Protocol of the Session on May 24, 2000

(Beifall Angelika Gramkow, PDS)

Leistungsfördernde Elemente für Schulkonzepte über einen zusätzlichen Stundenpool sind anzustreben.

Frau Schnoor, in diesem Punkt stimme ich Ihnen zu. Auch hier muss man gucken, wie man Leistungsträger wirklich motivieren kann, wie man denjenigen, die eigentlich das Ganze auf ihre Schultern laden, auch etwas in dieser Hinsicht geben kann, ohne dass man den Gleichheitsgrundsatz aufhebt, aber über Stundenpool/Schulpool kann man schon eine ganze Menge machen, um in die Richtung zu kommen.

(Zuruf von Steffie Schnoor, CDU)

Ich meine, gerade für die Motivation der Leistungsträger und ganz besonders der Schulleiter und Stellvertreter

muss etwas getan werden im Zusammenhang mit der Fortschreibung, denn hier haben wir die Leute, die ganz wichtig sind, unsere Multiplikatoren, die im Grunde dieses System auch auf ihre Schultern laden. Das muss deutlich werden in der Beachtung der Fortschreibung.

Drittens. Ich meine, in das Konzept muss etwas ganz Konkretes gegen den Überalterungsprozess der Kollegien aufgenommen werden. Das ist ja auch gefordert worden von allen Seiten. Damit meine ich die Sicherung des Vorruhestandes auch weiterhin, denn das ist keine Selbstverständlichkeit, ich betone es noch mal, das ist mit finanziellen Kraftanstrengungen des Landes verbunden. Damit meine ich weiterhin, über den Einstellungskorridor für junge Lehrkräfte auch über spezielle Einsteigerverträge nachzudenken, die über eine gewisse Frist hin sagen: keine Vollzeitarbeit, aber später anzustreben. Auch das wäre eine Möglichkeit, mal genauer hinzugucken.

Zukunft fängt bei den Kindern an. Auch ich leiste mir einfach noch mal dieses vielleicht etwas aufgesetzte Zitat, aber das ist mir dabei ein ganz ehrliches Anliegen, und wer mich kennt, weiß das auch: Bei aller notwendigen Schulnetzplanung und Bedarfsanpassung muss die Sicherung und Verbesserung von Qualität oberste Priorität haben. Diesen Prozess wird die SPD-Fraktion auch weiterhin konstruktiv begleiten. – Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD, einzelnen Abgeordneten der PDS und Wolfgang Riemann, CDU)

Danke, Frau Polzin.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Bluhm von der Fraktion der PDS.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren!

Frau Schnoor, es ehrt mich ja, wenn Sie meine Rede schon als Bericht charakterisieren, aber ich denke schon, dass in dem Bericht, den die Landesregierung dem Landtag vorzulegen hat, eine ganze Reihe von untersetzenden Einschätzungen, Analysen vorgelegt werden müssen, welche Entwicklungen sich denn in der Umsetzung des Lehrerpersonalkonzepts gezeigt haben, seien es die Auswahlentwicklungen, seien es die ganzen Fragen der Fächer, Ausbildung der einzelnen Lehrkräfte und so weiter. Also ich denke schon, da ist noch mehr zu leisten,

(Beifall Angelika Gramkow, PDS)

als heute hier geleistet werden konnte und als auch damals im Bildungsausschuss geleistet wurde.

Noch eine Bemerkung zu der hundertprozentigen Unterrichtsversorgung: Natürlich sind auch mir solche Fälle in diesem Land bekannt. Jeder der Fälle ist einer zu viel, aber auch diese ergeben sich aus einer so berechneten vorgesehenen Stellenausstattung, die manchmal über die vier Schulämter nicht anders mehr zu händeln ist und die zu solcher Situation führt. Ich denke, auch das gehört dazu, wenn man über die zurückliegenden Jahre der Umsetzung des Lehrerpersonalkonzepts eine Unterrichtung von der Landesregierung fordert, wie denn künftig auf solche Entwicklungen schneller und besser reagiert werden soll.

(Beifall Angelika Gramkow, PDS)

Personalentwicklung an den Schulen – unbestritten ein Thema von immenser Bedeutung. Diese Bedeutung ergibt sich aus dem Zusammenhang von Demokratisierung sowie aus den Anforderungen an pädagogische Schule und Qualitätsentwicklung. Und das alles geht nicht ohne motivierte und leistungsbereite Lehrerinnen und Lehrer. Lehrerinnen und Lehrer sind Experten, Experten für die Gestaltung von Lern- und Entwicklungsprozessen in den Schulen, und ohne Lehrer funktioniert die Schule genauso wenig wie ohne Schüler. Und jede Gesellschaft tut deshalb gut daran, ihre Lehrerinnen und Lehrer anzuerkennen, ihnen Arbeitsbedingungen zu schaffen, die eine effektive und sachgerechte Arbeit sichern, was ja nicht unbedingt heißt, immer alle Wünsche zu erfüllen. Aber Personalentwicklung muss deshalb in erster Linie diesem Zwecke dienen, den Kindern in diesem Lande ein Höchstmaß an Bildung und Persönlichkeitsentwicklung zu ermöglichen.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD und Angelika Gramkow, PDS)

Die CDU-Fraktion fordert in ihrem Antrag ein Personalentwicklungsprogramm für Lehrkräfte und begründet das – ich gebe zu – sehr zutreffend auch mit der vorhandenen Altersstruktur der Lehrkräfte. Natürlich stimmt es uns ebenfalls nachdenklich, wenn das Durchschnittsalter der hauptberuflichen Lehrkräfte an Grundschulen 45 Jahre, an Haupt- und Realschulen 43,5 Jahre und an den Gymnasien 43 Jahre beträgt. Der Anteil der Pädagogen unter 30 Jahren ist zudem überproportional klein. Die Zahlen hat Frau Schnoor genannt. Aber was Frau Schnoor verschweigt, sind zumindest drei weitere Ursachen:

Erstens. Durch die CDU/F.D.P.-Regierung der ersten Legislaturperiode wurden die Stundentafeln radikal gekürzt

(Beifall Heidemarie Beyer, SPD, Dr. Margret Seemann, SPD, und Angelika Gramkow, PDS – Angelika Gramkow, PDS: Sehr richtig.)

und auf dieser Grundlage fast 5.000 Lehrerinnen und Lehrer entlassen.

(Heidemarie Beyer, SPD: Richtig.)

Ergebnis für diese 5.000 damals: gekündigt mangels Bedarf. Für Kündigungsverfahren schreibt aber der Gesetzgeber eine Sozialauswahl vor. Die Folge war, dass zuerst junge Kolleginnen und Kollegen entlassen wurden, wenn sie nicht unter die Härtefallregelung fielen. Die damals jüngeren Kollegen wurden entlassen, die älteren blieben. In diesem Fall nahm die CDU herzlich wenig Rücksicht auf die sich schon damals daraus ergebenden absehbaren Auswirkungen auf die Altersstruktur.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD und Angelika Gramkow, PDS)

Und heute tun Sie nun so, als hätten Sie nie Verantwortung in diesem Land gehabt. Mediziner bezeichnen diesen Zustand als Amnesie, zu deutsch: vorrübergehender oder dauernder Gedächtnisverlust. Ich hoffe sehr, dass dies nur ein vorübergehender Zustand ist,

(Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Bis zur nächsten Regierungsbeteiligung. – Zuruf von Wolfgang Riemann, CDU)

der bald der Vergangenheit angehört.

Zweitens. Die Altersstruktur der Bundesrepublik insgesamt ist ungesund. Es entwickelt sich zunehmend ein Missverhältnis vor allem zwischen den Altersgruppen der jungen und älteren Menschen. Auch das ist zuerst ein Ergebnis von Politik. Denn wenn die Erfüllung von Kinderwünschen eine sichere Verminderung von Lebensqualität für viele bedeutet, muss sich niemand wundern, wenn sich immer weniger junge Menschen für wenig oder gar keinen Nachwuchs entscheiden.

(Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Für einen Hund entscheiden, Herr Bluhm!)

Und diese Problematik haben wir mit der demographischen Entwicklung in diesem Lande in viel höherer Potenz als in den alten Bundesländern zu konstatieren, und zwar mit den Folgerungen für das Lehrerpersonalkonzept. Eine Gesellschaft, die sich nicht aus sich selbst heraus reproduziert, stirbt aus. Wir sind also sozusagen auf dem schlechtesten Wege dahin.

Drittens. Die CDU-Fraktion sieht in ihrem Antrag eine Lösung in verstärkten Werbemaßnahmen für den Beruf des Lehrers. Weshalb haben wir es eigentlich nötig, für einen Beruf zu werben, der in den zurückliegenden Jahren wegen seiner hohen gesellschaftlichen Akzeptanz, seiner bedeutenden gesellschaftlichen Wichtigkeit und seiner ethischen Bedeutung nie über Personalmangel zu klagen hatte?

(Beifall Angelika Gramkow, PDS)

Dafür gibt es auch Ursachen. Zum einen sind die Arbeitsbedingungen schlechter geworden. Sie bieten bedingt durch politische und vor allem finanzpolitische Entscheidungen im Bund und auch im Land kaum ausreichend Anreize für das Erlernen des Lehrerberufs. Zum anderen ist, wie in anderen neuen Bundesländern auch, die Bezahlung mit 86 Prozent des Westgehalts wohl kein Mittel für personelle Kontinuität. Bei den beruflichen Schulen wird das besonders deutlich, denn es gibt ja auch in den alten Ländern hohen Bedarf an Berufsschullehrern, und damit wandern die Lehrer und Absolventen, soweit sie können, dorthin ab. Sie bekommen dort für die gleiche Arbeit, die sie hier leisten müssten, 100 Prozent und oft sind die Arbeitsbedingungen dort in der Regel besser. Auch aus diesen Gründen halten wir zumindest das Stufenprogramm mit einem verbindlichen Endtermin für die Gehaltsangleichung für nötig, ich betone: nicht nur für Lehrer!

(Beifall Heidemarie Beyer, SPD, Heike Polzin, SPD, und Angelika Gramkow, PDS)

Das Lehrerpersonalkonzept sieht einen Einstellungskorridor für junge Lehrkräfte vor, und das mit gutem Grund, nämlich weil nur durch die Sicherung von Beschäftigung nach dem Studium und der Referendarzeit die Motivation für den Lehrerberuf entsteht.

Wir stellen fest – und Frau Schnoor hat auch darauf hingewiesen –, dass die Anmeldungen zum Studium zurückgehen. Das Problem allerdings ist, dass das Land unter den vorher schon genannten Gründen nicht allein in der Lage sein wird, diesen Zustand zu verändern. Und selbstverständlich wirkt nicht gerade die Aussicht auf Teilzeitbeschäftigung positiv auf diese Entscheidung bei jungen Menschen. Die Lösung allerdings, die auch Frau Schnoor hier noch einmal erläutert hat, soll heißen, junge Lehrer in Vollzeit zu beschäftigen, ältere Lehrer in den Vorruhestand zu entlassen oder ihnen eine Abfindung zu zah

len. Nun, so weit, so gut, oder besser, so schlecht, denn darin liegen mindestens zwei Fußangeln:

Erstens. Was passiert denn, wenn weniger ältere Kolleginnen und Kollegen die Schule verlassen, als es die Vollzeitbeschäftigung der jungen Kollegen erfordert? Dann wären doch wohl betriebsbedingte Kündigungen unausweichlich. Genau das aber sollte doch mit dem Lehrerpersonalkonzept verhindert werden. Die Unruhe, die dann an den Schulen entstehen würde, hätte in diesem sensiblen Terrain unabsehbare Folgen. Schon die Diskussion um die Umsetzung des Lehrerpersonalkonzepts hat gezeigt, welche Probleme vor Ort bestehen. Wie soll unter den von Ihnen gewünschten Umständen denn Kontinuität, Kollegialität und Berechenbarkeit der Arbeit in den Kollegien gesichert werden? Und ein stabiles Kollegium mit einem Vertrauensverhältnis der dort tätigen Lehrerinnen und Lehrer ist die erste Voraussetzung für Qualitätsentwicklung und Profilbildung an den Schulen.

(Beifall Heike Polzin, SPD, und Angelika Gramkow, PDS)

Nicht der Ellenbogen zwischen den Lehrern ist die Lösung, sondern das gemeinsame Handeln zum Wohle der Kinder in diesem Land.

(Beifall Angelika Gramkow, PDS, und Peter Ritter, PDS)

Zweitens. Das Lehrerpersonalkonzept ist nach Rechtslage ein bürgerlicher Vertrag. Es sind also die Interessen aller Vertragsparteien zu berücksichtigen. Glauben Sie denn ernsthaft, dass die Gewerkschaften und Lehrerverbände, selbst die, die Ihnen nahe stehen, Ihrer Grundintention nach Entlassung folgen würden?

Drittens. Sie wissen als damalige Mitunterzeichner genau, dass Abfindungsregelungen nur zeitlich befristet möglich sind. Die Höhe wurde durch die von Ihrer damaligen Bundesregierung – Herr Riemann, sehen Sie, und da haben wir es dann –

(Zuruf von Wolfgang Riemann, CDU)

eingeführten arbeitsrechtlichen Regelung, Stichwort: Anrechnungen von Abfindungen auf das Arbeitslosengeld, deutlich abgesenkt und bietet wohl kaum noch umwerfende Anreize für den Vorruhestand.

(Angelika Gramkow, PDS: Sehr richtig!)

Diese wenigen Beispiele zeigen, dass der Antrag der Fraktion der CDU zwar erst einmal den Eindruck großer Besorgnis und Anteilnahme vermittelt,

(Heiterkeit bei Heidemarie Beyer, SPD – Peter Ritter, PDS: Wie alle Anträge.)

aber in seinen Wirkungen darauf abzielt, offensichtlich weitere Arbeitsplätze – und das unter höchst unsozialen Aspekten – zu beseitigen. Er ist ein Trojanisches Pferd und müsste eigentlich abgelehnt werden.