Protocol of the Session on October 24, 2018

Meine Damen und Herren, es war natürlich klar, dass die AfD keinen eigenen, völlig eigenständigen Gesetzentwurf erarbeiten würde. Nachdem meine Fraktion im Sommer mit einer Kleinen Anfrage den Grundstein zu diesem Thema legte, in der letzten Landtagssitzung eine Aussprache nachschob und auch die BMV einen Antrag zu dem Thema machte, glänzte die Fraktion der AfD auch in den Ausschüssen bisher bei diesem Thema durch konsequentes Desinteresse. Nun, da sie das Thema beinah verschlafen hat, wird ein Gesetzentwurf vorgelegt, der zumindest in großen Teilen bei der Landesverfassung von Brandenburg abgekupfert ist. Das können Sie natürlich machen, aber ich hätte mir bei dem Thema schon etwas mehr Hingabe gewünscht. Dafür ist es einfach zu wichtig.

So sieht Ihr Gesetzentwurf genauso wie in Brandenburg acht Abgeordnete des Landtages als Mitglieder des Richterwahlausschusses vor. Vier sollen dazukommen, wenn es um Anstellung, Beförderung oder Versetzung in der Arbeits- oder der Sozialgerichtsbarkeit geht.

(Zuruf von Manfred Dachner, SPD)

Das kann man machen, passt aber nicht zu den Strukturen unseres Landtages.

Natürlich würde die Umsetzung Ihres Gesetzentwurfes auch in der Geschäftsordnung des Landtages geregelt werden. Unsere Ausschüsse setzen sich aus elf Abgeordneten zusammen und es spräche ja einiges dafür, die Abgeordneten des Rechtsausschusses, ergänzt um Vertreter aus Richtern und Staatsanwaltschaft, zum Richterwahlausschuss zu machen. Schließlich sind auch sie es, die bei der Wahl der Richter zum Landesverfassungsgericht beteiligt sind. Und es wäre sichergestellt, dass aus allen Fraktionen Abgeordnete beteiligt sind, etwas, was Sie aus der Landesverfassung von Brandenburg nicht übernommen haben. Bei einem relativ kleinen Landtag wie unserem macht das durchaus Sinn aus unserer Sicht. Natürlich kann sich das auch in der nächsten Wahlperiode ändern. Aber mit elf sind wir bisher ganz gut gefahren.

Die Zusammensetzung eines solchen Ausschusses gehört wirklich zu einem ganz wichtigen Punkt, wenn man ihn einführen will. Selbstverständlich müssen ihm Mitglieder des Landtages angehören, damit die Kontrolle durch die gewählte Volksvertretung möglich ist. Allerdings muss das Verhältnis von Abgeordneten und Richtern und Staatsanwälten so ausgerichtet sein, dass keine Seite einseitige Interessen durchsetzen kann. Dieser Punkt ist es, der genau ausgearbeitet werden muss. Darüber hinaus gibt es auch noch weitere Fragen, die man diskutieren müsste.

Insofern stimmen wir einer Überweisung in die Ausschüsse zu. Sollte der Gesetzentwurf jedoch nicht überwiesen werden, werden wir uns zu ihm enthalten, da einerseits das Thema zwar sehr wichtig ist, der Gesetzentwurf aber aus unserer Sicht die benannten Kritikpunkte hat. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Ich begrüße auf der Besuchertribüne eine neue kleine, aber feine Besuchergruppe. Das sind Studenten der Hochschule Stralsund. Herzlich willkommen!

Und ich rufe auf für die Fraktion der SPD den Abgeordneten Herrn Friedriszik.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Damen und Herren Abgeordnete! Verehrte Gäste!

Ein trickreicher Antrag, meine Herren von der AfD! Unter dem Deckmantel, politische Einflussnahme auf Einstellung, Ernennung und Beförderung von Richterinnen und Richtern durch die bisher allein zuständige Exekutive zu verhindern, sollen die Voraussetzungen einer umfassenden parteipolitischen Einflussnahme durch die im Landtag vertretenen Parteien eröffnet werden. Das zusammen mit Ihren Fantasien einer Machtübernahme, den Drohun

gen vieler Rechtsextremer, was dann alles wird und anders wird, abgeschafft wird und mit wem alles abgerechnet wird, lässt klar erkennen, worauf Sie hinauswollen.

(Heiterkeit vonseiten der Fraktion der AfD)

Das würde dann letztendlich tatsächlich die Verhältnisse wie in Ungarn oder auch Polen ermöglichen. Aber, meine Herren von der AfD, das haben wir selbstverständlich erkannt, das haben wir selbstverständlich gemerkt. Es war einfach zu plump. Der Antrag wird selbstverständlich abgelehnt. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD – Dr. Gunter Jess, AfD: Primitiver geht es wirklich nicht.)

Das Wort hat jetzt für die Fraktion der BMV der Abgeordnete Herr Dr. Manthei.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir werden den Antrag ablehnen, weil wir den Einfluss der Politik auf die Justiz verringern und nicht erhöhen wollen.

(Beifall Bernhard Wildt, BMV)

Die Antragsteller wollen, dass Richter künftig aufgrund einer Entscheidung eines Richterwahlausschusses ernannt beziehungsweise befördert werden. Dieser Ausschuss soll im Wesentlichen aus Politikern des Landtages bestehen. Diese sollen in einer nicht öffentlichen Sitzung in geheimer Abstimmung entscheiden. Ziel der Antragsteller ist angeblich eine demokratische Legitimation, Transparenz und das Verhindern von persönlichen Motiven bei den Entscheidungen.

Der Antrag verfehlt jedoch sämtliche Ziele. Grundlage unseres Rechtsstaates ist die Gewaltenteilung in Legislative, Exekutive und Judikative. Derzeit ernennt und befördert die Exekutive die Richter, also das Justizministerium beziehungsweise die Ministerpräsidentin. Bestehen hieran Bedenken, ist nicht ersichtlich, weshalb eine Übertragung auf die Legislative, also auf den Landtag, diese Bedenken beseitigen sollten. Im Gegenteil, Versuche politischer Einflussnahme können gerade nicht dadurch verhindert werden, dass die Entscheidungen in die Hände der Politik gegeben werden. Das Gegenteil ist zu befürchten, nämlich, dass die Politik mithilfe dieses neuen Gremiums maßgeblichen Einfluss auf Einstellung und Beförderung von Richtern nehmen wird. Es ist zu befürchten, dass Personalentscheidungen parteipolitisch getroffen werden. Denkbar wären etwa in richterlichen Beförderungsverfahren Deals, um die Kandidaten der Mehrheitsparteien durchzubringen.

Die Besetzung der Stelle des Präsidenten des Landgerichts Hamburg in diesem Jahr im Sommer hat genau dies bestätigt. Es hat gezeigt, welchen entscheidenden Einfluss parteipolitisches Kalkül bei der Wahl eines Richters in gehobene Positionen haben kann. Das Verwaltungsgericht Hamburg hat in dieser Sache in seinem Beschluss deutlich gemacht, dass grundsätzlich das Prinzip der Bestenauslese gilt, nach dem Grundgesetz, aber ein Wahlausschuss eben nicht zwingend an die Vorgaben dieser Bestenauslese, die dienstlichen Beurteilungen, gebunden ist. Mit anderen Worten, um das mal deutlich zu sagen, durch politische Entscheidungen kann

ein fachlich ungeeigneterer Kandidat den Vorrang vor dem geeigneten Kandidaten haben.

Gänzlich nicht nachvollziehbar ist die Behauptung, der Entwurf trage zur Transparenz von Entscheidungen und zur Verhinderung von unsachlichen Entscheidungsmotiven bei.

(Dr. Gunter Jess, AfD: Aber das ist doch jetzt genauso.)

Der Ausschuss tagt nicht oder soll nach dem Gesetzentwurf nicht öffentlich tagen und die Entscheidungen sollen geheim getroffen werden. Wo, bitte schön, ist da die Transparenz?

Die Entscheidung des Ausschusses ist zudem, und das ist ein ganz entscheidender Punkt, nicht anfechtbar. Das heißt, der Ausschuss begründet auch seine Entscheidungen nicht. Das Bundesverfassungsgericht weist darauf hin, dass die Wahl allein ein verfahrensrechtliches Internum bleibt und keiner gerichtlichen Überprüfung unterliegt. Das Auswahlergebnis des Ausschusses bedarf keiner nach außen sichtbaren Begründung. Allein die Entscheidung des zuständigen Ministeriums ist im gerichtlichen Verfahren überprüfbar, eine Überprüfbarkeit, die also nach dem heutigen Verfahren gegeben ist. Das bedeutet, entweder wir schaffen, wie der Gesetzentwurf es will, nicht überprüfbare Entscheidungen, oder wir belassen es bei gerichtlich überprüfbaren. Wir plädieren für Letzteres. – Vielen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und BMV)

Das Wort hat jetzt für die Fraktion der CDU der Abgeordnete Herr Kliewe.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Werte Gäste! Die Fraktion der AfD fordert die Einführung eines Richterwahlausschusses mit der Begründung, wegen der demokratischen Legitimation und der Transparenz sei es angemessen, in die Besetzung der Richterstellen einen breiten Kreis an fachlich kompetenten und demokratisch legitimierten Personen einzubeziehen.

Dabei geht der Gesetzentwurf der AfD-Fraktion über die Regelungen in allen Bundesländern, die überhaupt einen Richterwahlausschuss haben, deutlich hinaus.

In Bayern gibt es die Richterwahlkommission des

Bayrischen Landtages, die nur die Mitglieder des Bayrischen Verfassungsgerichtshofes wählt.

In Rheinland-Pfalz entscheidet über die Auswahl der

Bewerberinnen und Bewerber für die Anstellung und Beförderung einer Richterin oder eines Richters auf Lebenszeit der zuständige Minister gemeinsam mit dem Richterwahlausschuss. Das Ernennungsrecht des Ministerpräsidenten bleibt davon unberührt.

In Baden-Württemberg wird der Richterwahlaus

schuss nur im Konfliktfall tätig, wenn die vom Ministerium vorgeschlagene Ernennung oder Beförderung vom Präsidialrat abgelehnt wurde oder über einen Gegenvorschlag des Präsidialrates kein Einvernehmen erzielt werden konnte. Erst dann tritt der Richterwahlausschuss zusammen.

In Thüringen entscheidet über die vorläufige Anstel

lung der Richter der Justizminister allein und nur über deren Berufung auf Lebenszeit mit Zustimmung des Richterwahlausschusses.

In Schleswig-Holstein bestimmt nur über die Anstel

lung eines Richters die zuständige Landesministerin gemeinsam mit einem Richterwahlausschuss.

Das heißt, in den neun Bundesländern, in denen es überhaupt Richterwahlausschüsse gibt, bestehen keine einheitlichen Regelungen und es gibt auch gute Gründe dafür, generell auf einen Richterwahlausschuss zu verzichten.

Nach der Landesverfassung Mecklenburg-Vorpommern kann das Gesetz vorsehen, dass die Ernennung zum Richter auf Lebenszeit von dem Votum eines Richterwahlausschusses abhängig gemacht wird. Die Mitglieder des Richterwahlausschusses werden vom Landtag mit der Mehrheit von zwei Dritteln der anwesenden Mitglieder gewählt. Der Richterwahlausschuss muss zu zwei Dritteln aus Abgeordneten bestehen und entscheidet mit Zweidrittelmehrheit. Sowohl das Grundgesetz als auch die Landesverfassung geben nur die Möglichkeit der Einrichtung eines Richterwahlausschusses, verlangen aber keinen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren von der AfD, Sie stellen sich Ihren Gesetzentwurf so vor, dass nicht nur bei der Ernennung zum Richter auf Lebenszeit, sondern bei der Einstellung, bei der erstmaligen Berufung in ein Richterverhältnis auf Lebenszeit, bei der Ernennung in ein Richteramt mit höherem Endgrundgehalt und sogar bei der Versetzung eines Richters die Justizministerin nur gemeinsam mit dem Richterwahlausschuss entscheiden darf. Diese Befugnis eines Richterwahlausschusses würde deutlich über die in anderen Bundeländern bestehenden Regelungen hinausgehen.

In einem Richterwahlausschuss können Landtagsabgeordnete, Richter und Anwälte sitzen und stimmen gemeinsam ab. Man könnte denken, dies sei ein demokratischerer Weg, als wenn die Justizministerin die Entscheidungen alleine trifft. Das ist es aber nicht. Bei der Wahl von Richtern haben parteipolitische Gesichtspunkte völlig außen vor zu bleiben. Das schließt schon die Verfassung aus. Die Ernennung eines Richters wäre rechtswidrig, wenn diese nicht nur aufgrund der fachlichen Qualifikation nach dem Prinzip der Bestenauslese, sondern aufgrund parteipolitischer Aspekte getroffen werde würde.

Sie sagen, es gebe keinen Anlass, an der fachlichen Kompetenz der Justizministerin zur Auswahl geeigneter Richter zu zweifeln. Es könnte aber auch sein, dass der Versuch der politischen Einflussnahme auf ein Besetzungsverfahren etwa nicht von der Ministerin ausgeht, sondern von den Mitgliedern des Richterwahlausschusses.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Oder von der Ministerpräsidentin.)

So hat im letzten Jahr in Thüringen die AfD angekündigt, sich aus dem Richterwahlausschuss zurückzuziehen und damit die Ernennung neuer Richter zu blockieren. Hintergrund hierfür war die Streitigkeit im Landtag um den Vorsitz im Justizausschuss. Weil der Parlamentarische

Geschäftsführer der AfD bei der Wahl im Justizausschuss die erforderlichen Stimmen für den Vorsitz nicht erhielt, zog die AfD ihre Abgeordnete aus dem Richterwahlausschuss ab, um den Ausschuss damit handlungsunfähig zu machen.

(Peter Ritter, DIE LINKE: War also bockig.)

Das kann man durchaus als persönliches und politisches Motiv bei der Auswahl beteiligter Personen bezeichnen.