Wir alle wissen aber, dass der Gesetzestext das eine und das tägliche Leben oft etwas anderes ist. Deshalb muss das Engagement der Landespolitik auch darin erkennbar sein, dass die Gleichstellung der Lebensentwürfe umfassend zu fördern ist. Und da besteht gerade auf der kommunalen Ebene ein immenser Bedarf. Bis zum heutigen Tage müssen wir gerade auf dem flachen Land erleben, dass Schwule und Lesben eben keine gleichwertigen Teilhaber dieser Gesellschaft sind. Sicher wurde in den letzten Jahren viel an Vorurteilen abgebaut und wir erleben heute einen offeneren Umgang mit dem Thema, als es in früheren Generationen der Fall war, aber trotzdem sind Klischees und Vorurteile nur sehr, sehr langsam abzubauen.
Ich bin mir ganz sicher, dass sich auch heute noch – und mögen sich die Betreffenden nach außen noch so tolerant geben – viele Menschen eben noch nicht damit abgefunden haben, dass Homosexualität so normal ist wie alles andere auch. Denn wie kann es sonst sein, dass gerade im kindlichen Sprachgebrauch Bilder auftauchen, die schwule Männer und lesbische Frauen abwerten und oft noch eine Kopplung mit anderen Kraftausdrücken diese Abwertung zusätzlich verstärkt?
Nun könnte man ja sagen, das sind alles nur Kindersprüche. Aber hier gilt wohl eher, dass die Kinder das aussprechen, was sie im Elternhaus oder an anderen Stellen aufnehmen. Ich möchte diese Begriffe und abwertenden Bilder hier nicht benennen, weil sie die Würde des Hauses verletzen. Aber lassen Sie bitte alle einmal kurz für sich in Ihrem Gedächtnis Revue passieren, was jeder Einzelne von Ihnen in dieser Hinsicht schon einmal selbst erlebt oder gehört hat. Kennt nicht ein jeder die Schimpfwörter und sind sie uns nicht schon einmal allen irgendwo irgendwann begegnet?
Trotzdem bin ich der Meinung, dass wir in dieser Frage gesellschaftlich insgesamt auf einem guten Weg sind. Ein großer Unterschied bleibt allerdings, wann wir die Konsequenzen der unterschiedlichen Lebensbilder diskutieren, wenn es also um die Familie geht. Aus konservativer Sicht wurde ein Argument so stark wie kein anderes in der ablehnenden Haltung gegenüber dem Lebenspartnerschaftsgesetz in die Diskussion gebracht, die Angst vor der Gleichsetzung der Ehe mit der eingetragenen Partnerschaft. Nicht umsonst nannte man die gleichgeschlechtliche Partnerschaft auch Homoehe und bediente dabei den oberflächlichen Gleichsetzungsgedanken. Von wirklicher
Gleichsetzung sind wir aber in der Bundesrepublik in Wirklichkeit noch weit, weit entfernt. Das hat selbst das Bundesverfassungsgericht bei der Abweisung der Klage aus Bayern und Sachsen ausgeführt, als es feststellte, dass das nötige Differenzierungs- und Abstandsgebot zur Institution Ehe gegeben ist. Die unterschiedlichen politischen Sichtweisen sind erkennbar, wenn Ehe und Familie immer nur an das Bild von Mann und Frau gebunden sind.
Als Lorenz Caffier am 28.06.2001 für die CDU hier im Landtag das Landesaktionsprogramm zur Verbesserung der Teilhabe von gleichgeschlechtlichen Partnerschaften ablehnte, machte er dies an der fehlenden Grundeinstellung zu Ehe und Familie bei der Regierungskoalition fest. Und immer wieder wurde dann seitens der Union in Bund und Land die Kritik geäußert, dass eine unzulässige Gleichsetzung der Ehe zwischen Mann und Frau mit anderen Lebensformen vorgenommen werden soll, eine Gleichsetzung also, die nachweislich gar nicht besteht.
Gerade auch vor diesem Hintergrund war ich äußerst gespannt auf die heutige Debatte. Herr Glawe hat ja zumindest gesagt, er freut sich, wenn die Regierung hier das Heft des Handelns übernimmt, und ich hoffe, dass vielleicht auch in dieser Hinsicht die CDU auf dem Weg der Besserung ist. Ich wünsche Ihnen dabei auf jeden Fall Erfolg.
Sehr geehrte Damen und Herren, lassen Sie mich bitte abschließend kurz deutlich machen, was die politische Wertung des heutigen Antrages aus Sicht der PDS ausmacht. Mit dem Landespartnerschaftsgesetz, das noch vor dem 02.12. verabschiedet werden muss, gehen wir einen späten Schritt in die richtige Richtung. Weitere Schritte sind bereits jetzt absehbar und ich kann es nur bedauern, dass wir in diesem Prozess noch nicht weiter sind. Bedauern deshalb, weil ich davon überzeugt bin, dass es dem Land besser zu Gesicht stünde, Vorreiter einer wirklichen Gleichstellung aller Lebensformen zu sein.
Jeder Mensch muss so akzeptiert werden, wie er ist. Die Vermittlung von Familienbildern des Gestern kann nicht das Handeln des Heute bestimmen. Schwule und Lesben sind ein ganz normaler Bestandteil des Lebens. Sie wollen weder bevorzugt noch durch gängige Klischees in eine Ecke gedrängt werden. Und weil dieser Prozess nicht von alleine Fahrt aufnimmt, muss es beispielsweise politische Akteure geben, die die Entwicklung fördern. Die Regenbogenfahne, bekanntlich das Symbol der Schwulen und Lesben, hat viele, viele Farben und in anderen Regionen dieser Bundesrepublik Deutschland sind vielleicht die Farben Grün oder Gelb ein bisschen stärker ausgeprägt. Bei uns im Nordosten wird es künftig wieder ein kräftiges Rot, quasi ein Dunkelrot sein, das diese Interessen engagiert vertreten will. – Danke.
Die Fraktion der SPD hat ihre Wortmeldung zurückgezogen, so dass mir keine Wortmeldungen mehr vorliegen und wir damit am Ende der Debatte sind. Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktionen der SPD und PDS auf Drucksache 4/260. Wer dem vorliegenden Antrag zustimmen möchte, den bitte
ich um das Handzeichen. – Danke schön. Die Gegenprobe. – Stimmenthaltungen? – Danke schön. Damit ist bei Zustimmung der Fraktionen der SPD und PDS, bei Stimmenthaltung der Fraktion der CDU der Antrag der Fraktionen der SPD und PDS auf Drucksache 4/260 angenommen.
Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 19: Beratung des Antrages der Fraktion der CDU – Die Ich-AG – Existenzgründung oder Substitution, Drucksache 4/266.
Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Herr Timm von der Fraktion der CDU. Bitte schön, Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort zur Einbringung.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ihre Raucherpause bekommen Sie gleich, denn es wird wohl heute nicht mehr so sehr lange dauern.
Die Arbeitslosenquote in Mecklenburg-Vorpommern hat Anfang des Jahres 2003 traurige Rekorde gebrochen. Daher ist die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit eines der Hauptanliegen aller Fraktionen dieses Hauses. So wurde die Umsetzung der Pläne der Hartz-Kommission von der Bundesregierung im Wahlkampf als uneingeschränktes Wundermittel gegen die Massenarbeitslosigkeit verkauft.
Einer der ersten Schritte sind die Regelungen zur so genannten Ich-AG, der die staatlich geförderte Überführung von Arbeitslosen in die Selbständigkeit zum Zweck hat. Doch schon die Diskussionen im Entstehungsprozess des Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt haben dem Osten und insbesondere Mecklenburg-Vorpommern wenig Hoffnung beschert.
Meine Damen und Herren, so ist es auch kein Wunder, dass sich sofort begründete Zweifel an der Wirksamkeit dieses arbeitsmarktpolitischen Instrumentes der Ich- oder auch, wie oft genannt, der Familien-AG einstellten. Zum einen sind es die üblichen Anlaufschwierigkeiten. Die Information der Arbeitsämter und besonders der Arbeitslosen dauert seine Zeit. Hierzu konnten wir interessante Informationen im Arbeitsamt Stralsund erhalten, die das bestätigten.
Meine Damen und Herren, gravierender sind die grundsätzlichen Bedenken gegen die Ich-AG. Es werden subventionierte Kleinstunternehmen gegründet, die dem freien Wettbewerb nicht dienlich sind und möglicherweise zu neuen Insolvenzen und damit zu neuer Arbeitslosigkeit in den entsprechenden Branchen führen.
Meine Damen und Herren, und um genau diese Bedenken möglicherweise entkräften zu können oder eine Bestätigung dieser Behauptung zu erhalten, ist ein stetiger Bericht in der eingeforderten Form meiner Meinung nach notwendig, denn eine einfache Statistik über die Anzahl der Ich- oder Familien-AGs würde keinesfalls darstellen können, ob es sich um eine exakte Existenzgründung handelt oder aber, ob bestehende Arbeitsplätze durch staatlich geförderte Scheinselbständigkeit substituiert werden, so, wie es aus den in der Wirtschaft
Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von bis 45 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.
Als Erstes hat das Wort der Minister für Arbeit, Bau und Landesentwicklung Herr Holter. Bitte schön, Herr Minister, Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ja, mancher der Arbeitslosen steht vor der Frage, warten auf eine Vermittlung durch das Arbeitsamt oder reagieren auf eine Anzeige in einer Zeitung, um eine Stelle zu bekommen, oder in der Tat sich selbständig zu machen. Fakt ist, wer sich selbständig machen will, der hat Mut. Und einen solchen Mut gilt es zu unterstützen. Das tut das Land Mecklenburg-Vorpommern, auch konkret das Arbeitsministerium. Wir haben in den letzten Jahren, und zwar 1999 bis 2002, 7.600 Menschen bei diesem Mut unterstützt mit 27 Millionen Euro. Sie sind in die Existenz, in die Selbständigkeit gegangen. Im Vorzeitraum 1995 bis 1998 waren es 3.200 Personen, die sich selbständig gemacht haben und über diesen Weg unterstützt wurden. Also in dieser Koalition ist es gelungen, diese Anzahl zu verdoppeln.
Tatsache bleibt aber, dass wir in Mecklenburg-Vorpommern im Vergleich und im Bundestrend zu wenig Selbständige haben, also uns im Schlussfeld befinden. Deswegen gilt es aufzuholen und das Aufholen beginnt bekanntlicherweise in den Köpfen. Ich habe mehrfach darüber gesprochen, dass es darum geht, einen neuen Unternehmergeist, eine andere Unternehmerkultur in Mecklenburg-Vorpommern zu entwickeln und auch einen Stolz auf den Unternehmer, auf die Unternehmerschaft in Mecklenburg-Vorpommern auszuprägen. Dazu soll die Initiative, die ja aus dem Europäischen Sozialfonds gefördert wird, „Einfach anfangen“ einen Beitrag leisten. Hier geht es tatsächlich darum, aus dem Politikfeld der Förderung des Unternehmergeistes Mittel da einzusetzen, wo sie richtig angelegt sind, genau diese Kulturen, diesen Geist zu befördern und nicht, wie auch von Herrn Rehberg gefordert wird, diese Mittel anderswo einzusetzen. Wer das fordert, handelt in Rechtsunkenntnis und fordert mich zum Rechtsbruch auf.
(Harry Glawe, CDU: Wir sollten doch das Arbeitsministerium ins Wirtschafts- ministerium legen. Das wäre besser.)
Das ist eine Debatte, die ich jetzt hier nicht führen will. Ich sage nur eins: Angesichts von 201.000 Arbeitslosen, die Sie gestern beklagt haben, ist ein selbständiges Arbeitsministerium notwendig in diesem Land und notwendiger denn je.
Ich habe es gestern zu dem Arbeitsmarkt- und Strukturentwicklungsprogramm schon mal gesagt, dieses Arbeitsmarkt- und Strukturentwicklungsprogramm ist gemeinsam mit der Unternehmerschaft und der Gewerkschaft von Mecklenburg-Vorpommern erarbeitet worden und niemand protestiert gegen dieses Programm.
(Harry Glawe, CDU: Aber erst haben Sie das AQMV fortgeschrieben und haben hinterher festgestellt, dass Sie das AMP ändern müssen. Das war nämlich schon der Vorfehler.)
Das sind wieder falsche Tatsachen, die Sie behaupten, Herr Glawe! Das ist eine Debatte, die nichts bringt. Wir reden jetzt über Existenzgründungen.
Wir wollen mal zum Thema reden. Bei Existenzgründungen gibt es verschiedene Instrumente, die sowohl beim Wirtschaftsminister angesiedelt sind, die bei mir angesiedelt sind, die aber auch bei den Arbeitsämtern angesiedelt sind. Und jetzt gibt es ein neues Instrument.
Herr Timm, zur Ich-AG, über die Sie hier kurz gesprochen haben. Die Fördermodalitäten setze ich als bekannt voraus, die will ich hier nicht erläutern. Aber eins ist entscheidend: Weder das Land Mecklenburg-Vorpommern noch ein anderes Bundesland hat hier irgendeine Zuständigkeit, weder bei der Umsetzung noch bei der statistischen Erfassung. Erfasst werden statistische Angaben bei den Arbeitsämtern, und zwar wie viel Ich-AGs oder Familien-AGs sich gegründet haben, wie viel Zuschüsse gezahlt wurden, ob das Männer oder Frauen waren, die sich gegründet haben, und ob die Personen jünger als 25 Jahre sind oder älter als 50 Jahre. Das ist alles, was bei den Arbeitsämtern dazu erfasst wird, mehr werden wir auch nicht erfahren können.
Natürlich, und da bin ich bei Ihnen, Herr Timm, teile auch ich Ihre Einwände und Ihre Skepsis, was die Ich-AG als solches betrifft. Ich hatte ja gestern schon darüber gesprochen, dass wir am Dienstag in der Fraktion einen Abend mit Handwerkern hatten, wo wir genau diese Bedenken diskutiert haben, weil selbstverständlich Handwerker die Sorge haben, dass über die Ich-AGs ihnen Aufträge weggenommen werden und damit das Handwerk in zusätzliche Schwierigkeiten kommt. Und ein Gründungswilliger, der aus der Arbeitslosigkeit kommt, hat jetzt mit den Ich-AGs die Wahl, entweder das Instrument Ich-AG zu wählen oder eben die Überbrückung zur Unterstützung der Arbeitsämter, die ein halbes Jahr gezahlt wird, in Anspruch zu nehmen. Es gibt Unterschiede zu den Förderinstrumenten, die die Landesregierung hat, wie gesagt beim Wirtschaftsminister und bei mir, und diese halbjährigen Unterstützungen des Arbeitsamtes und der Ich-AG.
Das ist eben das, wo die Bedenken beginnen, dass bei Ich-AGs kein Unternehmenskonzept notwendig ist, dass die Krankenkassen und die Rentenkasse aus dieser Förderung zu finanzieren sind, aber insgesamt dieser Prozess unbürokratisch eröffnet wird und damit durchaus ein Mittel zur Verlängerung von Schwarzarbeit und illegaler Beschäftigung sein kann.
Wir in Mecklenburg-Vorpommern – und da, glaube ich, kann ich auch im Namen von Herrn Ebnet sprechen – setzen bei Existenzgründungen auf Nachhaltigkeit. Und so
habe ich übrigens Ihr Plädoyer auch immer verstanden, dass es darum geht, Existenzgründungen, Unternehmensgründungen zu unterstützen, ob es nun Kleinstunternehmen sind oder größere Unternehmen. Hier, glaube ich, sind eben die Fragen berechtigt, die aufgeworfen werden, und wir sollten gemeinsam dieses Hartz-Modell begleiten und beobachten, welche Effekte es ganz konkret bringt. In der Endkonsequenz, glaube ich, ist es wichtig, dass wir auf tragfähige Vollexistenzen setzen. Und mein Ziel ist es, tatsächlich nachhaltige Existenzgründungen zu unterstützen.
Die Existenzgründerinitiative „Einfach anfangen“ findet großes Interesse. Das Gründertelefon als Anlaufstelle für diese Initiative erfährt einen nachhaltigen Zuspruch. Immerhin haben vom 10. September vergangenen Jahres bis zum 5. März diesen Jahres 5.200 Menschen dort angerufen und haben sich mit Unterstützung von 80 verschiedenen Institutionen auf eine Existenzgründung vorbereiten können beziehungsweise bereiten sich vor. Es werden monatlich 10.000 Internetbesuche verzeichnet auf unserem Gründerportal.