Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 11: Beratung des Antrages der Fraktion der Linkspartei.PDS – Grüne Gentechnik, auf der Drucksache 5/77.
Eigentlich wollte ich die Einbringung unseres Antrages mit dem entsprechenden Abschnitt aus der aktuellen Koalitionsvereinbarung zwischen SPD und CDU beginnen, denn die dort formulierten Ziele zur Anwendung der grünen Gentechnik sind so unkonkret und so weich formuliert, dass glühende Befürworter wie auch strikte Gegner der grünen Gentechnik damit leben können.
Und das reicht uns nicht aus. Wir wollen Klarheit. Wir als Linkspartei.PDS wollen, dass unser Land seinen guten Ruf als Hersteller von hochwertigen und naturbelassenen Lebensmitteln behält. Wir wollen die Landwirte und die Produzenten von gentechnikfreien Lebensmitteln, die sich an Recht und Gesetz halten, schützen. Wir wollen, dass Mecklenburg-Vorpommern natürlich zum Tourismus- und Gesundheitsland Nummer eins wird. Deshalb wollen wir unsere noch bestehenden großartigen Naturschätze erhalten mit der dazugehörigen Artenvielfalt in Feld und Wald. Wir, meine Damen und Herren, wollen, dass Anwender wie auch Verbraucher eine wirkliche Wahlfreiheit in Bezug auf die grüne Gentechnik haben.
Zur Erreichung all dieser Ziele sind die Ansätze und Aussagen aus der schwarz-roten Koalitionsvereinbarung absolut nicht ausreichend. Im April 2005 verabschiedeten Großschutzgebietsleitungen und Verbände im Rahmen der Tagung „Gentechnik und ökologisch sensible Gebiete“ die Vilmer Resolution. Darin fordern sie, ökolo
gisch sensible Gebiete dauerhaft vom GVO-Anbau freizuhalten, ausreichende Abstandsregelungen zu erlassen und eine eindeutige rechtliche Regelung zum Schutz der Biodiversität festzulegen. Sie appellierten an die Landesregierung und Landwirtschaftsorganisationen, die Initiativen gentechnikfreier Regionen zu unterstützen und mit den Schutzgebietsverwaltungen zu kooperieren. Und sie verwiesen darauf, dass Großschutzgebiete als Modellregionen für nachhaltige Regionalentwicklung prädestiniert für den Aufbau gentechnikfreier Regionen sind.
Deshalb, meine Damen und Herren, sollten ökologisch sensible Gebiete wie Nationalparke, Biosphärenreservate, Naturparke und Natura-2000-Gebiete dauerhaft vom GVO-Anbau freigehalten werden.
Aber, meine Damen und Herren, wie wir in der letzten Woche der Presse entnehmen konnten, hat Bundesagrarminister Seehofer sein Eckpunktepapier zur Novellierung des Gentechnikgesetzes vorgelegt und das weist in eine ganz andere Richtung. Es ist zu befürchten, dass mit der Umsetzung der Eckpunkte der Anbau gentechnisch veränderter Pfl anzen erleichtert werden soll.
Die Kritik von Befürwortern und Gegnern der grünen Gentechnik kam prompt. Die Sicherheitsabstände sind zu kurz, nicht der Schutz von Mensch und Umwelt steht im Vordergrund, sondern die Interessen des Agrobusiness. Dieser Widerstand war zu erwarten, denn an der Anwendung der grünen Gentechnik scheiden sich die Geister, an ihrer ökonomischen und gesellschaftlichen Bedeutung, insbesondere aber an ihrer ökologischen und ethischen Bewertung und den Risiken bei ihrer Anwendung für Natur und Mensch.
Andererseits liegt es jedoch auch daran, dass die Bundesregierung mit den vorgelegten Änderungen des Gentechnikgesetzes einen Spagat versucht, der kaum gelingen kann, was sich am Beispiel der Haftungsregelungen überdeutlich zeigt. Diese sind weder ausreichend noch praktikabel. Es ist beispielsweise nicht nachvollziehbar, dass Landwirte oder eine Forschungseinrichtung, die nach den Regeln der guten fachlichen Praxis ordnungsgemäß ein staatlich zugelassenes GVO anbauen könnten, denen also die Unbedenklichkeit bescheinigt wurde, dass diese Einrichtungen für die Vermarktungsschäden bei Einträgen auf dem Feld des benachbarten GVO-freien Landwirts aufgrund der Überschreitung eines bestimmten Grenzwertes aufkommen müssten, obwohl – und das kommt hinzu, weil die Unbedenklichkeit wurde ja bescheinigt – in Bezug auf die staatlich zugelassenen GVO bisher für den Menschen oder für die Umwelt nachteilige Auswirkungen nicht erforscht worden sind. Das ist weder verständlich noch akzeptabel. Es ist im Gegenteil weltfremd, widersinnig und nicht praktikabel und es weist höchstens auf den großen Forschungsbedarf hin. Hinzu kommt, dass für Schäden bei vom Bund fi nanzierten Forschungsprojekten die Bundesregierung mit Steuermitteln aufkommen soll, obwohl die Mehrheit der Verbraucher grüne Gentechnik und auch Gengut ablehnt.
Die Linkspartei.PDS setzt sich für einen Haftungsfonds ein, der in erster Linie durch die GVO-produzierenden Konzerne zu fi nanzieren ist, denn sie sind es, die die Patente besitzen und die Profi te einstreichen, sie sind es, die auf den weiteren Anbau von GVO dringen, und sie stehen auch hinter den Forderungen, den europäischen Markt endlich für GVO-produzierte Lebensmittel aufzumachen. Aus einem solchen Fonds müssen nach unserer
Auffassung auch die Zusatzkosten getragen werden, die gentechnikfrei wirtschaftenden Betrieben und Verarbeitern bei der Sicherung ihrer Gentechnikfreiheit entstehen. Zugleich würden so die Profi teure der grünen Gentechnik ökonomisch veranlasst, davon Abstand zu nehmen, solche gentechnisch veränderten Pfl anzen freizusetzen und auf den Markt bringen zu wollen, bei denen von vornherein klar ist, wie beispielsweise beim Raps, dass keine Koexistenz zwischen GVO-Anbau und gentechnikfreier Landwirtschaft möglich ist.
Der freiwillige Zusammenschluss zu gentechnikfreien Regionen, meine Damen und Herren, ist derzeit der einzige Weg, mit dem sich Landwirte mittel- und langfristig für eine garantiert gentechnikfreie Erzeugung entscheiden können. Die von uns eingeforderte Unterstützung gentechnikfreier Regionen ist also eine vorsorgende, in die Zukunft gerichtete Entscheidung, um bekannte und unbekannte Risiken des Gentechnikanbaus zu begrenzen und dem Verbraucher eine echte Wahlmöglichkeit zu bieten. Zugleich wären diese Regionen ein Alleinstellungsmerkmal unseres Landes und könnten wirtschaftsfördernd als Imagevorteil genutzt werden, gerade weil wir im Tourismus, in der Landwirtschaft und in der Gesundheitswirtschaft Spitzenplätze in Deutschland behaupten oder erreichen wollen. Hier kann und sollte das Land eine Vorreiterrolle einnehmen und die sich in seiner Hoheit befi ndlichen Großschutzgebiete und Forsten zu gentechnikfreien Regionen erklären oder sich solchen bereits existierenden anschließen wie der gentechnikfreien Region Müritz-Ruppiner Land, der größten zusammenhängenden Region in unserem Land. Sieben Ökobetriebe, das Naturparkamt sowie das Bundesforstamt Neubrandenburg haben sich bereits im Juli 2004 über 29.300 Hektar hinweg zu einer gentechnikfreien Region zusammengeschlossen. Seit dem letzten Sommer gehört ein Landwirt mit Flächen aus dem Brandenburgischen dazu.
Warum, meine Damen und Herren, wollen wir durch Landespolitik nicht das unterstützen, was von der Region getragen wird, weil es sinnvoll ist, weil es Forderungen der Landwirte und Verbraucherinnen aufnimmt und einen nachhaltigen Ansatz in sich trägt? Deshalb fordern wir von der Landesregierung ein Bekenntnis zu den erklärtermaßen gentechnikfrei wirtschaftenden Unternehmen, indem sie bevorzugt in die künftige Agrarinvestitionsförderung eingeordnet werden. Und in diesem Sinne bitte ich Sie, meine Damen und Herren, dem Antrag der Linkspartei.PDS zuzustimmen und ihn federführend in den Agrarausschuss zu überweisen. – Herzlichen Dank.
Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 45 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.
Als Erster hat das Wort für die Fraktion der SPD der Abgeordnete Dr. Timm. Bitte schön, Herr Abgeordneter.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In Sachen grüne Politik bin ich ein Greenhorn, wie ich einräumen muss.
logische Politik, die mit der Natur schonend und nachhaltig umgeht, und das betrifft insbesondere natürlich auch die Fragen der Gentechnik. Gentechnik ist in diesem Zusammenhang eine sehr ethisch orientierte Fragestellung. Nicht umsonst hatte zuletzt der Bundestag eine Ethikkommission eingesetzt, die sich mit diesen Fragen beschäftigt hat.
Greenhorn heißt aber auch, ich stehe noch in den Anfängen bei der Einarbeitung in die Details. Und deswegen, glaube ich, ist es auch wichtig – auch am Beginn einer Legislaturperiode wie der unseren –, dass wir uns über die Grundsätze und über die Details in diesen Gentechnikfragen hier im Landtag unterhalten.
Für meine Begriffe, Frau Schwebs, geht es nicht um das Ob bei der Anwendung der Gentechnik, sondern um das Wie. Und deswegen sind Kompromisse und gerade die Übergänge in diesen Bereichen von ganz zentraler Bedeutung. Ich wünschte mir sehr, dass alle Parteien, die realitätsnahe Politik machen, sich mit diesen Wie-Fragen beschäftigen und in diesem Sinne auch ihre Ziele und Grundsätze formulieren.
Die SPD hatte in ihrem Entwurf zum Grundsatzprogramm formuliert: „Nutzen und Risiken neuer Technologien prüfen wir unvoreingenommen darauf, ob sie der freien Entfaltung, der Würde, der Sicherheit und dem sozialen Miteinander der Menschen dienen.“ Und weiter unten heißt es: „Landwirte und Verbraucher haben einen Anspruch auf gentechnikfreien Anbau.“ Das hatten Sie auch erwähnt. Der von Ihnen vorgelegte Antrag erfüllt in wesentlichen Punkten, muss ich einschränkend sagen, diesen Anspruch. Über Punkt 4, wo es ums Geld geht, werden wir sicherlich in der Beratung im Ausschuss, wenn die Überweisung angenommen wird, die wir unterstützen, noch zu verhandeln haben. Punkt 4, vermute ich, wird da die Haushaltsberatungen möglicherweise berühren.
Entscheidend sind aus meiner Sicht bei der Anwendung grüner Gentechnik die Wahlfreiheit der Verbraucher, also der Nutzer der entsprechenden Produkte, und die Wahlfreiheit der Landwirte. Wahlfreiheit setzt voraus, dass es eine Kennzeichnungspfl icht gibt. Ohne Kennzeichnungspfl icht kann es keine Wahlfreiheit geben. Und demzufolge berührt diese Fragestellung – Wahlfreiheit auf beiden Seiten – auch in einer offenen Gesellschaft die demokratischen Grundsätze innerhalb unserer Gesellschaft.
Grüne Gentechnik hat also zu tun mit den Zukunftsfragen der Menschen, auch im ethischen Sinne, mit den Grundlagen einer freiheitlich-demokratischen Ordnung und damit, dass wir in dem Kontext der Wie-Fragen, also der Kompromisse, die zu erzielen sind zwischen beiden Polen, eine Verantwortung für die gesamte Gesellschaft übernehmen. Und in diesem Sinne unterstütze ich, wie gesagt, die Überweisung in den Agrar- und Umweltausschuss und freue mich auf die Beratung. – Vielen Dank.
Es hat jetzt das Wort für die Fraktion der FDP die Abgeordnete Frau Reese. Bitte schön, Frau Abgeordnete.
den hier vorliegenden Antrag eigentlich ab. Einige Formulierungen scheinen auf den ersten Blick sinnvoll, jedoch bei näherer Betrachtung erkennt man, dass dieser Antrag von einer negativen Grundhaltung gegenüber der grünen Gentechnik geprägt ist, die seitens der FDPFraktion nicht geteilt wird.
Wir sehen in der grünen Gentechnik überwiegend vielfältige Chancen – gerade in unserem Land, in dem wir doch sonst so stolz darauf sind, Vorreiter im Bereich Biotechnologie zu sein. Wir als Liberale stehen für Wettbewerb, Wettbewerb, der sich auf Grundlage gleicher Marktbedingungen entwickelt. Die bevorzugte Förderung und Einordnung gentechnikfrei wirtschaftender Unternehmen in die künftige Agrarinvestitionsförderung muss deshalb von uns abgelehnt werden.
Der Markt entscheidet selbst über die Etablierung gentechnisch veränderter Kulturpfl anzen und deren Produkte.
Zur Kennzeichnungspfl icht möchten wir an dieser Stelle anmerken, dass es bereits seit April 2004 eine Kennzeichnungspfl icht innerhalb der Europäischen Union für gentechnisch veränderte Organismen in Futter- und Lebensmitteln gibt. Aber natürlich begrüßen auch wir die Bemühungen einiger Landwirte und ihrer Verbände, sich freiwillig und aus Überzeugung zu gentechnikfreien Regionen zusammenzuschließen und GVO-freie Regionalmarken im Land zu etablieren. Jeder Landwirt muss diese Entscheidung für sich selbst nach seiner unternehmerischen Einschätzung treffen und nicht durch die Förderung verfälschter Ausgangslagen dazu verleitet werden.
Das Land Mecklenburg-Vorpommern soll sich in Zukunft innovativ und traditionell entwickeln können. Die grüne Gentechnik ist ein sehr innovativer Wachstumsmarkt. Die stiefmütterliche Behandlung der grünen Gentechnik in Mecklenburg-Vorpommern würde dazu führen, dass Unternehmen zur Forschung in andere Regionen gehen und Mecklenburg-Vorpommern wiederum nur das Nachsehen hat,
für unser Land wichtige Arbeitsplätze verloren gehen. In Mecklenburg-Vorpommern als bedeutendem Agrarland sollte grüne Gentechnik auf gleicher Augenhöhe mit konventionellem Landbau betrieben werden. Darum ist unsere Fraktion wie gesagt eigentlich dabei, diesen Antrag abzulehnen. Einer Überweisung in den Ausschuss würden wir uns aber nicht verwehren. – Danke schön.
Es hat jetzt das Wort für die Fraktion der CDU die Vizepräsidentin Frau Holznagel. Bitte schön, Frau Abgeordnete.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nachdem wir in der vergangenen Legislaturperiode mehrfach über das Thema grüne Gentechnik geredet und diskutiert haben, haben wir jetzt gleich zu