Protocol of the Session on February 3, 2000

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD und PDS)

Das ist die Wahrheit in Bezug auf die Wahlkampf-ABM.

Meine Damen und Herren! Kurt Tucholsky hat einmal zutreffend bemerkt: “Wer in der Öffentlichkeit Kegel schiebt, muss sich gefallen lassen, dass nachgezählt wird, wieviel er getroffen hat.“ Im Unterschied zu einer großen Volkspartei hat die SPD/PDS-Regierungskoalition keine Probleme mit dem Zählen. Das liegt aber an einem verfassungsmäßigen Prinzip, an das wir uns halten. Wir zählen unsere Kegel öffentlich in der Form politischer Ergebnisse, statt in schwarzen Koffern voller Scheine.

Lassen Sie mich unsere arbeitsmarktpolitischen Kegel an einigen Maßnahmefeldern beispielhaft aufzählen. Trotz der hier zu vernehmenden Geräuschkulisse werden Sie feststellen können, dass mit einem PDS-Minister keine wirtschaftsfeindliche Arbeitsmarktpolitik zu machen ist.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS)

Die Zahlen sprechen für sich. 1999 – und das ist ein deutliches Plus gegenüber 1998 – konnten allein 2.100 Existenzgründerinnen und -gründer eine finanzielle Unterstützung erhalten. Das sind nur diejenigen, die aus meinem Ministerium, aus meinem Fonds Unterstützung erhalten haben. Das sind nicht diejenigen, die auch aus dem Fonds des Wirtschaftsministers unterstützt wurden. Das muss

man summieren. Also 2.100 wurden mit arbeitsmarktpolitischer Unterstützung, mit Unterstützung meines Hauses in die Existenzgründung begleitet.

Sie wissen, dass wir in dem AQMV diese Richtlinie weiter enthalten haben und diese auch ausgebaut haben, damit Existenzgründerinnen und -gründer ihre Marktchancen verbessern können. Wichtig scheint mir, dass mit diesem Programm Erwerbslosen eine deutliche Chance gegeben ist, den Weg in eine Selbständigkeit und damit auch zu einer gesicherten Existenz aufzuzeigen.

Ich halte es, meine Damen und Herren, für bedenklich, wenn junge Menschen, Schülerinnen und Schüler bei der Frage “Wer ist euer Vorbild?“ nur an Sportler – das ist ja auch nicht schlecht –, Schauspielerinnen und Schauspieler oder Showstars denken. Wir sollten anstreben, dass auch Unternehmerpersönlichkeiten in den Köpfen zu Vorbildern werden.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Es wäre doch vorstellbar, dass dann der Rudolf Diesel der noch jungen Solartechnik ebenso aus MecklenburgVorpommern kommt wie vielleicht der zukünftige Bill Gates der Biotechnologie. Dazu brauchen wir allerdings dreierlei:

1. mutige Visionen kreativer Köpfe,

2. unternehmerischen Geist und

3. soziale Verantwortung.

Ich meine, wir brauchen hier – und wir praktizieren das heute wieder, da bin ich auch zufrieden – einen parteiübergreifenden gesellschaftspolitischen Dialog, um solche kreativen Vorstellungen zu entwickeln, um das Land insgesamt nach vorne zu bringen. Aber ich habe ein Problem damit, wenn durch eine ideologische Brille die Politik, die wir betreiben, schlecht geredet wird, und meine, es geht hier um intelligente Lösungen auch in der Arbeitsmarktpolitik, um Wirtschaftsstrukturen zu stärken und das Wirtschaftsumfeld zu verbessern. Darauf zielt die Politik meines Hauses ab.

(Zuruf von Reinhard Dankert, SPD)

Ich meine, wir werden im Jahre 2000 hier noch deutliche Akzente setzen, so auch auf einer arbeitsmarktpolitischen Konferenz, die speziell zur Existenzgründung durchgeführt wird.

Es geht, meine Damen und Herren, darum, die Arbeitskräftenachfrage auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu stärken. Die Anstrengungen richten sich dabei vor allem auf technologisch innovative Wachstumsbranchen und den Dienstleistungsbereich. Hier hat unser Politikansatz natürlich unbedingte Priorität. Wir haben uns aber alle gemeinsam – und ich stelle mir diese Frage – die Frage zu stellen: Was machen wir mit all denen, die in Hochtechnologieunternehmen in diesen Branchen keine Chance haben, keinen Arbeitsplatz erhalten? Auch um diese Menschen geht es in Mecklenburg-Vorpommern. Und ich meine, alle sollen ein würdevolles Leben genießen und dieses mit sinnvoller Erwerbsarbeit sich auch ermöglichen können.

(Harry Glawe, CDU: Es fehlen 150.000 Arbeitsplätze im Land.)

Es fehlen, Herr Glawe, 250.000 Arbeitsplätze im Land, wenn wir schon bei der kritischen Bestandsaufnahme sind, 250.000, das habe ich schon öfter gesagt.

(Zuruf von Harry Glawe, CDU)

Das ist die Herausforderung, vor der wir in Mecklenburg-Vorpommern stehen. Aber mit dem Beitrag, den Sie heute geleistet haben, bin ich der Auffassung, werden wir keine weiteren Arbeitsplätze schaffen,

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und PDS)

sondern wir brauchen eine intelligente Verzahnung von Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik. Minister Eggert und ich, wir haben in zwei Schnittstellengesprächen schon sehr intensiv darüber gesprochen. Ich meine, es gibt Chancen.

(Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Ja, Herr Seidel, Sie können darüber lachen, aber es gibt Chancen. Sie machen da Witze unter sich, bitte schön.

(Harry Glawe, CDU: Richtig.)

Die können Sie mir nachher in der Pause dann auch gerne erzählen. Aber ich meine, …

(Unruhe bei Abgeordneten der CDU)

Ja, das sind Ihre Vorstellungen vom politischen Diskurs, das stelle ich eben einfach fest.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS)

Es geht jetzt tatsächlich darum, Haushaltskonsolidierung auf der einen Seite durchzusetzen, auf der anderen Seite mit den knapper werdenden Mitteln in einzelnen Ressorts intelligente Lösungen zu finden, damit wir den Ansprüchen, die Sie auch in Ihren Reden, Herr Seidel und Herr Dr. Born, formuliert haben, gerecht werden k ö n n e n.

(Beifall Angelika Gramkow, PDS)

Und das ist der Ansatz, den wir hier praktizieren.

Ich will das am Beispiel der Qualifizierung noch einmal deutlich sagen, Frau Beyer hat das schon gesagt. Im Landesprogramm „Arbeit und Qualifizierung für Mecklenburg-Vorpommern 2000“ finden Sie diese Ansprüche und wir haben hier im Landtag darüber schon ausführlich debattiert.

Ein Punkt – ich will zwei herausgreifen – in der betriebsnahen Arbeitsmarktpolitik sind die regionalen Programme, die über die Landkreise und die kreisfreien Städte realisiert werden. Das sind die Programme, die Wirtschaftsunternehmen Einstellungszuschüsse gewähren, also die regionalen Einstellungszuschüsse. Sie wissen das aus Ihrer Wahlkreisarbeit, dass fast alle Landräte und Oberbürgermeister bei mir einen Nachschlag eingefordert haben, weil dieses Programm hervorragend greift.

Ich bin der Auffassung, man muss das weiter ausbauen. Deswegen befinde ich mich jetzt gegenwärtig in einer Diskussion, in der über Regionalisierung der Arbeitsmarktpolitik nachgedacht wird, in der wir sehr wohl überlegen, ist es richtig, in allen Regionen gleichermaßen Qualifizierung zu fördern, in allen Regionen gleichermaßen regionale Einstellungszuschüsse zu gewähren, oder sollten wir nicht überlegen, welches Programm, welche Richtlinie in welcher Region ganz konsequent anzuwenden ist, um hier eine Ausgewogenheit nicht im Sinne von Geld, sondern tatsächlich der Befriedigung der Bedürfnisse in den einzelnen Arbeitsmarktregionen zu erreichen.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS)

Das, glaube ich, würde eine neue Qualität bedeuten. An diesem Konzept arbeiten wir gegenwärtig.

Sie wissen, dass es im letzten Jahr 1.300 Fälle dieser regionalen Einstellungszuschüsse gab. 1.300 Menschen haben hier Lohnkostenzuschüsse erhalten. Ich meine, das kann sich ebenfalls sehen lassen.

Sie wissen, dass wir in der vergangenen Woche die Arbeit an der Richtlinie „Jugend baut“ abgeschlossen haben. Die Richtlinie wurde durch mich unterzeichnet. Hier geht es genau darum, Investitionskonzepte mit arbeitsmarktpolitischen Konzepten, also Investitionsförderung und Lohnkostenzuschüsse, miteinander zu verzahnen. Dieses Programm zielt ausschließlich auf Wirtschaftsunternehmen ab.

(Beifall Angelika Gramkow, PDS)

Das ist also keine reine arbeitsmarktpolitische Maßnahme.

Und ein nächster Schritt – ich habe das hier schon öfter gesagt – wird sein, Jugendfirmen zu entwickeln. Wir arbeiten jetzt im Ministerium daran, die entsprechenden Grundlagen dafür zu schaffen.

Wir wissen, dass sich die Unternehmen im internationalen Wettbewerb weiter stärken müssen. Das heißt, es geht auch um Qualifizierung. Wissen und Fertigkeiten bestimmen darüber, wo wirtschaftliche Aktivitäten stattfinden. Hier ist wiederum ein wesentlicher Ansatzpunkt betriebsnaher Arbeitsmarktpolitik zu sehen. Auch darüber hat der Wirtschaftsminister schon informiert, nämlich, dass wir sehr wohl ganz konkret auf die Bedürfnisse der Wirtschaftsstärke abstellen werden, wo die Qualifizierungsmaßnahmen im Einzelnen durchgeführt werden. Entweder Qualifizierung von Beschäftigten und Unternehmen – wobei er dargestellt hat, welche Vorstellungen wir da unter anderem mit Job-rotation haben – oder aber eine andere Form von beruflicher Weiterbildung kommt hier in Frage. Es geht hier darum, die bewährten Maßnahmen der Weiterbildung weiter fortzuführen, andererseits genau diese Förderung zu flexibilisieren und zielgerichteter auf den Qualifizierungsbedarf der Unternehmen auszurichten.

Ich möchte hier noch abschließend eines sagen: Ich halte, meine Damen und Herren von der CDU, öffentlich geförderte Beschäftigung für eine wichtige Ergänzung, ich habe das schon einmal gesagt. Es ist nicht die Wunderwaffe zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit. Ich halte es aber angesichts der Zahlen – ich habe sie genannt, 164.000 Arbeitssuchende zu 6.200 offenen Stellen – für eine wichtige Ergänzung, für eine Flankierung und Stabilisierung von Wirtschaftsförderung.

(Beifall Caterina Muth, PDS – Zuruf von Jürgen Seidel, CDU)

Es muss endlich Schluss sein – und das, meine ich, diskreditiert die gesamte Debatte – mit der Klassifizierung der Arbeitsmärkte. Es gibt nur einen Arbeitsmarkt und an diesem einen Arbeitsmarkt sollen alle gleichberechtigt teilhaben können.

(Beifall bei Abgeordneten der PDS)

Das heißt, wir sind aufgefordert, neue Arbeitsfelder zu erschließen, um die nichtgetätigte Nachfrage zu befriedigen.

(Zuruf von Harry Glawe, CDU)