Protocol of the Session on October 25, 2002

Ich frage die Landesregierung:

1. Kann es sein, dass bei Landesregierung und SPD-Fraktion im Zuge der achtmonatigen Bearbeitung des Entschließungsantrages der CDUFraktion vom 31. August 2001 bis zu dessen endgültiger Ablehnung im Plenum am 24. April 2002 der Prozess der eigentlichen politischen Meinungsbildung nicht ganz störungsfrei abgelaufen ist?

2. Ist die Landesregierung bereit, den genannten Antrag der CDU-Fraktion vom 31. August 2001 unter dem Gesichtspunkt der späten Einsicht der SPD-Fraktion und Landesregierung noch einmal aufzugreifen?

3. Welches ist der gegebenenfalls grundlegend andere Ansatz einer steuerlichen Förderung der flächenschonenden Renovierung von Altbauten, den die SPD nach ihrem Wahlprogramm verfolgt und der mit dem von der CDU-Fraktion eingebrachten Ansatz derart unvereinbar ist, dass dessen Ablehnung erfolgen musste?

(Beifall bei der CDU)

Die Antwort erteilt Finanzminister Aller.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Dinkla, zu den beiden ersten Teilfragen könnte man zweimal Nein sagen und sich dann auf die dritte Teilfrage konzentrieren. Ich will es etwas ausführlicher machen, weil Sie einen Zusammenhang hergestellt haben, der auch der Aufklärung bedarf.

Der Entschließungsantrag der CDU-Fraktion vom 31. August 2001 und die von Ihnen, Herr Kollege Dinkla, aufgegriffenen Inhalte der Rede meines Kollegen Jüttner zur Eröffnung des Deutschen Naturschutztages haben völlig unterschiedliche Ansätze und Ziele.

(Zustimmung bei der SPD)

Ging es im CDU-Antrag um die steuerliche Förderung jeglicher Art von Reparaturen an selbstgenutztem Wohneigentum, steht im Gegensatz dazu bei den Überlegungen des Umweltministeriums eine Akzentverlagerung bei der Wohneigentumsförderung unter Berücksichtigung flächenschonender Belange im Vordergrund. Sie haben auch angedeutet, dass das ein Ansatz gewesen ist.

Der – auch aus heutiger Sicht - zu Recht abgelehnte Antrag der CDU-Fraktion sollte Privathaushalten mit selbstgenutzten Eigenheimen oder Eigentumswohnungen ermöglichen, die Lohnkosten aus Bauhandwerksrechnungen in voller Höhe abzusetzen. Ihr Vorschlag hätte zu einer sehr missbrauchsanfälligen, sehr kostspieligen und mit starken Mitnahmeeffekten verbundenen Steuersubvention geführt. Steuersubventionen wollen ja auch Sie abbauen. Dies wäre die Folge des Vorschlags der CDU-Fraktion. Ich kann darauf hinweisen, dass unter diesen Bedingungen natürlich die profitieren würden, die hohe Einkommen und hohe Progressionen bei der Steuer haben. Die Bezieher geringer Einkommen oder die, die überhaupt keine Steuer zahlen, hätten nichts von den Auswirkungen Ihres Antrages. Das ist auch kein Beitrag zur Steuergerechtigkeit.

Dagegen hat mein Kollege Jüttner im Rahmen der Eröffnung des Deutschen Naturschutztages auf den nach wie vor ungebremsten Flächenverbrauch für Straßenbau und neue Siedlungsentwicklungen hingewiesen, während doch gleichzeitig in Städten

und Gemeinden große Areale ehemaliger Industriestandorte brachliegen. Das gilt übrigens auch für Brachen, die sich aus dem Rückzug der Bundeswehr aus der Fläche ergeben haben. Diesen flächenschonenden Ansatz in den Mittelpunkt zu stellen, war das Anliegen des Umweltministers.

Es mag sein, dass die Formulierung der flächenschonenden Renovierung von Altbauten in diesem Zusammenhang zu Missverständnissen bei Ihnen geführt hat. Gemeint ist jedoch allein die Umsteuerung der Wohneigentumsförderung unter stärkerer Berücksichtigung flächenschonender Aspekte. Aus umweltpolitischer Sicht ist es auch geboten, bei einer eventuellen Neuausrichtung der Wohneigentumsförderung die Förderung des Erwerbs von bestehendem Wohneigentum stärker zu berücksichtigen, weil hierbei keine neuen Flächen verbraucht werden. Im Unterschied zum CDU-Antrag ist aber eben nicht an eine neu einzuführende Förderung, sondern daran gedacht, die bereits bestehende Förderung umzustrukturieren, und dazu ist die Eigenheimzulage das entsprechende Element.

Auch wenn Sie den Inhalt des Entwurfs des Wahlprogramms der niedersächsischen SPD sorgfältig studiert und die Ausführungen im Bereich „Nachhaltigkeit und Umwelt“ aufgegriffen haben, möchte ich aus Sicht der Landesregierung auf zwei Dinge hinweisen. Noch handelt es sich um den Entwurf des Wahlprogramms, und außerdem werden bei einer Neuausrichtung der Wohneigentumsförderung auch die Beschlüsse der Koalition in Berlin zu berücksichtigen sein. Die Länderbauminister werden sich damit auseinander setzen, und die Wirkungsanalyse zur Eigenheimzulagenförderung steht derzeit im Mittelpunkt der Diskussion.

Dieses vorausgeschickt, beantworte ich Ihre Einzelfragen:

Zu 1: In den beteiligten Ausschüssen wurden bei der Diskussion über den Antrag der CDU-Fraktion die möglichen Auswirkungen auf die Steuereinnahmen, die Begünstigung bestimmter Dienstleistungsbranchen und die Schwarzarbeit am Bau ausführlich erörtert. Insbesondere wegen der eingehenden Befassung der Ausschüsse mit dem Antrag war ein früherer Beratungsabschluss nicht möglich. Ich kann mich daran erinnern, dass Sie bisweilen die wenig gründliche Beratung von CDU-Anträgen beklagen. Hier müssten Sie eigentlich stolz darauf sein, dass Ihr Antrag eine so intensive Beratung bewirkt hat, auch wenn dann empfohlen worden ist, ihn abzulehnen.

Zu den Fragen 2 und 3: Aufgrund meiner eingangs gemachten Ausführungen über die unterschiedlichen Ziele in Ihrem Entschließungsantrag und einer etwaigen Neuausrichtung der Eigenheimzulage wird die Landesregierung den Antrag der CDU-Fraktion nicht erneut aufgreifen. Eine Antwort zu Frage 3 erübrigt sich damit.

(Beifall bei der SPD)

Herr Kollege Wiesensee zu einer Zusatzfrage!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Minister Aller, Sie sagten, hinsichtlich der Förderung von Wohnungen im Bestand bzw. der Altbautenförderung solle bei der Eigenheimzulage umgesteuert werden. Soweit mir bekannt ist, hat die Koalitionsvereinbarung das Gegenteil vor. Sie wollen ja die Eigenheimzulage kürzen. Insofern bitte ich Sie, auszuführen, wie das denn gedacht ist. Wollen Sie weiter Steuervergünstigungen gewähren? Wollen Sie eine höhere Eigenheimzulage gewähren? Oder wie soll das geschehen?

Herr Aller!

Die Diskussion, die in Berlin durch die Koalitionsvereinbarung eröffnet worden ist, geht um die Höhe der bereitgestellten Mittel. Der zweite Aspekt, über den wir hier diskutiert haben, ist die Frage, ob ich innerhalb des Programms und des Volumens für das Programm unter veränderten Gesichtspunkten umsteuern kann. In dem Zusammenhang ist aufgrund der Anfrage der CDU-Fraktion eine Zielrichtung, einen Subventionstatbestand einzuführen, der nach der Bezuschussung durch das Wohnungsbauförderungsprogramm greifen würde und unter dem Strich eine verdeckte Steuersubvention in bisher nicht gekannter Größenordnung bedeuten würde. Die Anrechnung der Lohnkosten in einer Sanierungsmaßnahme würde nämlich dem Staat Geld entziehen und damit das Volumen des Haushalts insgesamt kürzen. Da wäre der indirekte Zusammenhang völlig klar.

Das, wonach Sie fragen, ist unabhängig von dem Volumen der Wohnungsbauförderung. Dies ist der

Aspekt des Kollegen Jüttner, nämlich Geld dorthin zu steuern, wo man nicht in Flächenverbrauch investiert, sondern dorthin, wo Industriebrachen oder Bundeswehrbrachen erschlossen werden können,

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

und zwar zu günstigeren Bedingungen, damit die Brachen einerseits erschlossen und andererseits neue Flächen nicht in Anspruch genommen werden. Das ist zum einen der Ansatz, Geld aus dem Gesamthaushalt durch Subvention zu entziehen, und zum anderen geht es um ein Umsteuern unter einem vernünftigen Gesichtspunkt.

Herr Kollege Wulff!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wie beurteilt es die Landesregierung, die Gewährung der Eigenheimzulage mit der Vorlage von Handwerkerrechnungen zu verknüpfen?

Herr Finanzminister!

Wenn ich Ihre Frage richtig verstanden habe, Herr Wulff, ist das genau der Inhalt des CDU-Antrages; denn ich kann mir schlecht vorstellen, dass man ohne die Vorlage einer Rechnung auf Steuereinnahmen verzichtet. Ich glaube, Sie müssen sich darüber noch einmal mit Ihrem Kollegen Dinkla unterhalten. Ich glaube, das ist exakt der Inhalt des CDU-Antrages.

(Zuruf von der CDU: Es geht um die Eigenheimzulage!)

- Das ist aber doch der Zusammenhang, den ich eben geschildert habe.

Eine Zusatzfrage, Herr Wulff?

(Wulff (Osnabrück) [CDU]: Nein, keine Zusatzfrage, die brauche ich gleich noch! Es geht um eine Klärung der Frage, die der Minister nicht verstanden hat!)

- Eine Klärung der Frage ist erlaubt.

Die Situation ist heute so, dass die Eigenheimzulage gezahlt wird, ohne mit der Vorlage einer Handwerkerrechnung verknüpft zu sein. Ich frage Sie, ob Sie diesen Zustand, der heute gilt, verändern oder belassen wollen; denn Sie regieren in Berlin, bedauerlicherweise nicht wir.

Um noch einmal deutlich zu machen, was ich vorher schon gesagt habe: Der eine Tatbestand ist die Situation, dass Sie als CDU-Fraktion dadurch einen Subventionstatbestand erzeugen wollen, dass die eingesetzten Mittel für Renovierung im Zuge der Steuerentlastung für die betroffenen Antragsteller abgesetzt werden können. Das Zweite, was Sie ansprechen, ist die Anerkennung von Handwerkerleistungen über eine ausgestellte Rechnung mit einem verminderten Mehrwertsteuersatz oder anderen Mechanismen. Beides sind Subventionen, und beide Subventionen werden derzeit von der Landesregierung nicht favorisiert und offensichtlich in Berlin von der Koalition auch nicht aufgegriffen.

Frau Jahns!

Herr Minister, hält es die Landesregierung für richtig und angemessen, dass durch die beabsichtigten Beschlüsse der rot-grünen Bundesregierung zur Reduzierung der Eigenheimzulage einer Familie mit zwei Kindern im Laufe von acht Jahren dann 13 250 Euro vorenthalten werden?

Herr Aller!

Sie wissen, dass die Koalitionsvereinbarung der regierenden Parteien SPD und Grüne nur wenige Tage auf dem Markt ist. Der Ministerpräsident dieses Landes hat in dieser Plenarwoche deutlich gemacht, dass genau dieser Punkt der Koalitionsvereinbarung in den Gesprächen mit der Bundesregierung, aber auch in den Verhandlungen über die

Präzisierung der Gesetze eine Rolle spielen wird. Das ist auch von mir schon gesagt worden. Das Thema Schwellenhaushalte und Auswirkungen auf die Wohnungsbaukonjunktur wird exakt in diesem Themenumfeld noch weiter erörtert werden.

(Von der Besuchertribüne wird Papier in den Plenarsaal geworfen)

Bevor ich die nächste Frage aufrufe, möchte ich die Besucher, die herzlich willkommen sind, darauf aufmerksam machen, dass sie, wenn sie Schiffchen von der Tribüne werfen, den Raum verlassen müssen.

Frau Schwarz, bitte!

Angesichts der Ausführungen von Herrn Finanzminister Aller frage ich die Landesregierung: Wie konkret wird die Zielrichtung der Landesregierung bei der entsprechenden Bundesratsberatung hinsichtlich einer gänzlichen Aufgabe der Eigenheimförderung oder einer Abminderung dieses Eindampfens sein?

Herr Aller!

Frau Kollegin, ich gehe davon aus, dass Sie wissen, wie Koalitionsvereinbarungen entstehen. Ich gehe auch davon aus, dass Sie den Zusammenhang zwischen Bundespolitik und landespolitischen Interessen über die dazu vorgesehenen Gremien und deren Wirkungsweise kennen. Es ist unter dem Strich so, dass wir in der Tat schon mit Blick auf die endgültige Fassung der Koalitionsvereinbarung und deren Ausgestaltung in Gesetzesform intervenieren werden. Ferner werden wir im Laufe der Gesetzesberatungen über den Bundesrat selbstverständlich unsere Meinung einbringen.

Das Ganze ist aber - das ist die präzise Antwort auf Ihre Frage - ein Paket, das in seiner Be- und Entlastungswirkung in zweierlei Richtung begutachtet werden muss. Es geht um die betroffenen Gruppen. Auf der einen Seite geht es um die Empfänger von Wohnungsbausubventionen, in welcher Form auch immer. Auf der anderen Seite geht es um die Wohnungswirtschaft. Ferner müssen die Auswirkungen

auf den Bundeshaushalt, auf die Länderhaushalte und auch auf die Haushalte der Kommunen berücksichtigt werden. Dieses Gesamtpaket wird von uns bewertet und zu gegebener Zeit dann hier auch diskutiert werden.