Protocol of the Session on August 27, 2020

2019 waren das fast fünf verletzte Polizisten pro Tag. Das ist ein für Mecklenburg-Vorpommern traurig anzuschauender Trend, den wir umkehren müssen, meine Damen und Herren!

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Wir stellen heute fest, dass die Landespolizei in Mecklenburg-Vorpommern zunehmend gewalttätigen Angriffen ausgesetzt war und ist, denn auch im bisherigen Verlauf des außergewöhnlichen Jahres ist kein Rückgang bei den Opferzahlen festzustellen. Hierauf muss die Politik reagieren!

(Marc Reinhardt, CDU: Natürlich!)

Es braucht dringend ein Zeichen der Solidarität unseren Polizeibeamten gegenüber.

Und im Übrigen, Herr Ritter, haben Sie hier den von Ihnen geforderten Antrag jedoch nicht von der Regierungskoalition, sondern von uns. Den Männern und Frauen, die für unser aller Sicherheit den Kopf hinhalten, muss eine effektive Verteidigung ermöglicht werden. Deshalb fordern wir, gezielt Polizisten des Streifeneinzeldienstes mit Distanzimpuls..., mit Distanzelektroimpulsgeräten in Mecklenburg-Vorpommern auszustatten und auszubilden.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Die Erfahrungen aus Pilotprojekten und Studien aus anderen Bundesländern haben gezeigt, dass dies als Einsatzmittel einen hohen Präventionseffekt aufweist. Es

dient der Deeskalation und schützt das Leben unserer Einsatzkräfte in gefährlichen Situationen. Dieses auch als Taser bekannte Gerät ist eine deutlich mildere Variante zur klassischen Schusswaffe.

Meine Damen und Herren, es gibt in dieser Diskussion zwei Aspekte, die häufig gegen eine Einführung des Distanzelektroimpulsgerätes ins Feld geführt werden. Zum einen ist es die Frage der Ausbildung am Gerät und zum anderen die Gefährlichkeit des Einsatzes bei herzkranken Menschen.

(Dr. Ralph Weber, AfD: Richtig!)

Auf beide Punkte möchte ich kurz eingehen. Was die Ausbildung angeht, so wissen wir, dass die Kapazitäten an der Fachhochschule schon aufgrund des Personalaufwuchses begrenzt sind, die Ausbildung an dem Gerät an sich für an der Schusswaffe geschulte Beamte aber wenig aufwendig ist. Unsere Polizisten des Spezialeinsatzkommandos werden bereits seit Jahren an der besonderen Waffe ausgebildet und nutzen diese auch. Unsere Idee diesbezüglich ist, dass die Ausbilder für einsatzbezogenes Training an den betreffenden Dienststellen fitzumachen sind und diese dann ausgewählte Beamte vor Ort schulen. Die Ausbildungsfrage ist also kein echtes Problem, sie ist lediglich eine Organisationsaufgabe. Und glauben Sie mir, unsere ETR-Trainer sind Profis, sind richtig gute Jungs und Mädels.

Der andere Aspekt betrifft die Sorge, dass es zu lebensgefährlichen Folgewirkungen kommen kann. Insbesondere herzkranke Menschen seien gefährdet. Das ist natürlich ein ernst zu nehmender Einwand, keine Frage. Jüngerer Forschung zufolge kann, ich zitiere, „ein direkter Kausalzusammenhang zwischen klinisch relevanten pathophysiologischen Veränderungen und dem fachgerechten Beschuss mit einem …Gerät aus gerichtsärztlicher Sicht nicht zweifelsfrei geschlossen werden“, so die Einschätzung des österreichischen Gerichtsmediziners Sebastian Kunz, der sich in seiner Habilitation mit diesem Thema beschäftigt hat. Folgewirkungen können demnach bestehen, sind aber nicht als direkte Ursache-WirkungsBeziehung anzunehmen, kein Grund also, auf die Nutzung dieses Einsatzmittels grundsätzlich zu verzichten. Wäre dem so, müssten wir selbige Diskussion auch auf die Arbeit unseres Spezialeinsatzkommandos übertragen.

Meine Damen und Herren, ich will heute nicht die Frage aufwerfen, ob in bestimmten Fällen ein tödlicher Schusswaffengebrauch bei Vorhandensein eines Distanzelektroimpulsgerätes verhindert werden könnte. Wichtiger ist doch der Fakt, dass unsere Polizeibeamten in ihrer täglichen Dienstverrichtung keine wirksame Distanzwaffe unterhalb der Schwelle der Schusswaffe besitzen. Der sogenannte Taser kann diese Lücke, wie die Erfahrungen aus dem Ausland und aus anderen Bundesländern zeigen, wirkungsvoll schließen und die Verteidigungsfähigkeit unserer Beamten stärken.

Meine Damen und Herren, der Innenminister sagt, man wolle erst weitere Pilotprojekte aus anderen Bundesländern abwarten, bevor, ich zitiere den Innenminister, „Schlussfolgerungen für die Landespolizei“, Zitatende, gezogen werden. Das ist eine ausweichende Argumentation, die vergisst, dass in Berlin, Rheinland-Pfalz und seit Kurzem auch in Hessen der Taser bereits eingeführt wurde. Was in anderen Ländern funktioniert, muss doch auch hier bei uns möglich sein. Oder wollen wir es mit

Bismarck halten und 50 Jahre warten? Na, dann gute Nacht!

Meine Damen und Herren, neben der Funktionalität ist auch der politische Diskurs zu betrachten. Wie auch schon in der vorangegangenen Debatte erwähnt, der Tod von George Floyd beeinflusst längst auch die Debatte in unserem Land. Die SPD-Bundesvorsitzende Esken sprach von „latentem Rassismus“ in den Reihen der Sicherheitskräfte und der LINKEN-Abgeordnete Peter Ritter aus unserem Hause will eine Rassismus-Studie für die Polizei in Mecklenburg-Vorpommern.

Der Begriff „latent“ steht für etwas nicht Sichtbares. Man konstatiert ein Problem, für das man keine Belege hat.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Und das ist ungeheuerlich. Wahrscheinlicher ist, dass die unsere Verfassung schützenden Polizisten durchschnittlich weniger rassistisch sind als die Gesamtgesellschaft.

Liebe Bürger Mecklenburg-Vorpommerns, Gewalt ist keine Perspektive für unser Land. Die aktuelle Situation mahnt uns, gegen die linke Propaganda einen realistischen Blick zu wahren. Die zu beobachtende Eskalation in den USA etwa ist ein Weg ins Chaos. Ich zitiere: „Wenn dieses Land uns nicht … gibt, was wir wollen, werden wir das System niederbrennen und … ersetzen“. Diese Worte des New Yorker „Black-Lives-Matter“-Aktivisten Hawk Newsome stehen bildhaft für das militante Abgleiten eines legitimen Protests. Von einer Bürgerrechtsbewegung ist da nicht mehr viel übrig. Wir hören die Sprache des Bürgerkriegs.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD und Holger Arppe, fraktionslos)

Einer solchen Entwicklung ist sich von Anfang an entgegenzustellen.

Was hat dieses Zitat nun mit unserer Forderung nach Distanzelektroimpulsgeräten zu tun? Es geht darum, USamerikanische Verhältnisse zu verhindern und den gesellschaftlichen Frieden in unserem Land zu wahren. Wir müssen als Landtag ein Signal senden, dass nur der Staat – und auch nur der Staat – das Gewaltmonopol innehat.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD und Holger Arppe, fraktionslos)

Ein Zustand, in dem latenter Rassismus herbeifantasiert wird und die faktisch vorhandene Gewalt gegen Polizisten politisch folgenlos bleibt, ist ein Albtraum für alle unsere Beamten. Dieser Wirklichkeitsverlust darf nicht die politische Agenda in Mecklenburg-Vorpommern bestimmen.

Meine Damen und Herren des Hohen Hauses, aus diesem Grunde bitte ich Sie um Zustimmung zu unserem Antrag. – Herzlichen Dank!

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD und Holger Arppe, fraktionslos – Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)

Im Ältestenrat ist vereinbart worden, eine Aussprache mit einer Dauer

von bis zu 58 Minuten vorzusehen. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen, und ich eröffne die Aussprache.

Für die Landesregierung hat ums Wort gebeten der Minister für Inneres und Europa. Bitte schön, Herr Caffier!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe es ja in der vorherigen Debatte bereits klargestellt, die Anforderungen an die Polizei sind in Deutschland, auch in Mecklenburg-Vorpommern, in den letzten Jahren erheblich gestiegen, die akute Terrorismusbedrohung, eine zunehmende Gewaltkriminalität, kontinuierlich steigende Cyberkriminalität oder aber auch die Ausbreitung extremistischer und verfassungsfeindlicher Gruppierungen, wie die sogenannten Reichsbürger oder die Selbstverwalter.

Zudem erfordern Versammlungen, Demonstrationen, politische Gipfel, aber auch sportliche und kulturelle Großereignisse aufgrund erhöhter Terrorgefahr und einer wachsenden Anzahl gewaltbereiter Chaoten – anders kann man sie nicht bezeichnen – eine deutlich stärkere Präsenz der Polizei als in früheren Jahren. Darauf muss sich die Polizei personell, konzeptionell, taktisch und natürlich auch technisch einstellen. Die Bürgerinnen und Bürger erwarten mit Recht, dass die Polizei gefährliche Situationen oder gar Gewaltsituationen löst. Und im Gegenzug erwartet eben die Polizei mit Recht, dass der Staat die notwendigen Hilfsmittel hierfür zur Verfügung stellt.

Und wenn wir von solchen brenzligen und gefährlichen Situationen reden, müssen wir feststellen, da reichen leider oftmals ein Platzverweis oder eine Gefährderansprache nicht aus. Da braucht es eben den sogenannten unmittelbaren Zwang, das heißt in erster Linie körperlicher Einsatz. Dafür werden die Beamten – das wurde schon mehrmals erwähnt in den letzten anderthalb Stunden – umfangreich ausgebildet, sodass sie stets das richtige und notwendige Maß anwenden sollten. Unmittelbarer Zwang kann aber eben auch der Einsatz von Pfefferspray oder der Diensthunde sein. Und in dieser Auflistung kann der Taser durchaus eine sinnvolle Ergänzung sein. Wir, das heißt die Polizeiabteilung im Innenministerium befasst sich schon seit mehreren Jahren mit den Einsatzmöglichkeiten von Distanzelektroimpulsgeräten, wie die Geräte im Beamtendeutsch heißen.

Das Thema wurde auch immer wieder in den unterschiedlichen Gremien der Innenministerkonferenz diskutiert. In Mecklenburg-Vorpommern hatte ich in der Folge bereits im Jahr 2012 die Beschaffung von Tasern für die Spezialeinheiten der Landespolizei angeordnet. Diese haben nun mehrere Jahre Erfahrung im Umgang und im Einsatz sammeln können, und es zeigt sich, dass auch ein Einsatz im Streifeneinzeldienst sinnvoll sein könnte.

Das Ganze ist aber ein fortlaufender Prozess, nicht nur bei uns, sondern im gesamten Bundesgebiet. Es gibt nicht diesen einen Beschluss der IMK, auf dessen Grundlage alle Polizeien der Republik den Taser einführen. Nein, es ist vielmehr ein behutsames Erproben der Technik und eine schrittweise, verantwortungsvolle Ausweitung des Einsatzspektrums.

Zum Stand des Einsatzes der Taser hatte die IMK im letzten Jahr eine Umfrage durchgeführt. Ergebnis – Herr

Kramer hat schon kurz darüber ausgeführt –, acht Bundesländer verwenden den Taser nur bei den SEK, fünf weitere Bundesländer führen Pilotversuche für den Einsatz über die Spezialeinheiten hinaus durch oder bereiten dies vor. Und wie so häufig bei der IMK geht das nicht nach A/B, sondern geht das in der Tat politisch durcheinander, denn zu den besagten Ländern gehören neben Bayern und Nordrhein-Westfalen auch Berlin und Hamburg sowie das Saarland. In Rheinland-Pfalz und Bremerhaven wird der Taser sogar schon heute im Streifeneinzeldienst eingesetzt.

Der Taser könnte im Streifeneinzeldienst eine sinnvolle Ergänzung zwischen Schlagstock und Schusswaffe sein. Keine Frage, auch Taser sind gefährlich und ihr Einsatz kann sogar tödlich sein. Sie sind dementsprechend auch als Waffe eingestuft. Gleichwohl ist ihr Einsatz eben ein deutlich milderes Mittel als der Schusswaffengebrauch. Einsetzbar wäre er zum Beispiel gegen gewaltbereite Störer, die gefährliche Gegenstände wie Messer bei sich führen, aber auch bei Selbstmordversuchen kann der Taser sehr hilfreich sein, weil er Suizidenten aus der Distanz handlungsunfähig machen kann.

Nun ist es aber ein großer Unterschied, ob ein Mitglied einer Spezialeinheit, die regelmäßig und umfangreich ihre Einsätze trainieren, oder der normale Streifenbeamte den Taser einsetzt. Deshalb würde die Einführung des Tasers immer umfangreiche Aus- und Fortbildungsmaßnahmen mit sich bringen. Das wurde schon umfangreich ausgeführt. Dabei geht es um den verhältnismäßigen Einsatz, aber eben auch um die Beherrschung der sensiblen Technik.

Ich betone nochmals: Wichtig ist mir, dass wir das Thema Taser emotionslos und verantwortungsbewusst behandeln.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Verantwortungsbewusst?)

Schnellschüsse wird und darf es nicht geben. Deshalb habe ich schon vor längerer Zeit angewiesen, die Ergebnisse der laufenden Pilotversuche der Länder und deren Einsatzerfahrungen nicht nur zu prüfen, sondern auszuwerten und einen entsprechenden Entscheidungsvorschlag mir vorzulegen. Das wird voraussichtlich in der zweiten Jahreshälfte des nächsten Jahres sein.

Und so lange bitte ich um etwas Geduld, was die Frage der endgültigen Entscheidung betrifft, aber ich glaube, hier sind wir auch gut beraten, das entsprechend abzuwägen. Da gehören auch die Fragen dazu, ob Taser dann in allen Revieren eingesetzt werden müssen oder ob es Schwerpunktreviere gibt und, und, und, ganz vielfältige Fragen. Die müssen, wenn wir uns dafür entscheiden, konkret geklärt sein, unabhängig von der Frage der Finanzen und der Frage der Ausbildung. Dafür bitte ich um Verständnis, und deswegen ist der Antrag in der Form überholt, weil es eben nicht hundert Jahre dauert, sondern maximal bis zum nächsten Jahr, wie die Entscheidung ist, egal, wie sie ausfällt. – Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit!

(Beifall vonseiten der Fraktion der CDU)

Vielen Dank, Herr Minister!

Für die Fraktion DIE LINKE hat jetzt das Wort der Abgeordnete Ritter.

(Der Abgeordnete Peter Ritter spricht bei abgeschaltetem Mikrofon.)

Oh, Entschuldigung!

... Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich zitiere mal: „Polizist und AfD-Mitglied – geht das zusammen? Wir sagen klar nein!“, nachzulesen beim Sprecher der Gewerkschaft der Polizei, Landesverband Berlin, und bei anderen Gewerkschaftsfunktionären der GdP. Ich empfehle da mal Selbststudium.

Zweitens. Herr Kramer hat in dem vorhergehenden Tagesordnungspunkt behauptet, wenn es nach den LINKEN gehen würde, hätten wir gar keine Polizei mehr. Das ist, ja, Unsinn, um nicht ausfallend zu werden.