Herr Kollege Schoenenburg, diese unabhängige Kommission ist mit großer Mehrheit hier im Landtag eingesetzt worden
und ich weiß nicht, wer mit dieser Kommission unter dem Vorsitz von Herrn Mothes gemauschelt hat. Ich will nur noch mal darauf hinweisen, dass die beiden weiteren Mitglieder Vorschläge von SPD und PDS gewesen sind, nicht von uns.
Zweitens. Gerade die Zahl 2000 zwischen 1990 und 1998 zeigt, dass in den ersten acht Jahren sehr wohl Einzelfallprüfungen stattgefunden haben, und zwar nach Kriterien, wo Arbeitsgerichte Recht gesprochen haben, wo das Bundesverfassungsgericht Recht gesprochen hat und wo letztendlich im Frühsommer 1993 der damalige Landesbeauftragte Herr Sense Kriterien festgelegt hat. Und daran haben wir uns gehalten,
nicht mehr und auch nicht weniger, und dazu stehen wir. Und es würde dieser Landesregierung gut anstehen, sich weiterhin an diese Kriterien zu halten und uns nicht vorwerfen, wir hätten keine Einzelfallprüfungen vorgenommen. Herr Ministerpräsident, Sie haben heute das Gegenteil bewiesen. Wir haben das gemacht und wir haben, glaube ich, sehr, sehr verantwortungsbewusst entschieden.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Diese Personalfrage, um die es hier geht, ist zu einer politischen Frage geworden. Und der Ihnen hier vorliegende Antrag fordert Klarheit, Klarheit über die Personalpolitik der Landesregierung bei früherer Tätigkeit für das Ministerium für Staatssicherheit, denn diese Klarheit ist im Laufe der letzten Jahre verloren gegangen. So haben die Ereignisse im Fall Klinger nicht mehr erkennen lassen, wie die Landes
regierung mit Stellenbewerbern umgehen möchte, bei denen eine ehemalige Tätigkeit für das MfS nahe liegt. Ein geordnetes Verfahren zur Überprüfung und der Feststellung der Eignung für eine Tätigkeit im öffentlichen Dienst, hier sogar für eine leitende Tätigkeit in einem Ministerium unseres Landes, ist zwar in Grundzügen einmal schriftlich festgelegt worden, gleichwohl hat man sich im Fall Klinger bewusst nicht daran gehalten.
Ich will die Fakten hier nicht wiederholen. Auf sehr ungewöhnliche Art und Weise waren sie ja Gegenstand des Prüfberichts des Landesrechnungshofes zu den Vorgängen im Arbeitsministerium. Im Rechnungshofbericht ist detailliert aufgeschlüsselt, wie sie systematisch die rechtlichen Grundlagen einer geregelten Einstellungspolitik ausgehebelt haben.
Ich werde Ihnen jetzt im Einzelnen darlegen, wann und in welcher Form sie das Parlament und die Öffentlichkeit über diese Tatsachen belogen haben, meine Damen und Herren. Und ich lege Wert darauf zu betonen, dass der Ministerpräsident zumindest von dem Zeitpunkt an, an dem die Fakten offen lagen, dies mitgetragen hat. Ich erinnere an die Pressekonferenz vom 14. November 2001, auf der Sie, Herr Holter, von einem Beitrag zur Versöhnung sprachen. Sie, Herr Holter, sahen in der Weiterbeschäftigung von Herrn Klinger einen Beitrag zur Versöhnung.
Meine Damen und Herren! Das Okay haben Sie sich, Herr Holter, einen Tag vorher vom Ministerpräsidenten geholt. Sie haben bewusst versucht, mit diffusen Begriffen zu spielen und diese missbraucht, um so von der Wirklichkeit und Ihrem gesetzwidrigen Verhalten abzulenken. Und schon einen Tag später plötzlich die totale Kehrtwendung? Das Ministerium hat erneut dem öffentlichen Druck nachgegeben und das Arbeitsverhältnis ordentlich zum 31. Dezember 2001 gekündigt. Herr Klinger hat, wie nicht anders zu erwarten, gegen die Kündigung beim Arbeitsgericht Schwerin Klage erhoben, in deren Rahmen auch die Wirksamkeit der vom Arbeitsministerium erklärten Anfechtung des Arbeitsvertrages geklärt wurde. Das Arbeitsgericht hat der Klage von Herrn Klinger durch das Urteil vom 22. Mai 2002 stattgegeben. Es hat in der mündlichen Urteilsbegründung, meine Damen und Herren, erklärt, dass das Ministerium durch sein Verhalten jedes Recht auf eine Kündigung beziehungsweise Anfechtung verwirkt hat. Das Gericht hat den Aussagen von Dr. Wegrad, dem ehemaligen Staatssekretär, und Herrn Klinger im vollen Umfang Glauben geschenkt und die Darstellung von Ihnen, Herr Holter – hören Sie gut zu –, als unglaubwürdig abgetan.
Somit ist der Vorwurf einer arglistigen Täuschung durch Herrn Klinger, wie vom Ministerium vorgetragen, von dem Gericht nicht bestätigt worden. Gleichzeitig haben die mündlichen Verhandlungen vor dem Arbeitsgericht Schwerin zweierlei Sichtweisen zum Ablauf der Ereignisse im Rahmen der Einstellung und der Gespräche im Zusammenhang mit der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses ergeben, die den Schluss nahe legen, dass eine der beiden Seiten die Unwahrheit gesagt haben muss. Das Gericht hat den Ausführungen der Klägerseite uneingeschränkt Glauben geschenkt, die durch die Aussagen des ehemaligen Staatssekretärs Dr. Wegrad im vollen Umfang bestätigt worden sind.
Meine Damen und Herren! Es fällt mir nicht leicht den Minister in diesem Zusammenhang der Lüge und der unhaltbaren Falschaussage gegenüber einem Gericht zu bezichtigen. Diesen Vorwurf, der von anderer Seite schon laut wurde, sollen die zuständigen Stellen, nämlich die Staatsanwaltschaft und die Gerichte, prüfen.
(Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Das ist ja wirklich ungeheuerlich, was Sie hier erzählen und wofür Sie hier das Parlament benutzen.)
Was ich aber mit Sicherheit sagen kann, ist, der Bericht des Landesrechnungshofes hat eindeutig ergeben, dass der Minister für Arbeit und Bau und der stellvertretende Ministerpräsident in der Antwort auf die Frage des Abgeordneten Dr. Ulrich Born in der Fragestunde der 70. Sitzung des Landtages am 18. Oktober 2001 die Unwahrheit gesagt hat, indem er bestritten hat, vorher Hinweise hinsichtlich einer möglichen Stasitätigkeit von Herrn Klinger bekommen zu haben. Ebenfalls hat die Landesregierung in der Antwort vom 28. September 2001 auf die Kleine Anfrage des Abgeordneten Born die Unwahrheit gesagt. Auf die Frage Nummer 22, ich zitiere: „Wann lag das Ergebnis dieser Überprüfung vor? Welche Maßnahmen wurden konkret wann daraufhin eingeleitet?“, haben Sie, das heißt die Landesregierung, geantwortet: „Das Ergebnis der Überprüfung lag im Ministerium für Arbeit und Bau am 02.04.2001 vor.“ Der Bericht des Landesrechnungshofes nennt hingegen das Datum vom 28. März 2001. Ferner heißt es in der Antwort der Landesregierung: „Der Vorgang wurde der Hausleitung am 04.04.2001 zugeleitet. Nach Kenntnisnahme wurde er an das Personalreferat zur Würdigung der Auskünfte zurückgeleitet. Das Ergebnis der Auswertung wurde vom Staatssekretär krankheitsund urlaubsbedingt erst am 18.07.2001 und vom Minister nach Rückkehr aus dem Urlaub am 14.08.2001 zur Kenntnis genommen.“
Meine Damen und Herren, dieses Datum stimmt aber ebenfalls nicht. Denn gemäß dem Bericht des Landesrechnungshofes haben Sie, Herr Minister Holter, den Bericht bereits am 18. April 2001 zur Kenntnis genommen und am 4. Mai 2001 mit Herrn Klinger und dem damaligen Staatssekretär Dr. Wegrad ein Gespräch über den Bericht und den weiteren beruflichen Werdegang von Herrn Klinger geführt. Diese Lüge bestätigen Sie, Herr Holter, erneut in der Fragestunde während der 70. Landtagssitzung in Ihrer Antwort auf die Frage des Abgeordneten Harry Glawe: „Herr Abgeordneter Glawe, ich verweise dazu auf die Antwort der Landesregierung vom 28. September 2001, Drucksache 3/2303, auf die Kleine Anfrage des Abgeordneten Dr. Born. Besonders hervorheben möchte ich unsere Antwort auf Frage 22 und bekräftige noch einmal, dass ich mich mit der Personalangelegenheit nach meiner Rückkehr aus dem Urlaub auf der Basis der personalrechtlichen Würdigung meines Hauses beschäftigt habe.“
Und wenn wir nun einmal bei den Lügen der Landesregierung sind, in einer Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage des Abgeordneten Dr. Ulrich Born, Drucksache 3/2438, heißt es: „Der Mitarbeiter“, gemeint ist Herr Klinger, „hat Herrn Minister Holter vor seiner Einstellung als Referatsleiter im Ministerium für Arbeit und Bau am 01.02.2000 nicht auf seine Mitarbeit beim Ministerium für Staatssicherheit hingewiesen bzw. entsprechende Andeutungen gemacht.“
Meine Damen und Herren, diese Aussage steht eindeutig im Widerspruch zu den Erklärungen von Herrn Klinger und Dr. Wegrad im arbeitsgerichtlichen Verfahren und,
meine Damen und Herren, im Widerspruch zur Überzeugung des Gerichts, wie es im Urteil umfassend kund getan hat, und diese Aussage steht auch im Gegensatz zu ihrem späteren Eingeständnis durch Ihren Anwalt, dass Herr Klinger doch Andeutungen über eine frühere Anwerbung gemacht hat.
Ich möchte an dieser Stelle noch einmal betonen, dass es sich hier um zwei Fälle handelt, in denen die Landesregierung mit ihren Antworten auf die Kleinen Anfragen die Unwahrheit gesagt hat. Und hier sind wir nun bei der Verantwortung des Ministerpräsidenten in diesem Verfahren. Herr Dr. Ringstorff, das waren Ihre Antworten, die von der Staatskanzlei über den Landtag an die Abgeordneten geschickt wurden. Wie stehen Sie zu diesen Lügen?
Ich muss feststellen, dass die Lüge in dieser Personalangelegenheit Methode hatte. Diese Landesregierung hat bewusst das Parlament getäuscht. Diese Landesregierung hat bewusst sich nicht an Recht und Gesetz, an das Grundgesetz, die Landesverfassung und sonstige Rechtsvo rschriften gehalten
(Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Das sind ja lauter waghalsige Prognosen, die durch Fakten nicht gedeckt sind. Das ist genau so, wie ich gesagt habe: Wahlkampftour.)
und in mehreren Fällen ganz bewusst dagegen verstoßen. Sie, Herr Ministerpräsident, haben es geduldet, dass Herr Holter immer jegliche Schuld auf andere abgewälzt hat und sich nie für irgendetwas verantwortlich zeigte. Der Minister lässt lieber seine Mitarbeiter bei jedem Vorwurf im Regen stehen, denn schuldig sind immer die anderen, die Mitarbeiter, wo dann auch personelle Konsequenzen gezogen werden. Meine Damen und Herren, dass der Fisch hingegen vom Kopf anfängt zu stinken, wird in der jetzigen Landesregierung völlig ausgeblendet.
Herr Holter, solange Ronald Klinger für Sie und Ihre Stellung in der PDS förderlich war, haben Sie ihn benutzt. Sie haben dafür einmal mehr Ihr Ministerium zu einem rechtsfreien Raum gemacht und als PDS-Parteizentrale missbraucht.
(Heiterkeit bei Gerd Böttger, PDS – Volker Schlotmann, SPD: Meine Güte! – Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Und Sie missbrauchen das Plenum.)
Als Herr Klinger zur Gefahr für Ihre Karriere wurde, haben Sie ihn fallen lassen wie eine heiße Kartoffel. Keine Unwahrheit, keine Trickserei, keine Verdrehung der Tatsachen war Ihnen zu plump, um Ihren Kopf aus der Schlinge zu ziehen. Sie haben gehandelt, wie Sie es früher als Parteifunktionär gemacht hätten, und Sie sind immer noch ein Parteifunktionär. Sie dienen nicht einmal der Sache an sich, Sie dienen nur sich selbst. Sie leben, Herr Holter, in einer Welt, in Ihrer Welt, Sie ignorieren die Wirklichkeit und Menschen zählen für Sie dabei nicht. Vor Ihnen, Herr Holter, habe ich keinen Respekt mehr. Ich habe aber Respekt vor Herrn Klinger, der allen Verlockungen auf Posten und Abfindungen widerstanden hat, sich nicht noch einmal hat verbiegen lassen, sondern das ihm zustehende Recht erstritten hat, auch wenn es mir politisch nicht passt.
Ich habe es in den zwölf Jahren noch nicht erlebt, wie Sie als Minister vollkommen anstands- und moralfrei mit dem Parlament und der Öffentlichkeit umgehen. Sie, Herr Holter, haben dem Land einen enormen Schaden zugefügt.
Ich fordere daher den Ministerpräsidenten auf, sich seiner Verantwortung im Rahmen der Richtlinienkompetenz sowie seiner Funktion als oberster Dienstherr zu stellen. Schaffen Sie endlich Klarheit in der Personalpolitik der Landesregierung! Dabei ist Ihr Vorstart, die Einstellungspraxis durch die Umkehr der Beweislast zu ändern, der völlig falsche Weg. Sagen Sie uns doch, wie Sie das erreichen wollen. Sie wissen ganz genau, dass es so nicht geht. Geben Sie dem Landtag nun eine Antwort auf die drängende Frage, wie diese Landesregierung zukünftig mit dem Vorwurf einer früheren Tätigkeit für das MfS der ehemaligen DDR im Rahmen der Einstellung und der Weiterbeschäftigung umgehen will. Herr Ringstorff, Sie und Ihre Partei, die Koalition sind mit Ihrem Anspruch, mit dem Versprechen der Versöhnung in die Koalition gegangen. Sie haben dieses nicht einen Tag ernsthaft betrieben.
Sie haben dies auch nicht einen Tag ernsthaft gewollt. Sie haben sogar zugelassen, dass die Anfänge der Versöhnung nach der Wende – und ich rede hier von menschlich bitteren Schicksalen – mit den Füßen getreten werden. Sie haben nicht den Mut aufgebracht, für den Wiedereinzug der Stasispitzen und Parteifunktionäre auch die rechtlichen Grundlagen zu schaffen. Sie haben die schleichende Rückkehr durch die Hintertür gefördert und geduldet. Sie haben nicht versöhnt, sie haben verletzt. Das ist Ihre persönlich Verantwortung, Herr Ministerpräsident Ringstorff. – Danke.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Der Abgeordnete Dr. Till Backhaus bittet um das Wort für eine Anfrage.)
Herr Rehberg, ich möchte aber auch bei Ihnen die unparlamentarischen Worte in der Rede zurückweisen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wer die SPD-Fraktion in den letzten vier Jahren hier beobachtet hat, weiß, dass ich mich als Fraktionsvorsitzender bei diesem Thema in der Regel sehr zurückgehalten habe aus bestimmten Gründen, auf die ich nachher auch noch zu sprechen kommen will.
Trotzdem, dieser Antrag der Union in seiner – ich sage das vorweg schon mal – Dürftigkeit hat uns in der Fraktion dazu veranlasst, dass ich zu diesem Thema hier heute Stellung beziehe aus Sicht der SPD, der SPD-Fraktion.
das kann ich Ihnen so sicher sagen, ist schlicht und einfach gescheitert. Eine gesenkte Stimme allein reicht da nicht aus, um hier als Staatsmann letztendlich auch wirken zu können.