Protocol of the Session on December 13, 2018

(Jürgen Strohschein, AfD: Danke schön. – Dr. Ralph Weber, AfD: Wir haben halt keinen Fraktionszwang!)

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion Freie Wähler/BMV auf Drucksache 7/2906. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich jetzt um ein Handzeichen. –

(Thomas Krüger, SPD: Herr Strohschein auch.)

Gibt es Gegenstimmen? – Gibt es Stimmenthaltungen? – Damit ist der Antrag der Fraktion Freie Wähler/BMV auf Drucksache 7/2906 mit den Stimmen der Fraktionen von SPD, CDU und DIE LINKE, bei Zustimmung der Fraktionen der AfD und Freie Wähler/BMV und Stimmenthaltung des fraktionslosen Abgeordneten abgelehnt.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 17: Beratung des Antrages der Fraktion der AfD – Präventivhaft gegen terroristische Straftaten, Drucksache 7/2902.

Antrag der Fraktion der AfD Präventivhaft gegen terroristische Straftaten – Drucksache 7/2902 –

Das Wort zur Begründung hat für die Fraktion der AfD der Fraktionsvorsitzende Herr Kramer.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Werte Gäste! Liebe Landsleute! Die aktuellen Ereignisse in Straßburg zeigen, wie aktuell dieser Tagesordnungspunkt ist.

(Beifall Jens-Holger Schneider, AfD)

Dennoch warne ich davor, nun hysterisch zu kreischen oder mit Unterstellungen zu agitieren. Unsere Gedanken sind in erster Linie bei den Opfern dieser schrecklichen Taten nicht nur in Straßburg.

Dennoch ist es an der Zeit, an Sicherheit neu zu denken, denn wir alle wissen spätestens seit den Vorfällen in Güstrow und Schwerin, dass die terroristische Bedrohungslage im Land real ist. Der kürzlich verurteilte Yamen A. aus Schwerin baute erwiesenermaßen an einer Bombe, die bis zu 200 Menschen das Leben nehmen sollte. Er ließ die Richterin in Hamburg bei Ihrer Urteilsverkündung ratlos zurück. Dieser Befund ist erschreckend. Unsere Politik hier im Land darf gegen den Terror niemals ratlos sein. Wir müssen konkrete Antworten liefern. Das heißt, wir müssen unsere Gesetze zeitnah und überlegt an eine veränderte Lage im Land anpassen. Wir fordern daher die Präventivhaft gegen terroristische Straftaten, gegen wohlgemerkt terroristische Straftaten zur Stärkung unserer Sicherheitsbeamten.

Vor einem Jahr hat meine Fraktion hier im Landtag eine Aussprache zum Thema Terrorismus aufgesetzt. Damals waren sich alle Fraktionen einig, dass Handlungsbedarf besteht. Vor allem die Problematik des islamistischen Terrors steht unübersehbar im Raum des politischen Handelns. DIE LINKE hat seinerzeit deutlich gemacht, dass sie neue gesellschaftliche Präventionsprogramme

für nötig hält. Die SPD forderte, und ich zitiere, dass „Salafistisch/radikalislamistische Moscheen … geschlossen und Hassprediger … ausgewiesen werden“ müssen. Und die CDU in Gestalt von Frau von Allwörden betonte, ich zitiere abermals, „meiner Fraktion ist das Thema der Terrorismusbekämpfung extrem wichtig“, Zitatende.

(Ann Christin von Allwörden, CDU: Das stimmt.)

Was ist seitdem passiert? Leider müssen wir feststellen: kaum etwas. Alle drei erwähnten Fraktionen haben das Problem vor einem Jahr wortgewaltig bestätigt, um direkt danach wieder auf Tauchstation zu gehen. Vonseiten der anderen Fraktionen kam kein einziger Antrag zu diesem Thema. Man wollte nicht einmal die von uns beantragte Expertenanhörung im Ausschuss durchführen, dennoch scheint Ihnen das Thema wichtig zu sein, offensichtlich Worthülsen. Einzig die Landesregierung kündigte zum November 2018 einen Gesetzentwurf für mehr polizeiliche Abwehrbefugnisse an, doch lässt auch dieser bis heute auf sich warten. Mit Ausnahme der elektronischen Fußfessel, die bekanntlich nur begrenzten Schutz liefern kann, ist die Landesregierung gesetzgeberisch tatenlos geblieben.

Damit dieser Zustand nicht weiter bestehen bleibt, fordern wir die Präventivhaft zur Abwendung erheblicher terroristischer Gefahren. Eine Änderung des Sicherheits- und Ordnungsgesetzes hierfür heißt, dass vor allem Gefährder solange präventiv festgehalten werden können, bis keine auf Tatsachen begründete erhebliche Gefahr mehr von ihnen ausgeht. Diese Möglichkeit im Gefahrenabwehrrecht ist in anderen Bundesländern bereits Realität. So hat die bayerische Landesregierung dies erst kürzlich in ihr Polizeiaufgabengesetz geschrieben.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Davon redeten wir im Juni.)

Auch gestern arbeiteten wir uns an dem Beispiel Bayerns ab. Dann tun Sie das auch gern heute, meine Damen und Herren!

(Peter Ritter, DIE LINKE: Das haben wir schon im Juni gemacht, Herr Kramer. Waren Sie da nicht da?)

Die Länder Niedersachsen und NRW haben ebenfalls, wenn auch bezüglich der zeitlichen Dauer der Haft abgeschwächt, gehandelt. Mecklenburg-Vorpommern muss jetzt nachziehen. Wir müssen Vorreiter im Osten werden.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Kommen wir nun zu dem Hintergrund unseres Antrages. Unser Innenminister hat in der vergangenen Aussprache zum Thema Terrorismus betont, dass die diesbezügliche Sicherheitslage im Bund vergleichbar mit der Lage hier in Mecklenburg-Vorpommern ist. Aus diesem Grund muss man also feststellen, dass sich der Handlungsbedarf in Bayern nicht grundsätzlich von dem hier bei uns im hohen Norden unterscheidet.

Wie im Verlauf des Jahres zu verfolgen war, hat sich insbesondere die CDU vielfach für die Einführung einer Präventivhaft auf die eine oder andere Weise starkgemacht. So hatten im März die innenpolitischen Sprecher

der Union gefordert, dass in allen Bundesländern insbesondere für Gefährder die Präventivhaft ermöglicht werden soll. In unserem Land ist nichts passiert. Trotz dieser Willensbekundung der Unionsparteien agiert das Innenministerium in seiner Reaktion auf den Antrag unseriös, Herr Minister, absolut unseriös.

Herr Caffier, Sie werfen uns vor, die AfD habe den mutmaßlichen Willen, alle Menschen potenziell als Straftäter in Haft nehmen zu wollen. Das ist eine vollkommen haltlose Unterstellung. Würden Sie diesen Vorwurf auch gegenüber dem bayerischen oder niedersächsischen Innenminister aussprechen? In unserem Antrag beziehen wir uns nämlich explizit auf die bayerische Lösung. Diese stellt gesetzlich klar, dass es um Personen geht, die im spezifischen Terrorverdacht stehen.

Ich darf hierzu aus der bayerischen Gesetzesbegründung zitieren: „Das BVerfG hat … mit Blick auf Terrorgefahren ausdrücklich festgestellt, dass der Gesetzgeber bei Eingriffstatbeständen … nicht … auf das … Modell der Abwehr konkreter, unmittelbar bevorstehender oder gegenwärtiger Gefahren beschränkt ist, sondern dass er die Grenzen ggf. auch weiter ziehen kann … Es müssen … tatsächliche Anhaltspunkte bzw. Tatsachen auf eine im Einzelfall drohende Gefahr … hinweisen und den Schluss auf ein … absehbares Geschehen sowie über die Beteiligung von bestimmen Personen zulassen …“ Zitatende.

Diese Lesart zum BKA-Urteil des Bundesverfassungsgerichtes ist es, auf die unser Antrag heute abzielt. Ihre in der Presse getätigten Unterstellungen gegen unseren Antrag sind vor diesem Hintergrund einfach haltlos. Ich fordere Sie in der heutigen Debatte dazu auf, sich geradezumachen und entsprechend sachlich auf den Antrag einzugehen. Alles andere ist billiger Regierungspopulismus.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Zentral in unserem Antrag ist die Begriffskategorie „drohende Gefahr“. Die Polizei soll hiermit in die Lage versetzt werden, Vorbereitungen für terroristische Straftaten besser zu erfassen. Darüber hinaus könnten zukünftig Maßnahmen ergriffen werden, die den beobachteten Vorlauf eines geplanten Terroranschlages nachhaltig vereiteln, denn der gewaltbereite Extremist ist zur Sicherheit der Bevölkerung aus dem Verkehr gezogen.

Meine Damen und Herren Abgeordnete, es ist schon in der Presse von Ihnen kommuniziert worden, dass Sie unser Ansinnen für die Präventivhaft ablehnen. Ich möchte Sie zum Schluss meines Beitrages aber noch an Folgendes erinnern: Im April 2018 beschrieb die Landesregierung ihre Sichtweise zur Präventivhaft in einer Antwort auf eine Kleine Anfrage mit folgenden Worten doch etwas offener: „Eine … längerfristige Ingewahrsamnahme … erscheint mit Blick auf die Regelungen der Strafprozessordnung und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verfassungsrechtlich nicht unproblematisch.“ Richtig, Sie sprechen den Knackpunkt also selbst an. Wir diskutieren heute hier über ein Verhältnis. Wir reden heute hier über das schwierige Verhältnis von Sicherheit auf der einen Seite und auf der anderen Seite von Freiheit. In unseren Augen muss das kein Gegensatz sein, denn wer die Freiheit unserer Bürger, ja, das Leben unserer Bürger zerstören will, der kann keine milde Reaktion des Staates erwarten, meine Damen und Herren.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Ich muss Sie hier an dieser Stelle an die letztjährige Situation erinnern, als in Güstrow zwei terrorverdächtige Personen nach einem vom Innenministerium pompös verkündeten Schlag gegen islamistischen Terrorismus wieder freigelassen werden mussten. Das war damals ein handfester Skandal, der nicht zu Unrecht eine Sondersitzung im Innenausschuss provozierte. Stellen Sie sich vor, diese Männer wären nach ihrer Freilassung als Gefährder einfach vom Radar verschwunden! Stellen Sie sich vor, die beiden Brüder hätten sich trotz polizeilicher Observation das nächste Messer im Supermarkt gegriffen und wahllos unbescholtene Bürger attackiert!

(Manfred Dachner, SPD: Haben sie aber nicht.)

Der Hamburger Messerislamist aus dem Jahr 2017, der eine Person aus Mecklenburg-Vorpommern tötete und sieben weitere Personen verletzte, ist ein mahnendes Beispiel. Wir alle hätten uns in einem vergleichbaren Fall wie in Güstrow die Präventivhaft gewünscht. – Herzlichen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Im Ältestenrat ist vereinbart worden, eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 90 Minuten vorzusehen. Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen.

Bevor ich die Aussprache eröffne, möchte ich auf der Besuchertribüne Seniorinnen und Senioren der Volkssolidarität aus Rostock-Dierkow begrüßen.

Jetzt eröffne ich die Aussprache. Das Wort hat zunächst der Minister für Inneres und Europa Herr Caffier.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Zunächst, bevor ich zum Beitrag komme, zwei/drei Vorbemerkungen.

Das Beispiel in Güstrow war nun das unpassendste Beispiel, was Sie gebracht haben, Herr Kollege Kramer.

(Manfred Dachner, SPD: Ja, ja, das würde ich auch sagen.)

Erstens war es dank der hervorragenden Leistung der Sicherheitsbehörden von Bund und Ländern überhaupt möglich, die Straftäter zu ermitteln. Nun leben wir mal in einem Rechtsstaat und müssen auch die Entscheidungen, die Gerichte treffen, respektieren. Dank der guten Arbeit der Sicherheitsbehörden ist es auch gelungen, trotz der entsprechenden Richtersprüche die dementsprechende Handlung umzusetzen und durchzuführen.

Zweite Bemerkung: Ja, wir haben angekündigt, dass wir Veränderungen vornehmen. Das tun wir. Die erste Änderung des SOG ist bereits vollzogen. Die zweite Änderung des SOG mit über 300 Seiten ist derzeit im Vollzug. Nun haben wir ein parlamentarisches Verfahren, sprich, dementsprechend mit Anhörung. Es ist nun mal so, dass gerade der Datenschutzbeauftragte beim SOG unglaublich viel mitzureden hat. Deswegen ist es eine sehr intensive Arbeit, an der wir uns durchaus abarbeiten.

Letzte Bemerkung: Ich habe im Innenausschuss gesagt, dass das Bayerische SOG nicht Grundlage wird. Das SOG ist in Mecklenburg-Vorpommern.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Sehr richtig!)

Ich habe es auch begründet. Da das Gesetz vor dem Verfassungsgericht landet, werde ich nicht Passagen übernehmen, die möglicherweise vor dem Verfassungsgericht keinen Bestand haben.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Sehr richtig!)

Also lassen Sie doch hier erst die Rechtsprechung zum Zuge kommen und dann können Sie sagen, wir sollten dieses oder jenes übernehmen, wenn es auch vor Gericht Bestand hat!

Ich kann es aber kurz machen, was den Antrag Ihrer Fraktion betrifft. Sie laufen hier mit dem Vorschlaghammer schwingend durch die Gegend für eines der kompliziertesten Gesetzeslagen, die wir derzeit kennen, wo an und für sich ein wohlüberlegtes Herangehen notwendig ist. Das ist notwendig, unstrittig, aber eher mit dem Skalpell und nicht mit dem Vorschlaghammer.

Über die Präventivhaft kann und soll man durchaus nachdenken. Es wurde seinerzeit auch vor der WM in Russland so durchgeführt, um zu verhindern, dass sich eine internationale Fussballkollegentruppe zusammentut, um russische Spielstätten in Schutt und Asche zu legen. Das Europäische Verfassungsgericht hat hier ein höchstrichterliches Urteil im Zusammenhang von Menschenrechten gesprochen. Ergebnis: Die vorsorgliche Festnahme von mutmaßlichen Hooligans ist zulässig, wenn vorher alles getan worden ist, um diese Freiheitsentziehung zu vermeiden. Das deckt sich auf den ersten Blick sogar ein bisschen mit der Aussage des Staatsrechtlers, den Sie im Begründungstext Ihres Antrages mit aufführen.