... Sie untermauern an keiner Stelle den Bedarf für solche Einrichtungen. Diesen Bedarf zu ermitteln, wäre aber Voraussetzung für eine solche Forderung, und das würde dann wahrscheinlich Ihre besagten 590.000 Euro – wenn ich das richtig gehört habe – noch mal deutlich in die Höhe treiben.
Der Antrag ist aus unserer Sicht zudem verfrüht. Die Beratungslandschaft soll in unserem Land in nächster Zeit ohnehin auf den Prüfstand gestellt werden, und das wissen Sie auch.
Dabei gilt es auch zu eruieren, ob es erforderlich ist, für Jungen und Männer niedrigschwellige Angebote über Zugänge zu bestehenden Angeboten zu gestalten, und wie dies gegebenenfalls umgesetzt werden könnte. Festzuhalten bleibt, dass derzeit auch ohne Männerschutzhäuser geeignete Hilfeeinrichtungen für von Gewalt betroffene Jungen und Männer zur Verfügung stehen. Und da verweise ich dann gern noch einmal auf Ihre eigene Kleine Anfrage.
Meine Damen und Herren, in Punkt 3 des Antrages fordert DIE LINKE außerdem die Bereitstellung der erforderlichen Mittel im Doppelhaushalt 2020/2021, um Tarifanpassungen im Hilfesystem finanzieren zu können. In der Antragsbegründung wird behauptet, das Hilfesystem insgesamt sei unterfinanziert und die Löhne der Beschäftigten seien seit dem Jahr 2005 nicht angemessen erhöht worden. Damit erweckt die Antragsbegründung den Eindruck, das Land habe seit Jahren die Mittel für das Hilfesystem im Haushalt nicht ausreichend erhöht. Tatsächlich aber ist der entsprechende Haushaltstitel seit 2011 um rund 327.000 Euro beziehungsweise 20 Prozent angehoben worden, was selbst bei Abrechnung der hinzugekommenen Beratung wegen Zwangsverheiratung und Menschenhandel einem jährlichen Zuwachs von rund 2,3 Prozent entspricht. Ich kann Ihnen versichern, auch die Löhne für die Beschäftigten werden wir uns im Zuge der Aufstellung und Beratung des Doppelhaushaltes 2020/2021 ansehen. Und dass wir nicht alleine in der Verantwortung stehen, hatte ja die Ministerin auch schon gesagt.
Sehr geehrte Kollegen und Kolleginnen von der Linksfraktion, ohne die begrüßenswerte Intention Ihres Antrages in Abrede stellen zu wollen, meine Fraktion wird ihn ablehnen, weil er unserer Ansicht nach nicht hinreichend begründet ist. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ja, leider werden wir es so schnell nicht hinbekommen, so zivilisiert wir auch sind, eine Gesellschaft frei von Gewalt zu haben, was ja unser aller Ziel sein sollte. Leider sieht die raue Wirklichkeit anders aus. Gewalt ist leider überall zu Hause. Auf der Straße wird sie noch am ehesten geahndet, weil offensichtlich, aber wir haben Gewalt auf dem Schulhof, im Krankenhaus, schlimm auch in der Pflege
und zu Hause. Die Verrohung der Sprache nimmt auch zu oder vermeintlich mehr zu. Und ja, es sind beide betroffen, Männer und Frauen, wenn auch in unterschiedlichem Maße.
Herr Ritter, die Studie 50/50, die kommt mir allerdings nicht seriös vor, muss ich sagen. Das spiegelt sich in
meinen praktischen Erfahrungen als Opferhelferin nicht wider, aber darauf komme ich nachher noch mal zurück. Die Dunkelfeldstudie, die erste, die wir hier in Mecklenburg-Vorpommern hatten – die zweite müsste jetzt ja eigentlich auch bald auf den Tisch kommen,
ich hoffe, wir sehen die bald, mal gucken, wie die Unterschiede aussehen –, hat jedenfalls eins gezeigt: dass Opfer häuslicher und sexualisierter Gewalt in ganz besonderem Maße im Dunkelfeld bleiben,
weil gerade diese Straftaten eben nur zu einem geringen Anteil angezeigt werden. Da ist, glaube ich, das Hauptproblem. Wir haben zu wenig Mut bei diesen Personen, sich tatsächlich Hilfe zu holen, denn – und da gebe ich Herrn Ritter nicht mehr recht hier und heute, was den Bekanntheitsgrad von Angeboten angeht – bei dem heutigen Stand der Technik kann jeder Hilfe finden, der Hilfe sucht.
Und immer mehr Menschen suchen Hilfe. Deswegen glaube ich auch nicht, dass wir unbedingt steigende Zahlen haben, sondern wir haben mehr Menschen, die sich diese Hilfe suchen, und mehr Menschen, die dadurch ihren Fall bekannt machen.
Hier sind schon viele Zahlen genannt worden. Für mich klangen die Zahlen, die das Bundesfamilienministerium im letzten Jahr nach einer BKA-Studie genannt hat, plausibel. Da gingen sie von 18 Prozent betroffener Männer aus. Das ist auch ungefähr so das, was ich in meiner Opferhilfepraxis so habe an Anteil an Männern.
Und ja, Herr Förster, es sind auch betroffene Männer häuslicher Gewalt darunter, auch die gibt es. Es gibt total dramatische Fälle. Da ich keine Namen nenne, kann ich einen mal hier vorstellen. Das war ein älterer Herr, der von seiner Frau massiv misshandelt und letztendlich vor die Tür gesetzt wurde, und das war ein alter Herr mit Pflegestufe 2. Offensichtlich war das aus einer Überforderung heraus entstanden. Der Mann ist nachher allerdings gleich in eine betreute Wohneinrichtung, weil er auch pflegerische Unterstützung brauchte, überführt worden. Aber das ist ganz klar häusliche Gewalt.
Ich hatte in meiner mittlerweile über vierjährigen Praxis erst zwei Fälle „Männer und häusliche Gewalt“ in massivem Maße. Der andere Fall ist auch von seiner Frau geflüchtet, aber der wollte nicht in eine betreute Einrichtung. Der wollte nur vorübergehend, kurzfristig irgendwo – ganz egal wo, der hätte auch einen Freund genommen, hätte er denn einen gehabt – untergebracht werden. Deswegen sehe ich den Bedarf, den dieser Antrag suggeriert, jetzt auch noch nicht.
Gleichwohl verfolge ich, dass auf Bundesebene die Einrichtungen bereits da sind, die Modelle wurden angesprochen. Nordrhein-Westfalen will ja auch eine Schutzwohnung einrichten. Will einrichten – Nordrhein-Westfalen hat ein paar mehr Einwohner als wir, also die haben den Bedarf auch noch nicht gesehen. Ich kann mir vorstellen, dass dieser Bedarf tatsächlich entstehen könnte, wenn
so ein Angebot da wäre und man davon wüsste. Deswegen empfinde ich den Weg, den die Ministerin da eingeschlagen hat, als genau den richtigen. Erst mal alles noch mal genau überprüfen, vor allen Dingen auch den Bedarf überprüfen, und ich denke, da kann man sich vielleicht auch an andere Hilfsorganisationen wenden und nachfragen, ob der Bedarf da schon mal aufgeschlagen ist und ob der auch so gesehen wird.
Ich möchte auch noch mal darauf verweisen, dass es ja auch anonyme Hilfsangebote gibt, bei denen, glaube ich, die Herren nicht davor zurückscheuen, sich dort Hilfe zu suchen.
Auch dort kann man mal auf diese Erfahrungen zurückgreifen, um ein rundes Bild zu erhalten. Aber zurzeit – auch, wie gesagt, aus meiner ganz praktischen Erfahrung – sehe ich den Bedarf, den dieser Antrag hier zugrunde legt, noch nicht. Deswegen werden wir den Antrag auch ablehnen. – Vielen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Kolleginnen und Kollegen! Bereits vor sechs Jahren hat die Fraktion DIE LINKE einen Antrag gestellt, das Hilfesystem für Betroffene von häuslicher und sexualisierter Gewalt und Stalking auch und stärker auf Männer und Jungen auszurichten. Wir haben die Landesregierung aufgefordert, öffentlichkeitswirksame Maßnahmen zu ergreifen, damit auch Männer als Betroffene, als Zielgruppe angesprochen und berücksichtigt werden, und wir haben ausreichende Hilfeangebote und Schutzeinrichtungen gefordert.
Das war 2013, passiert ist bis heute nichts. Betroffene Männer können sich an die vorhandenen Beratungsstellen für Frauen und Mädchen wenden. Sie sind also mitgemeint. Und wir sagen ganz klar in allen Bereichen, weder Frauen noch Männer verdienen es, nur mitgemeint zu sein. Jeder Mensch jeden Geschlechts verdient eine differenzierte, eine geschlechtergerechte Beratung und Hilfe.
Und obwohl ich kein Mann bin und deshalb auch nur theoretisch weiß, wie es von Gewalt betroffenen Männern geht, habe ich mal versucht, mich in die Lage eines betroffenen Mannes zu versetzen. Ich wollte wissen, auf welchem Wege kann ich Hilfe bekommen. In einer Suchmaschine im Internet habe ich eingegeben „Meine Frau misshandelt mich“,
und das Erste, was dort erschienen ist oder aufploppte, war das Hilfetelefon für Frauen. Und das fällt schon mal aus, denn es ist ja für Frauen. Dann folgten Foren, in denen Männer sich austauschten und untereinander Rat gaben. Da ist dann so was dabei wie „Trenn dich umgehend von ihr“, „Wende dich an den Weißen Ring“, „Wende dich an die Polizei“ bis hin zu „Vielleicht kann ja deine Frau oder Freundin oder dein Partner mithilfe eines An
gehörigen eine Therapie machen“. Aber weit und breit tauchte kein einziges Angebot ausschließlich für Männer auf.
Gebe ich zum Beispiel ein „Hilfe bei Gewalt zu Hause M-V“, kommt wieder nur das Hilfetelefon für Frauen und eine Seite, bei der mir zunächst die Wörter „Frauenhäuser“ und „Beratungsstelle“ entgegenspringen. Wenn ich dann noch dranbleibe und weitersuche, finde ich in einem unauffälligen, ganz kleinen Satz, dass es acht Beratungsstellen für Betroffene von häuslicher Gewalt gibt, in denen Frauen und Männer beraten werden.
Ich weiß dann aber immer noch nicht, wer am anderen Ende der Leitung sitzt und wen ich in der Beratungsstelle treffe – womöglich eine Beraterin, die hauptsächlich Frauen betreut, die von ihren Männern misshandelt wurden. Und dann stelle ich mir als Opfer natürlich die Frage: Werde ich dort ernst genommen? Was hat sie denn für ein Männerbild? Ich bin nicht Betroffene von häuslicher Gewalt. Ich weiß nicht, wie diese Menschen sich tatsächlich fühlen. Ich weiß aber, dass mir das häufig gesagt wird in Beratungen.
Häusliche Gewalt ist auch immer ökonomische Gewalt, und da Männer in der Gesellschaft immer noch ein Bild vermitteln müssen, dass sie niemals Opfer von häuslicher und von ökonomischer Gewalt werden, landen sie häufig in Einrichtungen für Wohnungslose oder auf der Parkbank. Gehen Sie mal auf eine Parkbank, wo vermeintlich wohnungslose oder suchtkranke Menschen sitzen. Die erzählen Ihnen genau das. Sie haben immer nur gehört „Du bist eine Memme“, „Wie kannst du dir das gefallen lassen“, und das eint betroffene Männer tatsächlich mit allen Betroffenengruppen. Wenn Sie sich, werte Landesregierung, aufs Tableau schreiben, ein gut funktionierendes Hilfenetz im Land zu wissen, müssen Sie hier unbedingt nachsteuern, dass Männer tatsächlich und mit einer klaren Ansprache aufgefangen werden, die in eine solche Notlage geraten.
Und ja, hin und wieder taucht das Thema „Gewalt gegen Männer“ in den Medien auf. Dann ist es wieder für lange Zeit verschwunden und es wird bei häuslicher Gewalt lediglich die Zielgruppe der Frauen in den Blick genommen. Männer als Opfer werden ausgeklammert, eine differenzierte Berichterstattung lässt sich nur schwer finden. Aber Gewalt gegen Frauen und Gewalt gegen Kinder ist erst dann geächtet worden, und das auch gesellschaftlich, als es öffentlich war. Erst als die Gesellschaft gesagt hat, wir lassen das nicht mehr zu, weil Frauen in die Öffentlichkeit gegangen sind, erst da wurde es geächtet.
Die Ministerin hat gesagt, alle haben den gleichen Zugang, und das ist tatsächlich nicht so, denn Jungen ab 14 Jahre dürfen überhaupt nicht in Frauenschutzeinrichtungen.