Der zweite Punkt, auf den ich eingehen möchte, beschäftigt sich mit dem Landesblindengeld. Es ist richtig dargelegt worden, dass das Landesblindengeld jetzt anteilig mit dem Pflegegeld durch die Umstellung von Pflegegrad und Pflegestufen verrechnet wird. Was nicht klar zum Ausdruck gekommen ist, ist, dass das Landesblindengeld in einigen Fällen – die uns vorliegende Drucksache nennt mindestens drei relevante Fallgruppen, in denen das der Fall ist – durch diese Umwandlung oder Umsetzung gemindert wird.
Dass das im Ergebnis zusammen mit dem neuen Pflegegeld dann keine Reduzierung bedeutet, kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Blindengeldanteil reduziert wird. Blindengeld ist aber was anderes als Pflegekosten. Durch Blindengeld sollen die zusätzlichen Mehrbelastungen einer speziellen Behinderung ausgeglichen werden. Deswegen halte ich es für sehr wichtig, dass wir im Ausschuss darauf hinwirken, dass es keine Fälle gibt, in denen durch diese eigentlich als Anpassungsregelung gedachte technische Umsetzung das Landesblindengeld herabgesetzt wird.
Auf die beiden Punkte wollte ich hinweisen. Ansonsten haben wir sicherlich erheblichen Klärungsbedarf im Ausschuss und ich freue mich darauf, über dieses Gesetz dann im Ausschuss näher reden zu können. – Danke schön.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir widmen uns heute einem Thema, das sich spätestens seit dem Jahr 2006, also seit mehr als einem Jahrzehnt, auf der politischen Agenda der internationalen Politik und im Völkerrecht befindet und über das wir bereits während der letzten Landtagssitzung im September im Zuge des 10. Tätigkeitsberichtes des Landesintegrationsförderrates debattiert haben. Am 13. Dezember 2006 wurde in der Generalversammlung der Vereinten Nationen das Übereinkommen über die Rechte der Menschen mit Behinderungen verabschiedet. In der Umsetzung dieser sind wir in Deutschland auf einem guten, wenngleich natürlich noch nicht abgeschlossenen Weg.
Es geht nun viel stärker darum, von vornherein allen Menschen mit Beeinträchtigungen uneingeschränkt die Teilnahme am politischen, sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Leben zu ermöglichen. Und das ist gut so. Deutschland zählte zu den ersten Staaten weltweit, welche das Übereinkommen ratifiziert haben, womit die
UN-Behindertenrechtskonvention am 26. März 2009 in Deutschland in Kraft treten konnte. Diese völkerrechtliche Normierung hat in der Folge Auswirkungen auf die gesetzgeberischen Tätigkeiten des Bundes. Ein prominentes Beispiel hierfür ist das Bundesteilhabegesetz und dessen Auswirkungen auf das Land MecklenburgVorpommern, weshalb wir heute in Erster Lesung den Gesetzentwurf zum Landesausführungsgesetz nach dem Zwölften Gesetzbuch und anderer Gesetze diskutieren.
Ende Dezember 2016 wurden mit dem Gesetz zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen, dem Bundesteilhabegesetz, zugleich Regelungen im Zwölften Sozialgesetzbuch geändert. Damit einhergeht eine Weiterentwicklung der Sozialhilfeleistungen für Menschen in und mit besonderen Lebenslagen, welche ich als sozialpolitische Sprecherin meiner Fraktion grundsätzlich sehr begrüße. Geändert wird mit dem vorliegenden Gesetzentwurf beispielsweise das Landesausführungsgesetz des Zwölften Sozialgesetzbuches. Eine Neuregelung erfahren hier etwa das landesrechtliche Verfahren und die Weiterleitung der vom Bund den Ländern für jeden Leistungsberechtigten für die Jahre 2017 bis 2019 zu erstattenden Teilbeträge an die Landkreise und Kommunen als Aufgabenträger je Kalendermonat.
Zu den Leistungen der Eingliederungshilfe zählen zum Beispiel eine angemessene Schulausbildung oder Leistungen zur medizinischen Rehabilitation behinderter Menschen am Arbeitsplatz. Daneben regelt das Landesausführungsgesetz nach dem Zwölften Gesetzbuch unverändert die zentral wahrzunehmenden Aufgaben der Sozialhilfeträger. Seit Januar 2016 liegt diese Aufgabe beim kommunalen Sozialverband. Bis Ende dieses Jahres bestimmen die Sozialhilfeträger, das heißt die Landkreise und kreisfreien Städte, die zentrale Stelle neu. Frau Drese hat das vorhin angesprochen.
Aus der Stellungnahme der LIGA der Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege in M-V habe ich Kritik an der bisherigen Regelung sehr wohl zur Kenntnis genommen. Vonseiten der LIGA besteht der Wunsch, die zentrale Stelle bei der obersten Sozialbehörde, beim Ministerium für Soziales, Integration und Gleichstellung, anzusiedeln. Daneben wurden die Zusammensetzung des Landesbeirates für Sozialhilfe sowie einzelne Verfahrensbestimmungen kritisiert. Ich darf Ihnen versichern, dass wir diese Kritik in gewohnt sachlich-konstruktiver Art prüfen und in die weiteren Beratungen – auch in den Sozialausschuss – mitnehmen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, neben diesen Änderungen entwickelt das Bundesteilhabegesetz in Anwendung der UN-Behindertenrechtskonvention eine Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderung von einer mehr oder weniger schlichten Sozialhilfeleistung hin zu einer modernen personenzentrierten Teilhabeleistung außerhalb des Fürsorgesystems – nach meiner festen Überzeugung ein wichtiger emanzipatorischer Schritt, um die Ziele der Behindertenrechtskonvention zu erreichen. Hierzu werden zum Beispiel die Leistungen der Eingliederungshilfe ab Januar 2020 aus dem Zwölften Sozialgesetzbuch herausgelöst und als besondere Leistungen ins Neunte Sozialgesetzbuch, was Rehabilitation und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen beinhaltet, überführt.
Des Weiteren zielt der Gesetzentwurf auf eine Änderung im Bereich des Landesausführungsgesetzes des Zweiten Sozialgesetzbuches. Damit wird sichergestellt, dass die
zur Entlastung der kommunalen Träger dienenden zusätzlichen Mittel aus der Bundesbeteiligung an den Kosten für die Unterkunft und Heizung für Geflüchtete an die Landkreise und kreisfreien Städte weitergeleitet werden.
Überdies passt der Gesetzentwurf das Landesblindengeld an die zum 1. Januar 2017 geltende Neufassung des Elften Sozialgesetzbuches an. Mit dem Landesblindengeld gewährt das Land eine einkommens- und vermögensunabhängige Geldleistung, die dem Ausgleich der Mehrbelastungen dient, die durch Blindheit oder hochgradige Sehbehinderung entstehen können. Das ist eine freiwillige Leistung. Ziel ist es, die Teilhabe blinder und hochgradig sehbehinderter Menschen am gesellschaftlichen Leben zu fördern und zu unterstützen. Es geht hier also um die landesgesetzliche Anpassung infolge der Neufassung des Elften Sozialgesetzbuches durch das Zweite Pflegestärkungsgesetz im Dezember 2015. Der Entwurf überträgt daher, bezogen auf das Landesblindengeld, die bisherigen drei Pflegestufen uneingeschränkt in die fünf Pflegegrade.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, um ein besseres Verständnis für den vorliegenden Gesetzentwurf zu erhalten, ist abschließend ein Blick auf die Zeitschiene lohnenswert. Die Regelungen zu den gewährten Leistungen der Eingliederungshilfe werden erst zum 01.01.2020 aus dem Zwölften Sozialgesetzbuch herausgelöst und in das Neunte Sozialgesetzbuch überführt. Diese Änderung hat zwar Auswirkungen auf das Konnexitätsprinzip, jedoch könnte man argumentieren, dass die Kommunen bereits heute diese Aufgaben als Träger der Sozialhilfe wahrnehmen. Nach dieser Logik entstehen den Kommunen keine zusätzlichen Kosten. Dennoch plädiere ich dafür, die Kostenentwicklung in diesem Bereich genau im Blick zu behalten, da die Kommunen als Träger der Sozialhilfe nicht auf den Kosten sitzen bleiben dürfen.
Die Folgen der mit dem Bundesteilhabegesetz verbundenen Standarderhöhungen der Leistungen werden erst ab 2020 eintreten. Insofern werden auch erst in diesem Zeitraum die tatsächlichen Kosten abschätzbar sein. Wie bereits erwähnt, wird ein Großteil der Änderungen des Bundesteilhabegesetzes erst ab 2020 in Kraft sein. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
(Heiterkeit bei Torsten Renz, CDU: Jetzt muss ich die Überweisungsanträge beschreiben. – Heiterkeit auf der Regierungsbank – Zuruf von Minister Harry Glawe)
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Insbesondere für Nichtjuristinnen und -juristen ist dieser Gesetzentwurf sicherlich –
Zunächst will ich ganz gern, weil die Opposition – wie sagte Herr Heydorn vorhin –, immer das Haar in der Suppe sucht, loben. Ich finde, Lob denen, denen Lob gebührt! Und als Oppositionsfraktion halten wir damit nicht hinterm Berg. Genauso wie Sie in den Fraktionen bundesweit haben wir so nach Sprecherinnen und Sprechern unsere Beratungen. Und die Beratungen der behindertenpolitischen Sprecherinnen und Sprecher reflektieren auch immer den Fortschritt bei der Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes.
Wenn wir kurz Revue passieren lassen: In den Berichten jeweils aus den Ländern stellen wir fest, dass Mecklenburg-Vorpommern in der Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes – das ist ja hier auch mit drin – immer sehr gelobt wird, sehr beachtet wird. Also Chapeau an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Sozialministeriums, insbesondere Frau Dr. Albrecht, die eine großartige Arbeit leisten, um das umzusetzen!
(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE – Minister Harry Glawe: Dann muss die Ministerin jetzt auch gelobt werden. Das geht ja nun gar nicht. – Zuruf von Ministerin Stefanie Drese)
Sehr geehrte Damen und Herren, dieser Gesetzentwurf betrifft ja die Lebenssituation von vielen Bevölkerungsgruppen – das ist hier gesagt worden –: Menschen, die in Heimen leben, Menschen, die ein Handicap haben, Menschen, die als Geflüchtete hier existenziell wichtige Lebensbedingungen vorfinden müssen, wie Unterkunft und Heizung, das ist angesprochen worden, oder eben auch Menschen, die gepflegt werden. Wir betrachten diesen Gesetzentwurf, der sich ja aus mehreren Quellen speist, nämlich aus dem Bundesteilhabegesetz, dem Pflegestärkungsgesetz oder dem Gesetz der Beteiligung des Bundes an den Kosten der Integration von Geflüchteten und weiteren, indem wir einmal schauen, wie verhält es sich rein technisch mit der Umsetzung, wird das berücksichtigt, was zu berücksichtigen ist, wobei wir, wie gesagt, auch einen großen Vertrauensvorschuss haben, das ist nicht die Frage. Aber wir schauen auch danach, wie es sich denn letztendlich in der konkreten Auswirkung verhält. Wird dort soziale Gerechtigkeit gewahrt? „Soziale Gerechtigkeit“ verstanden als Verhältnisse, die dafür sorgen, dass bedarfsgerecht und, wo das nicht möglich ist, die Menschen zumindest fair Rechte, Möglichkeiten und Ressourcen haben.
Wenn wir uns die Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes anschauen, schauen wir uns immer auch das Ursprungswerk, also das Bundesteilhabegesetz selbst an. Da ist es uns schon wichtig, auch an dieser Stelle das Bundesteilhabegesetz noch mal kritisch zu würdigen, denn es gibt Dinge, mit denen wir eben nicht einverstanden sind. Wenn wir heute sagen, wir sind für die Überweisung, und wenn wir letztendlich – ich gehe davon aus, dass wir sehr konstruktiv und möglicherweise mit entsprechenden Veränderungen aus den Ausschussbera
tungen herausgehen – unsere Hand heben für die Umsetzung des hier Vorgeschlagenen im Wesentlichen, möchten wir aber dann gleichermaßen darauf verweisen, dass das Ursprungsgesetz, das eine zumindest, was ich hier ansprechen möchte, das Bundesteilhabegesetz, durchaus kritisch zu sehen ist, weil es hier nach wie vor Gerechtigkeitslücken gibt.
Zum Beispiel kritisieren wir, dass das Teilhaberecht, um das es ja eigentlich geht im Ursprungsgesetz, aus dem Fürsorgesystem nicht herausgelöst wurde, dass es keinen Fahrplan gibt für den Ausstieg aus der Anrechnung von Einkommen und Vermögen bei Teilhabeleistungen für Menschen mit Behinderungen beispielsweise. Oder diese sogenannte 5-aus-9-Regelung: Die ist zwar ausgesetzt bis 2023, aber die besagt, Anspruch auf Eingliederungshilfe haben nur diejenigen, die in fünf von neun Lebensbereichen Unterstützungsbedarf nachweisen können. Das würde zum Beispiel dazu führen, dass eine Studentin oder ein Student mit einer starken Sehschwäche eventuell Unterstützung bräuchte, nur in diesem einen Fall auf Eingliederungshilfe nicht zurückgreifen kann, wenn keine weiteren Handicaps vorliegen.
Das sind solche Sachen, wo Menschen benachteiligt wurden, wo es nicht sein müsste. Das bezieht sich aber wohlgemerkt auf das Ursprungsgesetz, auf das Bundesteilhaberecht. Und es ist im Ursprungsgesetz auch nicht ganz klar geregelt, um noch mal dabei zu bleiben, die Definition von Assistenz gemäß der UN-Behindertenrechtskonvention. Also das ist etwas, was aus unserer Sicht immer kritisch zu betrachten bleibt.
Wenn wir uns jetzt aber den vorliegenden Gesetzentwurf anschauen, dann – andere haben das auch schon gesagt – sind noch Dinge zu diskutieren. Aus unserer Sicht zumindest werden wir ihn hinterfragen, zum Beispiel die Frage stellen: Mit welcher Berechnungsmethode wurden die Quoten zur Anrechnung der Pflegegeldbeiträge auf das Landesblindengeld ermittelt? Die sind ja aufgeführt, im Gesetzentwurf ist es beschrieben. In der Begründung zu den einzelnen Paragrafen sind diese Quoten noch mal genau aufgelistet, aber wie es zu diesen Quoten kommt, den Mechanismus, das hätten wir gern mal erklärt.
Ebenso die Berechnungsmethode: Wie berechnet sich der 3,1-prozentige Vorwegabzug für das Bildungs- und Teilhabepaket bei der Weiterleitung der Bundesmittel für die Kosten der Integration an die kommunale Ebene? Die Daten sind aufgelistet, der Mechanismus allgemein ist beschrieben. Aber warum gerade die Summe? Wie ist sie ermittelt? Welcher Mechanismus, welche Methodik steckt dahinter? Das interessiert uns schon. Diese und andere Fragen werden wir in den Ausschüssen behandeln und sehen der Debatte in den Ausschüssen mit großem Interesse entgegen. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, auf unserer Besuchertribüne haben neue Besucher Platz genommen. Wenn ich richtig informiert bin, dann sind das Bürgerinnen und Bürger aus Grevesmühlen und Umgebung. Ein herzliches Willkommen bei uns im Plenarsaal!
Manchmal ist es ja nicht von Vorteil, wenn man als letzter Redner am Mikrofon steht, weil das meiste dann schon dargelegt worden ist, und viel Sinn macht das dann auch nicht, die Dinge zu wiederholen. Aber ein paar Dinge müssen doch noch mal angesprochen und gesagt werden.
Es stimmt, dieses Landesausführungsgesetz setzt im Wesentlichen Bundesrecht um, setzt Bundesrecht in Landesrecht um. Deswegen macht es nicht wirklich Sinn, das Bundesteilhabegesetz hier zu diskutieren, weil das Bundesteilhabegesetz bekanntermaßen nicht vom Landtag Mecklenburg-Vorpommern verabschiedet wird, sondern es ist durch den Deutschen Bundestag verabschiedet worden. Bei aller Kritik, die man da gegebenenfalls dran hat und die man sich raussucht, ist das natürlich ein Meilenstein – ein Meilenstein!
Ich habe jahrelang in den 80er- und 90er-Jahren als Sozialamtsleiter gearbeitet. Damals hieß das Ganze noch Bundessozialhilfegesetz und bezog natürlich auch diese Eingliederungshilfeleistung ein. Es war wesentlich restriktiver – das Thema „Anrechnung von Einkommen und Vermögen“ hatte da noch eine ganz andere Bedeutung – und war natürlich auch beim Thema Kostenverteilung viel, viel restriktiver. Wenn diese Leistungen ambulant erbracht worden sind, waren die Kreise und kreisfreien Städte dafür zuständig. Und wenn sie stationär erbracht worden sind, ging das zulasten der sogenannten überörtlichen Sozialhilfeträger. Das waren unterschiedliche Stellen in der Bundesrepublik. Bei uns im Land war es mal das Sozialministerium, woanders heißen die Landschaftsverbände und so weiter und so fort.
Wenn man sich anguckt, was der Bund jetzt macht, dann macht er zwei Dinge: Er zieht das Bundesteilhabegesetz raus aus der Sozialhilfe, aus dem SGB XII. Natürlich sind die Vermögens- und Einkommensgrenzen nicht völlig aufgehoben worden, aber sie wurden noch mal deutlich ausgeweitet. Das ist, finde ich, ein Fortschritt.