Protocol of the Session on March 4, 2009

Das Wort zur Berichterstattung hat der Abgeordnete und Vorsitzende des Ausschusses Herr Grabow. Herr Grabow, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kollegen! Der Landtag hat den Antrag der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 5/1199 während seiner 34. Sitzung am 31. Januar 2008 beraten und zur Beratung an den Sozialausschuss überwiesen. Der Sozialausschuss hat sich in seiner 45. Sitzung am 4. Februar 2009 mit dem Antrag abschließend befasst. Im Rahmen dieser Beratung hatte die Fraktion DIE LINKE im Sozialausschuss zu Drucksache 5/1199 einen Ergänzungsantrag eingebracht. Mit diesem Antrag sollte folgende Ergänzung eingefügt werden: „Die Landesregierung wird aufgefordert, sich auf Bundesebene für einen Altersvorsorgefreibetrag in Höhe von 400 Euro auch bei Anspruch auf Grundsicherung im Alter, die Einstellung der Riester-Rente zum 31. Dezember 2009 und für den Einsatz der geplanten beziehungsweise absehbaren Fördermittel für Neuabschlüsse ab 2010 zur Stabilisierung der gesetzlichen Rente einzusetzen.“

Dieser Ergänzungsantrag wurde vom Sozialausschuss mehrheitlich mit den Stimmen der SPD und der CDU gegen die Stimmen der Fraktion DIE LINKE und der NPD bei Enthaltung seitens der Fraktion der FDP abgelehnt. Mit gleichem Quorum empfiehlt der Sozialausschuss, den Antrag der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 5/1199 abzulehnen. Ich bitte Sie, dem zuzustimmen, und bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der FDP)

Danke, Herr Grabow.

Meine Damen und Herren, im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 60 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat der Abgeordnete Herr Heydorn von der Fraktion der SPD.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Die SPD-Fraktion als auch die gesamte Koalition bittet Sie, der Empfehlung des Sozialausschusses an der Stelle zu folgen. Und ich will auch gern hier etwas detaillierter darlegen, warum: Wir sind alle für eine auskömmliche Finanzierung der Grundsicherung. Wir sind alle dafür, dass Menschen, die von der Grundsicherung leben müssen, davon auch leben können müssen. Das heißt also, dass diese Mittel nicht zu knapp ausgestattet sein können. Insofern können Sie es mir glauben, ich habe auch eine persönliche Haltung zu dem Thema SGB II und SGB XII, Regelsätze für Kinder. Ich finde schon, dass es sehr, sehr wichtig gewesen wäre, die Beschlusslage des Bundessozialgerichtes jetzt politischerseits aufzugreifen und dezidiert zu untersuchen, wie hoch der Bedarf bei Kindern und Jugendlichen in dem Bereich ist. Das wäre für mich eine wichtige Geschichte gewesen.

Das heißt also, alle unterstützen die Forderung, die Regelsätze zu überprüfen und so auszugestalten, dass

man von der Grundsicherung leben kann. Wenn man sich aber den systematischen Ansatz ansieht, dann ist das Konzept der Sozialhilfe entlehnt, dem alten Grundsatz der Nachrangigkeit. Das heißt, Hilfe erhält nur derjenige, der sich nicht selbst helfen kann beziehungsweise die notwendige Hilfe von anderen erhält. Diese Hilfe, die er dann erhält, sollte aber auskömmlich sein. Und wenn man von diesem Grundsatz der Nachrangigkeit abweicht, indem man beispielsweise sagt, wir rechnen die Riester-Rente nicht an, dann ist das ein eklatanter Systembruch, denn man könnte die Forderung stellen und sagen, die Rürup-Rente, die es ja jetzt ebenfalls gibt, wird dann perspektivisch auch nicht angerechnet. Oder man könnte hergehen und sagen, die Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes, die gezahlt wird, kommt auch nicht zur Anrechnung. Und ich weiß, dass es in der LINKEN ja auch die Forderung gibt, das Thema Kindergeld nicht zur Anrechnung zu bringen.

Wenn man sich das nur mal einfach ansieht, zu welchen Ergebnissen das führen würde, dann ist das ein eklatanter Systembruch. Dann bleibt von diesem System der Grundsicherung nichts mehr übrig. Grundsicherung muss auskömmlich sein,

(Zuruf von Torsten Koplin, DIE LINKE)

das ist unsere Überzeugung, aber die Grundsicherung muss auch nachrangig sein. Das heißt, andere Dinge gehen vor. Das ist der Punkt.

(Zuruf von Irene Müller, DIE LINKE)

Ich möchte auf Folgendes aufmerksam machen, Herr Koplin: Ihre eigene Beschlusslage sieht ja so aus, dass Sie auf der einen Seite für eine auskömmliche Grundsicherung plädieren und sagen, wir sind dafür, dass diese Regelsätze auskömmlich bemessen sind, das heißt, so bemessen sind, dass man davon ordentlich leben kann. Wenn man das an der Stelle fordert und politisch durchsetzen will, wird es natürlich auf der anderen Seite schwierig zu sagen, und dann stellen wir noch bestimmte Einkünfte frei, die werden bei der Grundsicherung nicht angerechnet. Das halte ich für so nicht machbar.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der CDU)

Wenn man dieses Konzept will, dann ist man auf einem ganz anderen Dampfer. Und ich bin dafür, dass wir die systematische Anlage der Grundsicherung beibehalten und dafür sorgen, dass die Grundsicherung dann aber auch auskömmlich ausgestaltet ist. Deswegen bitte ich Sie, der Empfehlung des Sozialausschusses zu folgen. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD und CDU)

Danke, Herr Heydorn.

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Frau Müller von der Fraktion DIE LINKE.

Werter Herr Präsident! Werte Abgeordnete dieses Landtages! Vor zwei Jahren etwa haben wir an dieser Stelle als Fraktion DIE LINKE einen Antrag abgegeben und zur Diskussion gestellt, wo es darum ging, eine Rentenreform in Gang zu bringen, eine Rentenreform, die auf Solidarität und auf Existenzsicherung basiert.

(Zuruf aus dem Plenum: Das ist auch so.)

Nanu? Manchmal hat man auch Wahrnehmungsstörungen.

Wir haben vor einem Jahr hier einen Antrag gestellt, sich das System der Riester-Rente zu begucken und nachzuschauen, ob das, was mit der Riester-Rente gewollt war, wirklich in Gang gebracht worden ist. Und es ist schon sehr merkwürdig, Herr Heydorn, entschuldigen Sie bitte, wenn ich das hier so feststelle, wenn Sie heute von einem System sprechen, was nicht gebrochen werden darf, wo bitte schön nicht dagegen gearbeitet werden darf und, und, und, und wir in Wirklichkeit von zwei völlig verschiedenen Dingen sprechen.

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Die Anrechnung der Riester-Rente ist ein Systembruch.)

Denn Riester-Rente ist in Gang gebracht worden, indem von der Bundesregierung versichert wurde, dass das eine attraktive Rente sei für Menschen, die, wenn sie dann Rentnerinnen und Rentner sind, etwas mehr haben möchten als das, was ihnen als gesetzliche Rente zusteht,

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: So ist es.)

und das demzufolge obendrauf gegeben wird. Mehr noch: Es wurde davon gesprochen, dass davon vor allen Dingen geringfügig Verdienende und Langzeitarbeitslose und so weiter und so fort teilhaben können, denn dann haben sie etwas mehr, und das wäre auch sehr gut, denn sie bräuchten ja zu Zeiten, wo sie einzahlen können, nur den einen Teil einzuzahlen, der andere Teil werde staatlicherseits unterstützt, so die Aussage. Und dann haben nicht nur wir als LINKE, sondern Sie alle und Ihre Bundesparteien plötzlich im Jahrausgang des Jahres 2007 und 2008 sehr massiv die Diskussion gehabt, was wir denn nun machen. Dass die Riester-Rente in die Grundsicherung mit reingerechnet wird und für die Betroffenen da gar nichts an Mehr übrig bleibt, war gar nicht gewollt. Das haben Sie hier alles festgestellt.

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Herr Riester hat das nicht gewollt.)

Und umso merkwürdiger ist es, wenn Sie sich heute hinstellen und sagen: Das geht nicht. Das ist ein Systembruch. Es war also entweder eine Lüge an diejenigen, die auf das Gesetz und auf die Bundesregierung vertraut haben, oder wenn Sie das Wort „Lüge“ nicht wollen, dann war es ein Anlagenbetrug. Und Anlagenbetrug ist strafbar, auch hier in Deutschland und gerade hier in Deutschland. Und dann müssen wir feststellen, vom Staat wird das bis zum heutigen Tage geduldet und nichts dagegen getan.

(Raimund Frank Borrmann, NPD: Es wird honoriert.)

Es waren ja nicht nur wir, die hier gestanden und gesagt haben, da muss man Abhilfe schaffen. Nein, es war der damalige Sozialminister und heutige Ministerpräsident Sellering, der von der Stelle aus hier gesagt hat, dass das ein Steuerungsfehler der Politik ist –

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Genau so.)

das sind seine Worte, „ein Steuerungsfehler der Politik“ –

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

und dass er eigentlich von uns als Parlament Rückenstütze haben wollte, um entweder in der Bundesregierung oder als Bundesratsinitiative tätig werden zu kön

nen, um das abzuändern. So war das vor einem Jahr. Sie können gern nachlesen in den Landtagsmitschriften.

Und nun heute, was ist nun passiert? Nun ist plötzlich alles ganz anders. Eigentlich nicht, denn die RiesterRente ist das geblieben, was sie war: Sie ist ein Moloch geworden für Finanzleute, für Versicherungsexperten, die zu völlig überhöhten Provisionen und völlig überhöhten Gebühren staatliche Gelder schlucken …

(Beate Schlupp, CDU: Woher wissen Sie das?)

Ganz einfach, indem ich in Statistiken gucke. Das ist ganz einfach. Das kann man alles nachvollziehen.

… und zwölf Millionen Verträge gemacht wurden, von denen in der Zwischenzeit schon eine Million zurückgetreten sind, die nach wie vor der Grundsicherung angerechnet werden und die betroffenen Bürgerinnen und Bürger nichts und gar nichts und überhaupt nichts davon haben. Schlimmer noch, seit dem 1. Januar dieses Jahres haben sich die Versicherungskonzerne und Versicherungsexperten was ganz besonders Gutes ausgedacht. Sie erklären nämlich freudestrahlend, man solle die Riester-Rente überzahlen – das kommt sogar in der Werbung, Frau Peters –, das wäre ein sichereres Modell,

(Angelika Peters, SPD: Ich hab gar nichts gemacht. Ich hab doch gar nichts gesagt!)

um Steuern zu verhindern, und zwar die Abgeltungssteuer.

(Zuruf von Angelika Peters, SPD)

Da guckt der Staat einfach schlicht und ergreifend zu, wie von seinen eigenen Steuergeldern, die in die RiesterRente reingegeben werden, Gelder genutzt werden, um Steuereinnahmen des Staates zu verhindern. Wie merkwürdig!

Übrigens, damals zu der Zeit hat Herr Ministerpräsident Sellering nicht nur davon gesprochen, dass er mit der Riester-Rente im Bund aktiv werden möchte, sondern er hat davon gesprochen, dass er die Rückenstütze vom Parlament Mecklenburg-Vorpommern benötigt, um auch noch andere Dinge in der Rente anzusprechen und tätig zu werden. Er hat hier auch gesagt, inwieweit er tätig geworden ist und welche Momente alle noch fehlen, weil da noch nicht genug Unterstützung ist. Es ist für meine Begriffe geradezu beschämend, wenn sogar seine eigene Fraktion heute hier so tut, als ob es das vor einem Jahr nicht gegeben hätte, weil seine eigene Fraktion in der Sozialausschusssitzung, als wir das behandelt haben, den Mund nicht aufgemacht hatte, als ob es diese ganzen drängenden Probleme nicht gäbe. Es ist beschämend, wenn man als Regierungskoalition nicht registriert, obwohl man es vor einem Jahr sogar dargestellt hat, warum und wieso das so ist, dass in punkto Rente hier in Deutschland viel zu tun ist, dass es Ungerechtigkeiten gibt, dass es Lücken gibt, dass die Existenzsicherung nicht ordentlich ist, dass Altersarmut droht. Es sind viele, viele Punkte, die zu bearbeiten wären, und Sie tun einfach nichts. Sie machen den Mund im Ausschuss nicht auf.

Also nichts mit Unterstützung, Ergebnis trotz des Appellierens an uns alle: nichts. Nein, im Ausschuss wurde dann beschlossen: keine Probleme, nix zu machen, nix zu tun, alles so in Ordnung. Das sehen die Leute, die Menschen in unserem Land Mecklenburg-Vorpommern aber ganz anders. Sie wissen, was ihnen mit der RiesterRente versprochen worden ist und dass dieses Versprechen nicht gehalten wird.

Meine Damen und Herren, belobhudeln Sie sich ruhig weiter!

(Gino Leonhard, FDP: Na, na, na!)

Sie sind in der Rentenpolitik in einer Sackgasse.

(Raimund Frank Borrmann, NPD: Sie sind überall in der Sackgasse. – Zuruf von Michael Andrejewski, NPD)