Fünftens, und das ist der zentrale Punkt unserer Überlegungen und Forderungen: Die gesetzliche Rentenversicherung soll in eine solidarische Versicherung für alle Bürgerinnen und Bürger überführt werden, für die alle Einkommen bei stufenweiser Erhöhung der Bemessungsgrenze beitragspflichtig sind.
Stimmen Sie unserem Antrag zu, sehr geehrte Damen und Herren, wenn Sie tatsächlich an einer armutsfesten Rente interessiert sind! – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
Im Ältestenrat ist vereinbart worden, eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 45 Minuten vorzusehen. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.
Ums Wort gebeten hat die Ministerin für Soziales, Integration und Gleichstellung. Bitte, Frau Hesse, Entschuldigung, Frau Drese.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Es gibt wohl kaum eine Landesregierung, die sich so vehement für die Beseitigung der Rentenungerechtigkeit eingesetzt hat und einsetzen wird wie diese. Deshalb ist es gut, dass wir heute darüber sprechen können. Ich glaube, niemand hier im Landtag bestreitet ernsthaft, dass besonders Erwin Sellering beim Bund und bei seinen Ministerpräsidentenkollegen für eine rasche Angleichung der Ostrenten an die Westrenten gekämpft hat.
Natürlich hätten wir in Mecklenburg-Vorpommern gern eine schnellere Angleichung der Ostrenten gehabt, doch ich bin davon überzeugt, ohne die kontinuierliche und hartnäckige
Arbeit von Erwin Sellering gemeinsam mit seinen ostdeutschen Amtskollegen wäre es noch nicht einmal gelungen, dass die gesetzliche Angleichung bis 2025 kommt, denn die Anhebung des Rentenwertes Ost ist gegen sehr harte Widerstände erkämpft worden, meine Damen und Herren. Deshalb ist die Festschreibung der Anhebung auf den Rentenwert West in sieben Schritten ein großer Erfolg, zu dem maßgeblich Erwin Sellering beigetragen hat. Der erste Schritt erfolgt bereits im Jahr 2018.
Sehr geehrte Damen und Herren, auch Manuela Schwesig hat bereits deutlich gemacht, dass sich die Landesregierung auf Bundesebene weiterhin vehement dafür einsetzt, dass die Bürgerinnen und Bürger in unserem Land im Alter verlässliche Leistungen für ein würdiges Leben erhalten. Das Thema Rente bleibt in MecklenburgVorpommern also in den besten Händen. So hat die Ministerpräsidentin unmittelbar nach Amtsantritt neue Initiativen angekündigt. In ihrer Regierungserklärung hat Manuela Schwesig einen Gerechtigkeitsfonds angeregt, der die Probleme der Rentenüberleitung Ost löst. Dieser Fonds soll für Personengruppen zur Verfügung stehen, die bei der Überleitung vergessen oder benachteiligt wurden, zum Beispiel Frauen, die zu DDR-Zeiten geschieden wurden, oder diejenigen, die Herr Koplin eben erwähnt hat. Die Ministerpräsidentin wird zunächst bei ihren ostdeutschen Kollegen dafür werben. Wir würden uns sehr darüber freuen, Herr Koplin, wenn Sie Herrn Ramelow frühzeitig mit ins Boot holen. Das wäre eine gute und sachdienliche Unterstützung in dieser Sache.
Sehr geehrte Damen und Herren, selbstverständlich muss dringend etwas gegen Altersarmut getan werden. Darüber besteht, glaube ich, große Einigkeit. Insbesondere Erwerbstätige mit unterbrochenen Erwerbsbiografien, wie es typisch in den neuen Bundesländern nach der Wende war, sind betroffen, genauso wie Erwerbstätige in strukturschwachen Regionen, die von Langzeitarbeitslosigkeit, Teilzeit und niedrigen Löhnen geprägt sind. All das schlägt sich in niedrigen Renten nieder und sind wesentliche Gründe für eine zu geringe Versorgung im Alter und damit für die drohende Altersarmut.
Mit Ihrem Antrag, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der Linksfraktion, machen Sie es sich ziemlich einfach. Das ist ein typischer Oppositionsantrag wenige Wochen vor einer Wahl. Ich halte Ihre Forderung nach einer Mindestrente von 1.050 Euro für alle, ohne dass irgendwelche Voraussetzungen erfüllt werden müssen, weder für darstellbar noch für finanzierbar. Auch das Modell der Union mit sinkendem Rentenniveau und der Verlängerung der Arbeitszeit für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bis zum 70. Lebensjahr überzeugt mich nicht. Das wird Sie nicht überraschen. Ich halte diese Vorschläge den hart arbeitenden Menschen gegenüber nach einem langen Arbeitsleben für ungerecht und unzumutbar.
Wir brauchen aus meiner Sicht ein Bündel an Maßnahmen, damit alle Menschen nach einem langen Arbeitsleben im Alter gut abgesichert sind. Wir brauchen zunächst Anstrengungen auf allen Ebenen, um die Löhne im Osten auf das Westniveau zu bringen. Das ist gerade für uns in Mecklenburg-Vorpommern von überragender Bedeutung. Die Landesregierung begrüßt deshalb Tarifverträge in
allen Branchen und wirkt gegenüber Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretern darauf hin. Das haben wir im Koalitionsvertrag festgehalten und dies ist eine absolute Leitlinie des Regierungshandelns.
Auch Mecklenburg-Vorpommern hat sich wirtschaftlich gut entwickelt. Die Bilanz bei der Wirtschaftsleistung und auf dem Arbeitsmarkt in M-V ist positiv. Das Land hat sich beinahe bei allen wichtigen Indikatoren weiter deutlich verbessert. Neue zukunftsfähige Arbeitsplätze sind entstanden und die Arbeitslosenzahlen sind spürbar zurückgegangen. Die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung steigt. Jetzt muss es darum gehen, dass allgemein die Löhne und Gehälter steigen. Kluge Unternehmen haben sich in Mecklenburg-Vorpommern bereits dazu auf den Weg gemacht, auch angesichts des immer größer werdenden Fachkräftebedarfs. Weitere müssen folgen. Mecklenburg-Vorpommern wird deshalb alle Aktivitäten unterstützen, mit denen die gesetzliche Privilegierung von Tarifpartnerschaft fortgesetzt wird. Tarifgebundene Betriebe müssen mehr Gestaltungsmöglichkeiten erhalten als Betriebe ohne Tarifbindung.
Frauen brauchen ein Rückkehrrecht, wenn sie aus der Elternzeit oder einer Pflegezeit in den Beruf zurückkehren. Nur so können sie aus der Teilzeitfalle geholt werden. Prekäre Arbeitsverhältnisse müssen zurückgedrängt werden. Auch in sozialen Berufen muss mehr verdient werden. Die Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf muss noch besser möglich sein. Betriebsrenten und die private Altersvorsorge müssen attraktiver werden, besonders für Geringverdiener.
Sehr geehrte Damen und Herren, wir brauchen darüber hinaus eine große Rentenreform, mit der das Absinken des Rentenniveaus gestoppt wird. Gemeinsam mit der Ministerpräsidentin werbe ich für die Einführung einer Solidarrente. Wer jahrzehntelang gearbeitet und sich angestrengt hat, muss im Alter mehr haben als die Grundsicherung.
Menschen mit kleinen Löhnen und Gehältern müssen eine auskömmliche Rente haben. Das gilt übrigens auch für Selbstständige, die nicht abgesichert sind. All diese Menschen dürfen nicht in der Altersarmut landen. Die Solidarrente soll allen, die 35 Jahre und länger gearbeitet haben, eine Rente von zehn Prozent über der Grundsicherung garantieren und Altersarmut verhindern. Sie stabilisiert seriös finanziert das Rentenniveau langfristig. Das ist auch mit Blick auf die Generationengerechtigkeit von hoher Bedeutung. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Sehr geehrtes Präsidium! Werte Kollegen! Liebe Bürger! In einem Punkt dürften wir alle in diesem Hause in der Tat einer Meinung sein: Die Suche nach neuen Wegen, um möglichst allen Bundesbürgern eine auskömmliche Rente sichern zu können, wird eine der wichtigsten Aufgaben der nächsten Zeit sein.
Bis zum Jahr 2040 erwarten Experten ein durchschnittliches Wachstum des Bruttoinlandsproduktes von 1,3 Prozent pro Jahr. Langfristig bremsend auf die wirtschaftliche Dynamik Deutschlands wirken insbesondere die fortschreitende Alterung der Bevölkerung und der damit einhergehende Rückgang der Erwerbstätigen. Die Zahl der in Deutschland lebenden Menschen wird laut wissenschaftlichen Untersuchungen bis zum Jahr 2040 um 1,7 Millionen auf 78,9 Millionen Menschen sinken. Bedingt durch die Schrumpfung der Bevölkerung wächst das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf langfristig mit knapp 1,4 Prozent pro Jahr. In einer vergleichbaren Dynamik entwickeln sich in den kommenden 25 Jahren – zumindest der Theorie nach – wahrscheinlich auch die Durchschnittslöhne.
Trotz einer angenommenen Steigerung der Erwerbsquoten wird die Zahl der Erwerbstätigen insgesamt bis 2040 sinken. Während die Gesamtbevölkerung bis zum Jahr 2040 um gut 2 Prozent zurückgeht, schrumpft die Zahl der Erwerbstätigen um 8 Prozent. Noch stärker fällt der Rückgang der Personen im erwerbsfähigen Alter mit 13,7 Prozent aus. Insbesondere zwischen 2025 und 2035 beschleunigt sich der Rückgang des Arbeitskräftepotenzials durch das Ausscheiden der Babyboom-Generation aus dem Erwerbsleben. Für die Rentenperspektiven folgt daraus über den in der Rentenreform hinterlegten Mechanismus zur Rentenanpassung eine zunehmende Dämpfung des Rentenniveaus. Über die jährliche Rentenanpassung nehmen die Renten zwar an der wirtschaftlichen Entwicklung der Löhne und Gehälter teil – so zumindest die Theorie –, aber der Schein trügt leider, denn die Löhne werden im gleichen Zeitraum, wie schon in der Vergangenheit, schneller wachsen als die Renten.
Experten der Versicherungswirtschaft gehen davon aus, dass der Beitragssatz zwar von derzeit 18,7 Prozent auf 24 Prozent bis 2040 steigen wird, gleichzeitig jedoch das Rentenniveau weiter sinken wird. Derzeit bekommt ein Rentner im Schnitt 44 Prozent des Durchschnittseinkommens von Erwerbstätigen. In 25 Jahren allerdings werden es nur noch 39 Prozent sein. Obwohl man also eigentlich mehr Geld bekommt, hat man dennoch weniger. Im Verhältnis zu den zuvor verdienten Einkommen wird die Rente eben niedriger ausfallen.
Der Antrag der Fraktion DIE LINKE reagiert nun auf diesen Übelstand. In der Analyse, nämlich, dass Altersarmut zu verhindern ist, stimmen wir mit Ihnen, werte Kollegen, durchaus überein. Gleichwohl atmet Ihr Antrag wie immer den Geist der sozialistischen Umverteilung – ein Konzept, welches eher dazu führen dürfte, dass es am Ende allen schlechter geht.
Dabei genügt ein Blick gen Süden nach Österreich, um mit einem Beispiel positiver Rentenpolitik konfrontiert zu werden, welches von der Fraktion DIE LINKE freilich als neoliberal disqualifiziert werden dürfte. Im Vergleich zu Deutschland gibt es in Österreich für jedes Versicherungsjahr eine höhere Rentengutschrift. Da gilt immer noch der Grundsatz, die gesetzliche Rente muss im Alter
den Lebensstandard sichern. Nach 45 Arbeitsjahren bekommt ein Rentner in Österreich um die 80 Prozent seines durchschnittlichen Bruttoeinkommens, in Deutschland sind es nur gut 44 Prozent – Tendenz fallend.
Wie schafft die Alpenrepublik so etwas? Nun, das ist fürwahr kein Hexenwerk. Anders als in Deutschland zahlen in Österreich alle Erwerbstätigen in die Rentenkasse ein, auch Selbstständige und Geringverdiener. Bis zur Einkommensgrenze von 4.980 Euro müssen Beiträge bezahlt werden. Die Versicherungspflicht beginnt dort ab einem Einkommen von rund 450 Euro. Die Grenze für beitragsfreie, geringfügige Beschäftigung liegt bei 425,70 Euro. Wer mehr verdient, muss Beiträge in die Rentenkasse einzahlen. Ferner gibt Deutschland nur knapp 10 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Renten aus, Österreich dagegen 14 Prozent.
90 Prozent der Österreicher verlassen sich auf die gesetzliche Rente, nur 10 Prozent haben eine zusätzliche Betriebsrente. Eine teure, staatlich geförderte Privatvorsorge auf Kosten der gesetzlichen Rente blieb den Österreichern erspart. Dafür ist der Beitragssatz zur gesetzlichen Rente mit 22,8 Prozent zwar höher als in Deutschland, die Arbeitnehmer zahlen dort aber nur 10,25 Prozent, die Arbeitgeber dagegen 12,5 Prozent. Wir sehen, es geht auch anders. In der Schweiz hat man ebenfalls einen Weg eingeschlagen, dessen Früchte unsere deutschen Rentner neidvoll über den Bodensee schauen lassen.
Insofern ist eine Reform des Rentensystems ein Gebot der Stunde und sollte auch nicht länger aufgeschoben werden. Allerdings lehnen wir als AfD-Fraktion sozialistische Umverteilungsorgien auch in diesem Kontext strikt ab.
Stattdessen sollten wir uns vielleicht mehr an solchen Ländern orientieren, die mit ihrem Rentensystem wesentlich erfolgreicher sind als wir. Gleichwohl enthält der Antrag der Fraktion DIE LINKE zwei Punkte, denen auch wir zustimmen können, wenn es nämlich um die Angleichung der Ostrenten an die Westrenten geht. Darum beantragen wir, dass die Punkte dieses Antrags einzeln abgestimmt werden. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Der Abgeordnete Arppe hat gerade vorgetragen, die Umverteilung nach sozialistischem Muster lehnen sie auch bei der Rente ab. Ich bin jetzt kein Spezialist für das österreichische Rentensystem, aber ich frage mich gerade, was da anders ist als bei der Umverteilung.
Das haben Sie ja selber hier explizit ausgeführt, wie hoch die Beiträge sind und wer letztendlich was zu zahlen hat. Das ist in größerem Umfang Umverteilung, als wir das in Deutschland tun. Die Tatsache, dass jeder in das System einzahlen muss, der über einer bestimmten Einkommensgrenze liegt, ist nichts anderes als Umverteilung.
Es gibt ein paar Punkte, die ich gerne aufgreifen würde. Wo ich völlig konform bin und mitgehe, ist, dass wir uns das Thema der in der DDR geschiedenen Frauen perspektivisch angucken müssen.
Das ist, finde ich, auf gut Deutsch gesagt, eine große Sauerei, was da passiert. In Westdeutschland gibt es seit ewigen Zeiten den sogenannten Versorgungsausgleich, der dafür sorgt, dass Eheleute, die geschieden werden, gerecht behandelt werden bei dem Thema Rentenverteilung. Wir haben das so viele Jahre nach der Wende nicht hingekriegt und da würde ich es sehr begrüßen, dass, wenn wir die Bundestagswahl hinter uns haben, man auf Bundesebene eine Lösung dafür findet, sei es eine Fondslösung oder irgendwas anderes, sodass diese Ungerechtigkeit beseitigt wird.