Protocol of the Session on October 24, 2018

Meine Damen und Herren, „Demokratie verteidigen – Meinungsvielfalt schützen!“, dieses übergroße Thema wird plötzlich ganz irdisch, wenn wir uns der Demokratie als wehrhafter, als streitbarer Demokratie bewusst bleiben. Bei allen Problemen, die sich daraus im Einzelnen ergeben mögen, so kann etwa eine Beobachtung durch den Verfassungsschutz ein deutliches Signal sein, um zu zeigen, wo die Grenzen der Meinungsvielfalt sind. Hier schließt sich dann auch der Kreis und ich kann mich wieder direkt an die Herren der AfD wenden.

Die AfD kritisiert Überlegungen, sie durch den Verfassungsschutz beobachten zu lassen. Das gehört zur Meinungsvielfalt. Ich meine, und auch das ist Meinungsfreiheit, die AfD ist in ihrem rechten Rand in Wort und Tat rechtsextrem. „Die Krawalle von Chemnitz …“, so der „Spiegel“ vom 10. Dezember, ich zitiere: „… waren für die AfD ein Wendepunkt. Hier begab sich die Partei ungeniert in eine Phalanx mit Hetzern und Neonazis.“ Zitatende.

Meine Damen und Herren, für Landeschef Holm hingegen war die AfD-Veranstaltung in Chemnitz „würdevoll“. Ob gepostete SS-Fotos, biodeutsches Fabulieren, brutale Gewaltfantasien gegenüber Andersdenkenden

(Thomas de Jesus Fernandes, AfD: Das war nicht unsere Veranstaltung, Frau Larisch! Das war nicht unsere Veranstaltung.)

oder eben der praktische Schulterschluss mit Identitären und anderen Rechtsextremen, ob das Meinungsvielfalt ist, wie sie die AfD versteht, weiß ich nicht.

(Zuruf von Thomas de Jesus Fernandes, AfD)

Mit dem Grundgesetz jedenfalls hat das kaum noch etwas zu tun.

Meine Damen und Herren, selbstverständlich dürfen es sich die Innenminister nicht zu leicht machen bei der Frage, ob und inwieweit die AfD oder Teile von ihr ein sogenannter „Prüffall“ sind. Aber Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen sind doch mehr als sichtbar. Sie werden zum Teil von der AfD selbst geliefert, Stichpunkt „Akte Höcke im Ausschussverfahren des AfD-Bundesvorstandes“, aus der „Welt“ am 7. September zitiert: „Das Material“ sei „für Verfassungsschützer eine wahre Fundgrube.“ Ich zitiere: „,Höcke lehnt das etablierte Parteiensystem ab. … Damit wendet er sich unmittelbar gegen die verfassungsmäßige Ordnung.‘ … Höcke habe ,eine extremistische, mit Bezügen zum Nationalsozialismus versehene Grundhaltung‘.... Höcke schwebe“

(Thomas Krüger, SPD: Das ist doch der Spitzenkandidat da.)

„,eine ihm hörige Partei‘ vor, die er ,nach dem Führerprinzip‘ dirigieren wolle.“

Meine Damen und Herren, das ist AfD über AfD. Und geübte AfD-Praxis der Meinungsvielfalt ist ein anschließendes Habe-ich-nicht-so-gesagt, Habe-ich-nicht-so-gemeint oder Bin-ich-wohl-nicht-richtig-verstanden-worden.

Herr Kollege Kramer und werte AfD-Fraktion, Sie können hier und heute einen konkreten Beitrag zum Schutz der Meinungsvielfalt leisten. Distanzieren Sie sich hier und heute zum Beispiel von Herrn Höcke, und zwar unmissverständlich! – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, DIE LINKE und BMV)

Das Wort hat jetzt für die Fraktion der SPD der Abgeordnete Herr Schulte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen!

Meine Herren von der AfD, ich bin ganz ehrlich, ich habe am Anfang lange überlegt, was soll eigentlich diese Aussprache bedeuten,

(Marc Reinhardt, CDU: So ging es uns allen.)

was will uns der Kollege hier sagen, bis es dann langsam, so tröpfchenweise bei mir durchsickerte und mir klar wurde, die AfD hat Angst. Die AfD hat offensichtlich Angst, dass sie tatsächlich auch im Bewusstsein der

Menschen, nicht nur in Mecklenburg-Vorpommern, sondern in der Bundesrepublik insgesamt, den Bogen überspannt, den Bogen dahin gehend überspannt, dass eben nicht mehr ihre bürgerlich-konservative Fassade aufrechterhalten wird, sondern dass das, was den Kern der vielen Landesverbände der AfD inzwischen ausmacht und was teilweise sogar Ihr eigener Bundesvorstand moniert, nämlich das rechtsextreme Tendenzen oder eine übergroße Nähe zu Rechtsextremen vorhanden ist, jetzt ebenso in das Bewusstsein der breiten Öffentlichkeit tritt.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, wir haben keine Angst. Wir haben weder Angst vor Ihnen,

(Dr. Gunter Jess, AfD: Vor uns muss man auch keine Angst haben, Herr Schulte.)

noch haben wir Angst, die demokratische Auseinandersetzung mit Ihnen zu führen,

(Zuruf von Dr. Gunter Jess, AfD)

weil wir wissen, dass wir am Ende des Tages die besseren Argumente haben. Wenn Sie an dieser Stelle nicht für uns, sondern für die Öffentlichkeit, von der Sie immer noch glauben, dass sie auf Ihre Fehlinformationen hereinfällt, dann zum Beispiel auch an dieser Stelle wieder behaupten, die anderen, die demokratischen Parteien in diesem Landtag, die Regierung in diesem Land wären auf dem linken Auge blind, dann ist das schlichtweg die Unwahrheit. In dem neuen Programm für Toleranz und Demokratie wird ausdrücklich durch die Landesregierung deutlich gemacht, dass in beide Richtungen, in Richtung Linksextremismus genauso wie in Richtung Rechtsextremismus, Vorsicht walten muss und die entsprechenden Informationen und Aufklärungsmaßnahmen ergriffen werden müssen.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU – Peter Ritter, DIE LINKE: Schon das alte Programm sprach sich gegen alle Formen von Extremismus aus.)

Aber, meine Herren von der AfD, Ihnen geht es gar nicht darum, was wir hier sagen.

(Peter Ritter, DIE LINKE: So ist es.)

Es geht Ihnen darum, dass Sie ein Bild in der Öffentlichkeit auf Krampf aufrechterhalten wollen, an dem Sie selbst immer mehr und mehr kratzen.

(Zuruf von Dr. Gunter Jess, AfD)

Sie haben den Eindruck, wohl mehr oder weniger zu Recht, in den letzten Jahren gewonnen, dass Sie tatsächlich bis in Teile der Gesellschaft mehrheitsfähig sind mit einem bürgerlich-konservativen Außenbild, das Sie sich geben. Aber tatsächlich sind Sie nicht bürgerlichkonservativ. Es gibt einige Mitglieder, das will ich Ihnen gar nicht absprechen, es gibt einige Mitglieder unter Ihnen, die tatsächlich bürgerlich-konservativ sind. Aber diese Mitglieder,

(Zuruf von Dr. Gunter Jess, AfD)

diese Mitglieder – und da verweise ich auch nur auf den Herrn Höcke, der hier eben schon mal angesprochen

worden ist, der dann gesagt hat, da sind wir mal großzügig, die soll es bei uns auch geben –, diese Mitglieder sind doch längst bei Ihnen nur noch Alibi. Sie sind das Feigenblatt für das, was Sie eigentlich sind,

(Zuruf von Horst Förster, AfD)

jemand der stark am rechtsextremistischen Rand kratzt, um dort entsprechend dann auch die Stimmen zu finden.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD)

Wo Sie tatsächlich hinwollen, ist doch in der letzten Zeit deutlich gemacht worden. Letztendlich haben Sie es auch hier in Ihrem Redebeitrag selbst deutlich gemacht. Sie wollen gar keine Meinungsvielfalt.

(Horst Förster, AfD: Ach so?!)

Sie wollen auch keine Demokratie schützen. Das, was Sie eigentlich wollen, ist, Ihre Meinung indoktrinieren in die Köpfe, vor allem von Jugendlichen und Kindern.

(Dr. Gunter Jess, AfD: Oh!)

Wenn man das erlebt hat,

(Zuruf von Dirk Lerche, AfD)

wenn man das erlebt hat, was Ihre Parteifreunde gerade jetzt in Hamburg mit ihrer Denunziations-App, weil anders kann man das nicht nennen, aufgezogen haben, dann sage ich Ihnen mal,

(Thomas Krüger, SPD: Genau so! – Zuruf von Dr. Gunter Jess, AfD)

dann sage ich Ihnen mal, wo das seine Ursprünge hat. Das ist ein Verhalten, auf dem das System der NSHerrschaft, nämlich auf Denunziation, aufgebaut war.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD – Zuruf von Thomas de Jesus Fernandes, AfD)

Das war das Herrschaftsinstrument der NSDAP zwischen 1933 und 1945. Dort insbesondere ist es so gewesen, dass Lehrer Angst haben mussten, vor Schülern irgendetwas, was auch nur möglicherweise NSDAP-abträglich war, zu äußern, weil ansonsten eventuell gleich ihre Lehrerkollegen oder aber die Eltern, denen die Schüler das unbedarft zu Hause erzählten, zur Polizei oder zur Partei gingen.

Herr Schulte, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Herrn Dr. Jess?

Das ist das, was die AfD zumindest in Hamburg schon gemacht hat, und dass ist das, worüber die AfD in diesem Land, wenn ich die Pressemitteilungen richtig verfolgt habe, zumindest nachgedacht hat, und das ist, wenn man das mal auf den Kernpunkt bringen will, rechtsextremistisch.

Die AfD hat ja auch gar kein Problem damit, das tatsächlich in ihren eigenen Reihen wahrzunehmen. Die AfD bekennt sich ja dazu, dass es Rechtsextremisten in ihrer Partei gibt. Weil wie anders, sehr geehrte Kolleginnen