Protocol of the Session on January 31, 2002

Meine Damen und Herren! Abschließend möchte ich das Klima, in dem die Beratungen zur Reform der Geschäftsordnung erfolgt sind, herausheben. Alles, was Ihnen heute vorgeschlagen wird, ist einvernehmlich zwischen allen drei Fraktionen erarbeitet und abgestimmt worden. Ich halte das in Zeiten heftiger politischer Kontroversen für besonders beachtenswert. Die Abläufe im Parlament, die Geschäftsgrundordnung unserer parlamentarischen Arbeit stehen außer Streit. Sie sind die Basis für das Ringen um politische Ziele, das Ringen um den besseren politischen Weg. Ich glaube, das ist auch ein wichtiges Signal an die Bürger unseres Landes: Dieses Parlament ist sich über die demokratischen Spielregeln einig. Gestritten wird in der Sache. Das ist jetzt unsere Aufgabe. Das geschieht auch nicht im Selbstlauf. Wir bestimmen alle zusammen den Stil unseres Parlamentes.

Ich danke den Mitgliedern des Ältestenrates, insbesondere den drei Parlamentarischen Geschäftsführern Herrn Dankert, Herrn Caffier und Herrn Dr. Schoenenburg, für die vertrauensvolle und konstruktive Zusammenarbeit. Ich möchte es aber nicht versäumen, auch den Mitarbeitern

der Fraktionen und der Landtagsverwaltung meinen Dank auszusprechen für ihre umfassenden Vorarbeiten und Abklärungen, durch die dieses Werk gelungen ist.

Meine Damen und Herren! Dies ist heute die letzte Landtagssitzung, die nach den Regeln der alten Geschäftsordnung durchgeführt wird. Die neue Geschäftsordnung tritt, wenn Sie ihr zustimmen, bereits mit dem morgigen Tag, am 1. Februar 2002, in Kraft. Es war unser Interesse, mit der neuen Geschäftsordnung bereits in dieser Legislatur einige Erfahrungen zu sammeln, damit der nächste, der 4. Landtag im Herbst die Möglichkeit hat, auf eine erprobte Grundlage zurückgreifen zu können. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD, CDU und PDS)

Danke schön, Herr Kuessner.

Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Redezeit von bis zu zehn Minuten für jede Fraktion vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat der Abgeordnete Herr Caffier von der Fraktion der CDU.

(Siegfried Friese, SPD: Keinen Streit, Herr Caffier!)

Frau Präsidentin! Meine Damen, meine Herren Abgeordneten! Wir haben die Arbeit im Vorfeld nicht im Streit gemacht, Herr Friese, und werden sie wahrscheinlich auch heute nicht im Streit machen. Das hat sich auch sehr gut bewährt.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Nach einem Jahr intensiver Arbeit können wir heute den von allen drei Fraktionen getragenen Entwurf verabschieden. Es ist schon erstaunlich und, ich denke, auch ein gutes Zeichen für das Parlament, dass eine Zusammenarbeit in sehr existentiellen Fragen – und die Geschäftsordnung ist eine der wesentlichen Grundlagen – möglich war. Und wenn man es mit allen drei Fraktionen schafft, das in einem Wahljahr, in dem wir uns befinden, noch zu verabschieden, ohne dass man sich im Vorfeld die Köpfe eingeschlagen hat, ohne dass man unterschiedliche Pressemitteilungen im Vorfeld in unterschiedlicher Ausführung in den Medien finden konnte, so, denke ich, zeichnet dies das Parlament in gewisser Weise aus und dies sollte man auch mal deutlich sagen.

Auch der Spruch, der in diesem Land üblich ist, wenn sie mit drei Leuten etwas besprechen, können sie gleich eine Pressekonferenz geben, hat sich nicht bewahrheitet. Ich glaube, das war eine gute Situation, dafür möchte ich mich gleich zu Beginn bei allen recht herzlich bedanken, die daran mitgearbeitet haben.

(Beifall Dr. Ulrich Born, CDU)

Ich möchte mich ausdrücklich bei den Vertretern aller Fraktionen und den Geschäftsführern in den Fraktionen

(Unruhe bei Siegfried Friese, SPD, Dr. Armin Jäger, CDU, und Gerd Böttger, PDS – Glocke der Vizepräsidentin)

sowie den Vertretern in der Verwaltung bedanken, die im Vorfeld doch die Kümmerarbeit geleistet haben, die das Feld bereitet haben, damit wir, so hoffe ich und ich

glaube, das hoffen die meisten, heute die Geschäftsordnung auch in der Form verabschieden können.

Sicherlich, und das hat der Präsident gesagt, ist diese Form der Geschäftsordnung, wie sie jetzt vorliegt, ein Kompromiss, ein Kompromiss von allen Fraktionen. Kein Parlamentarischer Geschäftsführer konnte seine vollen Forderungen umsetzen, mit denen er in das Rennen gegangen ist, aber jeder war bereit nachzugeben und zu verhandeln, so dass hier ein tragfähiger Kompromiss herausgekommen ist.

Noch ganz wichtig ist – und darauf möchte ich hinweisen –, dass keine der drei Fraktionen sozusagen auf ihrem Status beharrt hat, sondern dass alles immer flexibel betrachtet wurde, egal ob Regierungs- oder Oppositionsfraktion, sondern dass dieser Wechsel, der immer wieder möglich ist, auch einfach in die Verhandlungen mit eingeführt worden ist und keiner auf einer Position beharrt hat. Nur so war es möglich, diese Geschäftsordnung zu verabschieden. Mich hat es besonders gefreut, dass auch die abschließenden Beratungen sehr sachlich und problemorientiert verlaufen sind.

Wir haben natürlich die Regelungen der Geschäftsordnung, die sich in der Vergangenheit bewährt haben, wieder übernommen und nur dort Änderungen vorgenommen, wo in der Vergangenheit immer wieder Probleme aufgetaucht sind oder Regelungslücken bestanden. Wir haben dabei selbstverständlich die Beschlüsse des Rechtsausschusses, der ja gleichzeitig der Geschäftsordnungsausschuss im Landtag ist und dem ich an dieser Stelle auch noch mal danken möchte für die vielen Beratungen, die deswegen häufig durchgeführt werden mussten, weil wir es in der Geschäftsordnung nicht vernünftig geregelt hatten, mit einfließen lassen.

Ich möchte an dieser Stelle nur einige Neuregelungen ganz kurz ansprechen, obwohl es eine ganze Reihe gab. Für wichtig halte ich den Paragraphen 12 – den hatte der Präsident schon angesprochen. Hier geht es darum, dass neun Monate nach Überweisung einer Vorlage in den Ausschuss eine Fraktion oder mindestens vier Mitglieder des Landtages einen Bericht des Vorsitzenden über den Stand der Beratungen verlangen können.

Das leidige Problem Finanzvorlagen ist dieses Mal klar und deutlich geregelt. Hier wurde folgende neue Regelung aufgenommen: „Sofern im Ergebnis der abschließenden Beratung einer überwiesenen Vorlage im federführenden Ausschuss eine erhebliche Veränderung der Auswirkungen auf die öffentlichen Finanzen zu erwarten ist, hat der federführende Ausschuss hierzu eine Stellungnahme des Finanzausschusses einzuholen. Diese Stellungnahme ist in den Bericht des federführenden Ausschusses aufzunehmen.“ Zu dem Punkt gab es gerade im Vorfeld kontroverse Diskussionen. Mit dieser Regelung wird verhindert, dass nach der mitberatenden Stellungnahme des Finanzausschusses der federführende Ausschuss die entsprechende Vorlage so stark verändert, dass neue finanzielle Auswirkungen durch den Finanzausschuss nicht mehr geprüft werden können.

Auch die Einberufung des Landtages ist neu geregelt worden. Hier haben wir eine konkrete Frist für die Einberufung von Sondersitzungen festgeschrieben, um Unstimmigkeiten zu vermeiden und um das Präsidium nicht in die Bredouille zu bringen: „In jedem Fall muss die Dringlichkeitssitzung innerhalb von 10 Werktagen, in den Parlamentsferien innerhalb von 15 Werktagen nach dem Verlangen stattfinden.“

Meine Damen, meine Herren, ich denke, in der Praxis wird sich zeigen, dass wir mit dieser Geschäftsordnung ein gutes Instrument haben, um die Arbeit des Parlaments weiter zufriedenstellend zu organisieren und den Ablauf durchzuführen.

Ich halte es auch abschließend für eine sehr gute Entscheidung, dass wir nicht, wie sonst in der Regel üblich, gesagt haben, sie tritt mit der nächsten Legislaturperiode in Kraft, sondern dass wir gesagt haben, sie soll ab morgen in Kraft treten, damit wir in einer Art Probelauf die Möglichkeit haben, Fehler, die jetzt noch enthalten sind – Fehlerloses wird es nicht geben –, zu finden und dann dem nächsten Parlament vorschlagen zu können, den einen oder anderen Passus gegebenenfalls noch anzupassen.

(Beifall Dr. Ulrich Born, CDU, und Harry Glawe, CDU)

In diesem Sinne halte ich das Gesamtwerk für ein gelungenes Werk und werbe bei allen Fraktionen für eine Zustimmung zu dem vorliegenden Antrag. – Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU und Dr. Arnold Schoenenburg, PDS – Harry Glawe, CDU: Das war ja super. Hast du die ganze Nacht darüber gesessen? – Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Danke, Herr Caffier.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Dr. Schoenenburg von der Fraktion der PDS.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wenn wir diese neue Geschäftsordnung heute hoffentlich beschließen, dann ist das kein revolutionärer Akt.

(Zuruf von Harry Glawe, CDU)

Das muss man eingangs feststellen. Es handelt sich um eine weitgehende redaktionelle Überarbeitung und inhaltliche Straffung, nicht mehr, aber auch nicht weniger. Das heißt, es war und ist nicht Anliegen, die bisherige Geschäftsgrundlage des Landtages und die Praxis des Landtages damit umzustülpen.

Indes, denke ich, war die Zeit herangereift, eine etwas gründlichere Überarbeitung vorzunehmen. Man muss wohl von einer Generalrevision sprechen. Immerhin besteht die bisherige Geschäftsordnung im Prinzip seit ihrem Erlass 1991 fort und jetzt haben wir das Jahr 2002. Und es hat sich im Verlauf der Zeit dann doch herausgestellt, dass diese Geschäftsordnung ihre Ecken und Kanten hat. Vieles an Regelungen, wie wir sie heute haben, trägt den Stempel der Zeit von 1990/91, als die Geschäftsgrundlage für das Parlament förmlich aus dem Nichts entstehen musste. Was tut man dann folgerichtig? Man schreibt ab. Man schreibt ab bei Geschäftsordnungen anderer Landesparlamente, bei Geschäftsordnungen des Bundestages. Dabei wird auch manches mit abgeschrieben, was in die Praxis nicht hineinpasst. Inzwischen haben wir eine elfjährige Praxis und wir können genauer einschätzen, was sich bewährt hat und was nicht.

Es gibt aber noch einen weiteren wichtigen Punkt, nunmehr die Neufassung vorzunehmen. Es hat sich im Laufe der Jahre praktisch eine „Nebengeschäftsordnung“ her

ausgebildet, und zwar sind das die Auslegungsregelungen des Rechtsausschusses gewesen, der ja zugleich Geschäftsordnungsausschuss ist. Erinnern wir uns: Die Unzulänglichkeiten der Geschäftsordnung zeigten sich sehr bald in der Praxis. Die verbindlichen Auslegungen – eigentlich waren sie dann doch nicht verbindlich, wie uns später gesagt worden ist – des Rechtsausschusses haben sofort begonnen. Die erste Auslegung erfolgte bereits am 1. März 1991. Und wenn ich mich an die Zeit erinnere, als Herr Dr. Buske den Rechtsausschuss leitete, ist manches nach dem Motto vollzogen worden: Im Auslegen seid nur frisch und munter, legt ihr’s nicht aus, dann legt man’s unter!

(Beifall Dr. Armin Jäger, CDU – Dr. Ulrich Born, CDU: Das haben sie doch aber gut gemacht oder nicht?!)

Schon Anfang April musste sich beispielsweise der Rechtsausschuss damit befassen, wie mit Gesetzentwürfen zu verfahren ist und wie Änderungsanträge auszusehen haben. Anlass waren bezeichnenderweise ein Gesetzentwurf und ein Antrag der PDS, gegen die – gegen die PDS – die Mehrheit sozusagen mit allen Mitteln damals vorgegangen ist. Fakt war, dass die Geschäftsordnung in diesem Punkt nicht klar war, und so bestand die Möglichkeit – und sie besteht ja bis heute fort –, nach der Ersten Lesung einen Gesetzentwurf nicht in die Ausschüsse zu geben, sondern ihn vielmehr sozusagen in den Orkus zu schicken.

(Dr. Ulrich Born, CDU: Das nicht.)

Dann ist es jeder Fraktion freigestellt, irgendwann mit dem Gesetzentwurf noch einmal zu kommen und ihn abgelehnt zu erhalten.

(Dr. Ulrich Born, CDU: Das ist nicht gut.)

So war es und so war es nicht gut.

Inzwischen gibt es immerhin zu 14 von insgesamt 66 Paragraphen der jetzt noch bestehenden Geschäftsordnung Auslegungen des Rechtsausschusses, die sich schlicht als notwendig erwiesen haben, um überhaupt eine einigermaßen sichere Geschäftsgrundlage zu bekommen. Dass damit die Übersichtlichkeit der Geschäftsordnungsnormen nicht gewinnt, liegt auf der Hand. Sicherlich ist diese Praxis von allen Fraktionen – und knurrend auch von der Opposition, je nachdem, wer gerade Opposition war – getragen beziehungsweise hingenommen worden. Dennoch war und ist die Praxis aus unserer Sicht verfassungsrechtlich zweifelhaft. Denn das, was der Rechtsausschuss da machte und machen musste, war im Prinzip nicht Normenauslegung, sondern Normensetzung. Der Rechtsausschuss schuf aus eigener Kraft Geschäftsordnungsrecht, und zwar am Landtagsplenum vorbei,

(Dr. Ulrich Born, CDU: Ach! Da hätten Sie doch nie mitgemacht!)

das nun einmal Herr des Verfahrens war.

(Dr. Ulrich Born, CDU: Bei so was haben Sie mitgewirkt?)

Ja, eigene Fehler muss man auch bekennen.

Das Landesverfassungsgericht hat uns bekanntlich inzwischen mit aller Deutlichkeit ein Stoppzeichen gesetzt und gesagt, dass diese Praxis rechtswidrig ist. Und somit sind auch die bisherigen bestehenden Auslegungen zwei

felhaft. So ist es also an der Zeit, diesen Mangel abzuschaffen und Ordnung herzustellen.

Die Auslegungsregelungen sind mit der Neuregelung sämtlich gegenstandslos und soweit sie richtig und angebracht sind, inhaltlich als klare Geschäftsordnungsnormen eingearbeitet. Darüber hinaus sind auch einige Anlagen in den Normtext eingearbeitet worden, zum Beispiel zur Kurzdebatte und zur Fragestunde. Das ist sicherlich praktisch. Andere Anlagen werden dagegen beibehalten, zum Beispiel zu Immunitätssachen und zur Arbeit mit Petitionen. Auch das ist vernünftig und praktisch. Gewiss hat die jetzige Geschäftsordnung nunmehr 115 Paragraphen statt bisher 66, aber zieht man die Ablösung der Auslegungen und Anlagen in Betracht, ist aus unserer Sicht dennoch ein rationelles Arbeitsinstrument entstanden.