Protocol of the Session on September 25, 2002

Herr Jüttner!

Herr Schwarzenholz, die Situation bei uns ist dadurch geprägt, dass wir gewidmete Deiche haben und bis zur Flussmündung nur noch relativ wenig Strecke vorhanden ist. Um solch eine Strategie mit Erfolg zu praktizieren, muss man näher an die Quelle gehen. Das bedarf einer Reihe von intensiven Verabredungen mit den Ländern und den Zuständigen in diesen Bereichen. Wir haben das beim Elbehochwasser gesehen: Uns hat geholfen, dass die Länder Brandenburg und SachsenAnhalt die Havelpolder geöffnet haben. Wir schätzen, dass dadurch das Hochwasser bei uns um 40 bis 50 cm niedrigerer aufgelaufen ist. Ohne diese Maßnahme in den ostdeutschen Bundesländern wäre es bei uns weit komplizierter geworden.

Das heißt in der Konsequenz, dass diese Maßnahmen flussgebietsbezogen organisiert werden müssen. Und das heißt, das der Aktionsplan, der im Monat Oktober zwischen den Elbeanliegern verabschiedet wird und der bis zum Herbst nächsten Jahres aufgrund der neuen Erkenntnisse aktualisiert werden soll, Antworten auf genau diese Fragen geben muss. Das hat eine Reihe von Konsequenzen z. B dann, wenn es darum geht, den Ausgleich von Bewirtschaftungseinschränkungen in diesen Polderbereichen nicht nur durch die jeweiligen Länder, sondern durch sämtliche Anlieger zu

bedienen. Dahinter steckt eine ganze Menge komplizierter Fragen.

Aber im Zweifel ist aus Sicht des Landes Niedersachsen eine Mitfinanzierung von Erschwernisausgleichsmaßnahmen in anderen Bundesländern wirtschaftlicher und günstiger als ein zusätzlicher Deichbau bei uns. Das sind Fragen, die man in dem Zusammenhang diskutieren muss - aber mit der notwendigen Sorgfalt und mit den anderen Bundesländern und Tschechien.

Es folgt Herr Hagenah zu seiner zweiten Frage. Dann Herr Hogrefe.

Herr Minister, wie beurteilt die Landesregierung die Diskussion um ein neues Sperrwerk an der Mündung der Jeetzel in Bezug auf dessen Auswirkungen auf Hochwasserspitzen in Elbe und Jeetzel?

Herr Minister!

Es hat sich gezeigt, dass die Deiche an der Jeetzel nicht die Qualität haben, die erforderlich ist, um das Hochwasser dort problemlos abzufangen. Deshalb sind während des Hochwassers technische Maßnahmen getroffen worden. In dem Zusammenhang wird zu diskutieren sein, ob in einem nächsten Schritt die Deiche an der Jeetzel angepasst werden oder ob man möglicherweise über ein Sperrwerk redet, um das Wasser bewältigen zu können.

(Frau Harms [GRÜNE]: Dann verliert man aber das Überflutungsgebiet!)

Unter finanzpolitischen Gesichtspunkten ist die Sperrwerkslösung augenscheinlich kostengünstiger, sodass das Thema nicht aus der Welt ist. Ein Gesamtabwägungsprozess mit Belangen des Naturschutzes und der Vorhaltung von Retentionsräumen hat nicht stattgefunden. Insofern ist noch überhaupt keine Entscheidung getroffen worden, sondern eine bisher nicht diskutierte zusätzliche Überlegung ist mit im Überprüfungsvorgang.

Herr Hogrefe! Dann Herr Wojahn.

Herr Minister Jüttner, nachdem Sie nach den Hochwässern vom Juli öffentlich erklärt haben, dass mit dem Deichbau eigentlich weiter so wie bisher verfahren werden könne, der Ministerpräsident im August-Plenum demgegenüber hier erklärt hat, dass alle zusätzlichen Mittel für den Deichschutz im Binnenland an der Elbe verbaut werden sollten, und Sie dann im Wahlkampf an anderen Stellen des Landes, z. B. an der Mittelweser und an der unteren Aller, Versprechungen gemacht haben, frage ich Sie: Gibt es halbwegs objektive Kriterien, nach denen die Landesregierung entscheiden wird, wo die über 200 Millionen Euro, die in den nächsten Jahren nötig sind, um schadhafte Deiche zu sanieren, eingesetzt werden?

Herr Minister!

Herr Hogrefe, ich dachte, ich hätte das in meinen Eingangsbemerkungen schon deutlich gemacht. Wir haben im Hochwasserschutz und im Küstenschutz einen Investionsbedarf, den wir vor uns herschieben. Wir schieben ihn nicht in dem Sinne vor uns her, dass das ein Defizit ist, sondern im Sinne vorsorgender Planung. Das ist die Logik des Küsten- und Hochwasserschutzes der letzten Jahrzehnte in Niedersachsen. Das ist so auch in Ordnung. Im Bereich des Hochwasserschutzes liegt dieser Investionsbedarf bei etwas über 200 Millionen Euro. Das ändert sich, wenn man so will, von Halbjahr zu Halbjahr. Das heißt, dass wir erstens den Langfristbedarf feststellen. Zweitens stellen wir Prioritätenlisten auf. Drittens sorgen wir dafür, dass Genehmigungsverfahren auf den Weg kommen, indem wir in der Mittelfristplanung deutlich machen, wann wir beabsichtigen, welche Maßnahmen konkret anzugehen.

Es zeigt sich in diesen Verfahren häufig, dass bestimmte Maßnahmen schneller Genehmigungsreife erlangen, während es bei anderen länger dauert. Deshalb haben wir immer auch einen leichten Überhang an genehmigten Maßnahmen im Vergleich zu den Mitteln, die wir einsetzen können. Auch das ist notwendig, um zu gewährleisten, dass

der Mittelabfluss optimiert ist. Das sind die Kriterien, nach denen entschieden wird. Das Ministerium legt mit den Bezirksregierungen und mit dem NLWK in jedem Jahr fest, was gemacht wird. Deshalb kann es sein, dass die zusätzlichen 8 Millionen Euro und die bisher in jedem Jahr verbauten mehr als 3 Millionen Euro auch tatsächlich im Amt Neuhaus verbaut werden. Aber darauf würde ich meinen Kopf nicht wetten, weil das voraussetzen würde, dass es dort hinreichend genehmigungsfähige Maßnahmen gibt und ich in der Lage bin, dies zeitnah abzuarbeiten.

Deshalb habe ich gesagt: Wir haben mit den 20 Millionen Euro deutlich mehr Mittel zur Verfügung und werden das Prinzip der Flexibilität auch weiterhin zur Grundlage des Mitteleinsatzes machen. Nach meiner Einschätzung wird ein Großteil der zusätzlichen Mittel im Amt Neuhaus verbaut werden, um den Zeitraum zu verkürzen, in dem diese Gesamtmaßnahme auf 36 km Länge realisiert wird soll. Es ist aber auch klar, dass es an anderen Stellen des Landes dringenden Investitionsbedarf gibt. Diesen Bedarf werden wir weiterhin bedienen. In dem Moment, in dem die Baumaßnahmen im Amt Neuhaus nicht so zügig realisiert werden können, wie man es sich idealerweise vorstellt, werden mit Sicherheit Teile dieser 8 Millionen Euro auch an anderen Stellen des Landes verbaut werden. Ich glaube, dass eher Letzteres der Fall sein wird, weil es nicht ganz unkompliziert sein dürfte, im Amt Neuhaus im Bereich des Hochwasserschutzes jährlich mehr als 10 Millionen Euro zu verbauen.

Herr Wojahn! Dann Frau Steiner.

Herr Minister, ich habe zwei Fragen zum Deichbau im Amt Neuhaus.

Zunächst zur ersten Frage. In der vorigen Woche haben die Gesellschafterversammlung und der Aufsichtsrat der Niedersächsischen Landgesellschaft eine Bereisung durchgeführt, zu der ich eingeladen war. Bei dieser Bereisung wurde Klage darüber geführt, dass das Land Niedersachsen bzw. der Staat mit seinen eigenen Flächen, domänenfiskalischen Flächen, zu knickerig sei. Ich weiß nicht, ob diese Flächen wieder rückübertragen sind. Man könnte ja davon ausgehen, dass sich auch das Land an der Ausdeichung der 400 ha mit

einem Flächenpool beteiligt. In der Flurbereinigung ist das wohl möglich.

Fragen Sie bitte!

Das ist die eine Frage.

Nun kommt meine zweite Frage. Gibt es Absprachen mit dem Land Mecklenburg-Vorpommern bezüglich des Deichbaus im Amt Neuhaus? Wir haben die folgende Situation: Wenn in Neuhaus der Deich bricht, läuft in die Elbeniederung zwischen Tripkau und Wehningen Hochwasser in viele Dörfer, in weite Bereiche, ein. Das zu verhindern liegt auch im niedersächsischen Interesse; denn dort wird nicht nur Landwirtschaft betrieben, sondern dort haben sich im Rahmen von Kooperationsprojekten auch Gewerbebetriebe angesiedelt, die im Wasser untergehen würden. Ich möchte wissen, ob Niedersachsen in dieser Frage mit Mecklenburg kooperiert.

Herr Jüttner, zwei Fragen!

Herr Wojahn, zunächst zur ersten Frage. Uns ist nicht bekannt, dass das am Grundeigentum des Landes scheitert bzw. dass sich das Land hier knickerig verhalte. Wir können das gerne noch einmal überprüfen. Aber Herr Bartels sieht das so wie ich.

(Landwirtschaftsminister Bartels nickt zustimmend auf der Regierungsbank)

- 2 : 1, nicht wahr? - Wir gehen dem gerne noch einmal nach. Wenn das in dieser Besprechung so diskutiert worden ist, dann muss das entweder bestätigt oder, wie ich glaube, relativ schnell widerlegt werden. Dann ist das Thema vom Tisch.

Nun komme ich zu Ihrer zweiten Frage. Wir brauchen insbesondere für das Amt Neuhaus eine intensive Kooperation mit dem Landkreis Ludwigslust. Das geht gar nicht anders. Herr Gabriel, Herr Bartling und ich haben zu Beginn der Hochwasserkatastrophe Gespräche mit der Landesregierung von Mecklenburg-Vorpommern geführt. Wir hatten dabei den Eindruck, dass die bisherige

Kooperation auf solche Extremlagen noch nicht hinreichend eingestellt ist. Es hat sich ja auch gezeigt, dass die Maßnahmen der einen Seite unmittelbare Auswirkungen auf Überschwemmungsbereiche beim Nachbarn haben. Deshalb wird es notwendig sein, die gute Kooperation, die es während der Hochwasserkatastrophe zwischen den Landkreisen Lüneburg und Ludwigslust gegeben hat, in eine Perspektivplanung münden zu lassen und auf Dauer festzuschreiben, wie diese auszusehen hat. Die Auswertung der Hochwasserkatastrophe wird in Niedersachsen in den nächsten Tagen und Wochen noch vorzunehmen sein.

Sie wissen, dass unter Beteiligung aller, insbesondere der Bundeswehr, der Polizei und der anderen Organisationen, am 17. und 18. September eine große Auswertungsveranstaltung stattgefunden hat, auf der insbesondere Fragen der Kooperation besprochen worden sind. Wir haben den Bericht über diese Veranstaltung noch nicht bekommen, wir werden aber Konsequenzen aus den Erkenntnissen ziehen und die Mitglieder des Landtages darüber unterrichten.

Frau Steiner, bitte! Danach kommt Herr Golibrzuch mit seiner zweiten Frage.

Herr Minister, angesichts der Verpflichtung zum vorbeugenden Hochwasserschutz, die Sie vorhin unterstrichen haben, frage ich Sie: In welchem Umfang werden ausgewiesene Überschwemmungsgebiete als Ackerland genutzt statt als Feuchtgrünland, und in welchem Umfang wurden in den letzten Jahren Ausnahmegenehmigungen erteilt, um Grünland in festgesetzten Überschwemmungsgebieten als Ackerland umzubrechen?

(Inselmann [SPD]: Wie soll man das denn im Stegreif beantworten? Mög- lichst noch mit Flurstückangabe?)

Herr Jüttner!

Ich glaube, dass die Frage von Frau Steiner nicht so zu verstehen ist, dass sie sie von mir parzellenscharf beanwortet haben will. Ich nehme an, dass

sie sie vielmehr vom Prinzip her beantwortet haben will.

(Frau Harms [GRÜNE]: Das ist der Anspruch der Genauigkeit des Herrn Inselmann! - Frau Steiner [GRÜNE]: Prozentual möchte ich es gerne wissen!)

- Prozentual? Das ist die Kumulation der Parzellenschärfe, Frau Kollegin. Das ist nicht ganz so einfach.

(Beifall bei der SPD)

Was die Ausgangssituation anbetrift, so ist überhaupt nicht zu bestreiten, dass sich in den Überschwemmungsgebieten beispielsweise entlang der Leine vorrangig Ackerflächen befinden. Das hat mit der dortigen Bodenqualität und den Intensivnutzungsstrategien zu tun. Der Ansatz der Berliner Flusskonferenz hinsichtlich der Wasserhaltungsqualitäten, der von einigen Fachleuten immer wieder bestritten wird, besteht darin, nach Möglichkeit mehr Grünland in Überschwemmungsgebieten zu schaffen. Es gibt, wenn ich das richtig im Kopf habe, im Niedersächsischen Wassergesetz ein Umbrechverbot für Überschwemmungsgebiete,

(Oestmann [CDU]: Völlig korrekt!)

sodass wir uns meines Erachtens weniger darüber unterhalten müssen, ob es rechtliche Defizite gibt, sondern vielmehr klären müssen, wie Ausnahmegenehmigungen gestaltet sind und wie sich die Behörden dann verhalten, wenn es um Ausnahmen geht. Ich glaube, dass die Konflikte noch vor uns liegen. Kurzfristig ist sicherlich mancher der Meinung, dass man mehr für den Hochwasserschutz tun müsse. Aber dann, wenn es konkret wird und es um Erweiterung von Siedlungen und um sonstige Formen wirtschaftlicher Nutzung von Böden geht, werden wir sicherlich in die übliche Situation von Regel und Ausnahme kommen. Ich hoffe, dass die Landesregierung dann die umfassende Unterstützung des Landtages haben wird, hier Härte zu zeigen und nicht bei jeder Ausnahme weich zu werden und nachzugeben; denn wir können uns bestimmte Entwicklungen und Fehlverhalten der letzten Jahrezehnte nicht mehr leisten. Das ist die Konsequenz, die ich daraus ziehe, ich hoffe, im Einvernehmen mit Ihnen.

(Zustimmung von Inselmann [SPD])

Grünland in Überschwemmungsgebieten muss also deutlich favorisiert werden. Das muss sich auch in der Praxis niederschlagen.

(Dr. Stratmann [CDU]: Die Zahlen liefern Sie bitte noch nach!)

Es folgt Herr Golibrzuch zur zweiten Frage. Dann Herr Schwarzenholz zur zweiten Frage.

Herr Minister, ich habe noch eine Nachfrage zu den Hochwassergeschädigten in Horneburg. Ihre Eingangsantwort zielte vor allem auf öffentliche Hilfen, Investitionen in den Deichbau oder in die Verkehrsinfrastruktur. Welchen Anspruch auf Hilfe haben denn die betroffenen Privathaushalte? Erhalten sie dort auch betragsmäßig die gleichen Hilfen wie die Betroffenen der Elbeflut, oder ist für die Menschen in Horneburg das Hochwasser schlicht zu früh gekommen?

Herr Minister!

Die Landesregierung hat den Versuch unternommen, Maßnahmen im Zusammenhang mit den JuliHochwässern in Niedersachsen in das Gesamtpaket einzuarbeiten. Das ist, wie wir im letzten Monat hier schon diskutiert haben, nicht gelungen. Infolgedessen arbeiten wir an Substitutionsstrategien des Landes; das ist deutlich geworden. Beim Deichbau ging das schnell. Bei den landwirtschaftlichen Programmen geht das. Das einzige Problem sind Schäden in einzelnen Wohnhäusern. Ich kann Ihnen nicht abschließend beantworten, wie viele offene Fragen es da noch gibt. Das müssten wir bei der Bezirksregierung erkunden.