Protocol of the Session on November 15, 2007

Meine sehr geehrten Damen und Herren, einige vergessen, dass in der freien Wirtschaft eine Produktionsverbesserung vielfach nur durch Investitionen erreicht werden kann. Doch gerade die wollen Sie nach meiner Auffassung hier nicht erreichen. Und nach der Qualität der Entscheidung, die in der Justiz den wesentlichen Faktor ausmachen sollte, wird relativ wenig gefragt. Lassen Sie mich auf einen Bericht von „Frontal 21“ am vergangenen Montag eingehen.

(Michael Andrejewski, NPD: Dienstag!)

Dort wurde auf das Problem aufmerksam gemacht, dass die Justiz mehr und mehr in die Lage versetzt wird, aufgrund der Masse an Prozessen die Bearbeitungszeiten dadurch zu verkürzen, dass man sogenannte Vereinbarungen abschließt,

(Udo Pastörs, NPD: Deals!)

also Deals. Somit nimmt man mögliche Strafmaßkürzungen alleine dadurch in Kauf, dass man Absprachen zwischen Staatsanwaltschaft, Verteidigung und Gericht trifft. Ich halte dies für eine außerordentlich schwierige Situation. Selbst im Landtag sitzt jemand bei der NPDFraktion, der letzten Endes einen solchen Deal mit ausgehandelt hat.

(Michael Andrejewski, NPD: Musste!)

Aber lassen Sie es mich deutlich sagen: Gegen eine Modernisierung der Justiz hat niemand etwas, aber Begriffe wie „outputorientierte Produktivität“ oder „Produktionssteigerung“ haben in der Justiz nichts zu suchen.

(Udo Pastörs, NPD: Das sagen Sie als FDP.)

Ich fordere hier ganz besonders die Richter, Beamten, Angestellten und Arbeiter der Justiz auf, sich gegen eine solche Entwicklung zu wehren.

(Zuruf von Ilka Lochner-Borst, CDU)

Ohnehin ist es schwierig, in die Rechte der Judikative einzugreifen.

(Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Ach!)

Ohnehin legt sich die Exekutive leider immer mehr ins Zeug,

(Zuruf von Wolf-Dieter Ringguth, CDU)

um die richterlichen Freiheiten zu beschränken.

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Was halten Sie von Mediation?)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, genau umgekehrt ist es richtig. Wir als FDP möchten daher den Antrag stellen,

(Udo Pastörs, NPD: Ist doch abgelaufen Ihre Redezeit. Bei uns geht das immer schneller.)

diesen Antrag federführend in den Europa- und Rechtsausschuss und mitberatend in den Finanzausschuss als auch in den Innenausschuss zu überweisen, um die Ziele dieses Antrages noch einmal beraten zu können, denn auch wir möchten gerne diesen Antrag unterstützen.

Herr Schnur, Ihre Redezeit ist abgelaufen.

Recht herzlichen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der FDP – Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Mensch, das war aber eine kurze Rede. – Gabriele Měšťan, DIE LINKE: Die haben nicht mehr angemeldet.)

Danke, Herr Abgeordneter.

Es hat jetzt für die Fraktion der NPD das Wort der Abgeordnete Andrejewski. Bitte, Herr Abgeordneter.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Landesweite Benchmarking- und Controllingsysteme sollen also die Leistungsfähigkeit der Justiz verbessern. Verbessern heißt, man hält diese Leistungsfähigkeit für gut und möchte die ohnehin hohe Qualität noch ein bisschen steigern. Ich würde eher davon reden, die Leistungsfähigkeit überhaupt erst einmal wieder herzustellen. Im Grundgesetz steht etwas von effektivem Rechtsschutz. Der ist nicht mehr gegeben, wenn Verfahren endlos dauern, was in der Praxis oftmals der Fall ist.

Fortsetzungsfeststellungsklagen werden in der Regel nach drei Jahren verhandelt, wenn man Glück hat. Wenn die Polizei zum Beispiel offenkundig rechtswidrige Verfügungen erlässt, wird das nicht etwa sofort geahndet, sondern diese sind zu befolgen mit dem Hinweis, man könne ja hinterher dagegen klagen. Die Entscheidung fällt dann irgendwann in ferner Zukunft. Und seit der sogenannten Gerichtskostenreform, wie sie sich nannte, sind die Gebühren im Voraus zu entrichten. Sie dürfen also der Justiz erst einmal einen zinslosen Kredit über drei Jahre geben. Auch das ist noch ein Thema, da sind der Willkür der Verwaltung Tür und Tor geöffnet.

Im Arbeitsrecht, selbst bei vollkommen grundlosen Kündigungen, schleppen sich die Verfahren durch alle Instanzen über Jahre dahin, sodass man gar nichts davon hat, selbst wenn man noch so sehr im Recht ist. Der Streit, ob man den Kündigungsschutz nun lockern oder ausweiten solle, ist graue Theorie und geht an den tatsächlichen Verhältnissen vorbei. Man bekommt jeden Mitarbeiter aus dem Betrieb gemoppt und infolge der Verfahrensdauer steht der arbeitsrechtliche Schutz hauptsächlich auf dem Papier.

Ähnlich sieht es bei den Sozialgerichten aus. Hier kann selbst der einstweilige Rechtsschutz Monate verschlingen. Bei Strafverfahren, wie schon angesprochen, entlastet sich die Justiz gerne und muss es auch unter der wahnsinnigen Belastung, indem sie Verfahren gegen Geldzahlungen einstellt, und zwar nicht bei Eierdieben, sondern bei solchen Straftätern, die mit zehn teuren

Anwälten und sehr langen und komplizierten und vor allem arbeitsintensiven Prozessen drohen können. Wirtschaftskriminelle kommen so fast durchgängig billig davon. Zu Recht entsteht in der Bevölkerung der Eindruck, dass die Justiz nur die Kleinen hängt, aber die Großen dafür laufen lässt. Die Herren Hartz und Ackermann lachen sich kaputt über die Taschengelder, für die man ihre Verfahren eingestellt hat.

Der Grund für all das ist nicht der Mangel an Benchmarking, Controlling, Piloting und sonstigem Wortgeklingel – man müsste bei dem ganzen Sprachschatz eigentlich konsequent sein und das amerikanische Rechtssystem gleich einführen in englischer Gerichtssprache –, sondern der Grund ist einfach zu wenig Personal. Die Richter ertrinken in Arbeit, und die arbeiten wirklich,

(Zuruf von Reinhard Dankert, SPD)

besonders die Sozialrichter, dank Hartz IV. Sieben neue Sozialrichter sind sieben Tropfen auf den heißen Stein. Das bringt auch nicht viel. Das Märchen „Die sieben Zwerge gegen das Hartz-IV-Monster“, das wird auch nicht gut ausgehen. Man muss schlicht und einfach mehr Richter einstellen, aber davor will man sich drücken.

(Dr. Margret Seemann, SPD: Mir wird schlecht!)

Man kündigt sogar einen neuen Personalabbau an. Die Juristische Fakultät in Rostock wird auch noch dichtgemacht, weil es ja keinen Personalbedarf gäbe. Wir brauchen ja keine Richter. Dieser Antrag hier ist eine reine Verneblungsaktion. Es ändert nichts daran, dass der effektive Rechtsschutz in Deutschland nicht mehr gegeben ist. Das ist ein verfassungswidriger Zustand. Ich muss leider der FDP einmal Recht geben: Sie können das Problem nur lösen durch massive Investitionen, das heißt Neueinstellungen, nicht durch Benchmarking, Controlling und durch solchen Kram.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der NPD)

Es hat jetzt noch einmal das Wort für die Fraktion der CDU die Abgeordnete Frau Lochner-Borst. Bitte schön, Frau Abgeordnete.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren!

Herr Andrejewski, die NPD will diesen Staat nicht,

(Stefan Köster, NPD: Das ist nicht richtig. – Udo Pastörs, NPD: Ach, jetzt kommt die Leier wieder!)

die NPD hält nichts von seinen Institutionen. Sie halten nichts von Gewaltenteilung.

(Udo Pastörs, NPD: Jetzt kommt wieder die tibetanische Gebetsmühle.)

Ich weiß überhaupt nicht, warum Sie sich das Recht nehmen, zu diesem Tagesordnungspunkt zu sprechen.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD, CDU und DIE LINKE)

Meine Damen und Herren, ich fasse noch einmal zusammen, um doch das eine oder andere, was hier vielleicht ein bisschen falsch in den Raum gestellt wurde, klarzustellen:

(Reinhard Dankert, SPD: Wir müssen ja hier nicht jeden legitimieren, Frau Lochner-Borst.)

Wir wollen eine qualitative Verbesserung der Justizverwaltungen und wir wollen zügige gerichtliche Entscheidungen und Verkürzungen der Verfahrensdauer. Dabei wollen wir aber ganz bestimmt – und das möchte ich an dieser Stelle unterstreichen – die Wahrung der richterlichen Unabhängigkeit und die sachliche Unabhängigkeit der Rechtspfl eger. Das darf ich auch noch einmal ganz besonders in Richtung der Kollegen der FDP sagen, die dann vielleicht eher unserem Antrag zustimmen können. Die Überweisung werden wir als Koalitionsfraktionen jedoch ablehnen.

(Gino Leonhard, FDP: Das war doch klar! – Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Die CDU hat auch einen Mangel an Juristen jetzt.)

Danke, Frau Abgeordnete.

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe damit die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktionen der CDU und SPD auf Drucksache 5/981.