Protocol of the Session on June 26, 2002

So etwas riecht ausschließlich nach Wahlkampf. Und ich weiß auch nicht, meine Damen und Herren von der CDU, was Ihnen überhaupt vorschwebt, wenn Sie in Ihrem Antrag großspurig von Personalpolitik in Bezug auf ehemalige MfS-Mitarbeiter reden. Was meinen Sie denn überhaupt? Ich finde, Herr Helmrich hat richtig das Grundgesetz zitiert und ich zitiere an der Stelle gerne, weil es ja auch fast deckungsgleich ist, die Landesverfassung, und zwar den Artikel 71. Dort heißt es: „Jeder Deutsche“ – und auch ein früherer MfS-Angehöriger oder eine frühere MfSAngehörige sind in der Regel Deutsche – „hat nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt im Land.“

(Zuruf von Herbert Helmrich, CDU)

Das ist der Artikel 71. Daraus folgt, dass es eine aparte, lediglich MfS-Leute betreffende Personalpolitik, eine Sonderbehandlung beziehungsweise Ausgrenzung kraft Verfassung nicht gibt, sie geradezu verboten ist.

(Heiterkeit bei Harry Glawe, CDU, und Herbert Helmrich, CDU)

Eignung und Befähigung müssen wie in jedem anderen Personalfall auch – und da stimme ich auch mit Herrn Helmrich überein – durch Einfallprüfung festgestellt werden.

Warten Sie doch mal ab!

Das ist insoweit vernünftig, weil kein verantwortungsbewusster Dienstherr, wie man so sagt, die Katze im Sack kauft. Das gilt auch für Staatsbürger, die früher für einen Geheimdienst gearbeitet haben. Und so dürfte es auch der Opposition nicht verborgen geblieben sein, dass im Rahmen der Eignungs- und Befähigungsprüfung nach wie vor auch geprüft wird, ob ein Bewerber für das MfS tätig war oder nicht. Für Beamte ist diese Regelung von der früheren großen Koalition überhaupt erst festgeklopft worden. Ich verweise auf Paragraph 8 Absatz 4 des Landesbeamtengesetzes, eine Vorschrift, mit der besonders im Zusammenhang mit der Bürgermeisterdirektwahl erhebliche Komplikationen entstanden sind und die ganz gewiss auf den Prüfstand gehört.

Was sich nun allerdings geändert hat und worauf sich die jetzige Koalition geeinigt hat, ist ein anderer Umgang mit der MfS-Problematik. Die Koalition war 1998 zu der Überzeugung gelangt, dass es eine auf prinzipiellem Misst rauen beruhende Stasiüberprüfung nicht mehr, wie sie bis dahin unter der CDU-Ägide ausgeübt wurde, geben sollte und dass die bis dahin grassierende und von interessierter Seite bewusst geschürte Stasihysterie, die Überprüfungspraxis in Form einer Ausgrenzung von Men

schen, beendet wird. Allerdings ging damals, als die CDU das getan hat, die CDU selbst höchst selektiv vor, höchst selektiv. Es gab böse Stasileute, diejenigen, die offensichtlich nicht für die CDU nützlich waren, und gute Stasileute, vorrangig aus den eigenen Reihen. Die einen wurden rausgefeuert, die anderen durften bleiben und teilweise hohe und höchste Ämter ausüben. Und wenn ich gefragt würde, würde ich hier gerne auch Namen nennen, ansonsten verbietet es sich mir. Darunter sind jedenfalls auch Mitglieder dieser CDU-Fraktion, wie sie heute noch existiert.

(Zuruf von Dr. Armin Jäger, CDU)

SPD und PDS treten gemeinsam dafür ein, so heißt es im Koalitionsvertrag, dass sich Menschen in Deutschland versöhnen können. Und so lautet die Konsequenz daraus in Bezug auf die Überprüfungspraxis, ich zitiere den Koalitionsvertrag: „Die Landesregierung wird Anfragen beim Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes... nicht mehr generell und ohne Anhaltspunkte für den Verdacht einer Tätigkeit des Bewerbers für das Ministerium der Staatssicherheit der DDR stellen.“ Also, was ist denn nun passiert, meine Damen und Herren?

(Minister Dr. Till Backhaus: Black is beauty. – Heiterkeit bei Volker Schlotmann, SPD)

Nun, nichts weiter, als dass die Regelanfrage nicht mehr immer die Regel ist und nur in den Fällen eine Prüfung erfolgt, die der Herr Ministerpräsident bereits genannt hat und wo das durch vorhandene Anhaltspunkte für das Vorliegen einer möglichen Tätigkeit für das MfS angezeigt ist. In der Tat ist diese Regelung weder revolutionär und schon gar nicht beschwört das die Gefahr irgendeiner Unterwanderung des öffentlichen Dienstes hervor. Und aus dieser Leitlinie des Koalitionsvertrages leitet sich, wie es üblich ist, ein Kabinettsbeschluss zur Verfahrensweise der Landesverwaltung ab, den der Innenminister ausführlich vor der Presse erläutert hat.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Ja.)

Und er erläuterte den Kabinettsbeschluss wie folgt, und nichts anderes ist inzwischen Praxis,

(Dr. Armin Jäger, CDU: Aha!)

ich zitiere: „Die Landesregierung lässt sich bei der Frage der Eignung von Bewerbern für den öffentlichen Dienst hinsichtlich einer früheren Tätigkeit für das ehemalige Ministerium für Staatssicherheit/Amt für Nationale Sicherheit (MfS/AfNS) davon leiten, dass die seit der Wende verstrichene Zeit im Interesse der Einzelfallgerechtigkeit, aber auch im Blick auf Versöhnung mit der Vergangenheit mehr denn je eine differenzierte Vorgehensweise erfordert.“ Da kann ich nur sagen: Recht hat der Mann! „Unrecht darf nicht verschwiegen werden, andererseits müssen Brücken zum Zusammenwachsen der Menschen geschlagen werden. Bei der gebotenen Einzelfallprüfung und Beurteilung der Eignung sind die maßgeblichen Gesamtumstände zu berücksichtigen und abzuwägen. Insbesondere sind die Situationen und Umstände, unter denen der Bewerber in der DDR lebte, sowie das Verhalten und die persönliche Entwicklung nach dem 3. Oktober 1999 zu berücksichtigen. Damit ist für die Landesverwaltung eine mehr als klare Richtschnur gegeben, wie in der Praxis vorzugehen ist.“ Und ich kann überhaupt nicht nachvollziehen, wenn von bestimmter Seite behauptet wird, es beständen Unklarheiten im Verfahren. Es ist jedenfalls eines völlig klar: Es gibt die so

genannte Regelanfrage der CDU-Vergangenheit nicht mehr.

Probleme gibt es freilich in anderer Hinsicht. Denn es ist aus unserer Sicht völlig unbefriedigend, dass keine verbindliche Maßgabe existiert für die Vorgehensweise bei der Überprüfung in den kommunalen Vertretungen und Kommunalverwaltungen. Sicherlich könnte man beispielsweise darüber reden, ob nicht wenigstens Hinweise erarbeitet werden sollten, aber das will die CDU natürlich nicht, denn ihr ist es recht, dass gerade vor Ort bestimmte Hardliner, die die Stasiüberprüfung auch weiterhin instrumentalisieren wollen, das auch können. Das mehr als makabre Spiel um den Landrat in Nordwestmecklenburg spricht doch Bände.

(Minister Dr. Wolfgang Methling: Richtig.)

Aber ich denke, auch hier arbeitet die Zeit nicht für derartige Leute und für die CDU. Kurzum, meine Damen und Herren von der CDU, der Ministerpräsident hat Ihnen kaum Unerhörtes und Neues über die Personalpolitik sagen können. Was sich geändert hat, und das ist gut so, ist, dass die Praxis der Überprüfungen sich durch eine andere sachliche und differenzierende Herangehensweise gewandelt hat. Stasiüberprüfungen werden nicht mehr politisch instrumentalisiert. So viel zu Ziffer 1 und 2 Ihres Antrages.

Was die Ziffern 3 bis 5 betrifft, so ist das Anliegen der CDU, ich sage es mal, ein bisschen verrückt und absurd. Ich frage mich nämlich ernstlich, ob es wirklich Sache des Landtages ist, sich derart ausführlich mit einer einzelnen Personalangelegenheit zu befassen.

(Herbert Helmrich, CDU: Womit denn sonst, wenn das alles dick und breit in der Zeitung steht?)

Es ist reichlich absurd, wenn der Name Klinger inzwischen öfter im Protokoll von Landtagssitzungen steht als der Name manch eines CDU-Abgeordneten.

(Heiterkeit bei Harry Glawe, CDU – Zuruf von Dr. Armin Jäger, CDU)

Und es ist doch langjährige Praxis auch hier in diesem Haus, Namen von Außenstehenden nicht zu nennen.

(Zurufe von Harry Glawe, CDU, und Herbert Helmrich, CDU)

Und da kommt dann sofort der Verdacht auf, dass es der CDU überhaupt nicht um Herrn Klinger geht, dass sie es etwa begrüßt, dass er sich in den öffentlichen Dienst hineingeklagt hat, dass ihm also sein gutes Recht eingeräumt ist.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Das ist doch aber nicht sein gutes Recht, das ist Sache des Arbeitsministers.)

Und es ist ja so, dass im Ergebnis der Säuberungskampagnen der CDU-Regierung am Ende etwa 2.000 Personen trotz Stasikontakten in der Landesverwaltung bleiben durften,

(Herbert Helmrich, CDU, und Dr. Armin Jäger, CDU: Ja.)

während mindestens ebenso vielen anderen genau daraus der Strick gedreht wurde.

(Heiterkeit bei Harry Glawe, CDU)

Und um die Stasibelastung oder Nichtbelastung geht es Ihnen, meine Damen und Herren, eben auch in diesem konkreten Fall nicht. Purer Opportunismus treibt Sie, denn Sie möchten lediglich der Regierung und dem Ministerpräsidenten persönlich eins auswischen. Nur heiligt der Zweck nicht jedes Mittel und ich denke, dass der Ministerpräsident auch unter diesem Aspekt Ihre vorgegaukelte Wissbegierde nicht erfüllt hat, denn konkrete Personalfragen der Landesverwaltung sind Angelegenheiten der Regierung, der Exekutive. Darüber befindet letztlich der jeweilige Minister. Personalfragen gehören nicht im Landtag breitgetreten zu werden. Das ist nicht nur illegitim, sondern zudem auch noch geschmacklos. Und es ist auch deshalb geschmacklos, weil der Mensch, um den es in diesem Tagesordnungspunkt geht, sich selbst zu dem ganzen Vorgang und den damit verbundenen Vorwürfen hier im Parlament nicht äußern kann. Sie schüren, meine Damen und Herren von der CDU, Emotionen und es interessiert Sie einen Dreck, ob an dieser Schmutzkampagne Menschen zerbrechen. Sie sind gewiss nicht besser als jene, über die Sie hier so bedenkenlos den Stab brechen.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Das ist ziemlich unverschämt von Ihnen.)

Und es handelt sich ja schließlich auch um einen Arbeitsrechtsstreit, der noch gar nicht beendet ist. Zu der Entscheidung liegen, wie öffentlich bekannt ist, die schriftlichen Urteilsbegründungen noch nicht einmal vor.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Nein.)

Und es ist doch irgendwie bezeichnend, dass die CDU bereits weiß, wo der Teufel seinen Schwanz hat,

(Dr. Armin Jäger, CDU: Sie wissen, dass das Urteil verkündet ist.)

denn Sie verlangen vom Ministerpräsidenten eine Stellungnahme zu Unregelmäßigkeiten und Nachlässigkeiten, wo auch er noch nicht einmal die Urteilsbegründung kennt. Nein, meine Damen und Herren von der CDU, Sie mögen vom Ministerpräsidenten verlangen, was Sie wollen, aber kein Regierungschef auf der Welt hat bisher hellseherische Fähigkeiten bewiesen. Ohne Prüfung der Urteilsbegründung ist es unangebracht, über Fehler und Nachlässigkeiten zu diskutieren.

Dass zuweilen bei Personalentscheidungen Fehler passieren, liegt allerdings nicht jenseits aller Denkhorizonte, und gerade die CDU hat in ihrer Regierungszeit genug Pleiten, Pech und Pannen in Personalangelegenheiten verzapft. Ich will Ihre Erinnerung, meine Damen und Herren, nur ein ganz wenig auffrischen, wenn ich das Untersuchungsausschussthema „Missstände im Innenministerium“ aufrufe. Und da heben Sie, meine Damen und Herren von der CDU, in Ihrem Antrag auf irgendwelche anstehenden personellen Konsequenzen in der Regierung beziehungsweise im Arbeitsministerium ab, die angeblich nach der arbeitsgerichtlichen Entscheidung anstünden. Da ist man nun ziemlich ratlos, was Sie denn nun überhaupt wollen. Sie haben schon den Kopf des Arbeitsministers verlangt und Sie haben ihn natürlich nicht bekommen.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Das ist klar, ja.)

Und so ist Ihr Verlangen nach irgendeiner Konsequenz nichts weiter als saft- und kraftloses Imponiergehabe und Wichtigtuerei zu Wahlkampfbeginn. – Danke schön.

(Beifall bei Abgeordneten der PDS und einzelnen Abgeordneten der SPD)

Herr Schoenenburg, ich möchte aber Ihre unparlamentarischen Worte, von denen Sie eine ganze Reihe gebraucht haben, hier zurückweisen.

(Gerd Böttger, PDS: Nennen Sie mal einen! – Angelika Gramkow, PDS: Na, keine Kritik an der Präsidentin! – Ministerin Dr. Martina Bunge: Das Wort „Dreck“ ist Umgangsdeutsch. – Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Das mag wohl sein.)

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Rehberg, der Fraktionsvorsitzende der CDU-Fraktion.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Zwei Vorbemerkungen:

Erstens. Es gab in dieser Legislaturperiode, in der dritten, und es gab in der zweiten Legislaturperiode von den jeweils unabhängigen Kommissionen keine Feststellung für einen Abgeordneten der CDU, dass er mit dem MfS zusammengearbeitet hat. Es gab sie in der dritten Legislaturperiode für jeweils einen Abgeordneten der PDS und für jeweils einen Abgeordneten der SPD. Insoweit sind sowohl die Ausführungen des Herrn Ministerpräsidenten als auch die des Abgeordneten Schoenenburg zu diesem Thema nicht wahr.

(Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Sie haben das Mauscheln unter der Decke nicht genannt.)

Herr Kollege Schoenenburg, diese unabhängige Kommission ist mit großer Mehrheit hier im Landtag eingesetzt worden