Und den Rausch der langen Nacht, Frau Gramkow, den kann man nur der PDS bei so einem Ministerpräsidenten …
Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Als ich das Thema der Aktuellen Stunde gesehen habe, dachte ich zunächst, ich hätte jüngst irgendetwas Spektakuläres im Bereich Sucht und Drogen verpasst. Bei der Aktuellen Stunde sollte es sich um Themen handeln, die aktuell von besonderer Brisanz sind. Sucht- und Drogenprävention, meine Damen und Herren, muss auf Kontinuität ausgerichtet sein.
Und wie die Unterrichtung durch die Landesregierung auf Drucksache 3/2036 zeigt, ist dieses auch der Ansatz der Landesregierung. Wenn Sie, meine Damen und Herren von der CDU, die Unterrichtung diskutieren wollen, warum haben Sie diese dann nicht auf die Tagesordnung gesetzt?
Allerdings, Herr Glawe, hatte ich bei Ihnen den Eindruck, Sie haben diese Unterrichtung noch nicht einmal gelesen. Sie haben davon gesprochen, dass wir Schwerpunktpraxen Sucht einrichten müssen. Ein Tipp: Auf Seite 15 erhalten Sie die Information, dass wir bereits neun Arztpraxen haben, zehn werden allerdings angestrebt.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich hatte in meiner Einbringung unseres Antrages, einen Bericht über
dass ich damit das Ziel verbinde, eine langfristig orientierte Suchtprävention in allen Bereichen – in Kindergärten, Schulen, Freizeit, Familie und Beruf – zu befördern. Der vorliegende Bericht ist hierfür eine gute Basis.
Genaue Zahlen zum Suchtmittelmissbrauch liegen bekanntermaßen nicht vor. „55.000 männliche Jugendliche im Alter zwischen 15 und 29 Jahren kommen pro Jahr unter Einfluss von Alkohol ums Leben… Alkohol [ist] Killer Nummer 1“, – so war es in der SVZ im Februar 2001 im Zusammenhang mit der WHO-Studie zum Alkoholmissbrauch von Jugendlichen zu lesen. Laut Unterrichtung auf Drucksache 3/2036 liegt das Einstiegsalter beim Rauchen gegenwärtig zwischen 11 und 13 Jahren. Die tabakbezogene Mortalitätsrate in Deutschland beträgt bei Frauen circa 14 Prozent, bei Männern 29 Prozent. In Mecklenburg-Vorpommern sind es circa 22 Prozent Frauen und 2 7 Prozent Männer. Aufgrund von Essstörungen wurden im Jahre 1999 145 weibliche und 23 männliche Klienten im Land betreut. Bei der Spielsucht waren es 111 männliche und 29 weibliche Klienten. Diese wenigen Zahlen allein zeigen schon, dass im Suchtbereich insbesondere auch geschlechtsspezifische Unterschiede berücksichtigt werden müssen, eine Sache, denke ich, die bei weiteren Untersuchungen und auch Berichterstattungen noch stärker ins Gewicht fallen muss.
Meine Damen und Herren, die Landesregierung hat in den letzten Jahren eine Vielzahl von Maßnahmen ergriffen, um einerseits durch Prävention den Konsum von Drogen so gering wie möglich zu halten, zudem den Betroffenen zu helfen, wie Frau Ministerin Bunge sagte, und andererseits aber auch den Verursachern gegenüber mit Repressionen zu begegnen. Das geht im Übrigen auch aus dieser Unterrichtung hervor. Die Mittel im Präventionsbereich wurden trotz der angespannten Haushaltslage kontinuierlich erhöht. Waren es zum Beispiel 1994 noch circa 4,1 Millionen DM, so waren es im Jahre 2001 circa 5,8 Millionen DM.
Beispielhaft nennen möchte ich in diesem Zusammenhang auch die effiziente Arbeit des Suchtforschungszentrums in Greifswald, das von den Jugendlichen gut angenommene Fifty-Fifty-Taxi, das Genussmobil oder die verschiedenen Schulprojekte.
Einen meines Erachtens guten Ansatz verfolgt der Landkreis Ludwigslust mit seiner Konzeption zur Organisation eines Hilfesystems für Drogengefährdete und Drogenkranke. Ziel muss es sein, solche Konzepte auch im Rahmen weiterer Vernetzungen zwischen den verschiedenen Gebietskörperschaften sowie dem Land zu nutzen. Diese Konzeption beinhaltet eine Präventionskette, beginnend beim Kindergartenbereich bis hin in den Erwachsenen- und Arbeitsbereich sowie eine vernetzte und koordinierende Arbeit aller in der Prävention beteiligten Kräfte.
Meine Damen und Herren, der Begriff „Drogen“ wird auch in der schon benannten Unterrichtung auf legale und illegale Drogen angewandt. Wir reden aber nicht nur über Drogen, also über den Konsum von bestimmten Substanzen, sondern über Sucht. Denn das Thema heißt Suchtund Drogenprävention, und das beinhaltet weit mehr.
Wem in diesem Hohen Hause ist eigentlich bekannt, dass das Glücksspiel nach dem Konsum von Alkohol die Droge Nummer 2 der Deutschen ist? Nach meiner Wahrnehmung wird die Spielsucht von der Gesellschaft und der Politik kaum thematisiert. Deshalb einige kurze Anmerkungen hierzu.
Spielsucht ist die vermutlich teuerste Sucht mit hoher Beschaffungskriminalität. In Bayern wurde eine Person geschnappt, die in sechs Jahren bei 16 Banküberfällen rund 4,6 Millionen DM erbeutete und bis auf den letzten Pfennig am Spieltisch wieder verloren hatte. Allein in Deutschland sind eine halbe Million Menschen spielsüchtig. Ihre Sucht ist vergleichbar mit anderen Süchten. Einziger Unterschied: Spielsucht ist nicht an einen Stoff gebunden und man sieht es den Betroffenen nicht an. Die Langzeitfolgen sind nicht organischer Natur. Ihr Lebensschicksal läuft jedoch genauso erschütternd wie bei anderen Süchtigen ab. Die psychische Wirkung des Glücksspielens soll sogar der des Kokains ähneln. Die Glücksspielsucht wird zum größten Teil als schweres Krankheitsbild eingestuft. Und, meine Damen und Herren, wenn wir dann überlegen, dass wir immer mehr Unterhaltungsautomaten haben und Spielcasinos, denke ich, ist das ein Aufgabenbereich,
dem wir uns auch mal tiefgründiger widmen sollten, aber mit Sicherheit nicht im Rahmen von 4-mal-5-Minuten-Debatten. – Ich danke Ihnen.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Links oben, sozusagen in der ersten Zeile meiner Zeitung am vergangenen Sonntag wurde ich mit der Werbung für eine Droge konfrontiert, mit der fast alle Jugendlichen nach dem Sucht- und Drogenbericht 2000 der Bundesregierung Erfahrungen haben. „Herrentagsparty am 24. Mai – Jeder Strike gleich ein Schnaps“ war dort zu lesen. Werbung für eine Droge, infolge deren Ge- oder auch Missbrauchs jährlich Hunderte Menschen auf den Straßen ihr Leben lassen sowie Millionen D-Mark für Gesundheitsvorsorge und Rehabilitationsmaßnahmen ausgegeben werden.
Im Inneren der Zeitung dann ein Artikel unter der Überschrift: „Vorsicht Alkohol am Steuer!“. Weit gefehlt jedoch die Annahme, dass es hier darum geht, zu wählen zwischen Auto fahren oder Alkohol – wenn man hier mal wohlwollend betrachtet, den Gebrauch der Droge zu genießen –, vielmehr die Aufklärung darüber, wie die Droge Alkohol konsumiert werden muss, um sich bis zum Fahrtantritt wieder fit zu machen: Wer mit vollem Magen auf Touren geht, verträgt mehr Alkohol als mit leerem Magen.
(Heiterkeit bei einzelnen Abgeord- neten der PDS – Peter Ritter, PDS: Liest du die „Bild am Sonntag“?!)
Auf Seite 1 der Zeitung wird ein Projekt vorgestellt, in dem der Bürgermeister einer Stadt in Mecklenburg-Strelitz den Geschichtsbüchern entnommen hatte, dass an einem Berg seiner Stadt vor einigen Jahren auch mal Wein angebaut wurde. Und so, denken sich der Bürgermeister und andere, die dem Genuss der Droge gern nachgehen, könnte als Touristenattraktion als Norddeutschlands einziger Steilhang-Weinberg hier auch wieder ein Weinberg entstehen.
Drei Meldungen, die sich mit der Droge Alkohol beschäftigen und den Umgang mit dieser in der Bundesrepublik Deutschland legalen Droge deutlich machen. Niemand wird sich, es sei denn, es ist Landtagssitzung, an diesen Meldungen stören. Anders würde es allerdings aussehen, wenn es zum Beispiel zur Kindertagsparty heißen würde: „Fünf Bälle in den Topf – eine Zigarette!“, wenn damit geworben würde oder wenn erläutert würde, dass man nach dem Rauchen von zwei „Tüten“ das Auto besser stehen lassen sollte, oder wenn sich jemand auf die Tradition von vor 150 Jahren beruft und, um Touristen in unser Land zu locken, ein Feld Hanf anpflanzen würde, um dann Norddeutschlands ersten Coffeeshop zu eröffnen.
An diesen Beispielen wird deutlich, wie scheinheilig die Diskussion zum Drogenkonsum in der Bundesrepublik ist. Der Gebrauch der legalen Drogen ist in vollem Maße anerkannt und zugelassen und wirkt sich bei Urteilen unter legalem Drogenge- oder auch -missbrauch strafmildernd aus. Konsumenten illegalisierter Drogen dagegen werden kriminalisiert und verfolgt.
Bereits der Besitz geringer Mengen zum Eigengebrauch illegalisierter Drogen ist für die Polizei und Staatsanwaltschaft Grund zum Handeln. Zieht sich jemand eine Cannabispflanze in seinem Sonnenfenster, ist das Grund für Haussuchungen und Einschüchterungen, wobei die in der gleichen Wohnung liegenden Flaschen Alkohol und Schachteln Tabak unberücksichtigt bleiben. Selbstverständlich! In Missachtung von sich entwickelnden Kulturen unter jungen Menschen glauben konservative Kreise in der Bundesrepublik immer noch, mit Verboten und Druck verhindern oder zumindest beeinflussen zu können, dass Jugendliche sich andere Drogen zum Berauschen gesucht haben als ihre Eltern und Großeltern. Da sich aber die älteren Generationen herausnehmen, sich zu berauschen, müssen sie dieses auch den jüngeren zugestehen.
Nur ein offener und vernünftiger Diskurs, der von der Achtung der Bedürfnisse der anderen, der von einer Gleichberechtigung ausgeht, und nicht die Dämonisierung/Ideologisierung, werden dauerhaft zur Bewältigung der Drogenproblematik beitragen können. Der Umbau der Gesellschaft hin zu einer Gemeinschaft, die Bedingungen zur Verwirklichung und Zufriedenheit aller als Grundlage hat, die von einem Klima der Toleranz, Offenheit und sozialen Gerechtigkeit geprägt ist, ist die beste Suchtprophylaxe und erklärtes Ziel von PDS-Politik.
Als Beginn in unserem Land könnte ich mir die Anhebung der Eigenbedarfsgrenze illegalisierter Drogen, weicher Drogen, genauso vorstellen wie die Einrichtung niedrigschwelliger Hilfeangebote für Drogenabhängige, zum
Beispiel die Einrichtung von so genannten Gesundheitsräumen. Was auch immer getan wird, es muss darauf hinauslaufen, dass junge Menschen wie ältere verantwortungsvoll mit Drogen umgehen lernen.