Nicht akzeptabel ist auch der Umstand, dass es immer noch keinen effektiven Rechtsschutz für abgelehnte Wahlbewerber gibt, der vom Grundgesetz her vorgeschrieben ist. Paragraf 2 Absatz 3 des Artikels 1 des Gesetzentwurfes behält das bei, was sich die gegenwärtige Rechtslage nennt: Ein im von Parteibonzen gelenkten Wahlausschuss nicht zugelassener Kandidat ist darauf verwiesen, die Wahl und die Entscheidung über deren Gültigkeit abzuwarten und dagegen dann in unserer Schneckentempojustiz Instanz um Instanz durchzuklagen. Da ist die Wahlperiode schon lange vorbei und die Sache hängt immer noch im juristischen Nirwana. Es gibt beim Bundesverfassungsgericht noch Wahlbeschwerden aus den 90er-Jahren. Die werden wahrscheinlich irgendwann in den 20er-Jahren dieses Jahrhunderts entschieden.
Fragwürdig ist auch, dass Bürgermeister und Landräte weiterhin Beamte sein sollen. Warum eigentlich? Das lässt sich auch anders regeln. Nur um über den Umweg des Beamtenrechts zusätzliche Wählbarkeitskriterien einführen zu können, mit denen die herrschenden Parteibucharistokraten missbeliebige politische Strömungen ausschalten wollen. Wahlen machen manchen Leuten doch am meisten Spaß ohne Konkurrenz. Dann macht es auch nichts, wenn die Wahlbeteiligung immer weiter absinkt. Warum schreiben Sie nicht gleich das russische Wahlgesetz ab? Dann haben Sie gelenkte Demokratie pur und original.
Mit entsprechend zurechtgeschneiderten Gesetzen kann sich eine undemokratische Clique natürlich an der Macht halten, aber den wirklichen Problemen kann man dadurch nicht entkommen, und auch die sind erstaunlicherweise angesprochen in diesem Gesetzentwurf.
In Artikel 1 Paragraf 12 Absatz 2 heißt es, „das Alter, bis zu dem Wahlberechtigte zur Übernahme von Wahlehrenämtern verpflichtet sind“, werde „entsprechend der Erhöhung der allgemeinen Altersgrenze im öffentlichen Dienst von 65 auf 67 Jahre heraufgesetzt“. Und da haben wir eine der wirklichen Existenzfragen, die demografische Katastrophe, der Bevölkerungszusammenbruch, den Sie als Wandel verharmlosen oder als tolle, spannende Zukunftsherausforderung darstellen.
Mit trickreichen Gesetzesmanövern kann man vielleicht Wahlergebnisse hinbiegen, aber nicht die Folgen einer total verfehlten Politik glattbügeln.
Wenn Basteleien am Wahlrecht ewige Macht garantieren könnten, dann würde Honecker noch grüßen mit seinem Pepita-Hut und Caffier wäre noch in der Ost-CDU.
(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der NPD – Raimund Frank Borrmann, NPD: Da wird sich Gloria aber freuen.)
Herr Abgeordneter Andrejewski, Sie haben eine ganze Reihe von unparlamentarischen Worten in Ihrem Redebeitrag gehabt,
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Im Zusammenhang mit der Novellierung des Landeswahlgesetzes wird immer davon gesprochen, dass wir eine Deregulierung bekommen. Die Frage ist aus meiner Sicht aber vielmehr, für wen hier eigentlich die Deregulierung tatsächlich stattfindet. Bei der Zusammenlegung von Landeswahlgesetz und Kommunalwahlgesetz kommt es aus meiner Sicht nur für einen zu einer Deregulierung, nämlich für uns, das Land. Wenn man sich anschaut, dass zum gegenwärtigen Zeitpunkt das Kommunalwahlgesetz ja ausschließlich für die Kommunen und auf der anderen Seite das Landeswahlgesetz ausschließlich für das Land zuständig sind mit der entsprechenden Landeswahlordnung und für das für die Kommunen mit der entsprechenden Kommunalwahlordnung, dann wird man relativ leicht feststellen, dass das Hinzufügen von Landeswahlordnung und Landeswahlgesetz für die Kommunen in der Handhabung eher sogar schwieriger wird, als dass es eine Deregulierung darstellt. Da muss man überlegen, ob man das dauerhaft will. Aber wenn man das jetzt als Grundlage nimmt, dann nehmen wir das jetzt mal zur Kenntnis.
Wir sollten uns auf Dauer anschauen, und da bitte ich dann auch drauf einzugehen, ich werde das jetzt anreißen, zum Beispiel den Paragrafen 10, die Zusammensetzung der Wahlausschüsse. Ich habe eine etwas andere Sichtweise auf diese Dinge als der Kollege Andrejewski, aber – und das möchte ich hier auch deutlich sagen – die FDP-Fraktion sieht durchaus in der Zusammensetzung der Wahlausschüsse erhebliche Probleme. Denn wenn wir heute die Zusammensetzung danach bestimmen sollen, dass die in der jeweiligen Körperschaft vertretenen Mitglieder entsprechend ihrer Größe in zukünftigen Wahlausschüssen vertreten sein werden, dann führt das zwangsweise dazu, dass die kleineren Parteien letzten Endes rausgedrängt werden.
Ich will darauf aufmerksam machen, dass wir bereits im Bundeswahlrecht an der Stelle eine vollkommen andere Regelung haben, nämlich die, dass die politischen Parteien im Wahlausschuss vertreten sein müssen. Wolfgang Schreiber, Kommentator des entsprechenden Buches zum Bundeswahlrecht, schreibt dazu, dass den politischen Parteien sogar theoretisch ein Anspruch auf Beteiligung entsteht. Man macht das in der heutigen Zeit allein deswegen, dass man sagt, na ja, die Größe wird wohl deswegen so sein und auf die entsprechenden Vertretungen abgekoppelt, weil eine bestimmte Bedeutung
der Parteien zugrunde zu legen ist. Nur, das auf der kommunalen Ebene zu machen, halte ich für durchaus sehr, sehr schwierig.
Ich möchte an der Stelle auch sagen, dass man insbesondere die neuen Gruppierungen, die neuen Wählergruppen letzten Endes damit zumindest in Schwierigkeiten bringt, was ihre Vertretung in den entsprechenden Ausschüssen betrifft. Nur, und das sollte man dann vielleicht einschränkend auch hinzufügen, letzten Endes haben Wahlausschüsse von Amts wegen zu entscheiden und nicht parteipolitisch. An der Stelle muss man dann auch feststellen, dass das regelmäßig der Fall ist. Ich kann mich kaum an Entscheidungen erinnern aus der Vergangenheit heraus, wo politisch entschieden worden ist in Wahlausschüssen.
Nun gut, kommen wir als Nächstes zu der Problematik des Paragrafen 16 Absatz 8, nämlich zu den Scheinkandidaturen: Bei den Scheinkandidaturen können wir heute feststellen, dass das Gesetz letzten Endes das eigentliche Problem auch heute nicht löst. Richtig ist, dass wir alle wohl, ich glaube, parteiübergreifend feststellen, dass die Scheinkandidaturen von hauptamtlichen Bürgermeistern in Städten zu einer Verzerrung des Wahlergebnisses
und damit letzten Endes zu einem, ich sage mal, wenig transparenten Wahlergebnis und vielleicht sogar zu einem falschen Wahlergebnis führen. Denn wenn man sich einfach vorstellt, dass die entsprechenden hauptamtlichen Bürgermeister gegebenenfalls nicht angetreten wären, hätte sich das unter Umständen in eine andere Richtung bewegt.
Ich will das anhand eines Beispiels deutlich machen: Herr Innenminister hatte, glaube ich, von drei gesprochen, nach unserer Rechnung ist es sogar so, dass in der Stadt Sassnitz sieben von elf Mitgliedern der Stadtvertretung aufgrund der Kandidatur des Bürgermeisters in die Stadtvertretung gekommen sind.
In Malchow ist es sogar so, dass es drei von fünf sind. Das regelt sich auch entsprechend der Größe der entsprechenden Vertretung. Wenn wir das Problem beseitigen wollen, dann müssen wir uns letzten Endes die Frage stellen, ob das Instrument, was wir jetzt gewählt haben, das richtige ist. Wir haben die Diskussionen im Vorfeld der Wahlen ja bereits gehabt und auch dieses Mal hatten wir eine große Berichterstattung im Vorfeld der entsprechenden Bürgermeister mit der Fragestellung, ob sie ihr Mandat annehmen oder nicht. Dann hatten wir zum Beispiel im öffentlichen Raum die Diskussion, ob ein Bürgermeister diese Wahl annimmt. Und dann antwortete dieser sinngemäß, er würde das als Abstimmung über sein Mandat empfinden.
Wenn man sich das tatsächlich einmal ernsthaft überlegt, dann muss man sich die Frage stellen, ob man das überhaupt so laufen lassen kann, denn wir haben ja in den Gemeinden die Kontrollfunktion der Stadtvertretung. Wenn er also folgerichtig davon ausgeht, dass es eine Abstimmung über sein Amt ist, wie sollen dann die Stadtvertreter, die aufgrund seines Mandates in die Stadtvertretung gekommen sind, überhaupt noch ihre Kontrollfunktion in dem Umfang wahrnehmen können? Letzten Endes sind sie im Grunde genommen doch an die Kandidatur des Vorgängers gebunden. Und da würde
Mir ist selber klar, dass das Problem mit dem Nachrücken auch verfassungsrechtlich nicht ganz unproblematisch ist, weil man im Grunde genommen ihnen das Wahlrecht im Vorfeld ja dann absprechen müsste. Darüber muss man aber schlicht und einfach auch nachdenken im Interesse der Wahlentscheidung insgesamt, dass der Wähler – und diesen Anspruch hat er verfassungsrechtlich auch – vorher weiß, wen er hier wählt und vor allem wen er auch als Abgeordneten bekommt. Und da muss man schauen, dass man da eine möglichst hohe Trefferquote erreicht.
Weiterhin will ich hinweisen in diesem Zusammenhang auf den Paragrafen 46, nämlich der Fragestellung des Nachrückens in kommunale Vertretungen. Auch hier möchte ich anregen, dass die jetzige Regelung deutlich verändert wird. Denn wir haben im Moment die Situation, dass Vertreter, die parteilos sind und für Parteien antreten, zum gegenwärtigen Zeitpunkt als Nachrücker überhaupt keine Probleme haben, während diejenigen, die unter Umständen nachrücken, aber Mitglied einer Partei sind und im Anschluss an die Wahl aus der Partei ausscheiden, jetzt nicht mehr nachrücken dürfen.
Das halte ich persönlich, das will ich ganz offen sagen, für höchst problematisch, denn der Wahlakt ist zum Zeitpunkt der Wahl beendet. Der Wähler hat also entschieden, wer nachrücken sollte und wer nicht, und nicht irgendjemand anderes, und schon gar nicht der Gesetzgeber per Gesetz. Das ist schlicht und einfach problematisch an der Stelle, das muss man auch ganz offen sagen. Es ist natürlich so, welchen Unterschied macht es, ob jemand aus der Partei austritt oder nicht, insbesondere für das Nachrücken? Es gibt überhaupt keinen Unterschied. Und an der Stelle muss man deutlich die Frage aufwerfen, ob das so gewollt ist.
Wie gesagt, auch das kann ich ankündigen, für unsere Fraktion werden wir zumindest versuchen, diese Regelung zu beheben. Ich will das auch vor dem Hintergrund, weil jetzt hier so ein Kopfschütteln im Raum ist, an der Stelle vielleicht noch mal etwas deutlicher machen: Wenn wir die Wählergemeinschaften haben, deren Mitglieder antreten, dann gibt es beim Nachrücken, ob sie Mitglied der Wählergemeinschaft sind oder nicht, überhaupt keine Unterschiede. Es ist völlig egal, was mit den Nachrückern dort passiert. Bei Parteien ist das anders. Und da muss man die Frage stellen: Welchen Nachteil haben ehemalige Mitglieder der Partei, wenn sie nicht mehr nachrücken? Und aus welchem Grund dürfen sie nicht mehr nachrücken? Das ist schlicht und einfach nicht haltbar. Nun gut, auch das werden wir sehen.
Der nächste Punkt ist der Paragraf 66 mit der Fragestellung nach der Erklärung über die Mitgliedschaft in der Staatssicherheit. Dieser Paragraf regelt, zumindest so, wie er jetzt formuliert wird – auch da würde ich Herrn Ritter vollkommen unterstützen –, dass im Anschluss an den 31.12.2011 das Problem auftritt, dass wir de facto diese Fragestellung nicht mehr haben. Und man muss die Frage stellen, das ist ja hier im Vorfeld mehrfach diskutiert worden, ob es letzten Endes aus Sicht der jetzigen Koalition und der vielleicht dann folgenden anderen überhaupt gewollt ist. Wir halten daran fest. Nur, wenn wir erkennen können, dass das Stasiunterlagengesetz
möglicherweise ausläuft, dann muss man überlegen, ob das nach jetzigem Recht so vielleicht fortgeschrieben werden soll. Da könnte man ja auch eine Initiative starten, dass man das Stasiunterlagengesetz dann in seiner Laufzeit verlängert. Auch das könnte man im Landtag machen und so weiter und so fort. Allerdings erinnere ich mich noch an Diskussionen, die hier genau in die entgegengesetzte Richtung gingen. Und deshalb wird meine Fraktion natürlich im Innenausschuss dort entsprechend Änderungen vorschlagen,
Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe damit die Aussprache und wir kommen zur Abstimmung.
Der Ältestenrat schlägt vor, den Gesetzentwurf der Landesregierung auf Drucksache 5/3568 zur federführenden Beratung an den Innenausschuss und zur Mitberatung an den Europa- und Rechtsausschuss zu überweisen. Wer stimmt für diesen Überweisungsvorschlag? – Danke schön. Die Gegenprobe. – Danke. Stimmenthaltungen? – Damit ist der Überweisungsvorschlag bei Zustimmung durch die Fraktion der SPD, der CDU, der LINKEN und der FDP bei Gegenstimmen durch die Fraktion der NPD angenommen.
Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 9: Beschlussempfehlung und Bericht des Petitionsausschusses gemäß § 10 Absatz 2 des Gesetzes zur Behandlung von Vorschlägen, Bitten und Beschwerden der Bürger sowie über den Bürgerbeauftragten des Landes MecklenburgVorpommern, Drucksache 5/3593.
Beschlussempfehlung und Bericht des Petitionsausschusses gemäß § 10 Absatz 2 des Gesetzes zur Behandlung von Vorschlägen, Bitten und Beschwerden der Bürger sowie über den Bürgerbeauftragten des Landes Mecklenburg-Vorpommern (Petitions- und Bürgerbeauftragtengesetz – PetBüG M-V) – Drucksache 5/3593 –
Das Wort zur Berichterstattung hat die Vorsitzende des Petitionsausschusses Frau Borchardt. Bitte schön, Frau Abgeordnete, Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auf der Drucksache 5/3593 legt Ihnen der Petitionsausschuss noch vor unserer Sommerpause die dritte Beschlussempfehlung in Form einer Sammelübersicht vor. Dies ist vor dem Hintergrund, dass dem Landtag im gesamten Jahr 2009 nur drei Beschlussempfehlungen zugeleitet wurden, nach meiner Einschätzung schon beachtlich.
Mit dieser Beschlussempfehlung wird der Landtag um seine Zustimmung zum Abschluss von insgesamt 127 Eingaben von Bürgerinnen und Bürgern gebeten. Der Petitionsausschuss empfiehlt zu 97 Petitionen einen Sachbeschluss, 5 Eingaben sollen an den Deutschen Bundestag und eine weitere an den Landtag von Schleswig-Holstein als für deren Bearbeitung zuständige Stellen weitergeleitet werden. Zudem wird dem Landtag in Bezug auf die in der Anlage 1 der Ihnen vorliegenden Sammelübersicht enthaltenen 24 Fälle empfohlen, von der Behandlung der Eingabe abzusehen. Die in diesen Eingaben dargelegten Begehren können durch den
Landtag unter anderem deshalb nicht bearbeitet werden, weil dies einen Eingriff in das Grundrecht der Rundfunk- und Pressefreiheit beinhalten würde oder aber die Petenten eine Einflussnahme auf unternehmerische Entscheidungen von Privatleuten wünschen.
Der Petitionsausschuss hat zu vier Petitionen den Beschluss gefasst, diese der Landesregierung zu überweisen. In zwei Fällen sollen die Eingaben zudem an die Fraktionen des Landtages übergeben werden.