Protocol of the Session on May 16, 2001

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und PDS)

Das Wort hat die Vorsitzende der PDS-Fraktion Frau Gramkow. Bitte sehr, Frau Gramkow.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Drogen sind eine Alterserscheinung. Alkohol und Tabak sind durch Werbung und Konsum allgegenwärtig. Apotheken als Bezugsquelle von Medikamenten sind in jedem Telefonbuch nachzulesen. Täglich werden in unserem Land legale wie illegale Drogen gebraucht und missbraucht. Über die einen wird in der Öffentlichkeit geredet, weil sie die illegalisierten Drogen sind, die anderen werden in der Öffentlichkeit genossen, gebraucht und missbraucht, weil sie zum abendländischen Kulturkreis dazugerechnet werden und deshalb legal sind.

Ich sagte es bereits in der Aktuellen Stunde des Landtages: Die PDS tritt für die Freigabe und Entkriminalisierung von illegalisierten weichen Drogen ein.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS)

Nur so wird es möglich sein, mit den überwiegend jungen Konsumentinnen und Konsumenten der illegalisierten

Drogen den Konsum und die Sucht zu bekämpfen. Nur wenn wir diesen jungen Menschen die Chance geben, legal ihrem Rauschverlangen nachzugehen, ist es möglich, für sie Einfluss zu nehmen und sie einen selbstbewussten und verantwortungsvollen Umgang mit Drogen zu lehren,

(Beifall bei Abgeordneten der PDS – Zuruf von Harry Glawe, CDU)

um sie stark, Herr Glawe,

(Harry Glawe, CDU: Ich habe gar nichts gesagt.)

um sie stark gegen Sucht und Missbrauch zu machen.

Und damit sind wir beim eigentlichen Thema, meine Damen und Herren der CDU, denn das Thema der Aktuellen Stunde haben Sie nicht gewählt, um sich für einen bewussten und verantwortungsvollen Umgang mit Drogen in Mecklenburg-Vorpommern stark zu machen. Dafür hatten Sie lange genug Zeit,

(Harry Glawe, CDU: Ja, wir kommen bald wieder.)

nämlich während Ihrer Regierungstätigkeit. Sie wollten die Reaktionen meiner Aussage von der letzten Aktuellen Stunde und der folgenden öffentlichen Diskussion in der PDS, Sie wollten die PDS vorführen, indem Sie unsere Forderungen nach Freigabe und Entkriminalisierung bewusst, Herr Glawe, fehlinterpretieren.

(Harry Glawe, CDU: Was? – Zuruf von Lutz Brauer, CDU)

Wir sagen jedenfalls nicht, so, wie Sie es versuchen zu suggerieren: Lasst den Dealern der illegalisierten Drogen freie Hand.

(Harry Glawe, CDU: Das sagen Sie.)

Wir sagen nicht: freier Verkauf von Drogen möglichst in der Nähe von Schulen. Wir sagen: Werbeverbot für alle Drogen statt Werbung für die einen und die Kriminalisierung für die anderen Drogen.

(Beifall bei Abgeordneten der PDS)

Wir sagen: Entkriminalisierung von Drogenkonsumenten statt Verfolgung von Hanfpflanzenzüchtern.

(Beifall bei Abgeordneten der PDS)

Wir sagen: Gegen Drogenkonsum akzeptierte Prävention und Aufklärung statt Kriminalisierung und Zeigefinger. Und wir sagen: Wer die illegalisierten Drogen verteufelt und die Konsumentinnen und Konsumenten kriminalisiert und bekämpft, gleichzeitig jedoch für den Konsum legaler Drogen ist und deren Gebrauch wie auch immer rechtfertigt, der ist unehrlich.

(Beifall bei Abgeordneten der PDS – Heiterkeit bei Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Kampf den vorpommerschen Schnapshändlern!)

Ziel ist nicht, meine Damen und Herren der CDU, dass mehr Drogen in Umlauf kommen – Frau Ministerin ist schon darauf eingegangen –, sondern dass es weniger werden. Und dieses kann nur erreicht werden, wenn über den Drogenkonsum eine Debatte angeschoben wird. Aus diesem Blickwinkel können wir Ihnen sogar dankbar für diese Aktuelle Stunde sein. Und wie zu unserer Bestätigung führt der Sucht- und Drogenbericht 2000 der Bundesregierung Folgendes aus, ich zitiere: „Wir brauchen

deshalb eine gesellschaftliche Diskussion über die mit dem Konsum psychoaktiver Substanzen verbundenen gesundheitlichen psychischen und sozialen Risiken. Diese Risiken sind unabhängig davon, ob diese Substanzen legal oder illegal sind.

Es sollte deshalb in dieser Debatte weder um eine Verteufelung noch um eine Bagatellisierung von einzelnen psychoaktiven Substanzen gehen. Wir brauchen realistische und glaubwürdige Präventions- und Behandlungskonzepte, die von der Lebenswirklichkeit der Menschen ausgehen und ihnen helfen,

§ den Einstieg in den Konsum hinauszuzögern

§ den Ausstieg aus riskanten Konsummustern frühzeitig zu schaffen

§ den Ausstieg aus einer Abhängigkeit zu erreichen mit allen dafür zur Verfügung stehenden Hilfen, von der Abstinenztherapie bis zur medikamentengestützten Behandlung.

Der Umgang“ – immer noch der Bericht der Bundesregierung – „in unserer Gesellschaft mit psychoaktiven Substanzen, einschließlich Alkohol und Tabak, ist nach wie vor von Widersprüchlichkeiten geprägt. In der Drogenund Suchtpolitik gibt es keinen Königsweg, sondern ein Mosaik von – bestmöglich – aufeinander abgestimmten Bausteinen von Prävention, sozialer und therapeutischer Unterstützung und Hilfe – einschließlich Schadensminderung und Überlebenshilfe.“ Ich denke, dem ist nichts hinzuzufügen.

(Beifall bei Abgeordneten der PDS und Reinhard Dankert, SPD)

Das Wort hat der Abgeordnete Herr Thomas von der CDU-Fraktion. Bitte sehr, Herr Thomas.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bei Drogen in MecklenburgVorpommern geht es auch immer um internationale organisierte Kriminalität. Der Jahresumsatz der internationalen Drogenkartelle betrug 1998 circa 400 Milliarden US-Dollar und damit acht Prozent des Welthandels. Die USA, Europa und Deutschland sind Hauptverbraucherländer und damit Zielgebiet Nummer 1 der internationalen Drogenmafia.

Nach Angaben von EU-Drogenexperten werden in Lateinamerika jährlich 1.800 bis 2.000 Tonnen Kokain produziert. Der Jahresumsatz mexikanischer Drogenkartelle beträgt etwa 35 Milliarden US-Dollar und ist damit neben Öl und Tourismus die drittwichtigste Einnahmequelle. 50Prozent der Drogengelder werden für Bestechungsgelder wieder ausgegeben. 1997 wurden im EU-Bereich allein 38 Tonnen Kokain sichergestellt. 1999 stellte die spanische Polizei mit einer Aktion auf See 10 Tonnen Kokain und 208 Kilo Heroin sicher – Marktwert 1 Milliarde DM.

(Monty Schädel, PDS: Mecklenburg- Vorpommern ist ganz schön groß.)

Laut BKA wurden 1998 allein auf der Balkanroute 8 Tonnen Heroin beschlagnahmt.

Davon sind wir betroffen, Sie Mütze.

Im November 1999 haben DEA und CIA laut internationalen Quellen in Mittel- und Südamerika sowie in den USA ein großes Kokainkartell zerschlagen. 1.290 OK-Mitglie

der wurden verhaftet, 1.000 Tonnen Kokain sichergestellt. Flugzeuge, Schiffe, Immobilien, Pkw, Gold und Bargeld wurden dem Staat durch Gewinnabschöpfung, die uns fehlt, zugänglich gemacht.

1998 stellte der französische Staatspräsident Chirac die Niederlande als „Narco-Staat“ mit Recht an den internationalen Pranger. Laut US-Drogenforscher Collins gelangten von 1998 bis 2000 80 Prozent des Heroins, das in Großbritannien und Frankreich beschlagnahmt wurde, über die Niederlande in beide Staaten. Laut Collins sind die Niederlande der größte Ecstasyproduzent Europas. Nur in den USA ist der Konsum von Heroin, Kokain und Ecstasy unter Jugendlichen noch größer als in Holland. Auf dem niederländischen Drogenmarkt werden für weiche Drogen circa 17,5 Milliarden DM jährlich eingenommen.

1999 wurde bekannt, dass ein Kartell aus kolumbianischen Drogenbaronen und niederländischen Fahndern aus Zoll und Polizei unter anderem 4 Tonnen Kokain ins Land schmuggeln konnte. Jährlich gelangen circa 75 Tonnen Kokain in die Niederlande und von dort auch nach Deutschland. 1999 zerschlug die DEA ein Drogenkartell, das monatlich 30 Tonnen Kokain in die USA schmuggelte und damit 5 Milliarden US-Dollar Gewinn machte.

Nach Angaben des internationalen Narcotics Control Strategy Report der USA stammen 75 Prozent aller Heroinlieferungen nach Europa aus der Türkei. Das sind pro Monat 10 Tonnen Heroin. Laut Münchener Institut für Therapieforschung gibt es zurzeit in Deutschland allein 330.000 Kokainabhängige. In NRW setzte allein eine OKBande laut Bericht des Innenministers 51,5 Tonnen Heroin um. In Niedersachsen sind fast 50 Prozent aller Delikte auf Drogen zurückzuführen.

Zur Versorgung ihrer Abnehmer benötigen zum Beispiel die Dealer in Hannover 35 Kilo reines Heroin pro Woche, also 1,82 Tonnen im Jahr. Das ist mehr, als deutsche Drogenfahnder im Jahr sicherstellen. Dieser Vergleich zeigt die gewaltige Dimension der Bedrohung, der auch unser Land ausgesetzt ist. Laut Drogenexperten der Hamburger Hilfseinrichtung „Palette“ ist Crack in Deutschland und in Meck-Pom auf dem Vormarsch. Es ist also nicht verwunderlich, dass wir mit 2.030 Drogentoten im Jahr 2000 einen neuen Rekord nach 1992 erreicht haben.

Auch in unserem Land sind die Drogen innerhalb der organisierten Kriminalität die Nummer 1. Der Rauschgiftkonsum bei Jugendlichen steigt drastisch an. Im Zuge der Ermittelung wird regelmäßig festgestellt, dass die Beschlagnahme im Vergleich zum Umschlag im Promillebereich liegt. Ich betone, im Promillebereich. Bei angeordneten Blutproben bei 18- bis 25-Jährigen wurden in 50Prozent aller Fälle Drogen und Alkohol zusammen festgestellt.

(Heiterkeit bei Monty Schädel, PDS: Drogen und Alkohol, ja.)

Die PDS will Drogen in Schulen verteilen und in Mecklenburg-Vorpommern Haschisch im Laden verkaufen. Man muss das deutlich sagen: Das ist kriminell!

Und Dr. Timm will offenbar Zielvereinbarungen mit den Polizeidirektionen abschließen, um Fallzahlen zu senken. Mehr Drogendelikte werden aber nur durch die Erhöhung des Kontrolldruckes erkannt. Drogen fallen unter Kontrollkriminalität, ebenso wie Schleusung und Menschenhandel. Wer weniger kontrolliert, dem sinken natürlich die

Fallzahlen. Bei Schleusern waren es in Mecklenburg-Vorpommern unter zehn im Jahr. Das ist absoluter deutscher Minusrekord. Es fehlen hier also die von uns geforderten verdachts- und ereignisunabhängigen Kontrollen.

(Heiterkeit bei Andreas Bluhm, PDS: Neben jeden Zigarettenautomaten einen Polizisten, ja?)

Die Pläne zur Zielvereinbarung sind nichts anderes als der Aufruf des Innenministers, im Kampf gegen Drogen die Kontrollen runterzufahren und damit der OK das Feld zu überlassen. Wir setzen …

Herr Abgeordneter, ich bitte zum Schluss zu kommen.