Protocol of the Session on January 31, 2020

(Minister Dr. Till Backhaus: Na, na!)

und dann peinlicherweise den erhöhten Arbeitsaufwand vorschiebt, um der Opposition überhaupt irgendwas mitteilen zu können, dann, meine Damen und Herren, ist das eigentlich nur noch traurig.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Im Bund gilt es, die Allgemeinverbindlichkeitserklärung von Tarifverträgen zu erleichtern. Das ist ein Mittel, um tarifliche Regelungen auch auf nicht tarifgebundene Unternehmen und ihre Beschäftigten auszudehnen. Wir haben hier ausführlich darüber gesprochen, deswegen verzichte ich jetzt an der Stelle hier auch auf nähere Erläuterungen.

Ich möchte allerdings eines noch mal ganz klar aussprechen, der Kollege Schulte hatte das auch angedeutet: Tarifflucht und sinkende Tarifbindung entziehen den Sozialkassen und dem Staatshaushalt jährlich mehrere Milliarden Euro. Der Grund dafür sind geringere Kaufkraft, niedrigere Einkommensteueranteile für Land und Kommunen sowie geringere Beiträge für die Kranken-, Renten- und Arbeitslosenversicherung.

Nach unserer Auffassung brauchen wir im Übrigen – und als langjähriger Betriebsrat sage ich das aus vollstem Herzen – hierzulande auch endlich ein Bewusstsein für den Wert der betrieblichen Mitbestimmung. Ich finde es daher sehr traurig, dass nicht mal ein Betriebsrätepreis Mecklenburg-Vorpommern, der ja nichts weiter machen soll, als die Aufmerksamkeit auf das Wirken der Kolleginnen und Kollegen zu lenken und ein Stück Wertschätzung für ihre Arbeit zu transportieren, eine Mehrheit in diesem Hause findet, und das, obwohl man ja sagen

muss, der organisatorische Aufwand für einen Betriebsrätetag M-V, meinetwegen alle zwei Jahre, der ist überschaubar. Und die 15.000 Euro, die wir dafür vorgeschlagen haben im Rahmen der Haushaltsberatungen, die sind doch im Vergleich zum Gesamthaushalt Peanuts.

Zu den notwendigen bundesgesetzlichen Regelungen, Betriebsverfassungsgesetz, habe ich hier im Rahmen eines separaten Antrages ebenfalls bereits vorgetragen. Auch da will ich jetzt auf Detailausführungen verzichten.

Ich möchte noch mal eines sagen zur Förderung von strukturschwachen Regionen: Wir glauben, dass es eine aktive Strukturpolitik und ein hohes Niveau öffentlicher Investitionen braucht. Gerade Regionen in Ostdeutschland – dazu zählen auch Bereiche MecklenburgVorpommerns –, die in der Vergangenheit eine massive Abwanderung erlebt haben, die müssen doch lebendig bleiben, damit nicht noch mehr Menschen diesen Regionen den Rücken kehren.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Und das bedeutet, dass der Staat mit öffentlichen Einrichtungen und Dienstleistungen auch im strukturschwachen Raum sichtbar bleiben muss. Dafür braucht es mehr Investitionen in erreichbare öffentliche Dienstleistungen. Der Zugang zur Gesundheitsversorgung, Bildung, Mobilität, alles Landesthemen, über die wir im Rahmen dieser Sitzung auch schon diskutiert haben, der muss gesichert werden. Anders lässt sich die Lebensqualität in den ländlichen Räumen nicht hochhalten. Die Gewerkschaften haben im vergangenen Jahr deshalb eine Gemeinschaftsaufgabe „Sicherung der regionalen Daseinsvorsorge“ nach Artikel 91a des Grundgesetzes gefordert, auch übrigens, um in Zeiten der Schuldenbremse die Handlungsfähigkeit kommunaler Haushalte zu steigern.

Soweit an der Stelle, man könnte noch viel mehr sagen, man müsste auch viel mehr noch sagen.

(Torsten Renz, CDU: Wäre mir recht, wäre mir an dieser Stelle recht.)

Ich kann Ihnen versprechen, meine Fraktion wird im Jahr 30 des Landes Mecklenburg-Vorpommern zu vielen dieser Aspekte sich hier noch äußern. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 7/4626. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. – Die Gegenprobe. – Gibt es Stimmenthaltungen? – Damit ist der Antrag der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 7/4626 bei Zustimmung der Fraktion DIE LINKE, ansonsten Ablehnung abgelehnt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, bevor ich den nächsten Tagesordnungspunkt aufrufe, begrüße ich auf der Besuchertribüne eine Gruppe von Schülerinnen und Schülern des Gymnasiums Gadebusch. Herzlich willkommen!

Und ich möchte auch etwas Ungewöhnliches machen, und zwar in Bezug auf unsere vergangene Landtagssitzung am Donnerstag. Ich habe heute eine Mail erhalten von Mitarbeitern des FBN, die im Livestream unsere Debatte zum Antrag zum FBN verfolgt haben und die mich gebeten haben, an dieser Stelle für die große Unterstützung des Landtages durch den einstimmigen Beschluss

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD und Minister Dr. Till Backhaus)

hier Dank zu sagen von den Mitarbeitern, die das sehr erfreut verfolgt haben. Und da das ja mal was Positives ist, auch dahin gehend, dass unser Livestream aktiv genutzt wird,

(Minister Dr. Till Backhaus: Das sind ja auch ganz tolle Mitarbeiter.)

wollte ich das nicht versäumen.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, CDU, AfD und DIE LINKE)

Und jetzt rufe ich auf den Tagesordnungspunkt 29: Beratung des Antrages der Fraktion DIE LINKE – Initiative #WirHabenPlatz unterstützen, Drucksache 7/4628.

Antrag der Fraktion DIE LINKE Initiative #WirHabenPlatz unterstützen – Drucksache 7/4628 –

Das Wort zur Begründung hat für die Fraktion DIE LINKE die Abgeordnete Frau Larisch.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Damen und Herren! „Verschwinde, du verlauste Polackengöre!“, Juni 1945, Lenzen an der Elbe. Ein vierjähriges Mädchen stahl in einem Schweinestall ein bisschen Essen aus dem Schweinetrog. Ein anderer Bauer nahm das Mädchen, ihren Bruder und später die Mutter der Kinder bei sich auf, denn er hatte viel Platz, Platz in seinem Herzen und Platz auf seinem Hof. Meine Mutter hat das niemals vergessen, sie hatte immer Platz für Kinder. Meine alte Mutter ist empört, dass dieses unheimlich reiche Deutschland zulässt, dass Kinder in Europa wieder in ihrem Flüchtlingselend alleingelassen werden.

Als meine Mutter 1945 nach Deutschland kam, war dieses Land zerbombt, viele Menschen hungerten, aber irgendwie haben wir es geschafft, gemeinsam. 2020 ist Deutschland eines der reichsten Länder der Welt und lässt Kinder an Europas Grenzen verhungern, sieht der Vergewaltigung und Versklavung zu. Meine alte Mutter versteht die Welt nicht mehr.

Meine Kinder sind 33 und 20 Jahre, meine Enkelkinder 12 und 10. Sie haben alle irgendwann in irgendeinem Camp Zeit verbracht, in Feriencamps, in Zirkuscamps, in Lerncamps, in Reitcamps. Sie haben alle lauthals um ihre Rechte gekämpft und gestritten: um ihr Recht auf Bildung, und sie beschwerten sich, dass sie jeden Morgen früh aufstehen mussten, um ihr Recht auf Nahrung, weil es mal wieder keinen Burger und Pizza gab, und um ihr Recht auf Kleidung, weil die 20. Hose nicht gekauft wurde, und ihr Recht auf Gesundheit, weil sie wollten nicht zur Vorsorgeuntersuchung. Niemals mussten sie in

einem Flüchtlingscamp dahinvegetieren. Niemals haben Sie das Wort „Hunger“ wirklich gespürt. Niemals haben sie gesehen, wie Bomben Häuser zerstörten, und niemals lagen ihre Freunde zerfetzt in Einzelteilen neben ihnen, und niemals werde ich zulassen, dass sie es je erleben müssen. Und ich weiß, dass ich alles unternehmen würde. Unter allen Umständen würde ich sie retten, auch wenn das Trennung bedeuten sollte.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

420 Millionen Kinder auf der Welt sind nicht so satt wie meine Kinder. Jedes fünfte Kind auf der Welt hat keinen sicheren Ort, 420 Millionen Kinder auf der Welt im Krieg. Die internationale Gemeinschaft schaut nicht zu, sie schaut einfach weg. Die europäische Schande sind die Lager in Griechenland. Die deutsche Verantwortung geopfert und freigekauft mit der Dublin-Verordnung.

Mecklenburg-Vorpommern hat seine Herzen verschlossen. Dieses weite, grüne, leere Land hat keinen Platz für Kinder, die auf der Flucht ihre Eltern verloren, die vergewaltigt, hungernd und frierend in den Lagern festsitzen, die missbraucht als Kriegsbeute und Sklaven den Warlords dieser Welt für die Geschäfte dienen. Sollen wir das wirklich glauben?

60 Prozent aller in Griechenland gestrandeten Kinder sind unter zwölf Jahre, und sie sind allein. Knapp 5.000 Kinder, völlig auf sich alleine gestellt, harren dort aus. Viele dieser Kinder hätten ein Recht, nach Deutschland zu kommen. Die europäische Dublin-Verordnung müsste es ihnen ermöglichen. Drei Viertel aller Anträge wurden aber 2019 abgelehnt, weil der Rechtsstaat durchgreift, weil der Rechtsstaat auf Fristen und Regeln besteht. Erklären Sie uns, wie ein fünfjähriges alleinreisendes Kind rechtsstaatliche und deutsche Fristen und Regeln einhalten soll! Diese strikte Handhabung der Dublin-Verordnung verstößt gegen die Genfer Konvention und ihre Zusatzprotokolle.

(Unruhe vonseiten der Fraktion der AfD)

Dieses Regelwerk ist der Kern des humanitären Völkerrechts. Es stellt Kinder unter 15 in und aus Kriegs- und Krisenregionen unter den besonderen Schutz. Für Kinder muss in unserem Land Platz sein. Es reicht nicht, auf eine europäische Lösung zu warten.

Am 2. Oktober 2019 gab es einen offenen Brief und einen Appell von 19 Organisationen an die Bundeskanzlerin und den Bundesinnenminister. Die Grundlage ist der Bericht vom Juli 2019 des Bundesfachverbandes unbegleitete minderjährige Flüchtlinge. Forderungen aus diesem offenen Brief waren: die schnellstmögliche Aufnahme dieser Kinder, raus aus den desolaten Zuständen in den Lagern in Griechenland, die vorhandenen Spielräume bei der Familienzusammenführung nutzen.

Niedersachsen, Berlin, Thüringen starteten eine gemeinsame Initiative, Kinder und Jugendliche aufzunehmen. Am 28. November 2019 startete dann die Zivilgesellschaft die Kampagne #WirHabenPlatz. Am 03.12.2019 wenden sich die Integrations- und Ausländerbeauftragten der Länder Berlin, Brandenburg, Bremen, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Thüringen gemeinsam an die Innenministerkonferenz. Viele Kommunen erklärten sich bereit, die Kinder und Jugendlichen aufzunehmen.

In Ansatz gebracht werden könnte hier der Königsteiner Schlüssel. Für Mecklenburg-Vorpommern wären das dann genau 20 Kinder, 20 Kinder, die in den Kommunen leben könnten, die sich schon freiwillig bereit erklärt haben und bereit erklären werden. In der nächsten Bürgerschaft der Hansestadt Rostock wird es einen gemeinsamen Antrag der GÜNEN, der SPD und der LINKEN dazu geben. 20 Kinder retten vor Hunger, Kälte, Vergewaltigung und Versklavung. 20 Kinder, die eine Chance bekommen könnten. Deutschland, ein Land, das die Menschenrechte hochhält. Deutschland, ein Land, das natürlich eigene Sorgen hat, aber doch verdammt viel Platz. Mecklenburg-Vorpommern, ein Land zum Leben. Camp Moria, ein griechisches Lager, ein Platz zum Sterben.

Schon 2018 forderte Griechenland Hilfe von den Mitgliedsstaaten. Doch so ein paar Decken, Teddys und Fußbälle für die Kinder waren nicht gemeint. Die Menschen, die vielen Kinder kommen nach Europa, nicht nach Griechenland. Sie kommen in unser gemeinsames Europa. Wir haben eine Verantwortung füreinander in dieser Staatengemeinschaft. Und ja, M-V gehört dazu. Wir gehören dazu. 20 Kinder, 50 Kinder, 300 Kinder, es gilt, langfristig eine Lösung für 5.000 Kinder zu finden. Doch während wir hier und im Bundestag, in Bayern und in Brüssel über Kompromisse verhandeln, sterben die Kinder mitten im Urlaubsland Griechenland an Hunger, an Gewalt und an Krankheit.

Wir sind hier 71 Abgeordnete zuzüglich der drei Minister/-innen ohne Mandat und der Ministerpräsidentin, 75 Menschen hier in diesem Saal. Wenn sich immer drei Personen zusammentun würden und für nur ein Kind die Patenschaft übernähmen, dann hätten wir Hilfe für 25 Kinder. Ein Landesparlament übernimmt die Patenschaft für 25 Flüchtlingskinder, was für eine Schlagzeile, denn wir haben Platz, wir haben Platz in unseren Herzen, wir haben Platz in unseren Köpfen und wir haben Platz in unserem Land. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Im Ältestenrat ist vereinbart worden, eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 58 Minuten vorzusehen. Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat für die Landesregierung der Minister für Inneres und Europa Herr Caffier.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Sehr geehrte Frau Larisch, bei aller Emotionalität des Themas, was außer Zweifel ist, es gilt nach wie vor das geltende Recht. Und Recht und Emotionen dürfen wir nicht miteinander verwechseln. Wir verstoßen mit der Dublin-Verordnung auch nicht gegen geltendes Recht. Auch das ist nicht richtig. Und insofern bin gerade ich als Innenminister, als Kommunalminister auch für die Einhaltung der gültigen Rechtsregelung zuständig. Und ja, wir haben uns auf der Innenministerkonferenz ausgetauscht und sind eben nicht zu der Auffassung gekommen, dass wir dem Antrag der Integrationsminister/-innen entsprechen.

Beim ersten Lesen scheint der Antrag als ein ehrwürdiges Anliegen. Einige Bundesländer haben ja, wie Sie

ausgeführt haben, die Initiative vorgeschlagen, eine Zahl, die erst einmal überschaubar aussieht. Die Situation in den Flüchtlingsunterkünften ist miserabel, ohne Wenn und Aber. Sie ist auch nicht hinnehmbar, auch das ist ohne Wenn und Aber. Und deshalb muss sich Deutschland dafür einsetzen, dass der griechischen Regierung unter die Arme gegriffen wird, um die Situation in den Griff zu bekommen. Dazu hat es gerade in der letzten Woche Gespräche und Treffen mit den griechischen zuständigen Behörden gegeben.

Bei allem Verständnis für die Lage haben wir es jedoch auch hier mit einem Problem zu tun, wie wir es beispielsweise auch bei in Seenot geratenen und in den Mittelmeerhäfen ankommenden Flüchtlingen haben, zum Teil auch mit Minderjährigen. Einige EU-Mitgliedsstaaten fassen sich ein Herz, wollen dem unsäglichen Hin und Her um die Anfahrt eines rettenden Hafens ein Ende bereiten und erklären sich bereit, die in Not geratenen Menschen aufzunehmen. Andere Länder, insbesondere aus einer bestimmten geografischen Richtung, lehnen sich trotz aller eingeforderten Solidarität, wenn es um die Verteilung von EU-Geldern geht, in dieser Angelegenheit mit Regelmaß zurück.