Protocol of the Session on March 15, 2018

Meine sehr verehrten Damen und Herren, genau diesen Lösungsansatz verfolgt der vorliegende Antrag. Dass in den Medien zu dieser Forderung kein Widerspruch aus den Reihen der Koalition zu entnehmen war, lässt mich hoffen. Weiter lässt mich hoffen, dass unsere Ministerpräsidentin in ihrer Zeit als Bundesministerin gemeinsam mit ihrer damaligen Parlamentarischen Staatssekretärin zu den entscheidenden und entschiedenen Kämpferinnen für Parität von Frauen in den Parlamenten gezählt wurde.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ob politische oder juristische Diskussionen über Parität in den Parlamenten, jüngst erst im Berliner Abgeordnetenhaus, ob Aktionsbündnisse oder Forderungen der Konferenz des Landesfrauenrates nach Quotenregelung in Wahlgesetzen des Bundes und der Länder, die Bemühungen sind unübersehbar, über Änderungen von Wahlregularien den Frauenanteil in allen politischen Gremien zu erhöhen.

Insbesondere drei Gründe sprechen für den vorliegenden Antrag:

Erstens hat die Ergänzung des Artikels 3 Absatz 2 Grundgesetz im Ergebnis der Arbeit der Verfassungs

kommission 1991 bis 1993 zwar zahlreiche Aktivitäten für gleichstellungsfreundliche Wahlrechtsänderungen ausgelöst, praktische Ergebnisse sind aber kaum zu verzeichnen.

Zweitens zeigt nicht allein der 3. Atlas zur Gleichstellung von Frauen und Männern in Deutschland bezüglich des Frauenanteils in den Landesparlamenten und kommunalen Vertretungen auch und gerade für MecklenburgVorpommern den zum Teil erheblichen Handlungsbedarf.

Drittens schließlich, meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn sich eine in diesem Landtag vertretene Partei explizit gegen eine Frauenquote ausspricht,

(Thomas Krüger, SPD: Jaja.)

weil Männer mehr für die Politik gemacht seien, laut Lesart des Fraktionsvorsitzenden der AfD-Fraktion, dann ist dies bereits vor unserem historischen Hintergrund mehr als verwerflich, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Jacqueline Bernhardt, DIE LINKE: Das ist schrecklich!)

Frauen das passive Wahlrecht faktisch abzuerkennen, war 1933 eine der ersten Folgen nationalsozialistischer Politik, Herr Professor Weber, das kann ich Ihnen nicht ersparen.

(Dr. Ralph Weber, AfD: Was hat das mit mir zu tun?)

Gegen einen derartigen Politikansatz helfen keine Appelle, hier besteht gesetzgeberischer Handlungsbedarf, und zwar dringender.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Frage, ob der Bundes- und Landesgesetzgeber nach Artikel 3 Absatz 2 Satz 2 Grundgesetz unter Gesichtspunkten der Gleichberechtigung auf wahlrechtlichem Gebiet zu paritätischen Verpflichtungen legitimiert ist, war und ist juristisch umstritten. So hat sich der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages bereits in vier Stellungnahmen dieser Frage angenommen und eine der letzten Beantwortungen höflich an die politische Verantwortung des Bundestages zurückverwiesen. Eine mögliche Grundgesetzänderung wäre wohl der sicherste Weg, meint auch der Parlamentarische Wissenschaftliche Dienst des Bundestages. Diese Möglichkeit eröffnet der vorliegende Antrag.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, für das Landes- und Kommunalwahlrecht liegt die Gesetzgebungskompetenz bei den Ländern, also bei uns. Daher wird die Landesregierung beauftragt, für einen Gesetzentwurf Aspekte des wahlrechtlichen Handlungsspielraumes der einfachen Gesetzgebung zu prüfen und aufzugreifen. Hierzu zählen darüber hinaus Fragen nach möglichen Öffnungs- oder Ausnahmeklauseln paritätischer Vorgaben oder Aspekte der Sanktionsmöglichkeiten, wie sie auch in Frankreich gelten. Hier sollte die Landesregierung gegebenenfalls alternative Formulierungsvorschläge erarbeiten und dem Landtag zur Entscheidung vorlegen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, da es sich hierbei auch, aber nicht allein um eine juristische, sondern vor allem eine Frage des politischen Willens handelt, bitte ich um Zustimmung zu unserem Antrag, damit von diesem Landtag aus ein deutliches Signal in Rich

tung eines paritätischen Wahlrechts ausgesandt werden kann. – Herzlichen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Danke, Herr Abgeordneter.

Im Ältestenrat ist vereinbart worden, eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 120 Minuten vorzusehen. Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen.

Ehe ich dem Minister für Energie, Infrastruktur und Digitalisierung das Wort in Vertretung der Ministerin für Soziales, Integration und Gleichstellung erteile, möchte ich die Seniorinnen und Senioren aus Rostock herzlich begrüßen, die auf der Besuchertribüne Platz genommen haben.

Aber nun, Herr Minister, Sie haben das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zunächst noch einmal der deutliche Hinweis, dass ich gern in Vertretung für die Kollegin spreche, von der ich herzlich grüßen darf.

Ihr Antrag befasst sich mit einem in Deutschland vielfach thematisierten Gegenstand. Gerade in der vergangenen Woche war dieser Punkt Thema im Landtag bei der Veranstaltung des Sozialministeriums zum 100. Jubiläum des Frauenwahlrechts. Das Festprogramm demonstrierte sehr anschaulich, welch hohes Gut, welch urdemokratisches Ziel mit dem Wahlrecht für Frauen hart erkämpft worden ist. Dieses allgemeine und gleiche Wahlrecht und der Zugang zur Bildung sind die wesentlichen Voraussetzungen für die Verwirklichung der Gleichstellung von Frauen und Männern.

Ohne Zweifel muss zur Verwirklichung einer tatsächlichen Gleichberechtigung noch deutlich mehr getan werden. Die Änderung der Wahlgesetze auf kommunaler, auf Landes- und auf Bundesebene wäre ein wichtiger Schritt und ist seit mehreren Jahren in der Diskussion. Dass dies so lange währt, hat einen guten Grund. Eine Verpflichtung der Wahlvorschlagsträger, also vor allem der Parteien und Wählergruppen, eine Verpflichtung der Wahlvorschlagsträger zur Berücksichtigung geschlechterparitätischer Gesichtspunkte wäre vor ihrer Einführung einer gründlichen verfassungsrechtlichen Prüfung zu unterwerfen,

(Beifall Dr. Ralph Weber, AfD)

ist nicht nur eine originär politische, sondern ebenso eine juristische und vor allem verfassungsrechtliche Frage,

(Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)

denn sie bedarf als Durchbrechung der Freiheit der Wahl wie auch des Grundsatzes der Parteienfreiheit einer starken verfassungsrechtlichen Rechtfertigung. Und hier, meine sehr geehrten Damen und Herren, scheiden sich die Geister. So haben Juristinnen und Juristen festgestellt, dass es aus ihrer Sicht verfassungsrechtlich möglich sei, aber – wie bei einer größeren Zahl von Juristinnen und Juristen nicht ausgeschlossen – andere wiederum halten juristisch dagegen.

(Zurufe von Martina Tegtmeier, SPD, und Peter Ritter, DIE LINKE)

Diese Diskussion muss weiter vorangetrieben werden und sie wird vorangetrieben werden von unserer Gleichstellungsministerin, der Ministerin und Abgeordnetenkollegin Frau Drese. Mit ihren Kolleginnen und Kollegen der anderen Bundesländer steht die Ministerin zu diesem Thema in engem Austausch. So ist die geschlechterparitätische Besetzung Thema der diesjährigen Frauen- und Gleichstellungsministerkonferenz im Mai. Brandenburg und Berlin haben dazu Gutachten beauftragt, gehen also auch nicht sofort in den Gesetzesvollzug, sondern wollen sich an diesen Stellen vor allen Dingen juristisch und verfassungsrechtlich erst absichern.

(Peter Ritter, DIE LINKE: So, wie wir vorgeschlagen haben.)

Sie sehen, hier werden dicke Bretter gebohrt und es ist mit Gutachten begonnen, sodass man dann auf die Gutachten hier rekurrieren kann.

Es handelt sich allerdings nicht nur um juristische, sondern ebenfalls um eine politische Aufgabe. Wenn Sie beides gemeinsam anschauen, halten wir es für außerordentlich unrealistisch, dass bis zum Oktober ein Gesetzentwurf vorgelegt wird. Allein die Gutachten werden deutlich über diesen Zeitpunkt hinaus brauchen, denn es müssen zunächst die Bedingungen geklärt werden, um eine solche Aufgabe erfüllen zu können. Aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, auch und möglicherweise zunächst und vor allem haben die Parteien dazu Hausaufgaben zu machen. Es steht ihnen jeweils frei, in der eigenen Parteienhoheit im Rahmen der Zusammenstellung der Landeslisten eine paritätische Verteilung der Listenplätze vorzunehmen, zu gut Deutsch, zu quotieren.

(Dr. Ralph Weber, AfD: Oder nicht.)

Dann werden Sie allen in diesem Hohen Hause vertretenen politischen Kräften die Frage stellen müssen: Wie sieht es mit unseren eigenen Bemühungen aus, Frauen zu werben, ihnen entsprechende Startchancen zu geben? Wie wird die Gleichstellung der Geschlechter in den eigenen Parteireihen gelebt und umgesetzt?

Dazu gibt uns im Übrigen eine Studie des Frauenbildungsnetzes Mecklenburg-Vorpommern aus dem Jahr 2016 Aufschluss, die das Sozialministerium finanziert hat. In dieser Studie mit dem Titel „Zum Stand der Gewinnung von Frauen für politische Mandate in Mecklenburg-Vorpommern“ wird gezeigt, dass wir nicht nur mit der Beseitigung struktureller Benachteiligung an dieses Thema herangehen müssen, sondern es auch um Kulturfragen, um Kulturänderungen gehen muss. Frauen wollen keine langen Debattensitzungen, sondern Lösungen für Alltagsthemen. Die Parteien- und Debattenkultur muss sich ändern, weil sie an dieser Stelle deutlich abschreckend wirkt. Ändern müssen sich auch Sitzungszeiten und die Kommunikationsformen. Die Sitzungsformate müssen sich den Bedürfnissen von Frauen und Männern mit Betreuungsaufgaben anpassen.

(Beifall Karen Larisch, DIE LINKE)

Dazu können wir immer besser die digitalen Medien nutzbar machen. Ich möchte dabei Bezug nehmen auf einige der anonymisierten Aussagen aus einer Befragung

im Rahmen dieser eben angesprochenen Studie und diese mit Erlaubnis der Präsidentin zitieren, Zitatanfang, „die alten Männer gehen nicht von ihren Stühlen“. Zitatende.

(Torsten Koplin, DIE LINKE: Hört, hört!)

Das Thema „Platzhirsche“ wurde in Befragungsrunden mehrfach genannt und meint häufig den Konkurrenzkampf in Form von informellen Männerbünden, erneut ein Zitatanfang: „Das haben wir doch schon immer so gemacht“. Zitatende. Diese Aussage zeigt, tradierte Verhaltens- und Denkweisen halten sich hartnäckig. Eine „frauenlastige“ – wohlgemerkt in Anführungszeichen – Verjüngung ist deshalb notwendig.

Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete, Expertinnen und Experten der Ehrenamtsstiftung, der Landeszentrale für politische Bildung, die kommunalen Gleichstellungsbeauftragten sowie Politikerinnen und Politiker haben die Ergebnisse dieser Studie diskutiert und dabei folgendes Fazit gezogen: Ausschlaggebend wird es sein, wie wir junge Menschen für gesellschaftliches Engagement künftig stärker als bisher interessieren können, ganz ausdrücklich junge Menschen insgesamt, losgelöst vom Geschlecht. Um das Fazit dieser Gesprächsrunde aufzugreifen, dabei gibt es keine kurzfristig wirkenden Maßnahmen.

Gerade kommunale Mandate müssen deutlich attraktiver werden, weil sie regelmäßig der Aufbau- und Ausbauschritt sind für andere, weitergehende Mandate im Nachhinein. So, wie Kommunalpolitik oftmals strukturiert ist, wollen viele Frauen bisher keine Mandate übernehmen, nicht, weil Sie unpolitisch sind, wie durchaus von Vertretern dieses Hohen Hauses schon geunkt wurde, sondern weil die Ausübung vielfach zeitraubend ist und nicht selten leider als sehr ineffizient wahrgenommen wird. Diese Gründe gelten übrigens auch für Männer, gerade für solche, die Familie haben und das Ganze unter einen Hut bringen wollen. Bereits früh muss deshalb begonnen werden, Schülerinnen und Schüler für ein gesellschaftliches Engagement zu interessieren. Hier sind Eltern, Schulen, Vereine und Parteien gefragt.

Das Land hat hier bereits angesetzt. Das Frauenbildungsnetz Mecklenburg-Vorpommern hat eine Unterrichtskonzeption zur Einführung in die Kommunalpolitik erarbeitet. Diese zeigt auf, wie eng politisches Engagement und Alltag miteinander verknüpft sein können und wie sich Frauen und Männer engagieren können, wenn das geschieht. Wichtig sind an dieser Stelle unsere Mentoring-Programme für Wirtschaft, für Kunst und Wissenschaft, die es in den meisten Parteien gibt, oder das durch den Bund geförderte Helene-Weber-Programm. Auch die Wählerinnen und Wähler haben es in der Hand, mehr Frauen in politische Ämter zu wählen. Zumindest im Kommunalwahlrecht ist es jeder Wählerin und jedem Wähler möglich, durch gezielten Einsatz der drei Stimmen genau die Personen auf die Listen zu befördern, die sie für eine kommunale Vertretung für am besten geeignet halten. Die Besetzung politischer Ämter bleibt aber primär Aufgabe der Parteien.

Gesetzliche Vorschriften im Hinblick auf die tatsächliche Umsetzung und Sanktionierung sind rechtlich schwierig. Eine Änderung der entsprechenden Gesetze bis Oktober 2018 ist nach allen Einschätzungen zeitlich unrealistisch. Dem Antrag, meine sehr geehrten Damen und

Herren, kann daher nicht gefolgt werden. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit und viel Erfolg bei der Debatte.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD und Christiane Berg, CDU – Zuruf von Dr. Ralph Weber, AfD)

Danke, Herr Minister.

Für die Fraktion der AfD hat jetzt das Wort der Abgeordnete Förster.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Abgeordnete! Liebe Gäste! Ich verlasse den politisch korrekten Sektor und denke.