Protocol of the Session on April 13, 2000

Das halte ich auch für meine Aufgabe als ÖTV-Mitglied.

(Volker Schlotmann, SPD: Pochen Sie nicht immer auf Ihre Gewerkschafts- mitgliedschaft! Das ist albern.)

Und wenn Sie sagen, wir hätten geäußert, die abhängig Beschäftigten sind über den Tisch gezogen worden, so muss ich Ihnen sagen: Jawohl, das stimmt, Frau Keler, sie sind unter dem Druck,

(Heidemarie Beyer, SPD: Wir sind doch nicht taub.)

entweder ihr werdet gekündigt oder ihr kommt mit 69 Prozent Westlohn aus,

(Zuruf aus der CDU: Hört! Hört!)

vor diese Variante gestellt worden. Und wenn sie das nicht unterschreiben, dann wird es nicht weitergehen, dann werden sie gekündigt. Und das, meine Damen und Herren, nenne ich Erpressung

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Zuruf von Harry Glawe, CDU)

und das, meine Damen und Herren, hat diese Landesregierung von Rot-Rot zu verantworten. – Danke.

(Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Herr Riemann, das dürfen Sie doch gar nicht sagen. Das gibt doch einen Ordnungsruf.)

Herr Riemann, gestatten Sie eine Anfrage des Abgeordneten Herrn Dr. Bartels? – Herr Riemann?!

(Wolfgang Riemann, CDU: Ich bin schon weg vom Mikrophon. Er kann mich jetzt hier fragen.)

Na, bitte.

(Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Ich beantrage einen Ordnungsruf.)

Damit schließe ich die Aussprache.

Die beschlossene Redezeit ist beendet. Im Rahmen der Debatte ist beantragt worden, den Antrag der Fraktion der CDU auf Drucksache 3/1213 zur Beratung an den Sozialausschuss zu überweisen. Wer stimmt diesem Überweisungsvorschlag zu? –

(Volker Schlotmann, SPD: Wir nicht.)

Danke. Gegenstimmen? – Danke. Gibt es Stimmenthaltungen? – Danke. Damit ist bei Fürstimmen der CDUFraktion, Gegenstimmen bei SPD- und PDS-Fraktion sowie einer Enthaltung der PDS-Fraktion der Überweisungsvorschlag abgelehnt.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung des Antrages in der Sache. Wer dem Antrag auf Drucksache 3/1213 zuzustimmen wünscht, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Danke. Gibt es Gegenstimmen? –

(Dr. Margret Seemann, SPD: Eine ganze Menge. – Volker Schlotmann, SPD: Massenhaft.)

Danke. Stimmenthaltungen? – Danke. Damit ist der Antrag bei gleichem Stimmverhalten abgelehnt.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 23: Beratung des Antrages der Fraktionen der SPD und PDS – Prozesskostenhilfe, Drucksache 3/1223.

Antrag der Fraktionen der SPD und PDS: Prozesskostenhilfe – Drucksache 3/1223 –

Das Wort zur Begründung hat die Abgeordnete Frau Dr. Seemann von der SPD-Fraktion. Bitte sehr.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Ich bemühe mich jetzt, auch ohne Gebärdendolmetscher langsam zu sprechen. Ich hoffe, ich komme mit der Zeit trotzdem wieder aus.

Mit dem am 1. Januar 1999 gemäß Insolvenzordnung in Verbindung mit Artikel 110 EG Insolvenzordnung in Kraft getretenen neuen Insolvenzrecht stehen erstmals ein spezielles Verbraucherinsolvenzverfahren und die Möglichkeit einer Restschuldbefreiung zur Verfügung, um unter anderem einen Ausgleich für die in wirtschaftliche Not geratenen Menschen mit deren Gläubigern zu schaffen. Das Verfahren ist darauf ausgerichtet, außergerichtliche Verhandlungen zwischen Schuldnern und Gläubigern zu fördern. Dahinter steht die Absicht, möglichst viele Verbraucherinsolvenzen außergerichtlich zu lösen, weil sich damit ein teures, langwieriges und kompliziertes gerichtli

ches Verfahren vermeiden lässt. Dies soll den Betroffenen die Möglichkeit bieten, wieder einer schuldenfreien Zukunft entgegenzusehen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Realität sieht aber leider oft ganz anders aus. In meinen Gesprächen mit Schuldnerberatungsstellen, wie zum Beispiel der Schuldnerberatung des Arbeitslosenverbandes Hagenow, wurde mir wiederholt mitgeteilt, dass viele Schuldner die Kosten von mehreren Tausend Mark für ein Verfahren zur Klärung und Entschuldung nicht aufbringen können. Und die Gerichte lehnen häufig Prozesskostenhilfe hierfür ab. Daran scheitert dann oftmals die neu eingeführte Möglichkeit des Verbraucherkonkurses für überschuldete Privathaushalte und Kleinstgewerbetreibende.

Frau S. zum Beispiel wollte die Gunst der Insolvenzordnung nutzen und sich einem Verbraucherkonkursverfahren unterwerfen. Doch man lässt sie nicht, ein Gericht verweigerte ihr Prozesskostenhilfe.

(Herbert Helmrich, CDU: Wer? Wer?)

Wie aber sollen Privatpleitiers schuldenfrei werden, wenn sie das nötige Gerichtsverfahren aus Geldmangel nicht durchstehen? Das fragt sich nicht nur die Verbraucherzentrale, die Frau S. – wir können Sie auch Frau P. nennen – bei einer Verfassungsbeschwerde unterstützt. Nicht nur Frau S. ist in Zahlungsnot.

Meine Damen und Herren, und wir reden hier nicht nur über Schuldner, die, wie häufig unterstellt wird, einen zu üppigen Lebensstil gepflegt haben. Es handelt sich zunehmend auch um einen Personenkreis, der im Zuge von Existenzgründungen nach der Wende mit seinem privaten Vermögen gehaftet hat und nach dem Konkurs des Unternehmens folglich privat hoch verschuldet ist. Ich möchte an dieser Stelle auch erwähnen, dass nach meinen Informationen offensichtlich gerade Personen und deren Angehörige, die aus den von mir eben genannten Gründen überschuldet sind, akut suizidgefährdet sind.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, in Mecklenburg-Vorpommern haben nach meinen Informationen 1999 33 der 46 spezialisierten Schuldnerberatungsstellen 568 außergerichtliche Einigungsverfahren nach Paragraph 305 Insolvenzordnung mit einem Schuldenberg von circa 133 Millionen DM durchgeführt. 110 Fälle davon waren erfolgreich. Dabei ist es sicherlich nicht verwunderlich, dass ein höheres Tilgungsangebot die Bereitschaft zur Zustimmung der Gläubiger erhöht. Es ist aber gleichzeitig festzustellen, dass ohne das Verbraucherinsolvenzgesetz 110 Schuldner mit durchschnittlich über 91.000 DM Verbindlichkeiten nicht die Möglichkeit der Entschuldung gehabt hätten. Von den gescheiterten 174 außergerichtlichen Verfahren haben 21 Beratungsstellen 124 Anträge auf Eröffnung eines Verbraucherinsolvenzverfahrens bei den zuständigen Insolvenzgerichten gestellt. Meines Erachtens haben die Schuldnerberatungsstellen dieses neue Rechtsinstrument couragiert genutzt und ihre Eignung nachhaltig bestätigt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn sich aber deutsche Gerichte uneins sind, ob im Verbraucherkonkurs Prozesskostenhilfe gewährt wird, bleiben die Verschuldeten auf der Strecke.

(Heike Lorenz, PDS: Das stimmt.)

Dabei ist der Gang zum Gericht notwendig, wenn die Gläubiger des Überschuldeten alle außergerichtlichen

Vergleichsvorschläge ablehnen. Viele Gläubiger tun dies, weil sie mit dem neuen Verfahren meist noch wenig vertraut sind. Einige tun es aber offenbar auch, weil sich herumgesprochen hat, dass den Schuldnern häufig keine Prozesskostenhilfe gewährt wird, so dass sie nie die Restschuldbefreiung erreichen werden. Dass mittlerweile von den Schuldnerberatungsstellen diejenigen Behörden, Banken und Firmen konkret benannt werden können, mit denen fast nie eine außergerichtliche Einigung zustande kommt, dürfte eher peinlich statt ein Aushängeschild für die Genannten sein.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, mindestens 2.000 DM Gerichtskosten entstehen im gerichtlichen Schuldenbereinigungsverfahren. Doch die Gerichte entscheiden unterschiedlich über Prozesskostenhilfe. Einige Richter erkennen die Gesetzesziele an und gewähren die Hilfe, andere suchen nach formalen Schlupflöchern, um die Anträge abzulehnen. Wenn es nicht so absurd wäre, müssten die Schuldnerberatungsstellen ihren Klienten aus diesem Grunde raten umzuziehen, da sie bei dem einen oder anderen Gericht Prozesskostenhilfe bekommen. Täglich wächst die Zahl der verarmten Verbraucher, denen der Weg ins gerichtliche Verfahren versperrt ist. Da abzusehen ist, dass sich in der gerichtlichen Praxis keine einheitliche Meinung herausbilden wird, ist der Gesetzgeber gefragt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die inzwischen weitverbreitete Praxis der Gerichte, die Gewährung von Prozesskostenhilfe abzulehnen, blockiert den Weg in das Insolvenzverfahren. Überschuldete sind nicht in der Lage, die zwischen 2.000 DM und 5.000 DM liegenden Verfahrenskosten zu tragen. Hinzu kommt, dass nach einem Urteil des Arbeitsgerichts Schwerin vom 29.12.1999 die treuhänderische Abtretung des pfändbaren Teiles des Einkommens des Schuldners an die Beratungsstelle als sittenwidrig erklärt worden ist, wodurch das langfristige Ansparen der Prozesskosten der Mehrzahl der wieder im Arbeitsprozess stehenden Schuldner unmöglich gemacht wird. Die Folge: Die Schuldner verstricken sich in immer tieferen Schuldenfallen. Das sich daraus entwickelnde Desaster: Die erneute Verschuldung vor Antragstellung stellt nach Paragraph 290 der Insolvenzordnung einen Versagungsgrund für die Restschuldbefreiung dar. Ein Kreislauf, aus dem es offenbar kein Entrinnen gibt, ist damit in Gang gesetzt.

Hinzu kommt, dass die Schuldnerberater im Land immer frustrierter werden. Sie arbeiten häufig für den Papierkorb, weil es im Bereich der Insolvenzordnung diese Lücken gibt. Wenn ein Schuldenbereinigungsplan als angemessen definiert wird, ist unklar, ob das aus der Sicht des Schuldners oder des Gläubigers gemeint ist.

Auf eine Anfrage des SPD-Abgeordneten Hartenbach im Bundestag antwortete der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Eckhart Pick zum Thema der Gewährung von Prozesskostenhilfe, dass die Bundesregierung die Auffassung teile, bei völlig mittellosen Schuldnern müssen durch die Gewährung von Prozesskostenhilfe die Voraussetzungen dafür geschaffen werden, dass diese Personen am Verbraucherinsolvenz- beziehungsweise Restschuldbefreiungsverfahren teilnehmen können. Andernfalls würde es zu dem ungereimten Ergebnis kommen, dass gerade die bedürftigsten Schuldner von einem Verfahren ausgeschlossen bleiben, das ihnen eine Perspektive eröffnen kann, in absehbarer Zeit wieder ein Leben frei von drückenden Schuldenlasten führen zu können. Nach Auf

fassung der Bundesregierung ermöglicht die in Paragraph 4 Insolvenzordnung angeordnete entsprechende Anwendung der Vorschriften der Zivilprozessordnung und damit auch der Paragraphen 114 folgende Zivilprozessordnung den Gerichten, dem Schuldner Prozesskostenhilfe in den genannten Verfahren zu bewilligen. Sollten – entgegen der geäußerten Annahme – die Gerichte den völlig mittellosen Schuldnern keine Prozesskostenhilfe gewähren, so müsste nach Auffassung der Bundesregierung eine diesbezügliche gesetzliche Klarstellung erfolgen.

Für die Gewährung der Prozesskostenhilfe fehlt es nach Ansicht von Gerichten an der rechtlichen Grundlage, aber auch bei der Annahme der Anwendbarkeit der Paragraphen 114 folgende Zivilprozessordnung an den notwendigen Voraussetzungen. Die Insolvenzordnung enthält keine eigenen Bestimmungen über die Gewährung von Prozesskostenhilfe. Lediglich in Paragraph 4 Insolvenzordnung ist festgelegt, dass, soweit die Insolvenzordnung nichts anderes bestimmt, für das Insolvenzverfahren die Vorschriften der Zivilprozessordnung entsprechend gelten. Dies führt immer wieder zu den unterschiedlichen Entscheidungen der Gerichte von München bis Rostock.

Die Bundesjustizministerin Däubler-Gmelin hat in einem Interview mit der „Welt“ im Mai 1999 erklärt, dass sie bis Ende des Jahres 1999 beobachten wolle, wie die Gerichte in dieser Frage entscheiden. Wenn dann immer noch Rechtsunsicherheit bestehe, wolle sie mit den Ländern über eine Gesetzesänderung sprechen. Die Abstimmung mit den Ländern ist deshalb von Bedeutung, da die Kosten der Prozesskostenhilfe durch die Länder zu tragen sind. Von der Justizministerkonferenz ist eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe „Insolvenzrecht“ eingesetzt worden, die der Justizministerkonferenz voraussichtlich im Mai des Jahres einen Zwischenbericht vorlegen wird.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, für die Fraktion der SPD ist die praktische Handhabbarkeit der Insolvenzordnung von großer Bedeutung, da nur dann die damit verbundenen Chancen auch wirklich genutzt werden können. Auf Initiative der SPD wird deshalb im Juni des Jahres eine Fachtagung mit Experten zu diesem Thema stattfinden.

Der Ihnen vorliegende Antrag soll die Landesregierung darin unterstützen, eine Lösung des dringenden Problems der Prozesskostenhilfe gemeinsam mit den anderen Bundesländern und der Bundesregierung zu finden. Ich bitte deshalb um Zustimmung zu diesem Antrag.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Vielen Dank, Frau Dr. Seemann.

Jetzt hat das Wort in Vertretung des Justizministers der Minister Eggert. Bitte sehr, Herr Professor Eggert, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Landesregierung begrüßt den vorliegenden Antrag der Koalitionsfraktionen zur Prozesskostenhilfe im Verbraucherinsolvenzverfahren. Auch wir würden eine gesetzliche Regelung dieser Frage befürworten. Nicht zuletzt aus diesem Grunde haben wir uns schon seit längerer Zeit an einer entsprechenden Bund-Länder-Arbeitsgruppe beteiligt.

Zum Hintergrund: Es dürfte allgemein bekannt sein, dass die am 1. Januar 1999 in Kraft getretene Insolvenz