Protocol of the Session on February 3, 2000

(Caterina Muth, PDS: Frage!)

Ja, jetzt kommt ja meine Frage: Meinen Sie wirklich, dass Ihre Argumente aber gut gewählt sind, wenn Sie zum Beispiel die Wismarer Investitionen bemühen als Erfolge, die nun diese Landesregierung besonders hervorgetan hätte, oder wenn Sie nun diese statistische Meldung des Landesamtes bemühen, die da sagt – und ich will es vielleicht noch etwas konkreter darstellen –, dass im April des letzten Jahres, 1999, die Beschäftigtenzahl tatsächlich gegenüber 1998 zugenommen hat? Also wenn Sie jetzt vier Monate definitiv, sage ich mal, wenn ich den ersten Monat noch ein bisschen wegrechne, Ihrer Regierungszeit nun damit beweisen wollen, dass im April des letzten Jahres die Beschäftigtenzahl zugenommen hat, halte ich das doch für, na ja, etwas schwierig. Ich glaube, diese Zahl können Sie nicht als Beweis für irgendwelche Fortschritte heranziehen.

(Zuruf von Reinhard Dankert, SPD)

Herr Seidel, ich will Ihnen, da wir bei Zahlen sind, einiges nennen. Als ich das Wirtschaftsministerium an Sie abgegeben habe,

(Heiterkeit bei Jürgen Seidel, CDU)

da waren wir, das Wirtschaftswachstum betreffend, an zweiter Stelle unter den ostdeutschen Bundesländern.

Als wir es wieder von Ihnen übernommen haben, waren wir an letzter Stelle unter den neuen Bundesländern. Jetzt sind wir wieder auf einem Mittelplatz.

Ich glaube, das hat nichts mit Zahlenakrobatik zu tun. Das sind ganz nüchterne Zahlen.

Das ist ein primitives Spiel, was Sie sagen. Also wirklich!

Und wenn die Arbeitslosigkeit in Mecklenburg-Vorpommern als einzigem der neuen Bundesländer im vergangenen Jahr abgenommen hat, über das ganze Jahr bezogen, Herr Seidel, dann sind das nüchterne Zahlen des Statistischen Landesamtes,

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD)

und das, obwohl wir 15.000 arbeitsmarktpolitische Maßnahmen weniger haben. Warum wollen Sie denn das kleinreden. Das sind doch Zahlen. Und wenn der Einzelhandelsverband – wir machen doch nicht seine Statistiken – sagt, dass zum ersten Mal seit 1993 die Umsätze wieder um 1,9 Prozent gestiegen sind, dann ist das doch eine Meldung, die uns erfreut stimmen muss.

(Reinhard Dankert, SPD: Das ist die erhöhte Nachfrage.)

Das hat etwas damit zu tun, dass seit längerer Zeit auch die Nettoeinkommen gestiegen sind durch eine vernünftige Steuerpolitik, durch eine Rücknahme der Lohnneben

kosten. Das sind doch Tatsachen, die wir nicht verschweigen können.

(Harry Glawe, CDU: Das sind die Benzinpreise, die Sie meinen.)

Vielen Dank, Herr Ministerpräsident.

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Frau Beyer von der SPD-Fraktion. Bitte sehr, Frau Kollegin.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! In dem vorliegenden Antrag der CDUFraktion wird ein Bericht zur Zukunft der Wirtschaftsförderung gefordert. Dabei geht es, wie die Debatte zeigt, in erster Linie darum, wer die besseren Erfolgsrezepte hat, und die Landesregierung soll sich positionieren, wer wem in die Tasche greifen darf. Wie die Debatte deutlich macht, sind sich Regierungsfraktionen und Opposition einig, dass die Schaffung von Arbeitsplätzen einer der wesentlichen Schwerpunkte unserer Politik ist. Nur beim Weg dorthin trennen uns Welten. Ich glaube, es kann bisher keiner für sich in Anspruch nehmen, den Königsweg gefunden zu haben.

(Harry Glawe, CDU: Das stimmt.)

Mit Sicherheit können wir aber feststellen, dem Ziel, mehr Arbeitsplätze zu schaffen, mit vielen kleinen Schritten auf verschiedenen Wegen ein Stück näher gekommen zu sein, so zum Beispiel mit den Möglichkeiten der Arbeitsverwaltung. Im Bereich des Arbeitsamtes Güstrow ist nach dem Auslaufen der Wahlkampf-ABM von 1998 festzustellen, dass die Arbeitslosenquote sich zwar nur geringfügig verändert hat, allerdings ist die Zahl der Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen drastisch gesunken und dafür sind 1999 aber 1.079 Einstellungen auf dem ersten Arbeitsmarkt mit 22,7 Millionen DM gefördert worden, wohlgesagt nicht für den Kreis Güstrow, sondern nur im Bereich des Arbeitsamtsbezirkes Güstrow. Das heißt, von den Einstellungen insgesamt sind 54,98 mit staatlicher Förderung erfolgt. Dazu kommen durch das Arbeitsamt noch zahlreiche Bildungs- und Qualifizierungsmaßnahmen wie Existenzgründerkurse, Projekte wie Job-rotation, Maßnahmen zur beruflichen Frühorientierung und zur Verbesserung der Mobilität. Bei genauer Betrachtung also ein ganzes Maßnahmebündel, das ausschließlich der Wirtschaft zugute kommt, Herr Born.

(Zuruf von Harry Glawe, CDU)

Auf die Maßnahmen innerhalb des AQMV wird Herr Minister Holter noch eingehen. Hervorzuheben ist hierbei aber die Zahl der Existenzgründungen, die mit Mitteln der EU und des Landes gefördert wurden. So erhielten 3.474 Erwerbslose oder Arbeitslose eine neue Chance. Nach Expertenmeinungen schaffen diese wiederum drei bis vier Arbeitsplätze. Daraus können dann sehr schnell 6.000 neu entstandene Arbeitsplätze werden.

Die Erfahrungen mit diesem Programm wie auch mit dem Existenzgründerinnendarlehensprogramm des Wirtschaftsministeriums zeigen, dass durch eine solide Vorbereitung und Begleitung daraus zwar kleine, aber stabile Unternehmen entstehen. Es macht aber auch deutlich, dass wir Kinder und Jugendliche frühzeitig vorbereiten müssen. Sie brauchen Möglichkeiten, sich auszuprobieren, Erfahrungen zu sammeln und Verantwortung zu übernehmen. Die wachsende Zahl von Schülerfirmen – immer

hin gibt es bereits über 70 im Land – zeigt, mit wie viel Begeisterung, Kreativität und Engagement junge Leute sich diesen Herausforderungen stellen. Es ist unsere Verantwortung, diese Begeisterung über die Ausbildung und das Studium hinaus zu erhalten und gute Startbedingungen für eine Existenzgründung zu schaffen.

Ein Beispiel für das gute Funktionieren von Wirtschaftsund Strukturförderung sind die Investitionen der Hansestadt Wismar – der Ministerpräsident ging auch schon darauf ein –, wo durch gezielte Investitionen mehrere Hundert Arbeitsplätze im produzierenden Gewerbe geschaffen wurden und noch weitere hinzukommen werden. Ähnlich verhält es sich mit der Schaffung von innovativen Arbeitsplätzen durch die Ansiedlung des Biomedizintechnikums in Teterow und der Tele-Nova, einer Tochter der Telekom, in Güstrow, wo ebenfalls zahlreiche anspruchsvolle Arbeitsplätze entstanden und zu erwarten sind.

Innovative Unternehmen passen sich den neuen Marktgegebenheiten besser an und sind dadurch zukünftig krisensicherer. Das bedeutet auch mehr Sicherheit für die dort angesiedelten Arbeitsplätze. Wenn im Förderzeitraum von 1990 bis 2002 145.978 Dauerarbeitsplätze durch die GA-Förderung gesichert werden, ist das ein Ergebnis, das sich sehen lassen kann. Bei allen Maßnahmen der Wirtschaftsförderung ist die Steigerung der Arbeitsproduktivität, die Stabilisierung von Betrieben und der Erhalt von Arbeitsplätzen genauso wichtig wie die Schaffung von Arbeitsplätzen. Deshalb halten wir es für fatal, sich gegenseitig vorzurechnen, mit welchem Fördertopf mehr Arbeitsplätze geschaffen werden können.

Für die SPD-Fraktion stellt sich nicht die Frage nach dem Entweder-oder, sondern vielmehr sind wir überzeugt, sowohl Arbeitsmarktpolitik als auch Wirtschaftsförderung bringen uns weiter. Es ist gut, dass in vielen Bereichen – wie der beruflichen Frühorientierung, Beratung, Ausbildung, Existenzgründung, Mobilitätshilfe, Jugend baut, Jugendfirmen – aus verschiedenen Richtungen und Fördertöpfen etwas getan werden kann und dass viele, vor allem auch Unternehmer unseres Landes, sich verantwortlich fühlen und sich aktiv an einer Lösung der Probleme beteiligen.

In Güstrow haben wir dazu den Güstrower Konsens gefunden. Das heißt, verschiedene Partner arbeiten regelmäßig im Interesse unserer Region zusammen, das heißt das Aktivkoordinationsbüro der Job-rotation e.V., die Wirtschaftsförderungsgesellschaft Güstrow, ausgewählte Bildungsträger des Landkreises, das Arbeitsamt Güstrow, der Unternehmerverband, die Kreishandwerkerschaft Güstrow, die BBJ Service GmbH, Regionalbüro Rostock, der Kreisbauernverband, der DGB Kreis Rostock, das Rewas-Institut Rostock, die Industrie- und Handelskammer. Alle diese Partner ziehen an einem Strang in die gleiche Richtung und lösen Probleme.

Bisher hielt ich es für selbstverständlich, dass Menschen mit ihrer Kompetenz, ihrer Kreativität und Motivation zusammenarbeiten, um ihre Region vorwärts zu bringen. Die Verwunderung über den Güstrower Konsens zeigt mir, dass man vielfach mehr um eine Vertiefung von Gräben bemüht ist als um eine Verzahnung unterschiedlicher Politik- und Tätigkeitsfelder.

„Innovationen entstehen durch Menschen, durch ihre Kreativität, ihre Kompetenz und ihre Motivation und ihren Mut, Wagnisse einzugehen“, sagt die Bundesministerin für Bildung und Forschung, Frau Bulmahn. In diesem

Sinne wünsche ich uns Mut, gemeinsam den Weg für mehr Arbeitsplätze zu wagen. Und ich lade Sie, Herr Dr. Born, ganz herzlich dazu ein, in diesem Sinne mit uns unideologisch und innovativ tätig zu werden. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Vielen Dank, Frau Beyer.

Ums Wort gebeten hat der Minister für Arbeit und Bau. Bitte sehr, Herr Holter, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Haben Sie sich schon mal die Frage gestellt, ob Politik nachhaltig ist? Ich beantworte diese Frage mit einem klaren Ja, wenn Politikerinnen und Politiker in der Lage sind, über die laufende Wahlperiode hinaus zu denken. Ich befürworte eine strategisch ausgerichtete und auf Investitionen setzende Wirtschaftspolitik der Landesregierung mit klaren Prioritätensetzungen, so, wie sie der Wirtschaftsminister in seinem Beitrag dargestellt hat.

Wenn wir heute die politische Auseinandersetzung über die Zukunft der Wirtschaftsförderung führen, heißt das auch, über die Zukunft von Arbeit zu sprechen. Das heißt also, darüber zu reden, wer welchen Beitrag leisten kann, um Arbeitsplätze in unserem Land zu schaffen. Mir geht es im Kern darum, einen ganzheitlichen und nachhaltigen Ansatz von Politik zu verfolgen, die gleichermaßen auf Beschäftigung und Wertschöpfung setzt. Mit der von mir verantworteten Arbeitsmarktpolitik wird dieses Ziel verfolgt, schließlich soll unsere auf den allgemeinen Arbeitsmarkt gerichtete Politik Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer arbeitsmarktfähig halten oder machen. Auch das gehört ja zu einem günstigen Investitionsklima.

Eine auf den allgemeinen Arbeitsmarkt orientierte Arbeitsmarktpolitik stößt aber dort an Grenzen, wo es keine ausreichende Nachfrage gibt. Lassen Sie mich dazu einige Zahlen nennen. Trotz aller Anstrengungen zur Stabilisierung von Konjunktur und Wirtschaftsstruktur muss auch zehn Jahre nach der Wende festgestellt werden, dass die wirtschaftlichen Impulse des allgemeinen Arbeitsmarktes alleine noch nicht ausreichen, um für die Menschen im Lande ein Arbeitsplatzplus zu erwirtschaften.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS)

Nach meiner Einschätzung kann ein auch nur annähernd ausgeglichenes Verhältnis zwischen Angebot und Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt nicht allein Aufgabe der Wirtschaftsförderung sein. Genauso falsch wäre es, die Arbeitsmarktpolitik als den Lazarettzug der Wirtschaftspolitik anzusehen oder eine Konkurrenz zwischen Arbeitsmarkt- und Wirtschaftspolitik oder Arbeitsmarktund Wirtschaftsförderung zu konstruieren.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS)

Im Gegenteil – und das zeichnet die Politik der Landesregierung aus –, Arbeitsmarkt- und Wirtschaftspolitik, Arbeitsmarkt- und Wirtschaftsförderung haben gleichermaßen ihre Berechtigung.

Zu den Zahlen, Herr Born, und zu einer kritischen Bestandsaufnahme gehört eben, dass Ende des letzten Jahres 164.000 Arbeitssuchende in Mecklenburg-Vorpommern registriert waren, denen aber lediglich 6.200 offene

Stellen gegenüberstanden. Da, glaube ich, wird keiner über diese Zahlen streiten. Ich gehe davon aus, dass es, um eine Verbesserung dieser Situation zu erreichen, notwendig ist, dass wir wirtschaftsnahen Instrumenten der aktiven Arbeitsmarktpolitik den Vorrang einräumen. Das habe ich bereits 1999 getan und werde es auch weiter ausbauen. Wir waren 1999 das einzige ostdeutsche Bundesland, in dem der Abbau der Erwerbslosigkeit im Vergleich zum Vorjahreszeitraum stärker geschafft wurde als in anderen Ländern. Hieran hat die Arbeitsmarktpolitik einen bedeutenden Anteil.

Ich will noch einmal eingehen auf die sogenannten Wahlkampf-ABM. Wir haben dies hier schon einmal diskutiert. Wir hatten im November 1999 die Spitze erreicht im Vergleich zum November 1998. Wir standen tatsächlich im Lande Mecklenburg-Vorpommern Anfang des Jahres vor der Frage: Sollen wir alle die Maßnahmen, die auf drei und sechs Monate angelegt waren, auslaufen lassen oder finden wir – natürlich gemeinsam mit den Arbeitsämtern – eine Lösung, um diese Maßnahmen fortzuführen, damit die Teilnehmerinnen und Teilnehmer an diesen Maßnahmen tatsächlich auch wieder einen Anspruch auf Arbeitslosengeld erwirtschaften können? Deswegen gab es eine Verschiebung. Und diese 15.000 weniger an arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen, die hier in der Debatte schon genannt wurden, sind genau der Ausdruck dessen, über das wir hier reden, dass also gerade vor der Bundestagswahl 1998 Wahlkampf-ABM veranstaltet wurden.

(Zuruf von Dr. Ulrich Born, CDU)

Ich habe mit Menschen gesprochen im Müritz-Kreis, Herr Seidel, in Gotthun, die mir gesagt haben: Ja, Herr Holter, sorgen Sie doch dafür, dass wir nach drei Monaten weiterhin in Arbeit bleiben können. Da gab es viele, viele davon in diesem Lande. Es gab auch viele, die aufgenommen wurden in solche Maßnahmen, ohne eine Schaufel, ohne eine Harke oder andere Gerätschaften überhaupt zu haben, um der Arbeit nachzugehen.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD und PDS)