.

Die zweite Frage lautet - ich unterstelle einmal, dass Sie auch das wissen wollen -, ob die Vertreter der Landesregierung anders gehandelt hätten, wenn sie damals so schlau gewesen wären, wie Sie heute sind. Das kann ich nicht in vollem Umfang bestätigen, weil Entscheidungen ja immer dann getroffen werden müssen, wenn sie anstehen. Zum Beispiel die Entscheidung, im Jahre 1989 zu privatisieren und damit auch das Immobilienvermögen von Salzgitter in die Hände von Preussag zu legen, wollte die SPD, auch der damalige Oppositionsführer Gerhard Schröder, verhindern. Gegen die CDU-geführte Bundesregierung, die durch die CDU hier im Lande unterstützt wurde, war das aber leider nicht möglich. Das sind nun einmal die Fakten. Das hätten wir anders gemacht. Das muss ich so deutlich sagen.

(Beifall bei der SPD)

Heute diskutieren wir imstande der Erkenntnis der Weisen, in dem Sie sich ja jetzt befinden, über Probleme, die 1989 verursacht worden sind.

Die weitere Frage lautet - auch das könnten Sie gemeint haben -, ob die Landesregierung zu dem

Zeitpunkt, zu dem der Kauf der Kernkompetenz Stahl Gegenstand der Diskussion war, nicht auch die Immobilienfrage hätte mit ansprechen müssen. Natürlich hätte sie das machen können. Dabei hätte allerdings der Preis eine Rolle gespielt. Wie Herr Golibrzuch hier schon gesagt hat, haben die Wohnungen, die hier in Rede stehen, allein einen Buchwert von 454 Millionen DM. Das hätte auf den damaligen Kaufpreis draufgepackt werden müssen. Angesichts der massiven Kritik der Opposition aus ordnungspolitischen Gründen allein schon wegen des Stahlverkaufs hat sich aber wohl selbst der mutige Gerhard Schröder wegen der Notwendigkeit, mindestens eine weitere halbe Milliarde auf den Tisch legen zu müssen, vielleicht überlegt Wir machen den industriepolitischen Ansatz, aber nicht den wohnungspolitischen Ansatz.

Damals gab es im Übrigen auch deshalb keinerlei Veranlassung, über diese Frage nachzudenken, weil durch die Sozialbindung und durch die Klauseln, die ja in dem Vertrag verankert waren, eine Bedrohung des Sozialmieterbestandes in keiner Weise vorauszusehen war, wobei eine solche Bedrohung derzeit - das wissen wir ja - durch das Engagement aller Fraktionen hier im Landtag möglicherweise abgewendet werden kann.

(Beifall bei der SPD)

Herr Kollege Golibrzuch mit seiner letzten Zusatzfrage!

Herr Minister, zu den von Herrn Selenz aufgestellten Bestechungsvorwürfen haben Sie öffentlich erklären lassen, das sei von der Landesregierung ausführlich juristisch geprüft und dann verworfen worden. Ich wüsste gerne, nachdem wir gerade gehört haben, wie Sie den Aussagen von Herrn Fuhrmann nachgegangen sind: Wer innerhalb der Landesregierung hat in welcher Form diese ausführliche juristische Prüfung der Bestechungsvorwürfe vorgenommen?

Herr Minister!

Ich habe auf die Frage schon im Ausschuss geantwortet und beantworte sie noch einmal. In meinem Haus, dem Niedersächsischen Finanzministerium, gibt es eine klare Aufgabenzuordnung: Der Minister ist Minister - ich bin nicht Jurist -, und Fragen, die die zuständige Abteilung und die Fachleute betreffen, gebe ich zur Stellungnahme ins Haus. Diese Stellungnahme ist mir von Herrn Dr. Krajewski, dem Geschäftsführer der HanBG und Abteilungsleiter 2, mit dem Hinweis gegeben worden, dass, wie ich dargestellt habe, der Sachverhalt erstens nach unserem Verständnis nicht dem von Herrn Selenz erhobenen Vorwurf entspricht. Zweitens, da das Papier - wie geschildert weder datiert noch unterschrieben war, hat es für uns nicht den Anlass gegeben, die Staatsanwaltschaft einzuschalten, zumal Herr Dr. Selenz elf Monate vorher unter Benennung von fünf Zeugen - namentlich: seiner Vorstandskollegen - und weiterer nicht genannter Zeugen aus dem Kreis des Wirtschaftsausschusses der Salzgitter AG den Schritt der Anzeige nicht gemacht hat. Deshalb war auch die Glaubwürdigkeit der Behauptung relativ stark erschüttert.

Ich gehe davon aus, nachdem der rege Briefwechsel und die intensive Nutzung des Fax-Gerätes diesen Sachverhalt weit in die Medien getragen hat, dass es bis vor kurzem auch keinen Anlass gegeben hat, dass jemand anderes die Behauptung so ernst genommen oder für beweisfähig gehalten hätte, dass ich mich gewissermaßen in der Dreifachrolle als Ermittler, Staatsanwalt und Richter hätte wiederfinden müssen. Das behalten sich einige Abgeordnete aus diesem Landtag vor; ich nenne ausdrücklich keinen Namen, Herr Golibrzuch. Diese Eigenschaften gehen mir ausdrücklich ab.

(Beifall bei der SPD)

Außerdem muss hier klargemacht werden, und ich sage das auch in aller Deutlichkeit: Es gibt inzwischen Methoden, die den Rechtsstaat in Zweifel ziehen. Wenn die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsmaßnahmen laufen, wie es jetzt der Fall ist, dann gilt das, was ich im Ausschuss und öffentlich gesagt habe, nämlich, dass sie dann ohne Wenn und Aber unsere volle Unterstützung bei der Sachverhaltsaufklärung hat. Die Staatsanwaltschaft hat Zugang zu dem, was sie braucht, um diese Wahrheit herauszufinden.

Ich wehre mich dagegen, dass es immer wieder den Versuch gibt, durch subtile Formen der Vorverurteilung Sozialdemokraten, Unternehmen, Banken und den Standort Niedersachsen lediglich deshalb zu diskreditieren, um einmal in die Zeitung zu kommen, Herr Golibrzuch.

(Starker Beifall bei der SPD - Beck- mann [SPD]: Jawohl!)

Herr Kollege Schwarzenholz, bitte schön!

Herr Minister, vor dem Hintergrund, dass die Querelen um das FDP-Mitglied Selenz die Menschen in Salzgitter erheblich weniger berühren als die Frage, wie es um die Zukunft ihrer Wohnungssituation bestellt ist, frage ich Sie: Gibt es analog zu den Bemühungen, die Stahlarbeitsplätze an diesem Standort zu sichern aufgrund der historischen Situation, die mit der Wohnungsentwicklung in Salzgitter verbunden ist und die mit nichts in Niedersachsen vergleichbar ist, Überlegungen, auch hier Lösungen aufzubauen, an denen sich das Land und die NORD/LB beteiligen, um ein gemeinnütziges Lösungskonzept zum Erhalt der Wohnungen und des Wohnungsunternehmens herbeizuführen?

Herr Minister!

Herr Kollege, wenn Sie eine direkte Analogie zu dem Kauf der Stahlsparte und der Kernkompetenz Stahl ansprechen, dann muss ich das verneinen. Gleichwohl gibt es eine Initiative der Landesregierung, namentlich vom Ministerpräsidenten unterstützt, über ein Konsortium in dem Moment aktiv zu werden, in dem feststeht, dass die Preussag die Wohnungen auf den Markt bringen möchte. Der Ministerpräsident hat das in der letzten Plenardebatte selbst ausführlich dargestellt.

Dahinter steht die Überlegung, die schon an anderer Stelle unter Beteiligung des damaligen Wohnungsbauministers Ravens erfolgreich durchgeführt wurde: Kompetente Wohnungsbaugenossenschaft schließen sich zu einer strategischen Allianz zusammen, treten im Marktgeschehen an und kaufen im eigenen Recht die Wohnungen, die auf

dem Markt zu haben sind, zu einem Preis, der - das kann ich Ihnen ergänzend sagen - derzeit ja noch gar nicht feststeht. Die Bewertung und das Ausschreibungsverfahren sind in Vorbereitung, und nach meinem Kenntnisstand ist damit zu rechnen, dass die entsprechenden Vorgaben frühestens im Januar am Markt sein werden.

Die Strategie ist also kurz gefasst nicht die, durch einen Kauf der Wohnungen durch Land und NORD/LB in den Immobilienbesitz zu kommen. Das wäre in dieser Größenordnung nur machbar, wenn z. B. der Landtag dem Land die notwendigen Mittel an die Hand gäbe. Ich habe bisher von keiner Fraktion und auch von keinem Mitglied der PDS eine Initiative zur Kenntnis nehmen können. Gleichwohl wollen wir das, was wir tun können, über dieses Instrument wie geschildert in die Wege leiten.

(Beifall bei der SPD)

Herr Kollege Klein, bitte schön!

Herr Minister, Land und NORD/LB haben seinerzeit Herrn Selenz als Berater hinzugezogen, als es um Verhandlungen bezüglich einer Fusion bzw. eines Verkaufs der Salzgitter AG mit bzw. an Arbed Stahl ging. Was sagen Sie heute dazu, dass Herrn Selenz angesichts dieser lediglich beratenden Funktion anschließend die alleinige Verantwortung für diese Geschichte sozusagen zugeschoben wurde?

Meine zweite Frage in diesem Zusammenhang lautet: Welche Personen waren beim Land oder bei der NORD/LB eigentlich die treibenden Kräfte, diese Verhandlungen mit Arbed aufzunehmen?

(Möllring [CDU]: Sehr gute Frage!)

Vielen Dank. - Herr Minister!

Herr Kollege, ich gehe davon aus, dass auch Sie Zugang zu dem Protokoll der Sitzung des Wirtschaftsausschusses mit den 51 Fragen der CDU und den 22 Fragen der Grünen Zugang haben, in der all diese Fragen, auch diese, beantwortet wor

den sind. Ich will dennoch versuchen, die Antwort in aller Kürze zu wiederholen.

Herr Dr. Selenz war seinerzeit Vorstandssprecher der Salzgitter AG, und in dieser Funktion - das gehört sich nun einmal so - nimmt man den verantwortlich Tätigen, der für seine Verantwortung auch honorig bezahlt wird, in solche wichtigen Überlegungen hinein. Wen denn sonst?

Die vorbereitenden Gespräche - auch das habe ich vorhin schon gesagt - führten für das Land über die HanBG Herr Dr. Krajewski und für die NORD/LB Herr Dr. Dunkel. Auch das ist bekannt und war in der Presse nachlesbar. Das ist nichts Neues, aber gehört wohl zu dem Ritual, einmal im Jahr das Thema Salzgitter in Niedersachsen zu erörtern.

Herr Selenz hat allerdings im Salzgitter-Konzern immer wieder eigene Interpretationen seiner Rolle und eigene Darstellungen des Beratungsstandes kommuniziert, die sich der Einflusssphäre der Landesregierung und der NORD/LB entzogen haben, und die Eskalation des Verhältnisses ist Ihnen bekannt. Das Problem, das ich im Augenblick mit der Bewertung der Sachlage - zurückdenkend an Anfang 1999 - habe, ist, dass die, die heute so vehement die Rolle von Herrn Dr. Selenz zu ihrer Sache machen, seinerzeit offensichtlich nichts anderes zu tun hatten, als an der Seite der Gewerkschaften und der Stahlarbeiter Herrn Dr. Selenz zum Buhmann der Nation zu machen. Ich will das ausdrücklich noch einmal sagen. So ändern sich mit dem Ablauf der Geschichte manchmal auch die Haltungen zur Sache.

(Ontijd [CDU]: Wer war das denn?)