Protocol of the Session on November 19, 2009

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Aber wie einfallsreich Ihre Fraktion beziehungsweise die Koalition ist, das haben wir nun heute Morgen gehört. Ich erinnere da an den Antrag zu TOP 12 der Fraktionen CDU und SPD, „Persönlichkeiten der Mecklenburgischen und Pommerschen Geschichte“ in den Mittelpunkt zu stellen.

(Egbert Liskow, CDU: Da war doch mal was.)

Und da muss ich mal sagen, da haben Sie ja nun voll das Ziel verfehlt, wenn man sich mal die Probleme hier im Land Mecklenburg-Vorpommern ansieht.

Und dann muss ich Ihnen sagen, die Fraktion DIE LINKE hat bereits im April beziehungsweise im Mai darauf hingewiesen, dass die EU das Thema im nächsten Jahr in den Mittelpunkt stellen wird. Und ganz offen: Wir haben eigentlich gedacht, dass wir in den nächsten Tagen und Wochen, also nach der Bekanntgabe durch die Europäische Union, mal von Ihnen hören, wie wird denn das bei uns im Land untersetzt.

Zwischenzeitlich hat die Landesarmutskonferenz getagt. Kein Wort davon! Es ist kein Gespräch geführt worden mit der Landesarmutskonferenz, wie denn außerparlamentarische Gremien hier einbezogen werden.

Nun kann man ja immer sagen, die Landesregierung macht, die Landesregierung macht. Bitte schön, verlassen Sie sich darauf! Wenn wir aber gemeinsam nicht erkennen, dass wir das Thema Armut erst mal ins gesellschaftliche Bewusstsein bringen müssen, und zwar gemeinsam darüber reden müssen, anerkennen müssen, dass es Armut in den unterschiedlichsten Formen im Land Mecklenburg-Vorpommern gibt, dass sie Ursachen hat und dass natürlich Ausgrenzung aufgrund der Armut stattfindet, dann sage ich Ihnen ganz offen, dann glaube ich nicht daran, dass Sie wirklich willens sind, die Armut im Land Mecklenburg-Vorpommern zu bekämpfen.

(Egbert Liskow, CDU: Arbeit, Arbeit, Arbeit, immer wieder Arbeit.)

Denn zuerst gehört einmal dazu, ein Thema in die gesellschaftliche Debatte zu bringen. „Mit neuem Mut. 2010, Europäisches Jahr zur Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung“, so lautet die Überschrift der nationalen Strategie.

Frau Abgeordnete!

Ziel ist es, sagt die Bundesregierung, das öffentliche Bewusstsein …

Frau Abgeordnete Borchardt, gestatten Sie eine Zwischenfrage …

… der Abgeordneten Frau Tegtmeier?

(Udo Pastörs, NPD: Hoch spannende Frage.)

Glauben Sie allen Ernstes, dass das Thema Armut bei uns in der Gesellschaft als Problem noch nicht wirklich angekommen ist?

(Udo Pastörs, NPD: Ja, es ist da angekommen, aber Sie lösen es nicht. Das ist der Punkt.)

Ich habe ja vorhin schon mal gesagt, ich glaube nicht, sondern ich will wissen, und ich sage Ihnen ganz offen,

(Zurufe von Irene Müller, DIE LINKE, und Udo Pastörs, NPD)

ich sage Ihnen ganz offen, wenn ich einige Redebeiträge von Politikerinnen und Politikern unterschiedlicher Couleur, auch Ihrer Partei höre, ich denke nur an den ehemaligen Finanzsenator aus Berlin,

(Reinhard Dankert, SPD: Nehmen Sie doch nicht nur immer einen aus einer Partei!)

dann weiß ich, dass er das Thema Armut ausblendet aus der politischen Debatte und sogar ausgrenzt.

(Reinhard Dankert, SPD: Das sind aus Ihrer Partei auch ganz schön gefährliche Töne.)

Und in der Weise sage ich, es ist noch nicht angekommen.

(Zuruf von Irene Müller, DIE LINKE)

Ziel ist es also, das öffentliche Bewusstsein für die Risiken von Armut und sozialer Ausgrenzung zu stärken und darüber hinaus die Wahrnehmung für deren vielfältige Ursachen und Auswirkungen zu schärfen. Dieses Anliegen begrüßen wir. Wir sagen aber auch, es sollte uns alle nachdenklich stimmen, dass die Europäische Union ausgerechnet dieses Thema gewählt hat.

Fakt ist,

(Udo Pastörs, NPD: Fakt ist!)

dass es in den Staaten der Europäischen Union – auch im entwickelten Deutschland – Millionen von Menschen gibt, die in Armut leben. Fakt ist auch, dass es in der Bundesrepublik Deutschland und auch in unserem Bundesland seit Jahren die verschiedensten Organisationen und Gremien gibt, die sich zu den Ursachen und Auswirkungen von Armut und sozialer Ausgrenzung auf Kinder, Familien, Arbeitslose, Behinderte et cetera geäußert haben. Und diese haben sie auch öffentlich gemacht, seien es die Landesarmutskonferenz, das Erwerbslosenparlament, die LIGA, der Paritätische, die Kirchen und auch der Arbeitslosenverband.

(Udo Pastörs, NPD: Endloses Blabla in diesen Gremien.)

Diesen und auch uns Politikern ist es offensichtlich nicht in dem Maße gelungen, dieses Thema so in das öffentliche Bewusstsein zu tragen, dass es vor allen Dingen als gesellschaftliches Problem anerkannt wird

(Reinhard Dankert, SPD: Das ist es doch schon.)

und nicht als Problem des einzelnen Betroffenen.

Wenn es uns in diesem Europäischen Jahr 2010 gemeinsam gelingt, dass eine deutliche Mehrheit der Menschen im Land unsere Auffassung teilt,

(Irene Müller, DIE LINKE: Und die Betonung liegt auf „gemeinsam“.)

dass Armut nicht hinnehmbar ist, dass Armut kein Schicksal ist, dem der Einzelne hilflos ausgeliefert ist,

(Udo Pastörs, NPD: Von der BRD schon.)

wenn wir den Betroffenen tatsächlich Mut machen und die Zuversicht geben, dass sich an ihrer Lage etwas ändert, nur dann haben wir,

(Zuruf von Raimund Frank Borrmann, NPD)

verehrte Kolleginnen und Kollegen, wirklich etwas erreicht.

(Udo Pastörs, NPD: Reicht nicht. – Zuruf von Michael Andrejewski, NPD)

Das setzt aber voraus, dass wir als Politiker diese Position annehmen. Zum gemeinsamen Erreichen eines Zieles muss man auch gemeinsame Ziele verfolgen. Man muss dann auch eingebunden sein. Deshalb, auch aus unserer Verantwortung als Landtag MecklenburgVorpommern, sollten wir das Thema und das Handeln nicht allein der Landesregierung überlassen. Was spricht eigentlich dagegen, wenn die Landesregierung im Sozialausschuss über ihre Konzeption mal Bericht erstattet?

(Peter Ritter, DIE LINKE: Nichts. – Zuruf von Irene Müller, DIE LINKE)

Was spricht eigentlich dagegen, wenn im Sozialausschuss gemeinsam darüber beraten wird, wie wir gemeinsam dieses Thema in die Öffentlichkeit tragen?

(Peter Ritter, DIE LINKE: Auch nichts.)

Was spricht eigentlich dagegen, wenn man zum Beispiel mit der Landeszentrale für politische Bildung, auch ein Vorschlag, darüber spricht, wie ganz explizit dieses Thema politisch auch bearbeitet wird und nicht außen vor gelassen wird? Also was spricht dagegen, dass wir hier im Landtag Mecklenburg-Vorpommern im Jahr 2010 dieses Thema auch für uns politisch als das Hauptthema erkennen und dies gemeinsam bearbeiten?

(Irene Müller, DIE LINKE: Na weil die Regierung schon alles macht, machen wir das nicht.)

Wir, meine Damen und Herren, wir sollten gemeinsam über Maßnahmen zur wirksamen Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung nachdenken. Das Europäische Jahr darf nicht zur Showveranstaltung verkommen. Wenn es ein europäisches Jahr sein soll, dann muss es auch Konsequenzen haben.

Und auch da frage ich: Was spricht eigentlich dagegen, wenn wir gemeinsam im Jahr 2011 das Europäische Jahr gegen Armut und Ausgrenzung hier im Landtag auswerten?

(Irene Müller, DIE LINKE: Das werden wir auch so tun.)