Protocol of the Session on January 31, 2001

Und, Herr Professor Kauffold, wenn Sie das prozentual hier beziffern, weil wir gerade bei Mathematik sind, bei nur 0,4 Prozent die 67 Lehrer, die weggehen, dann muss ich Ihnen sagen, das sind 67 Lehrer zu viel, die das Land verlassen. Es ist in der Tat so, Sie brauchen den Lehrern nicht mehr zu kündigen, weil leider die Lehrer diesem Land kündigen. Und hier muss dringend eine Änderung, eine fundamentale Änderung herbei, das darf so nicht weitergehen.

Die Qualität unserer Schulbildung spiegelt sich unter anderem auch in der Zahl der Abbrecher einer Ausbildung

wider. Seit 1995 steigt diese Zahl an. Brachen 1995 noch 19,3 Prozent der Auszubildenden ihre Lehre ab, waren es 1999 schon 24,1 Prozent, so der Berufsbildungsbericht 1999. Die Schule löst heute leider nicht mehr den Anspruch ein, Schüler für das lebenslange Lernen vorzubereiten. Die Gründe für den Abbruch sind vielschichtig. Zentrales Argument ist jedoch, dass die Auszubildenden mit den an sie gestellten Anforderungen nicht klarkommen. Das hat auch etwas damit zu tun, dass ihre bisherige Schulbildung nicht gerade von Kontinuität und Autorität geprägt war. Ständig wechselnde Lehrer sind nun einmal kein Garant für eine kontinuierliche Persönlichkeitsentwicklung in jeder Hinsicht.

(Beifall Harry Glawe, CDU: So ist es.)

Ein weiteres Problem müssen wir in der Neigung oder, besser gesagt, Abneigung zum Studieren von Abiturienten zur Kenntnis nehmen. Nur 48,1 Prozent der jungen Frauen nehmen nach dem Abitur ein Studium auf, bei den jungen Männern sind es 69,1 Prozent. Was machen aber die restlichen Abiturientinnen und Abiturienten? Sie konkurrieren mit den Realschülern und Hauptschülern um die wenigen Ausbildungsplätze. Der Kampf ist unfair, da die Abiturienten aus dem Jugendschutzgesetz herausfallen und schon so als voll einsetzbare Arbeitskräfte den Betrieben für die Lehrzeit zur Verfügung stehen. Bis 2020 sagen Gutachter, so die Prognose, weiterhin eine Studierquote von gerade mal 57 Prozent voraus. Das ist ein Armutszeugnis für ein Land, dessen einzig wahrer Rohstoff, ja das Juwel des Landes das so genannte Humankapital ist. Diese Quote ist gleichzeitig das Zeugnis einer verfehlten Bildungspolitik, die nicht in der Lage ist, aus ideologischer Verblendung ordnend in die vorhandenen Verwerfungen einzugreifen. Ein solcher Ordnungsprozess würde die Qualität des Unterrichts und damit die Unterrichtsversorgung an allen Schularten dramatisch verbessern.

Herr Professor Kauffold, Sie haben hier dargestellt, dass die Rahmenbedingungen schlecht seien. Das ist richtig, doch Sie sind es, der das ändern muss, und Sie könnten es ändern. In erster Linie ist es nicht das Gehalt, was die Lehrer aus dem Land treibt beziehungsweise sie gar nicht erst dazu veranlasst, sich hier bei Ihnen um einen Arbeitsplatz zu bewerben. Nein, was erforderlich ist, sind verlässliche Rahmenbedingungen. Sie haben völlig Recht, wenn Ihnen die jungen Leute sagen, die Schönheit des Landes allein reicht uns nicht aus. Was notwendig ist, sind Mut und Kraft der Landesregierung, annehmbare Rahmenbedingungen zu schaffen. Sie haben gesagt, ja, wir haben hier keine Verbeamtungen. Das liegt doch ausschließlich an Ihnen, dass die Lehrer nicht verbeamtet werden, doch an niemandem sonst, doch nicht etwa an den …

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Angelika Gramkow, PDS: Wir wollen die Lehrerinnen und Lehrer nicht verbeamten, Herr Dr. Born, verstehen Sie’s denn nicht?!)

Ja, meine Damen und Herren, selbst Rot-Grün in Schleswig-Holstein, das muss man sich einmal vorstellen, ist Ihnen hier voraus und das will schon was heißen.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Herr Wirtschaftsminister, dafür sind Sie verantwortlich. Diese Regierung ist schlicht zu saft- und kraftlos, um solche Rahmenbedingungen zu schaffen. Machen Sie Ihre Hausaufgaben, dann werden Sie auch Schüler haben, die

motiviert sind, und vor allen Dingen Schulabsolventen, die in der Lage sind, den Anforderungen gerecht zu werden, die sie im Leben erwarten. – Vielen Dank.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Das Wort hat der Abgeordnete Herr Bluhm von der PDS-Fraktion. Bitte sehr, Herr Bluhm.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich komme auf einige Ausführungen von Herrn Rehberg, Frau Schnoor und Herrn Born gleich noch zurück, möchte aber vorher noch zwei Probleme benennen, die sich ebenfalls nicht gerade produktiv auf die Unterrichtsversorgung auswirken.

Zum einen das Problem der staatlichen Schulämter und ihre Reduzierung auf vier: Heute zeigt sich, dass durch die damals im Rahmen des Gesetzes über die kostensenkenden Strukturmaßnahmen vorgesehene oder vorgenommene Reduzierung der Schulämter zumindest das operative Reagieren auf Unterrichtsausfall erheblich eingeschränkt wurde. Die personalpolitischen Erbhöfe der kreislichen Strukturen wurden damit zwar beseitigt, aber nun sind die Wege länger geworden. Mit moderner Kommunikationstechnik allein kann eben ein Stundenausfall über diese vier großen Ämter nicht kompensiert werden. Hinzu kommt, dass auch die Bedarfsermittlung in den vier Schulämtern durch die dafür zuständigen, was den tatsächlichen Unterrichtsbedarf betrifft, sehr unterschiedlich beurteilt werden muss.

Das zweite Problem, was uns noch heftig Kopfzerbrechen bereiten wird, ist die Frage der Schulentwicklungsplanung, denn bei der ganzen Frage der Standortdiskussion ist abzusehen, dass etwa 15 Prozent einzügige Systeme entstehen werden. Ich will das hier nicht bewerten, weil es eine kommunale Aufgabe ist, die zudem mit sehr viel Emotion und politischer Brisanz verbunden ist, aber auf das Problem der Unterrichtsversorgung bezogen werden die Probleme in diesem Kreis größer werden, die gegenwärtig so wohl oft nicht gesehen werden. Es ist praktisch erwiesen, dass größere Schulen, ich habe bereits darauf verwiesen, einen Lehrerausfall besser und schneller ausgleichen können als kleinere Einheiten, insbesondere wenn es um Fachunterricht geht. Der Grund liegt natürlich in der größeren Anzahl von Fachlehrern und betrachten wir nun das Stundensoll eines Lehrers, dann muss er möglicherweise künftig an mehreren einzügigen Schulen unterrichten. Fällt dieser Lehrer aus, dann haben gleich mindestens zwei Schulen ein Problem mit fachgerechter Unterrichtsversorgung.

Hieran wird deutlich, welch enger Zusammenhang zwischen der Gewährleistung eines wohnortnahen Schulangebotes und der Sicherung der Unterrichtsversorgung und damit der Qualität besteht. Hier entsteht ein neues Problem, das zu den bestehenden hinzukommt. Einfache Lösungen wird es deswegen hier nicht geben, aber wir müssen vorab die entsprechenden Regularien finden, um mit diesem Problem auch umgehen zu können.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS)

Nun zu einer Bemerkung von Frau Schnoor, dass diese Landesregierung eine Zweiklassenbildungspolitik realisiere.

(Dr. Ulrich Born, CDU: Das ist doch richtig, ne? Das ist doch richtig, oder?)

Nun, Herr Born, diese Schule, wie sie heute existiert, ist nicht ein Ergebnis von 1998/1999/2000,

(Dr. Ulrich Born, CDU: Von sieben Jahren.)

sondern ein Ergebnis zehnjähriger Entwicklung in diesem Land.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS und Dr. Henning Klostermann, SPD)

Und wenn Herr Rehberg über die Qualität von Schule redet und daran allein festmacht, ob die Studierquote unter 50 Prozent im Land liegt, dann sage ich Ihnen, es liegt sowohl am Arbeitsmarkt und es liegt natürlich auch an den zurückliegenden zehn Jahren und den damit verbundenen Stundentafelkürzungen, denn, Herr Born, die Realschüler, die die Schule 1999 verlassen haben, haben seit 1989 die Schule in diesem Land besucht und 1991 den Systemwechsel von der Einheit hin zum gegliederten Schulsystem durchgemacht, die haben die Stundentafelreduzierung 1992 mitgemacht, die haben Umstrukturierungen in Größenordnungen in diesem Lande mitgemacht, die haben nicht passende Rahmenpläne mitgemacht. Und das alles sind natürlich auch Bedingungen, die sich auf zehn Jahre Schulbesuch nicht unbedingt positiv auswirken.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und PDS – Dr. Ulrich Born, CDU: Ja, ja.)

Auch das gehört der Ehrlichkeit halber dazu, auch das muss man sagen. Und wenn wir feststellen, dass 56 Prozent der Ausfälle durch Krankheit entstehen, 56 Prozent durch Krankheit, dann macht das zwei Probleme deutlich:

Erstens. Wir haben eine ungesunde Alterspyramide im Schulbereich, die auch durch Überlastung von Lehrern zu höheren Krankenständen führt.

Und zweitens. Im System von kleinen Schulen wohnortnah – was wir ja immer favorisiert haben – ist der krankheitsbedingte Ausfall größer als in Ballungsräumen. Das ist so, das muss man einfach der Ehrlichkeit halber dann auch sagen.

Also wie gesagt, meine Damen und Herren, für eine Aktuelle Stunde sicherlich ein Thema,

(Harry Glawe, CDU: Gutes Thema.)

aber sie löst das Problem nicht und wir müssen alle gemeinsam – und dazu lade ich Sie nach wie vor auch erneut wieder ein – mit den Vertretern vor Ort über die richtigen Lösungen reden, wie wir dazu kommen, Unterrichtsausfälle zu minimieren, wie wir tatsächlich dazu kommen, junge Lehrerinnen und Lehrer in diesem Land zu halten. Der einzige Weg, der dafür gangbar ist, das habe ich bereits mehrfach gesagt, ist aus unserer Sicht die entsprechende Umsetzung des bestehenden Lehrerpersonalkonzeptes mit den Tarifpartnern unter den neuen Bedingungen.

(Beifall bei Abgeordneten der PDS und einzelnen Abgeordneten der SPD)

Das Wort hat die Abgeordnete Frau Polzin von der SPD-Fraktion. Bitte sehr, Frau Polzin.

(Wolfgang Riemann, CDU: Eine Frau, ein Wort. – Dr. Ulrich Born, CDU: Ein Lehrer muss doch in der Lage sein, in der vorgegebenen Zeit seine Rede zu Ende zu bringen.)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren,

(Harry Glawe, CDU: Aber jetzt geht’s vorwärts. – Zuruf von Dr. Ulrich Born, CDU)

vor allem meine sehr geehrten Damen und Herren von der Opposition!

(Harry Glawe, CDU: Aber jetzt vorwärts gewandt!)

Wenn Sie denn mal einen kurzen Moment von Ihrer Hau-drauf-um-jeden-Preis-Taktik abließen

(Dr. Ulrich Born, CDU: Machen wir doch nicht.)

und ein wenig Objektivität in Ihren Wahlkampfhorizont bekämen,

(Harry Glawe, CDU: Wat?)

wüssten Sie sehr wohl, dass etwas mehr nötig ist,

(Wolfgang Riemann, CDU: Genau, etwas mehr ist nötig.)

um anhand von Statistiken gültige Aussagen zu treffen.

(Wolfgang Riemann, CDU: Etwas mehr ist nötig als das, was bisher getan wird. – Zuruf von Dr. Ulrich Born, CDU)

Vor allem, meine ich, kommt es in erster Linie darauf an, den Willen nach den richtigen Fragen zu offenbaren und auch die Zusammenhänge zu benennen. Ich möchte das ganz gern anhand etlicher Aussagen Ihrerseits mal ein bisschen untersetzen.

(Dr. Ulrich Born, CDU: Taktisch war das nicht so geschickt von Ihrem Vorredner.)

Ach, ich fand das schon motivierend für bestimmte Leute, Herr Born.

(Harry Glawe, CDU: Vorwärts gewandt sollen Sie jetzt mal ‘ne Rede bringen.)