Protocol of the Session on January 24, 2019

Die Ministerin hat gesagt, alle haben den gleichen Zugang, und das ist tatsächlich nicht so, denn Jungen ab 14 Jahre dürfen überhaupt nicht in Frauenschutzeinrichtungen.

(Peter Ritter, DIE LINKE: So ist es.)

Diese Jungen, die gehen dann in eine Schutzeinrichtung, in einen Kindernotdienst oder in eine Kinder- und Jugendeinrichtung. Genau das ist es nämlich tatsächlich auch, warum ganz viele Frauen überhaupt nicht in Frauenschutzhäuser gehen, denn sie werden misshandelt und ihre Söhne werden misshandelt. Und wenn die 14

sind und nicht bei ihnen sein dürfen, sie müssen alles aufgeben zu Hause und dann auch noch ihre Kinder weggeben?! Oh nein! Jungs haben nicht denselben Zugang in Frauenschutzhäuser.

Und das Aufwiegen der Anzahl von Betroffenengruppen, nein, das geht überhaupt nicht.

Herr Förster, Opfer können sich nicht selber helfen. Opfer sind auch nicht hilfebedürftig. Opfer sind unterstützenswürdig. Opfer, die sich Hilfe holen, sind stark. Um Hilfe fragen, um Hilfe bitten und diese Hilfe annehmen, ist eine absolute Stärke. Und „irgendwelche Männer, die irgendwelche Kratzspuren haben“ – was haben Sie denn für ein Menschenbild? Irgendwelche Männer, die irgendwelche Kratzspuren haben, sind Opfer von Gewalt geworden. Das, was Sie hier gesagt haben, ist Menschenverachtung pur!

(Heiterkeit und Zurufe von Horst Förster, AfD, und Holger Arppe, fraktionslos)

Eine Gesellschaft hat sich insgesamt um die Menschen zu kümmern, denen es gerade nicht so gut geht, die in ökonomische oder in andere Not geraten sind. Würden wir uns nämlich nur, wie Sie hier gesagt haben, um die Menschen kümmern, denen es gut geht und die sich allein helfen können, dann sortieren Sie Menschen aus. Sie sortieren Menschen in „nützlich“ und „unnützlich“, Sie sortieren Menschen in „wertvoll“ und „überflüssig“,

(Unruhe vonseiten der Fraktionen der SPD und AfD)

Sie sortieren Menschen in „gewollt“ und „nicht gewollt“. Und dann hat das genau die Meinung, die ich von der AfD habe, bestätigt. Sie sind eine menschenverachtende Partei,

(Vincent Kokert, CDU: Mindestens! Mindestens!)

weil Sie bestimmten Gruppen von Menschen die Solidarität verweigern.

(Unruhe vonseiten der Fraktion der AfD)

Die TAZ hat im November 2016 einen umfangreichen Artikel zu den Initiativen und Forderungen der Linksfraktion im Landtag Mecklenburg-Vorpommern für die Verstärkung der Männerberatung und Einrichtung von Schutzunterkünften veröffentlicht. Dies stieß in den Onlineportalen auf große Resonanz. Die Menschen haben ein Bedürfnis, dass Menschen als Opfer von häuslicher Gewalt endlich wahrgenommen werden, und zwar als Männer, und dass sie die Hilfe und den Schutz bekommen, den sie benötigen.

Die Linksfraktion forderte in der Vergangenheit bereits niedrigschwellige und lückenlose Angebote für Frauen und gezielt für bestimmte unterschiedliche Personengruppen, darunter natürlich für Migrantinnen und Flüchtlingsfrauen, für Menschen mit psychischen Erkrankungen, mit Behinderungen, mit Suchterkrankungen, für pflegebedürftige Menschen und pflegende Menschen, für Seniorinnen und Senioren sowie für Kinder als Mitbetroffene von häuslicher Gewalt und natürlich auch für Männer. Jede Opfergruppe hat andere Bedarfe, und darum benötigen wir auch unterschiedliche Angebote.

(Unruhe vonseiten der Fraktion der AfD)

Der Landesregierung war bereits im Oktober 2018 bekannt, dass die Männer- und Gewaltberatungsstelle in Güstrow nicht gehalten werden kann, und zwar aus wirtschaftlichen Gründen. Das Einzige, was die Landesregierung getan hat, ist, mit der Stadt Güstrow, mit der Stadt Bützow und mit dem Landkreis Rostock darüber zu verhandeln, ob diese nicht noch mehr Geld in das System geben können, weil das Land kein Geld mehr geben will. Nun würde ich Ihnen aber ganz gerne sagen, dass die Stadt Güstrow und der Landkreis Rostock den Träger Arche e. V. ja schon im Jahre 2018 zusätzlich unterstützt haben, weil schon dort das Frauenschutzhaus in großer Not war.

(Zuruf von Dirk Lerche, AfD)

Ich finde es nicht in Ordnung, dass sich das Land aus der Verantwortung stiehlt und sagt, dass Opferschutz eine freiwillige Leistung ist.

(Zuruf von Dirk Lerche, AfD)

Nein, Opferschutz ist keine freiwillige Leistung. Opferschutz muss endlich eine Pflichtleistung werden. Denn eine freiwillige Leistung ist es, mit Menschen Kaffeetrinken zu gehen. Eine freiwillige Leistung ist es, ein Werbefaltblatt zu erstellen. Menschen, die Opfer von Gewalt wurden, zu unterstützen und ihnen Hilfe anzubieten, ist eine Pflichtleistung, die in einer Gesellschaft, die sich fortschrittlich und modern nennt, tatsächlich endlich, endlich, endlich angekommen sein muss! – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE – Zuruf von Jürgen Strohschein, AfD)

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung …

(Unruhe vonseiten der Fraktionen der SPD und AfD)

Ich bitte Sie, meine Herren!

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 7/3057. Wer dem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich jetzt um ein Handzeichen. – Gegenprobe. – Stimmenthaltungen? – Damit ist der Antrag der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 7/3057 bei Zustimmung der Fraktion DIE LINKE und Gegenstimmen aller anderen Fraktionen und des fraktionslosen Abgeordneten abgelehnt.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 30: Aussprache gemäß Paragraf 43 Nummer 2 der Geschäftsordnung des Landtages zum Thema „Vorgeburtliche Bluttests – wie weit wollen wir gehen?“, auf Antrag der Fraktion Freie Wähler/BMV.

Aussprache gemäß § 43 Nummer 2 GO LT zum Thema Vorgeburtliche Bluttests – wie weit wollen wir gehen?

(Unruhe vonseiten der Fraktionen der CDU und AfD)

Im Ältestenrat ist vereinbart worden, eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 150 Minuten vorzusehen. Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen und wir verfahren so. Ich eröffne die Aussprache.

Zunächst hat das Wort für die Fraktion Freie Wähler/BMV die Abgeordnete Weißig.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kollegen! Ich fange mit einem Zitat an: „Aber ich möchte nicht in einer Welt leben, in der wir Menschen nur noch optimiert werden. In einer Welt, wo zwischen lebenswertem und lebensunwertem menschlichen Leben unterschieden wird“, Rainer Maria Kardinal Woelki, Zitatende.

(Beifall Ralf Borschke, Freie Wähler/BMV)

Dem kann ich mich nur anschließen und ich hoffe, ich finde Gehör.

(Unruhe vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU)

Seit August 2016 hat der Gemeinsame Bundesausschuss, das oberste Beschlussgremium der Selbstverwaltung von Ärzten, Krankenhäusern und Krankenkassen, ein sogenanntes Methodenbewertungsverfahren eingeleitet, an dessen Ende entschieden werden soll, ob die nicht invasiven Tests beim Vorliegen einer Risikoschwangerschaft künftig in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen aufgenommen werden. Bisher stellten diese Tests eine individuelle Gesundheitsleistung dar. Diese bereits vorhandenen Tests sind eine menschenverachtende Selektiermaßnahme, die nicht auch noch durch den Beitragszahler unterstützt werden darf. Im Gegenteil, es sollte ein Umdenken stattfinden und wieder Moral und Respekt vor ungeborenem Leben ins Bewusstsein gebracht werden.

Als Risikoschwangerschaften gelten inzwischen 52 Risikofaktoren wie Übergewicht, Heuschnupfen, familiäre Verhältnisse, seien es finanzielle Sorgen oder Ängste, wenn nichts hilft, Androhung eines Suizids. Also ist Tür und Tor für einen Schwangerschaftsabbruch gewährleistet. Diesem muss Einhalt geboten werden. Die PID wird zunehmend auch einzig mit dem Ziel durchgeführt: das Geschlecht, ob man Junge oder Mädchen möchte.

(Unruhe vonseiten der Fraktion der SPD)

In Europa machen es bereits zwei Prozent, in Amerika zehn Prozent. Möglich sind auch Untersuchungen auf einzelne veränderte Gene, wie Muskelschwund, Lungen- und Stoffwechselkrankheiten oder Bluterkrankheiten – nur eine kleine Auswahl. Sollen diese Embryonen aussortiert werden? Da sollten sich so einige Menschen fragen, ob sie überhaupt noch eine Daseinsberechtigung haben, denn sie sind ein unkalkulierbarer Kostenfaktor für die Krankenkassen und somit für die Allgemeinheit.

(Torsten Koplin, DIE LINKE: Das ist ja unerhört!)

Die PID ist ein Leistungsrecht der Krankenkassen nach dem Bundestagsbeschluss.

(Zuruf von Dr. Ralph Weber, AfD)

Es ist dabei völlig unerheblich, ob es auf Ehepaare begrenzt wird oder nicht. Da heute die Ehe schon als rückwärtsgewandt und altmodisch abgetan wird, wird auch diese Einschränkung keinen Bestand haben. 2,6 Millionen Euro – circa 20.000 Euro pro Paar – hat der Bundesrat im TSVG errechnet, Geld, was dringend für Kinder- und Jugendpraxen im unterversorgten ländlichen Raum benötigt wird. Obwohl in Deutschland 97 Prozent aller Kinder gesund zur Welt kommen, werden 80 Prozent als Risikoschwangerschaft eingestuft. Sie können auch mutmaßen, weil vorher sortiert wurde, sind es eben nur 97 Prozent.

Der Test hat eine Falsch-positiv-Rate von 0,3 Prozent. Das würde bedeuten, würden sich 30.000, die ein erhöhtes Risiko besitzen, ein Kind mit Downsyndrom zu gebären, dem Test unterziehen, würde dieser neben den 300 tatsächlich betroffenen auch ein Prozent, also 89 Kinder falsch positiv auf das Downsyndrom ermitteln und diese erhielten hiermit ihr Todesurteil. Der Bluttest nach Suche von autosomalen Trisomien eines ungeborenen Kindes führt in aller Regel zur Abtreibung dieses Menschenkindes.

Die Perspektive eines Menschen mit Downsyndrom wird überhaupt nicht in die folgenschwere Diskussion mit einbezogen. Es ist auch nicht sichergestellt, dass eine genetische Beratung nach dem Gendiagnostikgesetz angeboten wird, worauf ein Anspruch der Betroffenen besteht. Es kann und darf nicht sein, dass die Mütter, die ein liebenswertes Kind mit Trisomie 21 bekommen, sich verteidigen müssen, weil die so aufgeklärte Umwelt sagt: Musste das sein, warum hast du nicht die pränatale Diagnostik in Anspruch genommen? Es werden Schuldgefühle produziert, die es nicht geben darf. Schuldig sind die, die solche Menschen ablehnen.

Grundsätzlich ist doch zu fragen: Wer hat das Recht, Kindern mit Downsyndrom das Recht auf Leben abzusprechen? Niemand! Sie vor der Geburt zu sortieren wie Müll und es noch als gesetzliche Krankenkassenleistung anzubieten, das ist an Perversität nicht zu überbieten. Diese Überlegung darf in dieser menschenverachtenden Form nicht durchgesetzt werden. Mit Ratifizierung der Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen hat sich Deutschland verpflichtet, „in Anerkennung des wertvollen Beitrags, den Menschen mit Behinderungen zum allgemeinen Wohl und zur Vielfalt ihrer Gemeinschaften leisten und leisten können“ – Präambel –, behinderten Menschen die Wahrnehmung ihrer Rechte zu garantieren.

Mit dieser Haltung möchten wir über die zukünftige vorgeburtliche Diagnostik diskutieren, im Deutschen Bundestag und im Rahmen einer breiten gesellschaftlichen Debatte. Ich appelliere an alle, die ein Gewissen haben, darauf hinzuwirken, dass die Gesundheit der werdenden Mutter berücksichtigt wird, aber nicht der Wunsch der Schwangeren nach Selektierung. Im nächsten Jahr haben wir den Tag der Behinderten. Was sagen Sie diesen Menschen? – Vielen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktion Freie Wähler/BMV)

Für die Landesregierung hat jetzt das Wort der Minister für Inneres und Europa in Vertretung des Ministers für Wirtschaft, Arbeit und Gesundheit. Bitte, Herr Caffier.

(Zuruf von Marc Reinhardt, CDU)