Protocol of the Session on March 13, 2003

Die Existenzgründerinitiative „Einfach anfangen“ findet großes Interesse. Das Gründertelefon als Anlaufstelle für diese Initiative erfährt einen nachhaltigen Zuspruch. Immerhin haben vom 10. September vergangenen Jahres bis zum 5. März diesen Jahres 5.200 Menschen dort angerufen und haben sich mit Unterstützung von 80 verschiedenen Institutionen auf eine Existenzgründung vorbereiten können beziehungsweise bereiten sich vor. Es werden monatlich 10.000 Internetbesuche verzeichnet auf unserem Gründerportal.

Ich meine, es geht bei der Existenzgründerberatung und -unterstützung immer um zwei Dinge, und da haben wir eine doppelte Verantwortung: Erstens auch einen Existenzgründer auf seine Nachhaltigkeit und sein Unternehmenskonzept tatsächlich abzuchecken, abzuklopfen, und zweitens haben wir eine soziale Verantwortung, Existenzgründungen, die nicht nachhaltig sind, nicht zuzulassen und davon abzuraten. Ich glaube, das gehört dazu. Das ist aus der sozialen und auch der wirtschaftlich-politischen Verantwortung nur gerechtfertigt.

Darüber hinaus sind wir uns, bin ich mir mit dem Wirtschaftsminister vollkommen einig, dass wir keine Existenzgründung unterstützen, bei der es keinen Markt in Mecklenburg-Vorpommern gibt. Auch das wäre kontraproduktiv und hier sei noch einmal damit bewiesen, dass wir sehr wohl das Prinzip der Nachhaltigkeit in den Mittelpunkt der Existenzgründungen stellen.

Es gibt darüber hinaus, weil gestern gefragt wurde, was denn so getan werde, viele Maßnahmen, die dazu beitragen, Existenzgründerinnen und Existenzgründer zu unterstützen, so beispielsweise das Programm „Enterprise“, welches junge Exstenzgründer unterstützt, den viel gelobten Jobmotor in ländlichen Räumen, in Biosphärenreservaten oder auch die ganz konkreten Maßnahmen an Universitäten und Fachhochschulen sowie in den Existenzgründerbüros.

Ich hatte zu Anfang gesagt, meine Damen und Herren, wer sich selbständig macht, eine Existenz gründen will, braucht Mut. Aber er braucht nicht nur den Mut, diesen ersten Schritt zu tun, er braucht auch Ausdauer und Hartnäckigkeit, den schweren Weg der Existenzgründung zu gehen, gepaart mit einem Stück Leidenschaft. Und dabei sollten wir – und Herr Born hat ja ausführlich darüber gesprochen –, sollten Sie als Parlament und wir aus der Regierung diese mutigen Menschen mit Leidenschaft tatsächlich unterstützen. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der PDS und Thomas Schwarz, SPD)

Danke schön, Herr Minister.

Als Nächstes hat das Wort der Abgeordnete Herr Mohr für die Fraktion der SPD. Bitte schön, Herr Abgeordneter.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zunächst erlauben Sie mir den Hinweis darauf, dass das neue Arbeitsförderinstrument der Ich-AG im SGB III geregelt ist. Zuständig für die Handhabung dieses Instruments ist natürlich nicht die Landesregierung, sondern die Bundesanstalt für Arbeit in Nürnberg. Dies nur noch mal zur Kenntnis. Insofern dürfte der vorliegende Antrag hier an die falsche Adresse gerichtet sein, wie ich meine.

Wie bislang bekannt geworden ist, sind hier in Mecklenburg-Vorpommern bis heute 150 Ich-AGs bewilligt worden. Das ist gewiss ein Anfang, aber zurzeit natürlich noch nicht viel, noch nicht ausreichende Qualität und vor allem Quantität dieser Modelle. Das muss man heute sicherlich konstatieren.

Ich möchte aber noch einmal darauf hinweisen und zurückkommen auf das, was ich gestern in meiner Rede gesagt habe und versucht habe deutlich zu machen. Das Hartz-Konzept beinhaltet ja eine ganze Palette von verschiedenen Arbeitsförderinstrumenten, von verschiedenen Modulen. Vor dem Hintergrund, meine ich, macht es jetzt auch keinen Sinn, hier ein einzelnes Modul, einen einzelnen Aspekt isoliert herauszugreifen, herauszutrennen und diesbezüglich ein umfassendes Berichtswesen anzumahnen und einzufordern. Das kann hier nicht Sinn der Sache sein. Ich denke, vielmehr wäre hier vernünftig, eine Gesamtschau aller Module, eine Gesamtschau aller Instrumente zu machen und in die Wege zu leiten und dazu ist natürlich auch, das habe ich gestern angedeutet, sicherlich noch Zeit erforderlich, wenn man hier verlässliche Daten und vor allem eine vernünftige Analyse der Wirksamkeit der Hartz-Instrumente erhalten will.

Wenn ich gesagt habe, das dauert noch Zeit oder nimmt sicherlich Zeit in Anspruch, dann, so denke ich, müssen wir auch gucken, dass wir nach Spielräumen suchen. Wir müssen also gucken, wo können wir denn hier oder da gegebenenfalls Nektar oder noch mehr Nektar aus dem einen oder anderen Instrument saugen, zum Beispiel, indem wir es durch eine landespolitische Initiative oder Maßnahme ergänzen oder landespolitisch tätig werden, um das eine oder andere Instrument zu unterfüttern, zu unterlegen. Wir müssen gucken, wo und wie gegebenenfalls die Effizienz der einzelnen Hartz-Instrumente gesteigert werden kann.

(Präsidentin Sylvia Bretschneider übernimmt den Vorsitz.)

Ich denke, diese Überlegungen haben wir anzustellen und in dem Zusammenhang ist hier eher Kreativität gefragt als vorzeitiges Miesmachen. Insofern noch einmal zur Abrundung zusammenfassend gesagt: Ich denke, eine vernünftige Zwischenbilanz, eine vernünftige Analyse werden wir frühestens im nächsten Jahr erstellen können, dann nämlich, wenn tatsächlich alle Instrumente eingesetzt beziehungsweise alle Aspekte des Hartz-Konzeptes umgesetzt worden sind. Deswegen kann ich hier und heute nur für die Ablehnung des Antrages plädieren. – Vielen Dank.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD)

Vielen Dank, Herr Mohr.

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Frau Strenz von der CDU-Fraktion.

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!

Verehrter Herr Kollege Mohr! Sie wollten eine umfassende Gesamtschau der Instrumente von uns. Nun sind wir ins Detail gegangen. Umgekehrt hätten wir von Ihnen das Gleiche gehört. Man kann es Ihnen überhaupt nicht recht machen. Also ich bin jetzt wirklich fast ein bisschen amüsiert. Gehen wir ins Detail, wollen Sie die Gesamtschau. Gehen wir in die Gesamtschau, wollen Sie das Detail. Also wie man es macht, ist es falsch.

Fangen wir an: Ich-AG 2002, das Unwort des Jahres. Wir haben heute hier auch schon ein paar Unworte gehört. Meine Damen und Herren, eine reine Statistik über die Anzahl der so genannten Ich-AGs lässt sich ja aus der Tagespresse entnehmen und am Ende dieses Monats wird die Bundesanstalt für Arbeit ebenfalls eine aktuelle Statistik aufstellen. Doch diese Hinterfragung von puren Zahlen ist nicht Kernanliegen unseres Antrages, das ist Ihnen ja aufgegangen. Die Hauptintention ist entschieden vielschichtiger. Selbst die Wirtschaft ist beim Thema IchAG geteilter Meinung. Als positiv ließe sich betrachten, dass die Förderung Mut zur Selbständigkeit macht, denn keine Schlagzeile liest sich besser, als „Jetzt bin ich meine eigene Chefin.“ Es lässt sich ebenfalls nicht abstreiten, dass es eine minimale Hoffnung darauf gibt, den einen oder anderen vielleicht aus der Schwarzarbeit in eine legale, aber subventionierte legale Beschäftigung überführen zu können.

Die Wirtschaft, und dies gilt auch für die CDU-Fraktion, sieht einen Teil der zu erwartenden neuen Ich-AGs mit ihrem Betätigungsfeld als Scheinunternehmen, die an der Grenze der Wettbewerbsverzerrung tätig sein werden. Es liegt doch auf der Hand, dass ein Ich-Aktionär mit staatlichen Zuschüssen rentabler arbeiten kann als ein Handwerker, der sich auf dem freien Markt Tag für Tag seine Stellung – weiß Gott! – schwer erkämpfen muss.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Eckhardt Rehberg, CDU: Richtig.)

Meine Damen und Herren, die Furcht vor der neuen Konkurrenz ist daher gerade im Handwerk besonders groß und natürlich auch verständlich. Wie würden Sie reagieren, wenn Ihr Nachbar subventioniert die gleiche Dienstleistung sehr viel günstiger anbieten könnte als Sie?

(Angelika Gramkow, PDS: Ja.)

Sie stimmen mir zu?

(Angelika Gramkow, PDS: Frau Strenz, Sie haben Recht.)

Ist das Wettbewerbsverzerrung? Es ist Wettbewerbsverzerrung.

Die einzelnen Punkte im Hartz-Konzept schienen für manche wie ein Strohhalm, die Rettung vor dem Untergang. Und nun wird es für die wenigen, die Hoffnung hatten, zum Damoklesschwert. Daher ist es wohl angebracht, die große Existenzgründer-Euphoriewelle etwas zu brechen und mit dem Thema Ich-AG zu beginnen und es auch nüchterner und sachlicher zu betrachten, um auch den Sorgen und Ängsten der kleinen Unternehmen hier Rechnung zu tragen.

Aus unserer Sicht, und damit wollen wir nicht den Teufel an die Wand malen, öffnen sich mit dem Gebilde der

Ich-AG der Scheinselbständigkeit Tür und Tor. Ich möchte das auch begründen. So könnte in einem Dachdeckerbetrieb der Inhaber seine Angestellten entlassen, um sie später als staatlich geförderte Subunternehmer wieder im eigenen Unternehmen zu beschäftigen – völlig ohne Problem.

(Eckhardt Rehberg, CDU: Richtig.)

Das wären faule Deals, um dieselbe Arbeit jetzt unter anderen, für ihn sicher komfortableren Umständen fortzusetzen. Der Unterschied ist folgender: Jetzt kann der ehemalige Arbeitgeber Versicherungsbeiträge sparen und zudem noch seine Leistungen zu niedrigen Preisen anbieten. Ob das gewollt ist? Ich glaube Nein. Nürnberger Forscher gehen von maximal 40.000 Ich-AGs bundesweit aus, die entstehen könnten, und bestätigen allerdings auch eine erhebliche Anzahl von Verdrängungs- und Mitnahmeeffekten. Genau dies gilt es zu be- oder aber zu entkräften.

In unserem Land, in Mecklenburg-Vorpommern, haben wir zwar im Bundesdurchschnitt – und Sie haben es gesagt, Herr Minister Holter – die niedrigste Selbständigenquote. Sie aber durch Mitnahmeeffekte aus Mitteln der Arbeitslosenversicherung aufzubauschen kann aus unserer Sicht nicht der richtige Weg sein. Bedenken und Zweifel, im schlimmsten Fall die Gewissheit, dass das Projekt Ich-AG scheitert und zudem wohl erhebliche negative Auswirkungen auf unsere eh angeschlagene Selbständigenlandschaft hat, müssen zwangsläufig die Forderung ergeben, eine halbjährige Information darüber zu erhalten.

Nun haben wir es heute schon sehr oft im Saal hier in diesem Haus gehört – Sie haben es ähnlich ausgedrückt –, Sie mögen sich fragen, warum auch hier nicht eine Kleine Anfrage, oder uns damit zufrieden geben, was Sie uns sagten. Per Telefonanruf bekommt man diese oder jene Information. Ich will es Ihnen erklären, warum wir das in der Form des Antrages händeln: Wir wollen aus einer Holschuld eine verstetigte Bringschuld machen und wir wollen verhindern, dass wir keine Antworten bekommen, und genauso war es eben gerade. Aufzeichnungen dazu existieren nicht. Wir wollen genau das mit diesem Antrag vermeiden.

Ich wollte Sie eigentlich auffordern, sich die Mühe zu machen, einmal anzurufen beim Landesarbeitsamt Nord. Sie haben das ja getan. Jetzt bin ich hoch erstaunt, denn das zeigt ja schon, dass man wahrscheinlich dann, wenn man einen sehr kompetenten Minister vor sich hat, mehr Informationen herausgibt, als wenn nur ein Landtagsabgeordneter anruft, denn ich habe es getan. Und die einzige Information, die ich bekommen habe, war: 120 IchAGs im Lande, darunter 55 Frauen. Eine davon ist jetzt ihre eigene Chefin. Neubrandenburg 13 Ich-AGs, Rostock 42, Schwerin 48, Stralsund 17. Und mehr Informationen – Fehlanzeige.

Es ist von großem Interesse und notwendig zu erfahren, wie sich die Anzahl der Ich- beziehungsweise FamilienAGs im Zusammenhang mit den demographischen Angaben erstellt, welche Arbeitslosenbiografien die Gründe einer Ich-AG hatten oder ob sie tatsächlich kurz zuvor möglicherweise vor ihrer Arbeitslosigkeit noch in einem Unternehmen gleicher oder ähnlicher Branche tätig waren. Das Ergebnis dieses Antrages, so Sie alle diesem zustimmen und das hoffe ich sehr, ist die Erstellung einer Datensammlung nach den einzelnen Antragseckpunkten

und wird uns allen hier Aufschluss geben über Sinn oder Unsinn der Ich-AG. Dies sollte das Interesse aller Abgeordneten in diesem Hause sein. Und die Erkenntnisse, die wir daraus gewinnen werden, geben der Regierung dann Klarheit im Handeln, und dies ist in jedem Falle das Gebot der Stunde. Ich bin der Meinung, mehr muss man dazu nicht ausführen, diesen Antrag kann man einfach nicht ablehnen. – Danke.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Vielen Dank, Frau Strenz.

Das Wort hat die Abgeordnete der PDS-Fraktion Frau Lück.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Landesregierung verfügt nicht über die von der CDU geforderten Zahlen. Die Förderung der Ich-AGs ist ein Instrument der aktiven Arbeitsmarktpolitik in Verantwortung der Bundesanstalt für Arbeit. Das Land stellt auch keine Komplementärfinanzierung zur Verfügung, da dies nicht vorgesehen oder gefordert ist, so dass dieser gesamte Prozess durch die Verwaltung der Bundesanstalt für Arbeit organisiert und auch verwaltet wird. Die PDS-Fraktion lehnt daher Ihren Antrag ab.

In ihrer Begründung beziehen sie sich auf den Entstehungsprozess des Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt. Zur Aufklärung: Es handelt sich zunächst um zwei Gesetze, ein erstes und ein zweites Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt. Im zweiten Gesetz sind die Regelungen für die Ich-AG enthalten. Kritik der CDU habe ich immer nur in dem Zusammenhang gehört, dass zu wenig Druck auf Arbeitssuchende, SozialhilfeempfängerInnen und ArbeitnehmerInnen ausgeübt und der Kombi-Lohn- oder Niedriglohnbereich nicht ausreichend ausgeweitet wird. Zwischenzeitlich hatte Herr Rehberg ja sogar einmal eingeräumt, dass die schlechte Bezahlung des Fachpersonals in der Tourismusbranche auch eine Ursache für Abwanderung eben jener Kräfte in die alten Bundesländer und ins Ausland ist. Also, welche Hoffnungen sehen Sie denn nun nicht erfüllt, die nach existenzsichernden Einkommen oder die nach mehr Druck auf ArbeitnehmerInnen, jede Arbeit annehmen zu müssen?

In der Begründung Ihres Antrages verweisen sie auf die steigende Zahl der Erwerbslosen. Ja, meine Damen und Herren, die Erwerbslosenquote ist in den letzten Monaten in ganz Deutschland und auch in unserem Land weiter angestiegen. Das hat verschiedene Ursachen und macht aus unserer Sicht eins deutlich: Die bisher eingeleiteten Maßnahmen oder so genannten Reformen haben in keiner Weise dazu beigetragen, neue existenzsichernde Arbeitsplätze zu schaffen. Und damit hier auch kein Missverständnis aufkommt, ich meine ausdrücklich die Reformen, die noch unter der Kohl-Regierung eingeleitet und für die Sie abgewählt worden sind, die aber leider durch die Regierung Schröder fortgesetzt werden. Zur Erinnerung, diese Reformen waren gekennzeichnet durch:

Abbau von Rechten der Erwerbslosen unter anderem durch Wegfall des Berufsstandsschutzes und Verschärfung der Zumutbarkeitsregelungen für die Betroffenen

Herabsetzung des Arbeitslosengeldes

Anrechnung von Abfindungen bei der Berechnung von Arbeitslosengeld

Steuererleichterungen für Konzerne und Besserverdienende

All diese so genannten Reformen erfolgten immer mit der Maßgabe, neue Arbeitsplätze zu schaffen.

Frau Abgeordnete, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Ich möchte erst meinen Beitrag beenden und dann, Frau Strenz, können Sie mich fragen.