Protocol of the Session on January 31, 2020

Sie werden gemerkt haben in der Rede, dass wir sehr wohl die Leistungen aller, die an diesem Land, an dem Aufbau dieses Landes teilgehabt haben, wirklich ja gewürdigt haben

(Zuruf von Egbert Liskow, CDU)

und das immer noch tun. Ich möchte Sie fragen: Ist Mecklenburg-Vorpommern das Land mit den niedrigsten Löhnen, ist Mecklenburg-Vorpommern das Land mit der höchsten Kinderarmutsquote und hat in MecklenburgVorpommern der Rentner am wenigsten Rente?

Das kann ich Ihnen jetzt im Detail auf den letzten Punkt nicht beantworten. Ich habe doch auch gar nicht bestritten, dass wir hier Probleme haben, und von daher, natürlich haben wir immer noch zu geringe Löhne, da sind doch alle Vorredner darauf eingegangen. Aber so zu tun, als wenn jetzt hier das Land immer noch in Schutt und Asche liegen würde, ich finde, das wird der Sache auch nicht gerecht.

(Wolfgang Waldmüller, CDU: Den Fachkräfte- mangel, den Fachkräftemangel haben wir.)

Also von daher bitte ich Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn Sie hier Anträge einbringen, dann, finde ich, sollte man auch bei der Einbringung zum Antrag sprechen. Das haben Sie nämlich mit keinem Wort getan. Dann kann man sich auch darauf einstellen, dass man hier eine Globaldebatte zu 30 Jahren Mecklenburg-Vorpommern hält, meine sehr verehrten Damen und Herren.

Wir als CDU-Fraktion arbeiten weiter an den Herausforderungen, die es in dem Land gibt. Die sind, glaube ich, auch klar benannt worden, die liegen aus unserer Sicht vor allem in den Bereichen Bildung, Arbeitsmarkt, auch Gesundheitsversorgung, Digitalisierung. Das sind, glaube ich, auch die großen Punkte, an denen wir arbeiten müssen. Aber wir lassen uns das auch nicht schlechtreden,

was in den 30 Jahren hier an Erfolg geschaffen wurde in diesem Land, und da sind am Ende alle diejenigen beteiligt, die sich hier fleißig und aktiv mit eingebracht haben. Die wollen wir in den Fokus unserer Politik richten, und DDR-Nostalgie und rückwärtsgewandte Politik bringt an der Stelle auch keinen etwas weiter. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion der CDU)

Herr Abgeordneter, zu Ihrem Redebeitrag ist eine Kurzintervention angemeldet worden von der Fraktion der AfD.

Professor Dr. Weber, bitte schön.

Liebe Landsleute! Verehrtes Präsidium!

Herr Ehlers, ich gebe Ihnen recht, wir müssen den Blick nach vorn wenden und wir müssen stolz darstellen, was in diesem Land bisher erreicht wurde. Und der Rückblick auf die Zeiten der DDR und die Glorifizierung des PleiteSozialismus, den man da erlebt hat, bringt nicht nur nicht weiter, sondern führt zurück.

Ich möchte aber trotzdem den richtigen Kern an dem hervorheben, was Frau Oldenburg gesagt hat. Die Treuhandanstalt – und Sie selbst von der CDU reden ja immer von Lebensleistung, die ist uns wie Ihnen sehr wichtig –, die Treuhandanstalt hat die Lebensleistung von vielen DDR-Bürgern, die mit unermesslichem Einsatz versucht haben, in einer pleitegehenden Wirtschaft ihre Betriebe aufrechtzuerhalten, ruiniert, hat ohne Sinn und Verstand für eine symbolische Mark Unternehmen an Konkurrenten verkauft, nur damit sie abgewickelt werden können. Auch das gehört zur Wahrheit, das muss man sagen. Und die Entscheidung, Rückgabe in Natur vor Kapitalersatz war ein immenser Investitionsstau, der die euphorische Aufbruchsstimmung, die nach der Wende geherrscht hat, wirtschaftlich abgeblockt hat. Das waren zwei diametrale wirtschaftliche Fehler und die Hiergebliebenen in Mecklenburg-Vorpommern müssen das teilweise bis heute ausbaden. Auch das gehört zur Wahrheit, und das muss man sagen dürfen.

Möchten Sie erwidern, Herr Ehlers? (Zustimmung)

Bitte schön.

Ja, Professor Weber, ich habe ja in meiner Rede gesagt, dass auch Fehler gemacht wurden. Das habe ich ja auch ganz offen und ehrlich zugegeben, weil es ja auch in der Tat keine Blaupause gab. Aber zur Wahrheit gehört natürlich auch, wenn man sich das Thema Treuhand anschaut, dass nun mal auch viele Unternehmen im internationalen Wettbewerb dann nicht mehr wettbewerbsfähig waren, und zwar viele Unternehmen in der DDR, die hauptsächlich ihre Absatzmärkte im östlichen Teil Europas, in der Sowjetunion hatten, wo auch ganze Märkte zusammengebrochen sind, die einfach dann noch nicht wettbewerbsfähig waren.

Aber ich bin ja – das habe ich auch eingangs gesagt –, ich bin ja durchaus offen da auch für Kritik, bloß es bringt doch aus meiner Sicht jetzt nichts, Untersuchungsausschüsse für Dinge auf den Weg zu bringen, die vor 30 Jah

ren geschehen sind. Das hilft nun keinem weiter. Das war mein Petitum, und von daher sind wir da jetzt auch, was durchaus Kritik an dem Umgang angeht, gar nicht so weit auseinander.

(Beifall vonseiten der Fraktion der CDU)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter.

Das Wort hat jetzt für die Fraktion DIE LINKE der Abgeordnete Herr Foerster.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich will vielleicht mal anders anfangen, als es einige hier erwarten, und zu Beginn meiner Rede all denjenigen danken, die am Aufbau unseres Landes tatkräftig mitgewirkt haben,

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und DIE LINKE)

denn die anfängliche Euphorie – und das klang mehrfach an – über die friedliche Revolution und den schnellen Beitritt der DDR zum Geltungsbereich des Grundgesetzes wich wie bei vielen in der Tat nach kurzer Zeit schon vielfach Ernüchterung. Es ist gesagt worden, viele Betriebe wurden von der Treuhand zugunsten der westdeutschen Konkurrenz abgewickelt. Es ist ein Fakt, dass Massenarbeitslosigkeit eingesetzt hat und die Abwanderung auch aus Mecklenburg-Vorpommern natürlich befördert hat.

Und auch wer hiergeblieben ist, der stand natürlich vor großen Herausforderungen: Gehe ich das Wagnis ein, ein Unternehmen zu gründen und auf eigenen Beinen zu stehen? Bekomme ich da überhaupt einen Kredit dafür? Bleibe ich hier und versuche über eine Umschulung oder eine schon angesprochene ABM wieder Fuß zu fassen? Suche ich mir einen Job im grenznahen Bereich und pendele täglich oder werde ich gar Wochenendpendler und lasse die Familie unter der Woche allein, weil die Kinder noch klein sind und zur Schule gehen? Diese Fragen werden seinerzeit viele Familien beschäftigt haben. Auch meinen Eltern ging es im Übrigen so. Sie und all die anderen, die den Mut nicht verloren haben, denen gilt es zu danken.

Und unzweifelhaft ist in den letzten 30 Jahren auch vieles erreicht worden.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und DIE LINKE)

Man sieht es in den Innenstädten, die saniert wurden. Man sieht es in den Ostseebädern. Man sieht es auch auf der A 20, in den Technologie- und Gründerzentren oder den vielen Gewerbegebieten unseres Landes. Und dennoch kann all das nicht darüber hinwegtäuschen, dass die von Altkanzler Kohl versprochenen blühenden Landschaften vielerorts eben leider, möchte ich dazu sagen, nicht Realität geworden sind.

Und Sie haben es gelesen in der Antragsbegründung, auch die aktuellen Zahlen der Hans-Böckler-Stiftung belegen das ja, beim Vergleich der Einkommen in allen Kreisen und Regionen Deutschlands ist das Bild doch eindeutig: Nur in 6 von 77 Kreisen und kreisfreien Städten in Ostdeutschland liegt das durchschnittliche Ein

kommen über 20.000 Euro – also wir reden ja nicht über Luxusregionen –, das sind 7,8 Prozent. Und wenn man dann vergleicht, Herr Ehlers, im Westen liegt es in 284 von 324 Kreisen darüber, das sind 87,6 Prozent, und da wird doch ein Problem deutlich: Ein Grund dafür ist natürlich die Erosion der Tarifbindung, die ist im Osten geringer.

Ich meine, Herr Kollege Schulte, Sie haben da einen methodischen Fehler gemacht. Die Zahlen, die Sie hier genannt haben, beziehen sich, glaube ich, auf die von der Tarifbindung erfassten Betriebe, denn nach meinen Zahlen vom DGB ist es so, dass nur rund 46 Prozent der Beschäftigten unter den Schutz von Tarifverträgen fallen im Osten, während es in Westdeutschland

(Simone Oldenburg, DIE LINKE: 10 Prozent mehr sind.)

noch 57 Prozent sind. Diese Entwicklung verwundert mich immer wieder,

(Thomas Krüger, SPD: Wir sind uns einig, dass es zu wenig sind.)

weil man doch weiß, dass dort, wo Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände Tarifverträge aushandeln, die Lücke inzwischen fast geschlossen ist. Denn wenn man sich das anguckt, wie die tariflichen Grundvergütungen in Ostdeutschland aussehen, dann war es 2018 so, dass sie 97,6 Prozent des westdeutschen Niveaus erreicht haben, im Übrigen, 1991 waren es gerade mal 60 Prozent.

Was ist jetzt eigentlich das Problem? Ich habe es hier vielfach angesprochen. Das Problem ist die Tarifflucht etlicher Arbeitgeber. Es ist eben so, dass viele Unternehmen zwar in einem Arbeitgeberverband bleiben, aber die Tarifvertragsbindung verlassen, um kurzfristige Kostenvorteile zu erlangen. Andere strukturieren ihr Unternehmen so um, dass Betriebe aus der Tarifbindung fallen. Und deswegen betonen wir ja immer wieder, dass hier ein ganz wichtiger Hebel für Verbesserungen ist.

Handlungsbedarf besteht aus unserer Sicht natürlich auch noch bei den Arbeitszeiten, denn Beschäftigte im Westen kamen 2018 im Schnitt auf 1.295 Arbeitsstunden, im Osten, mit Berlin, waren es 56 Stunden mehr. Und ich habe das hier in verschiedensten Debatten in den letzten sieben, acht Jahren immer wieder gesagt, natürlich ist auch der ausgeprägte Niedriglohnsektor immer noch ein Problem. Und wenn Sie aufmerksam die Presse verfolgt haben, dann haben Sie kürzlich lesen können, wie sich die Mehrfacharbeit in MecklenburgVorpommern entwickelt hat. Es geht um die Zahl derjenigen, die zusätzlich zum Haupterwerb noch einem Minijob nachgehen müssen. Die ist innerhalb eines Jahres in unserem Land von 30.906 auf 32.392 gestiegen. Man muss einfach sachlich zur Kenntnis nehmen, dass Minijobs eben immer noch oft das zweite Standbein sind, um als Niedriglohnempfänger in Mecklenburg-Vorpommern überhaupt über die Runden kommen zu können.

Grundsätzlich gilt, dass die Politik pro Minijob, Leiharbeit, Befristungen und Werkverträge sowie das lange, auch schon angesprochene praktizierte Werben für das Billiglohnland Mecklenburg-Vorpommern nicht dazu geführt haben, dass sich hier massiv Großbetriebe angesiedelt haben. Und wir waren letzte Woche mit dem Wirtschaftsausschuss bei der IHK. Jetzt merken auch die Unter

nehmen inzwischen, dass die weiterhin deutlich klaffende Lohnlücke im Wettbewerb um Fachkräfte inzwischen einen klaren Standortnachteil gegenüber anderen Regionen darstellt. Und dieser Fakt wird in Konjunkturumfragen der IHK inzwischen als Hauptrisiko für eine gute wirtschaftliche Entwicklung gesehen. Also es hat doch nichts mit linker Propaganda zu tun, das ist doch schlicht Fakt, meine Damen und Herren.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Und, meine sehr geehrten Damen und Herren, mit dem „Aufbau Ost“ ist es zwar gelungen, die wirtschaftliche Basis der ostdeutschen Bundesländer zu erneuern und die infrastrukturellen Voraussetzungen zu verbessern, doch während sich einige Städte gut entwickelt und ihr Umland mitgezogen haben, blieb andernorts die erhoffte Ausstrahlung auf das strukturschwache Umland aus. Das ist auch ein Fakt. Das Ergebnis dort ist ein Bruttoinlandsprodukt je Einwohner, welches 30 Prozent unter dem westdeutschen Niveau liegt. Unsere Wirtschaftsstruktur, das ist bekannt, ist deutlich kleinteiliger als die in Westdeutschland, und unsere Unternehmen verfügen vielfach nicht über die gleiche Innovationsstärke. Und natürlich rächt sich jetzt auch die jahrelange Abwanderung junger Leute, weil die Zahl der Menschen im Erwerbsalter in ganz Ostdeutschland, auch in Mecklenburg-Vorpommern stark zurückgehen wird. Die Folgen sind massiv und das betrifft nicht nur die Unternehmen.

In den ländlichen Regionen klaffen zunehmend auch Lücken bei öffentlichen Einrichtungen wie Kitas, Schulen, Ämtern und Krankenhäusern. Und dieser Rückzug des Staates, so empfinden es jedenfalls viele Menschen, aus der Fläche ist eine Gefahr für den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Sie kennen doch all diese Probleme. Herr Minister Glawe ist ja mit einem Satz auch darauf eingegangen. Denken Sie doch nur an die aktuelle Diskussion um die Krankenhäuser in Parchim und Crivitz!

Deshalb soll unser heutiger Antrag zweierlei Dinge bewirken – das ist ja vorhin von Herrn Renz zwischengerufen worden, was wollt ihr eigentlich mit diesem Papier –: Wir wollen erstens dafür werben, dass wir zum 30. Geburtstag unseres Bundeslandes eine differenzierte Sicht auf die letzten Jahre an den Tag legen. Und dazu gehört natürlich der berechtigte Stolz auf das Erreichte, aber ebenso das Bewusstsein für die Probleme, die es nach wie vor gibt.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE – Torsten Renz, CDU: Sie werden mir doch nicht etwa unterstellen, dass ich diese Einstellung nicht habe?!)

Zweitens erwarten wir die richtigen Weichenstellungen, damit der Landtag eben in zehn Jahren zum 40. Jubiläum möglichst nicht mehr über derart gravierende Unterschiede diskutieren muss.

Wir sind überzeugt davon, dass höhere Löhne notwendig sind. Die OZ-Umfrage hat doch jüngst noch mal gezeigt, wie wichtig das Thema den Menschen in MecklenburgVorpommern ist. Erreichbar sind sie eben nur durch eine Erhöhung der Tarifbindung und dazu muss die Wirtschaftsförderung im Land und im Bund weiter konsequent auf tarifgebundene Unternehmen ausgerichtet werden. Öffentliche Aufträge sollten grundsätzlich nur noch an solche vergeben werden.

Ich möchte Ihnen eine Zahl nennen: Die Vergabestellen von Bund, Ländern und Kommunen generieren jährlich Aufträge für Güter und Dienstleistungen im Wert von 450 bis 500 Milliarden Euro. Das ist doch ein Beleg dafür, dass der Staat auch eine wirkliche Marktmacht hat. Und natürlich, Herr Kollege Schulte, weiß ich, dass es in Mecklenburg-Vorpommern Regelungen gibt, große Unternehmen beispielsweise von der Förderung auszunehmen, wenn sie nicht tariflich oder tarifgleich entlohnen. Allerdings muss man fairerweise auch mal dazusagen, dass die Wirkung bisher überschaubar ist.

Ich habe mal nachgefragt per Kleiner Anfrage, wie viele große Unternehmen gemeint sind: Beschäftigte 250 plus X, die sich seit 2014 hier angesiedelt haben. Und da dürfen Sie mal raten, wie viele das sind! Das sind 12. Und jetzt können Sie mal überlegen, wie dann die Wirkung mit Blick auf diese Regelungen im Rahmen der Wirtschaftsförderung ist. Die ist überschaubar, und deswegen sagen wir, wir müssen mehr perspektivisch da auch noch mal ran und müssen auch die Unternehmen unterhalb von 250 stärker in den Blick nehmen.

Staatliche Institutionen und Landesunternehmen haben darüber hinaus nach unserer Auffassung auch eine Vorbildfunktion. Sie dürfen nämlich weder Billiganbietern mit Niedriglöhnen den Zuschlag erteilen und sie dürfen vor allen Dingen nicht ihre eigenen Leute jenseits tariflicher Niveaus entlohnen. Und wenn ich dann als Antwort auf eine Kleine Anfrage an die Landesregierung präsentiert bekomme, dass man nicht mal weiß, was in den 74 Unternehmen mit Landesbeteiligung eigentlich los ist