Protocol of the Session on October 25, 2002

(Frau Leuschner [SPD]: Eben!)

Herr Golibrzuch und Herr Althusmann haben das in hervorragender Weise getan. Was Sie nicht getan haben, Herr Althusmann, ist: Sie haben nichts dazugelernt, seitdem Sie im Haushaltsausschuss sind. Das ist Ihnen völlig abhanden gekommen. Denn die Zahlen, die Sie auch heute wieder verbreitet haben, sind falsch. Wann immer Sie auf die reale Situation zurückgegriffen haben, lagen Sie um hohe Prozentzahlen daneben. Das gilt für die Gesamtzahl der Beschäftigten, das gilt, wenn es darum geht, die Wirkung von Personal- und Beschäftigungsvolumen zu diskutieren, und das gilt für die Anzahl der Auszubildenden. Wenn Zahlen wirklich gut sind, verweigern Sie schlicht die Kenntnisnahme. Wenn Zahlen schlecht sind, extrapolieren Sie in unzulässiger Weise. Ich sage das deshalb, weil ich mich ärgere, dass Sie einen Diskussionsprozess zur Verbesserung der Situation in den Finanzämtern, über den wir seit Jahren mit dem Haushaltsausschuss sprechen, nicht zur Kenntnis nehmen und dazu keinen konstruktiven Beitrag leisten.

(Althusmann [CDU]: Das stimmt nicht! Welche Zahlen waren falsch?)

Erstens. Wir haben gestern in der Finanzministerkonferenz mit den Kollegen aus 15 Bundesländern und dem Bund den Bericht der Finanzabteilungs

leiter und Organisationsabteilungsleiter in der Steuerverwaltung zur Kenntnis genommen, in den zentrale Teile des „Finanzamtes 2003“ aufgenommen worden sind, um die Finanzämter fit zu machen für die kommenden Jahre. Das ist ein aktiver Beitrag aus Niedersachsen gewesen, den die Kolleginnen und Kollegen aus Niedersachsen für die Szene in der gesamten Republik konstruktiv mitgestaltet haben.

(Beifall bei der SPD)

Das muss ja nicht bei Ihnen ankommen. Aber das ist eine Leistung, die nicht unter den Scheffel gestellt werden darf.

Zweitens. Die Grundlage der Diskussion, die wir zurzeit führen, war die Diskussion um FISCUS. Auch hier hat Niedersachsen eine Vorreiterrolle übernommen. Wenn man Personalplanung in einem Bereich macht, der im Fachbereich fast durchweg durch Beamte besetzt worden ist, dann müssen Sie heute wissen, welche Rolle die Technologie bei der Abwicklung der Steueraufgaben in den künftigen Jahren spielen wird, und zwar in diesem Land wie auch in den anderen 15 Bundesländern und beim Bund. Auch wenn Sie das nicht zur Kenntnis nehmen wollen, begreifen Sie bitte, dass Steuerpolitik und die Erfassung und Bearbeitung von Steuern künftig immer mehr zu einem europäisches Problem werden wird. Wenn Sie heute feststellen, dass ein Haushaltsführungserlass morgen und in der Zukunft wirkt, dann hat das nichts mit der Situation zu tun, die derzeit in Deutschland eingetreten ist. Hier muss ich Ihnen schlicht und einfach sagen: Niedersachsen ist das Land, das mit einer konsequenten Politik der Aufstockung im Bereich der Außenprüfungen die Anzahl der Prüfer und Fahnder von 1 600 auf 2 100 erhöht hat.

(Beifall bei der SPD - Frau Leuschner [SPD]: Genau!)

Es gibt nun 500 Personen mehr in der Außenprüfung. Damit ist von dieser Landesregierung ein Auftrag des Landtages umgesetzt worden mit dem Ziel, den Steuerertrag gerecht zu ermitteln und diesen auch einzutreiben.

(Frau Leuschner [SPD]: Das ignorie- ren die völlig!)

Sie wissen genauso gut wie ich, dass die Einführung der Technologie in Deutschland natürlich auch im Vollzug eine Rolle spielt. Mit dem Ver

fahren, das von uns entwickelt worden ist und nun zunächst pilothaft und später in der Praxis eingesetzt wird - zugegeben: es sind dabei Fehler eingetreten -, sind wir an der Spitze der Bewegung. Wir tun das u. a. mit dem Ziel, Herr Althusmann, die von Ihnen immer wieder geforderte Stellenverringerung im Zusammenhang mit Arbeitserleichterung, Arbeitsneugestaltung und Organisation zu erreichen. Das heißt, wer leugnet, dass es einen Zusammenhang zwischen der Personalplanung, der Aufbauorganisation und dem Einsatz von Technologien gibt, der hat nichts begriffen.

(Althusmann [CDU]: Das ist so!)

Das scheint bei Ihnen völlig unter den Tisch zu fallen.

Sie denken auch nicht daran, dass der Ausgangspunkt für den Personalbedarf in den Finanzämtern das Steuerrecht selbst ist. Wenn das Steuerrecht kompliziert ist und von der Politik kompliziert gestaltet wird, und zwar deshalb, weil die Gesellschaft und auch die Opposition, wie die Debatte heute Morgen gezeigt hat, es offensichtlich so wollen, dann müssen wir hier ansetzen und über die Steuerrechtsdiskussion Vereinfachungen erreichen, die langfristig die Steuerproblematik insgesamt wieder beherrschbar machen. Das gilt für die GNOFÄ, die in der Tat - das hat Herr Golibrzuch richtig beschrieben - im Augenblick eher Anlass zur Sorge gibt, weil wir nicht mehr durchprüfen können, was angemessen wäre. Deshalb hier der klare Ansatz, Technologie stärker nach vorne zu bringen, um langfristig die Massenfälle und einfachen Fälle durch die Maschine und die immer komplizierteren und ertragreicheren Fälle durch qualifiziertes Personal zu bearbeiten.

Darüber hinaus - daran geht nichts vorbei - werden wir uns Gedanken darüber machen müssen, Dinge wie Compliance, nämlich die Zusammenarbeit mit den Steuerpflichtigen, viel stärker auszubauen. In anderen Ländern wie Holland oder den USA gibt es solche Strukturen. Wir sind im Gespräch mit den Fachleuten, mit Beratungsunternehmen, die die internationale Debattenlage kennen. Ich kann Sie nur immer wieder einladen, das nachzulesen, was hier von der Landesregierung vorgearbeitet wird, um mit dem Tempo Schritt zu halten, wenn es darum geht, zu lernen, eine leistungsfähige, bürgerfreundliche und im Ergebnis erfolgreiche Steuerverwaltung aufzubauen.

Alle Auszubildenden, die bei uns durch die Lehrgänge gehen, werden übernommen, jetzt und im nächsten Jahr, und die Einstellung wird nicht durch den Haushaltsführungserlass behindert. Gleichzeitig darf ich feststellen, dass Sie noch vor wenigen Monaten die Chance gehabt hätten, Ihre Forderung nach mehr qualifiziertem Personal, die Sie jetzt aufstellen, per Antrag zu unterfüttern, damit die entsprechenden Einstellungsquoten hätten dargestellt werden können. Das haben Sie natürlich nicht gemacht. Sie führen jetzt eine Schatten- und Scheindiskussion, die sich an das anhängt, was eben gesagt worden ist.

Das Letzte, was ich Ihnen sagen muss, ist Folgendes: Das, was Sie suggerieren, nämlich dass dieser Haushaltsführungserlass in den Bestand des steuerfachlichen Personals eingreift, ist schlichtweg falsch. Im Wesentlichen geht es darum, Personal, das in der Steuerverwaltung in dieser Form langfristig keine Beschäftigungsperspektive mehr haben wird, abzugreifen und einzusparen, um Personalmittel freizubekommen und um, und zwar ohne zusätzliche Personalkosten zu produzieren, mittelfristig in der Qualität das zu erreichen, was Sie gefordert haben. Im Blick - hier können Sie ganz sicher sein - haben wir natürlich die Altersstruktur, den Altersaufbau in der Steuerverwaltung. Wir werden, so wie wir das auch in den letzten Jahren gemacht haben, durch eine angemessene Ausbildungsquote dafür sorgen, dass das Personal, das wir auf mittlere Sicht qualifiziert beschäftigen können, für die Steuerverwaltung ausgebildet, eingestellt und beschäftigt wird. Das ist die Gesamtstruktur, für die wir stehen, nämlich bei all den Einsparungsbemühungen, die wir unternehmen müssen, Personal qualifiziert und motiviert zu halten, die Organisation so zu schaffen, dass sie die Probleme, die wir nicht nur in Niedersachsen, sondern bundesweit haben, bewältigen kann und die Technologie, die auf dem Vormarsch ist und in die wir massiv investiert haben, auszubauen.

Unter dem Strich wird es darum gehen, das Steuerverhalten der Bürger und die Arbeit der Finanzämter so aufeinander abzustimmen, dass bei einer fairen und bürgerfreundlichen Behandlung der Steuerpflicht möglichst hohe Erträge herauskommen. Das ist ein Gesamtkonzept, und nicht nur ein punktuelles Zugreifen auf einen Diskussionspunkt, wie Sie, Herr Althusmann, das gemacht haben.

(Beifall bei der SPD)

Herr Kollege Golibrzuch, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Minister, wir sind uns einig, dass es der technologischen Aufrüstung der Finanzämter bedarf. Wir sind uns nicht einig über den Weg dorthin. In der FISCUS GmbH ist aufgrund der föderalen Struktur ein Milliardenbetrag verbrannt worden. Sie wissen so gut wie wir, dass dort Vollstreckungsmodule aus Mecklenburg-Vorpommern, die geliefert worden sind, nicht zu denen in NRW passten, dass Rechtsberatungsmodule aus Baden-Württemberg nicht mit niedersächsischen Modulen kompatibel waren. Insofern ist es natürlich richtig, wenn man darauf verweist, dass die Technologie - Sie haben es „Pannen“ oder „Anfangsschwierigkeiten“ genannt - bisher nicht in dem Umfang funktioniert hat und dass es regelmäßig nicht möglich gewesen ist, einen Rechnerzugriff vonseiten der Finanzämter auf das optische Archiv im Informatikzentrum Niedersachsen zu bekommen. Alles das hat natürlich dazu geführt, dass ein gigantischer Vollstreckungsrückstand aufgelaufen ist.

In der Sache ist es aber so, dass es, wie immer man die Beschlüsse der rot-grünen Koalition in Berlin bewerten mag, mit Sicherheit nicht zu einer Vereinfachung des Steuerrechtes, sondern zu einer Verkomplizierung kommen wird, wenn ich an die zeitliche Begrenzung von Verlustvorträgen, an Wertgrenzen, die bei der Besteuerung künftig eine Rolle spielen werden, oder an die Überprüfung von Kontrollmitteilungen denke. Dies alles wird zu einem zusätzlichen Arbeitsanfall in den Finanzämtern führen.

Weil das so ist und Sie - so wie wir - gerne noch eine Neuregelung der Erbschaftsteuer haben wollen, und weil Sie - vielleicht etwas anders als wir an eine Wiedereinführung der privaten Vermögensteuer denken, wird dieser Arbeitsanfall in den Finanzämtern auch nicht weniger, sondern er wird - wenn Sie und wir uns durchsetzen - in den nächsten Jahren absehbar mehr. Weil das so ist, kann man das Beschäftigungsvolumen nicht reduzieren.

Natürlich haben Sie Recht, wenn Sie darauf verweisen, dass Sie in den letzten Jahren zusätzliches Personal in der Steuerfahndung eingestellt haben. Aber das Vollstreckungsdefizit mit einem aktuellen Rückstandsvolumen von 970 Millionen Euro

macht überaus deutlich, dass es nicht reicht, in der Steuerfahndung Steuerforderungen festzustellen, sondern dass es genauso wichtig ist, diese Steuerforderungen im Innendienst eintreiben zu können. Dazu fehlt es in Niedersachsen an der Voraussetzung. Dazu ist in der Vergangenheit im Innendienst zu stark gekürzt worden. Deswegen wollen wir diese weiteren Kürzungen des Beschäftigungsvolumens, die sich genau auf diesen Innendienst auswirken, nicht hinnehmen. Daher stellen wir unseren Antrag.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Minister!

Herr Golibrzuch, das ist das Problem der Diskussion: Sie nehmen einen Bereich heraus, z. B. die Vollstreckung. Sie nehmen aber nicht zur Kenntnis, dass die Vollstreckung in allen anderen Bundesländern - wenn auch prozentual unterschiedlich - zeigt, dass nicht alles taggenau herbeigezogen werden kann, was ansteht. Das hat auch etwas mit unserer Finanzgerichtsbarkeit zu tun. Sie wissen, wie viele Millionen in Verfahren anhängig sind. Der entscheidende Punkt ist, ob es uns gelingt - ich sage das jetzt auch einmal – den „Turnaround“ zu schaffen, indem wir - auch im Vollstreckungsbereich - Technologie einsetzen und durch Umorganisation - nämlich durch Zusammenführung der Fachkräfte aus Erhebung und Vollstreckung - die Kluft zwischen festgestellter Schuld und beigetriebener Schuld verengen.

Diese modellhaften Maßnahmen werden von uns praktiziert. Der technologische Einsatz beginnt, Erträge zu erzielen. Das ist der Umsteuerungsprozess, den Sie nicht von heute auf morgen erreichen können. Ihr Problem würde sein, dass Sie auf jedes Problem mit immer mehr Personal reagieren würden, dass 30, 35 oder 40 Jahre lang in der Verwaltung tätig ist. Sie wissen aber im Prinzip nicht, ob das gegen die Entwicklung läuft, die wir möglicherweise beide wollen, nämlich eine deutliche Vereinfachung des Steuerrechts. Wenn Sie ernst gemeint haben, was Sie gesagt haben, dann sind Sie auf der Seite der Verkomplizierer, und ich bin auf der Seite der Vereinfacher.

Wenn ich „Compliance“ gesagt habe, dann ist das ein massiver Schritt, die Steuerauseinandersetzung

zwischen Bürgerinnen und Bürgern und dem Staat in ein ganz neues Umfeld zu stellen, das idealtypisch besagt, das ein Drittel völlig problemlos ist, bei dem man nicht mehr prüfen muss, und wenn überhaupt, dann nur stichprobenartig. Beim zweiten Drittel muss man Veränderungen erfassen, den Steuertatbestand benennen und die entsprechende Steuerschuld hereinholen. Dann kann man sich auf das dritte Drittel, nämlich auf die komplexeren, schwierigen oder sogar rechtswidrigen Fälle, konzentrieren.

Solche Strukturveränderungen führen bei einem Personalkörper von knapp 12 000 Personen in der Steuerverwaltung Niedersachsens zu einem völlig neuen Anforderungsprofil in der Belegschaft: möglicherweise zu weniger Massenarbeit, zu einfacheren Arbeiten, dafür zu mehr Arbeit mit Maschinen, aber zu immer qualifizierterem Personal für die anspruchsvolleren Tätigkeiten. Darüber gibt es auch keinen Streit mit der Steuergewerkschaft.

Wenn es darum geht, noch flexibler zu werden, dann darf ich daran erinnern, dass es Niedersachsen war, das bei den Bankenfällen durch die Einführung von Taskforces inzwischen über 1 Milliarde DM - also über 500 Millionen Euro - hereingeholt hat, weil wir das Problem definiert und mit einer kleinen, schlagkräftige Truppe diese Summe Geld inzwischen zusätzlich in die Kasse geholt haben.

(Frau Leuschner [SPD]: Bei 550 Beschäftigten!)

Das heißt, die statische Fortentwicklung einer Steuerverwaltung von gestern in die Zukunft ist teuer und ineffizient. Wir wollen eine dynamische, anpassungsfähige, flexible und bürgerfreundliche Steuerverwaltung, die die Aufgaben, Steuergerechtigkeit durchzusetzen und Fairness und Servicefreundlichkeit gegenüber dem Bürger zu garantieren, in einer Diskussion mit den Beschäftigten umsetzt. Wir sind dabei auf einem sehr guten Weg. Das bestätigt der Vorsitzende der Steuergewerkschaft ausdrücklich.

(Beifall bei der SPD)

Herr Kollege Althusmann, Sie erhalten nach § 71 Abs. 2 noch einmal eine Redezeit von bis zu vier Minuten.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Minister Aller, um einmal unsere Aufgabenteilung festzulegen: Sie sind mit dem heutigen Tage noch exakt 100 Tage im Amt. Bis dahin, Herr Minister, werden wir Sie dann vor uns hertreiben, wenn diese Landesregierung falsche Weichenstellungen vornimmt.

(Lachen bei der SPD - Frau Leuschner [SPD]: Das ist eine Unverschämtheit! - Adam [SPD]: Eure Weichen sind doch alle auf Sackgasse gestellt! - Weitere Zurufe von der SPD)

Danach können wir das dann selber machen. Aber die richtigen Weichenstellungen, Herr Mühe, bevor Sie auf falschen Gedanken kommen.

(Beifall bei der CDU – Lachen bei der SPD)

Wir werden Sie darauf hinweisen, wenn Sie Fehler machen. Wir werden Sie darauf hinweisen, wo es kontraproduktiv ist, wenn Sie in dem Bereich Personal einsparen.

Sie haben nicht zugehört, Herr Minister. Sie haben gesagt: Die CDU will eigentlich nur mehr Personal. Ich habe aber sehr deutlich gesagt: Diese Zielvereinbarung, der Haushaltsführungserlasses vom 27. August 2002, ist so lange nicht gerechtfertigt, solange es dieser Landesregierung nicht gelungen ist, in den niedersächsischen Finanzämtern die entsprechende technische und organisatorische Struktur so herzustellen, dass auch tatsächlich das an Steuern eingetrieben und vom Innendienst entsprechend bearbeitet werden kann, was der Außendienst feststellt.

(Beifall bei der CDU)

Erst dann ist Ihre Maßnahme in irgendeiner Form gerechtfertigt.

Sie stellen sich als Minister hier vorne hin und behaupten einfach, dass jede Zahl, die die Opposition nennt, falsch ist.

(Minister Aller: Nicht die Opposition, Sie!)

- Oder ich, meinetwegen, einverstanden. - Sie konnten aber nicht eine einzige Zahl widerlegen. Sie konnten nicht eine einzige Zahl nennen, die falsch ist.

(Beifall bei der CDU)