Ich rufe noch einmal auf den Tagesordnungspunkt 13: Beratung des Antrages der Fraktion DIE LINKE – Europäisches Programm „Europa für Bürgerinnen und Bürger“ unterstützen und weiterführen, auf der Drucksache 5/4257.
Das Wort zur Begründung hat für die Fraktion DIE LINKE die Abgeordnete Frau Borchardt. Bitte schön, Frau Abgeordnete.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der Förderperiode 2007/2013 wurde durch die Europäische Kommission das Programm „Europa für Bürgerinnen und Bürger“ aufgelegt. Dieses Programm verfolgt dabei die folgende Ziele: Bürgern die Möglichkeit zur Interaktion und Partizipation an einem immer engeren Zusammenwachsen eines demokratischen weltoffenen Europas zu geben, das geeint und reich in seiner kulturellen Vielfalt ist, und damit die Entwicklung des Konzepts der Bürgerschaft der Europäischen Union zu fördern, ein Verständnis für eine europäische Identität entwickeln, die auf gemeinsame Werte, gemeinsame Geschichte und gemeinsamer Kultur aufbaut, bei den Bürgern ein Verständnis für die gemeinsame Verantwortung für die Europäische Union fördern, die Toleranz und das Verständnis der europäischen Bürger für einander vergrößern, dabei die kulturelle und sprachliche Vielfalt achten und fördern und zugleich zum interkulturellen Dialog beitragen.
Diese Programmidee entstand in einer ganz konkreten Situation. Erinnern Sie sich, in der Europäischen Union ist der Verfassungsentwurf durch das Referendum in Frankreich und Irland geplatzt. Die Akzeptanz der Bürgerinnen und Bürger zur Sinnhaftigkeit der Europäischen Union sank mehr und mehr, auch in unserem Land. Erkennbar ist das beispielsweise an der sinkenden Wahlbeteiligung zu den Europawahlen. Gingen beispielsweise 1994 noch 65,8 Prozent der Bürgerinnen und Bürger in Mecklenburg-Vorpommern zur Europawahl, waren es 1999 nur noch knapp 51 und 2004 nur noch 45 Prozent. Lediglich 2009 waren es 46,5 Prozent, wobei hier wohl der Umstand, dass die Europawahl gleichzeitig mit den Kommunalwahlen stattgefunden hat, bestimmt das Wahlergebnis positiv beeinflusst hat.
Aber nicht nur an der Wählerbeteiligung ist das zu erkennen. Das Eurobarometer, in dem regelmäßig die Identifikation der Bürgerinnen und Bürger mit Europa abgefragt wird, stellt zugleich bezüglich der Bundesrepublik Deutschland fest, dass 2010 59 Prozent der Bürgerinnen und Bürger der Bevölkerung mit Europa sich identifizieren. Damit besetzt Deutschland einen hinteren Platz.
Aus unserer Sicht ist das erschreckend. Dazu kommt, dass durch die Auswirkungen der Wirtschafts- und Finanzkrise und die in den letzten Monaten eingeleiteten Maßnahmen des Europäischen Rates die Ängste um die Stabilität des Euros größer geworden sind. Denn eines wissen die Bürgerinnen und Bürger genau, aus einer Krise kann man sich nicht heraussparen. Sie fragen sich berechtigt: Erst die Griechen, jetzt die Portugiesen und Spanier, demnächst wir?
Sie befürchten, wieder soll die Bevölkerung die Rechnung für die Wirtschaft- und Finanzkrise zahlen.
Am Beispiel des griechischen Volkes sieht man es, dort wird ein atemberaubender Sozialabbau betrieben. Zu den bereits geplanten Verschlechterungen werden in den nächsten drei Jahren rund 30 Milliarden Euro weggekürzt, Beschäftigten beim Staat wird das Gehalt um insgesamt 15 Prozent gekürzt, die Renten werden weiterhin verschlechtert, die Mehrwertsteuer von 19 auf 23 Prozent angehoben. Und in der Privatwirtschaft will die Regierung Kündigungsschutz sowie Entschädigungsregelungen lockern, obwohl dies nichts mit der Staatsverschuldung zu tun hat.
Griechenland soll mitten in der Wirtschaftskrise 13 Prozent seiner Wirtschaftsleistungen bis 2040 sparen. Auf Deutschland umgerechnet würde das griechische Programm zu Einsparungen in Höhe von 300 Milliarden Euro führen. Dies entspräche einer Halbierung von Hartz IV, des kompletten Stopps des Autobahnbaus und Unterhaltens, der Abschaffung der Bundeswehr sowie dem Stopp der Entwicklungshilfe. Das alles wissen die Bürgerinnen und Bürger der Bundesrepublik Deutschland sehr wohl und fragen sich berechtigt: Welche Auswirkungen wird die Entwicklung in der Europäischen Union auf uns haben? Oder anders gesagt: Welchen Mehrwert hat Europa für uns, für mich persönlich?
Nein, mit unserem Antrag wollen wir keine Ängste schüren. Im Gegenteil, wir wollen erreichen, dass wir, also der Landtag Mecklenburg-Vorpommern, sich ernsthaft Gedanken macht, um dieser Entwicklung, dem Verlust der Akzeptanz, wirksam entgegenzusteuern. Wir sind der Auffassung, dass das von der Europäischen Kommission aufgelegte Programm einen sinnvollen Beitrag dazu leisten könnte. Es ist erfreulich, dass auf der Internetseite der Staatskanzlei dieses Programm zum Programm des Monats 2011 dargestellt wird. Wir kennen auch die zahlreichen Initiativen, die durch das Engagement der Bürgerinnen und Bürger, der Vereine und Verbände entwickelt wurden, fragen uns aber auch: Reichen diese?
Am 2. März 2011 wurde der Zwischenbericht von der Europäischen Kommission veröffentlicht. Dieser Zwischenbericht hat das Programm evaluiert und Verbesserungen vorgeschlagen. Aus unserer Sicht sollten wir uns mit den Schlussfolgerungen ernsthaft beschäftigen.
Aus dem Zwischenbericht ergibt sich zum einen, dass das Programm stärker genutzt werden muss, um die Rolle der Bürgerinnen und Bürger beispielsweise bei der Europa-2020-Strategie zu stärken. Aus unserer Sicht ist es erforderlich, dass die Öffentlichkeitsarbeit zu diesem Programm verstärkt werden muss, um weitere Projektträger für die Mitarbeit in diesem Programm zu gewinnen. Zum anderen müsste die Netzwerkarbeit der Fachleute, Politikverantwortlichen und Organisatoren zusammengeführt werden.
Und es wird empfohlen, dass dieses Programm auch in der neuen Förderperiode weiterhin gestützt und fortgeführt werden muss. Dazu sollten wir uns positionieren, denn wir alle wissen, dass zurzeit der mehrjährige Finanzrahmen in der Europäischen Union verhandelt wird. Wir wissen, die Diskussionen sind ja schon in vollem Gange, dass es voraussichtlich bei Zunahme von Aufgaben durch den Lissabon-Vertrag nicht mehr Geld für die gemeinsame Arbeit geben wird. Deshalb auch
unsere Forderung in unserem Antrag, dass die Landesregierung sich zu diesem Programm bekennt, es unterstützt und auch gegenüber der europäischen Ebene verstärkt verteidigt. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Im Ältestenrat ist eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 45 Minuten vereinbart worden. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.
Als Erster erhält das Wort für die Fraktion der SPD der Abgeordnete Herr Borchert. Bitte schön, Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das EU-Programm „Europa für Bürgerinnen und Bürger“ soll den europäischen Austausch zwischen den Bürgerinnen und Bürgern der Staaten in Europa fördern. Dieser interkulturelle Austausch soll die Kenntnis der Kultur und Geschichte der jeweiligen anderen europäischen Länder verbessern und so gegenseitiges Verstehen, Solidarität und Zusammenhalt fördern. Zudem sollen die Aktionen, Diskussionen und Überlegungen zur europäischen Bürgerschaft durch die Zusammenarbeit zivilgesellschaftlicher Organisationen auf europäischer Ebene gefördert werden.
Finanziert wird dieses Programm im Zeitraum 2007/2013 mit 215 Millionen Euro von der Europäischen Union. Ich meine, gut angelegtes Geld. Das Referat Bürgerschaftspolitik bei der Generaldirektion Kommunikation der Europäischen Kommission verwaltet das Programm und koordiniert die aktive Bürgerschaftspolitik. Und da das Programm, wie gesagt, von der Europäischen Kommission verwaltet wird, hat die Landesregierung logischerweise keinen direkten Zugriff auf die Liste der geförderten Projekte.
Aber die Landesregierung unterstützt natürlich selbstverständlich dieses wichtige EU-Programm, das nicht nur gut ist, sondern auch sehr erfolgreich hier in Mecklenburg-Vorpommern praktiziert wird. Ich bedanke mich hier an dieser Stelle ausdrücklich bei allen Akteuren, die dieses Programm durchführen. Insbesondere kommt es darauf an, diese Defizite abzubauen, die wir ja alle immer wieder auch im Alltag wahrnehmen, dass sich die Bürgerinnen und Bürger zu wenig mit Europa identifizieren, oftmals aber auch aus Unkenntnis und aufgrund fehlender Informationen.
Die SPD-Fraktion wird den Antrag der LINKEN ablehnen. Wir sind der Meinung, dass die Landesregierung dieses Programm bisher in vorzüglicher Art und Weise unterstützt
und alle Informationen zur Verfügung gestellt hat. Ich halte es für selbstverständlich, dass die Landesregierung sich dafür einsetzen wird, dass dieses Programm auch in der nächsten EU-Förderperiode fortgesetzt wird. Darüber hinaus halten wir auch die Unterrichtungen zum jetzigen Zeitpunkt nicht für notwendig. Ich halte auch den Termin, der im Antrag steht, aufgrund der noch verbleibenden wenigen Zeit dieser Legislaturperiode für kaum zu realisieren.
(Dr. Armin Jäger, CDU: Genau. – Barbara Borchardt, DIE LINKE: Ach, wir machen doch Gesetzentwürfe in erster Linie!)
insofern einen schönen Gruß von Detlef Müller, unserem Ausschussvorsitzenden, der ja gerade Europapolitik macht und sehr aktiv in Italien mit dem Ausschuss der Regionen weilt.
Ich darf übermitteln, dass der Ausschussvorsitzende selbstverständlich gerne bereit ist, uns im Europa- und Rechtsausschuss zu dem so wichtigen Projekt zu unterrichten und berichten zu lassen. Insofern ist das auch zeitnah sicherlich realistisch.
Es hat jetzt das Wort für die Fraktion der FDP der Abgeordnete Herr Leonhard. Bitte schön, Herr Abgeordneter.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich könnte es mir jetzt so einfach machen, wie mein geschätzter Kollege Dr. Jäger. Wie war das so schön, das hebräische Wort? Joffi!
Insofern will ich auch noch einmal eingehen auf den Antrag. Wenn man von dem vorliegenden Antrag die Feststellungen und die Dankesbekundungen und so weiter weglässt, bleibt eigentlich nur noch der Auftrag an die Landesregierung, den Landtag über die Wirksamkeit des Programms in Mecklenburg-Vorpommern zu unterrichten. Und dies, meine Damen und Herren, hätte man natürlich auch leichter haben können, und zwar im Wege der Selbstbefassung im Ausschuss. Das hat der Kollege auch schon angedeutet. Aus diesem Grund wollen wir diesen Landtagsantrag der LINKEN, wie er hier vorliegt, nicht unterstützen.
Wir fordern Sie auf, bringen Sie die Ziffer 5 Ihres Antrages als eigenständigen Antrag in den Europaausschuss! Auf der Basis der Berichterstattung der Landesregierung könnte man dann über etwaige Schlussfolgerungen diskutieren. Daran würden wir uns auch beteiligen. Den vorliegenden Antrag lehnen wir ab.
Es hat jetzt das Wort für die Fraktion der CDU der Abgeordnete Dr. Jäger. Bitte schön, Herr Abgeordneter.