Protocol of the Session on January 31, 2002

Die Auslegungsregelungen sind mit der Neuregelung sämtlich gegenstandslos und soweit sie richtig und angebracht sind, inhaltlich als klare Geschäftsordnungsnormen eingearbeitet. Darüber hinaus sind auch einige Anlagen in den Normtext eingearbeitet worden, zum Beispiel zur Kurzdebatte und zur Fragestunde. Das ist sicherlich praktisch. Andere Anlagen werden dagegen beibehalten, zum Beispiel zu Immunitätssachen und zur Arbeit mit Petitionen. Auch das ist vernünftig und praktisch. Gewiss hat die jetzige Geschäftsordnung nunmehr 115 Paragraphen statt bisher 66, aber zieht man die Ablösung der Auslegungen und Anlagen in Betracht, ist aus unserer Sicht dennoch ein rationelles Arbeitsinstrument entstanden.

Meine Damen und Herren! Die Geschäftsordnung ist für den Gang der parlamentarischen Beratungen und Beschlussfassungen so etwas wie die Bibel für einen frommen Christen.

(Dr. Ulrich Born, CDU: Na! Na!)

Sie soll sein Handeln nicht nur an Sonn- und Feiertagen, sondern ständig leiten, habe ich mir jedenfalls sagen lassen.

(Unruhe bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Dr. Ulrich Born, CDU: Aber so viel Weisheit ist da nicht drin.)

Also, da will ich Sie aufklären. Ich bin in einer Gegend groß geworden, wo sehr fromme Christen leben – Katholiken namentlich –,

(Dr. Ulrich Born, CDU: Das ist doch beschei- denes Menschenwerk, die Geschäftsordnung.)

und die haben selbstverständlich die Bibel nicht nur für die Sonn- und Feiertagsregeln genommen, sondern sie haben versucht, danach zu leben.

(Dr. Ulrich Born, CDU: Das können wir Ihnen auch empfehlen, das zu tun.)

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Kuessner?

Zu der Stelle? Ja.

Bitte, Herr Kuessner.

Könnte es sein, dass Sie nicht Fachmann auf dem Gebiet sind und es vielleicht doch nicht ganz richtig einschätzen,

(Heiterkeit bei Harry Glawe, CDU)

dass der Weg, die Bibel mit der Geschäftsordnung zu vergleichen, nicht der richtige Vergleich ist?

(Unruhe bei Abgeordneten der CDU – Zuruf von Dr. Christian Beckmann, CDU)

Also, ich denke, Sie haben völlig Recht, dass ich dafür nicht der Fachmann bin.

(Dr. Ulrich Born, CDU: Aber Sie sind lernfähig.)

Aber da ich in meinem Leben, und das sind jetzt 62 Jahre knapp, mit Christen zusammen gelebt habe,

(Dr. Christian Beckmann, CDU: Neben- einander gelebt! Nebeneinander gelebt!)

gibt es da schon gewisse Parallelen festzustellen. Ich denke, jeder hat so seine Grundlagen für sein Verhalten und insofern gibt es da Parallelen.

(Zuruf von Rainer Prachtl, CDU)

Die Grundlage für das Verhalten von Christen, nehme ich an, ist die Bibel. Für Moslems ist es ein anderes Werk und für Parlamentarier sollte die Grundlage für das Verhalten selbstverständlich die Geschäftsordnung sein.

(Dr. Ulrich Born, CDU: Wir empfehlen Ihnen, die Bibel hinzuzunehmen.)

Gestatten Sie noch eine Nachfrage, Herr Dr. Schoenenburg?

Bitte, Herr Kuessner.

Könnte es sein, dass man auch darüber nachdenken könnte, ob man die Bibel mit der Verfassung vergleicht, Herr Schoenenburg?

Ja, na sicher. Darüber kann man überhaupt nachdenken.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD)

Mir liegt es natürlich sehr fern, mit diesem Vergleich der Bibel zu nahe zu treten und zu sagen, das ist irgendetwas Nebensächliches.

(Zuruf von Steffie Schnoor, CDU)

Ich meine nur, dass es diese Parallele gibt in Bezug auf unser Handeln und Verhalten.

(Zuruf von Dr. Ulrich Born, CDU)

Deshalb ist es gut, auch für diejenigen, die nicht in der Bibel lesen, aber trotzdem Parlamentarier sind,

(Zurufe von Dr. Ulrich Born, CDU, und Harry Glawe, CDU)

die Geschäftsordnung öfter zur Hand zu nehmen und sich als Parlamentarier von der Geschäftsordnung leiten zu lassen. Das betrifft übrigens jeden Abgeordneten, jeden. Dass da noch sehr viel im Argen liegt, ist immer wieder festzustellen. Es ist ein Irrtum zu meinen, dass Geschäftsordnungsfragen politischen Interessen unterzuordnen seien. Es gehört einfach zur Kultur des Landtages, zur Kultur des Parlaments, wie es mit der Geschäftsordnung umgeht. Namentlich dient die Einhaltung der Geschäftsordnung der Gerechtigkeit und der Durchsichtigkeit parlamentarischer Verfahren. Die Geschäftsordnung schützt die Minderheit und legt der Mehrheit Zügel an. Keineswegs aber sollte sie von der Mehrheit als Machtinstrument missbraucht werden.

Geschäftsordnungsfragen sind keine Machtfragen. Sie sind Rechtsfragen und die Geschäftsordnung wirkt für und wider alle. Und daher kommt mein Vergleich. Weil nämlich auch die Geschäftsordnung zwar eine Binnenregelung ist, sie bindet uns im Innern, aber die Geschäftsordnung ist kein minderwertiges Recht. Für uns hier ist sie genauso Recht wie alles andere Recht und da kann man nicht nach Belieben mal mit der Geschäftsordnung und mal ohne die Geschäftsordnung arbeiten.

Wir haben uns vorgenommen, die neue Geschäftsordnung noch für diese Legislaturperiode ab 1. Februar in Kraft zu setzen. Das mag vielleicht verwundern, hat aber gute Gründe. Dies geschieht nicht etwa, weil irgendetwas anbrennen könnte. Es ist aus unserer Sicht, und das ist hier schon gesagt worden, eine schnelle Inkraftsetzung angebracht, um noch in dieser Wahlperiode Erfahrungen zu sammeln und den nächsten Landtag in die Lage zu versetzen, notwendige Änderungen, die bei jedem Werk entstehen und die man nicht voraussehen kann, wo die Praxis das Kriterium der Wahrheit ist, dann zu Beginn der nächsten Legislaturperiode vorzunehmen.

Dem Dank der bisherigen Redner möchte ich mich anschließen. Es war eine gedeihliche Zusammenarbeit zwischen den drei Fraktionen, namentlich auch die Mitarbeiter aus den Fraktionen, die daran gewirkt haben, haben eine ganze Menge beigetragen, und selbstverständlich die Mitarbeiter der Verwaltung. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU, PDS und einzelnen Abgeordneten der SPD)

Danke schön, Herr Dr. Schoenenburg.

Das Wort hat jetzt Herr Dankert von der Fraktion der SPD.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren! Ich begebe mich auch auf das Glatteis von Vergleichen, vielleicht auch ein bisschen in die himmlischen Gegenden. Ich will unsere Geschäftsordnung, die über zehn Jahre für uns unsere Arbeit organisiert hat, mit einem Dach vergleichen, das allerdings im Laufe der Zeit ein wenig spröde geworden ist. Der Rechtsausschuss hat fehlende und beschädigte Ziegel regelmäßig ausgewechselt. Eine grundlegende Sanierung war allerdings inzwischen unvermeidbar geworden und die liegt Ihnen heute vor.

Parlamentsgeschäftsordnungen sind nur ein Regelwerk des gesamten Parlamentrechts. In umfassendem Sinne zählen zum Parlamentsrecht Spezialgesetze, wie das Untersuchungsausschussgesetz, das Volksabstimmungsgesetz, oder auch spezielle Normen in anderen Gesetzen, wie zum Beispiel dem Landesverfassungsgerichtsgesetz, und auf keinen Fall zu vergessen sind natürlich die Regelungen der Verfassung unseres Landes Mecklenburg-Vorpommern. So gesehen ist die Geschäftsordnung, die jetzt vorliegt, ein Mosaikstein im Gebilde des Parlamentsrechts.

Die zurzeit geltende Geschäftsordnung enthält 66, die neue Geschäftsordnung, die wir hoffentlich nachher verabschieden werden, 115 Vorschriften. Im Standardwerk des Parlamentsrechts und der Parlamentspraxis von Hans-Peter Schneider und Wolfgang Zeh findet sich hierzu ein Hinweis, den ich für wichtig halte. Das Werk beschreibt, dass in einer Geschäftsordnung der Parlamente die Regelungsdichte in den letzten Jahrzehnten zugenommen hat. Diese Entwicklung der Verrechtlichung und das parlamentarische Verfahren beschreiben sie als in Maßen begrüßenswert, weil die Zunahme der Regelungsdichte in sich die Gefahren birgt, dem Parlament die flexible und schnelle Reaktion auf aktuelle Ereignisse zu verbauen. Geschäftsordnungen regeln das Parlamentsverfahren nicht abschließend. Regelungslücken verbleiben, die auch in Zukunft durch informelle Verfahren ausgefüllt werden konnten.

Meine Damen und Herren! Die vorliegende Novelle der Geschäftsordnung ist gekennzeichnet durch eine Vielzahl von Präzisierungen, Anpassungen an die Landesverfassung und Normierung dessen, was wir bislang als Parlamentsbrauch geübt haben.

Meine Damen und Herren, ich will es auch nicht lassen, auf einige Einzelheiten einzugehen, die vielleicht bisher noch nicht genannt wurden:

In Paragraph 2 Absatz 1 wurde gegenüber dem alten Geschäftsordnungstext aufgenommen, dass der Alterspräsident den Präsidenten während der ersten Sitzung wählen lässt, damit mögliche Auslegungszweifel in dieser Frage klargestellt sind. In Bezug auf die Durchführung der erforderlichen Wahlgänge bei der Wahl der Präsidenten haben wir durchgängig ausdrücklich die geheime Wahl, die natürlich in der Praxis immer praktiziert wurde, aber es war nie so ausdrücklich formuliert worden, vorgesehen. Die Aufgaben des Präsidenten, die im Paragraphen 3 festgeschrieben sind, entsprechen den Vorgaben der Verfassung und sind in ihrer Wortwahl der Verfassung angepasst worden.

Gegenüber der zurzeit noch geltenden Geschäftsordnung wurden die Regelungen über den Ältestenrat in der Novelle in mehreren Paragraphen normiert, um Zusammensetzung und Aufgaben des Ältestenrates an die Vorgaben und Definitionen der Verfassung anzupassen. Gleichzeitig wurden Konkretisierungen der Regelungen über den Ältestenrat mit Blick auf die im Landtag bisher praktizierten Abläufe vorgenommen. Das betrifft insbesondere die Regelungen über die Durchführung von Ältestenratssitzungen.

Das Verfahren über die Ausschüsse im dritten Abschnitt des Novellierungsvorschlags ist im Vergleich zu der bisher geltenden Geschäftsordnung in seiner Regelungsdichte erheblich erweitert worden. Der Abschnitt enthielt in der bisherigen Geschäftsordnung oder in der jetzigen noch geltenden 9 Vorschriften und hat in der zukünftigen 20 Paragraphen. Die Erweiterung um insgesamt 11 Vorschriften und die Veränderungen sind aus verfassungsrechtlichen Gründen erforderlich gewesen. Darüber hinaus haben wir dem Abschnitt auch deshalb so viel Aufmerksamkeit geschenkt, weil die Regelungen über die Ausschüsse und Kommissionen in der Vergangenheit die größten Auslegungsprobleme hervorgerufen haben. Auf Einzelheiten möchte ich an dieser Stelle dann verzichten.