Protocol of the Session on May 8, 2019

(Dr. Anjes Tjarks)

dann wirklich einmal umgesetzt werden. Zu befürchten ist natürlich, dass der Schutz innerhalb des 2. Grünen Rings dazu führt, dass Hamburgs Umwelt zweigeteilt wird. Der Flächenhunger des Senats wird außerhalb des 2. Grünen Rings befriedigt.

(Michael Kruse FDP: Hier wollen die Men- schen wohnen! – Zurufe von der SPD und den GRÜNEN)

Letztendlich ist eine gerechte Verteilung von Grün innerhalb der Stadt nicht bewerkstelligt, da haben Sie keine Konzepte. Wir werden nicht nachlassen, eine gerechte Grünverteilung zu unterstützen.

(Glocke)

Jetzt ist meine Redezeit zu Ende.

Herr Jersch, Sie sind am Ende, genau.

(Beifall bei der LINKEN – Heiterkeit bei den Fraktionen)

Vielen Dank, Herr Jersch. – Herr Dr. Duwe, Sie haben jetzt für die FDP-Fraktion das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich mache das einmal anders als Herr Jersch, ich fange mit dem Positiven an. Es ist vielleicht auch besser, die Leute erst einmal aufzubauen

(Dirk Kienscherf SPD: Sehr gut!)

und dann hinterher Kritik zu üben.

Als Erstes muss ich sagen, ich finde es hervorragend, dass wir um diesen Volksentscheid herumgekommen sind. Es wäre wahrscheinlich ein Ja herausgekommen, und dann hätten wir einen Beschluss gehabt, der so interpretationsfähig wäre, dass bei jedem Bauvorhaben, bei jedem Vorhaben gesagt werden könnte, ihr macht irgendetwas gegen das Volk. Das hätte eigentlich mehr Unfrieden in dieser Stadt gebracht als Frieden.

(Beifall bei der FDP und bei Birgit Stöver CDU)

Das ist, denke ich einmal, schon wichtig und da muss man besonders die Antragsteller loben, die hier wirklich konstruktiv gearbeitet haben. Natürlich ist es so, dass in solchen Verhandlungen – darüber steht zwar Vertrag – es natürlich eher ein Geben und Nehmen bedeutet. Das bedeutet auch, dass man eher das System Basar hat. Ich sage einmal so, es gibt einige Punkte wie zum Beispiel die zehn Ranger, ob die da nun enthalten sind oder nicht,

(Dirk Kienscherf SPD: Ist wichtig!)

und die Verteilung von Grün und so weiter, die haben eigentlich nicht sonderlich viel damit zu tun. Es

ist gut, dass man die hat, aber es hat eigentlich nichts mehr zu tun mit dem wirklichen Vertrag als solchem. Ich hoffe, dass man jetzt auch denkt, dass dieser Vertrag ein Vertrag ist und nicht Neudeutsch ein Deal, den man hinterher irgendwann wieder aufkündigen oder aufweichen kann et cetera.

(Dirk Kienscherf SPD: Wir sind ja nicht in den USA hier! – Ole Thorben Buschhüter SPD: No Deal!)

Genau, aber ich möchte es einmal gesagt haben, denn das ist auch ein Wortprotokoll, und irgendwann kann jemand das noch einmal nachlesen oder nachhören.

Ich begrüße sehr, dass da Maßnahmen erwähnt werden, die die FDP schon in diversen Haushaltsberatungen gefordert hat, mehr Qualität für die Naturschutzgebiete zu erreichen, auch etwas zu tun für die Entsiegelung beziehungsweise endlich einmal Daten zu erfassen, um die Versiegelung dieser Stadt zu überprüfen und gegebenenfalls auch Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Das finde ich hervorragend.

Jetzt komme ich einmal zu dem Negativen beziehungsweise zu dem Punkt, der aufgerissen worden ist, dass die Qualität der Naturflächen in Hamburg nicht so ist, wie sie eigentlich sein sollte. Das wird gerade damit bewiesen, dass nur zwei der Lebensraumtypen der FFH-Richtlinie eingeführt werden. Dann kommt ein sehr hehres Ziel, nämlich von zwei auf elf zu gehen binnen diverser Jahre, wobei ich mich frage, ob das, was da an Mitteln und Personal eingestellt worden ist, überhaupt realisiert werden kann. Ich habe im Ausschuss schon diverse Fragen gestellt und bin dann zu dem Schluss gekommen, dass ich immer noch mehr Fragen stellen muss ob der Antworten, die ich bekommen habe. Ich würde es begrüßen, wenn wir das noch einmal im Umweltausschuss beraten könnten. Deshalb werden wir diesem Vorschlag auch zustimmen.

(Beifall bei der FDP)

Sehr wichtig ist natürlich, dass wir nun durch diesen Vertrag und das Ausleben dieses Vertrags in der Verwaltung nicht doch weitere Beschränkungen für Vorhaben eingebaut haben, wo jetzt behauptet wird, das sei alles gar kein Problem und so weiter; das muss die Praxis zeigen. Ich habe da so meine Zweifel, aber ich würde es gern noch einmal im Umweltausschuss beraten. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Dr. Duwe. – Frau Oelschläger, Sie haben jetzt für die AfD-Fraktion das Wort.

(Stephan Jersch)

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Ich kann leider nicht hellsehen und aus diesem Grund auch nicht sagen, was die Hamburger bei der Ableistung der Unterschrift für "Hamburgs Grün erhalten" gedacht haben. Allerdings habe ich mit vielen Menschen gesprochen und zahlreiche Hinweise erhalten. Einige störte die massive Nachverdichtung in ihrem Hinterhof, viele ärgerte der Verlust von Straßenbegleitgrün und Bäumen, eine Hundebesitzerin klagte ihr Leid über fehlende Gassiflächen, da doch das Wäldchen nebenan jetzt ein Mehrfamilienhaus ist. Auf der Rasenfläche, auf der meine Nachbarn gestern noch gegrillt haben, baut die SAGA heute Parkplätze.

(Dr. Monika Schaal SPD: Ja, was wollen Sie denn nun?)

Ich habe mich sogar mit einem Herrn über ein Projekt gestritten, das ich richtig klasse finde, nämlich Blumenzwiebeln auf Verkehrsinseln und Radstreifen. Denn das ist für mich tatsächlich ein richtiger Schritt in Richtung Artenschutz. So verstehe ich auch, dass der NABU mit dem Ergebnis, 30 Prozent von Hamburgs Fläche unbebaut zu lassen und diese auch noch aufzuwerten, sehr zufrieden ist. Sollte das Ersuchen an den Senat fehlschlagen, kann der NABU immer noch mit einer neuen Volksinitiative zurückkehren und erneut Druck verursachen. Vorläufig kann er den Volksentscheid zurückziehen. Es ist doch auch nicht so, dass das, was in Ihrem Antrag steht und mit der Initiative vereinbart wurde, falsch ist.

Ich bin sogar sehr froh, dass Sie, meine Damen und Herren von Rot-Grün, erstmals auch die Metropolregion und die Umlandkreise mit ins Boot holen wollen. Diese Forderung haben wir von der AfD, aber auch andere Abgeordnete bereits mehrfach aufgestellt. Auch wir sind für Kompensation, für Monitoring, für Qualitätsverbesserung und für Flächenentsiegelung. Aber warum sollen nur die Menschen innerhalb des 2. Grünen Rings geschützt werden? Ist es wirklich richtig zu sagen, landwirtschaftliche Fläche ist umweltpolitisch wertlos? Die landwirtschaftlichen Kulturlandschaften waren im Antrag "Hamburgs Grün erhalten" noch mit aufgelistet. Sind diese jetzt für die Bebauung freigegeben? Die Bemerkungen des Umweltsenators im letzten Umweltausschuss lassen das vermuten.

Warum werden Straßenbäume außerhalb des Grünrings nicht geschützt? Werden jetzt die Menschen in Rahlstedt, Farmsen, Fuhlsbüttel, Eidelstedt, in Blankenese, in Neuenfelde, in Ochsenwerder, in Wilhelmsburg oder noch weiter draußen den Bauboom ausbaden müssen? Gestern verkündete der Schulsenator, dass bis 2030 mit über 40 000 Schülern mehr zu rechnen ist. Wo mehr Schüler sind, da sind auch mehr Eltern, mehr Leh

rer, und sie alle möchten in Hamburg wohnen, möglichst im Grünen.

Was verstehen Sie denn unter einer behutsamen Außenentwicklung? Ich war bei den Gesprächen nicht anwesend. Welche Ziele gehen vor? Welche Auswirkungen wird es geben, oder ist die gesamte Vereinbarung nur heiße Luft? Es freut mich, dass sich während der Verhandlungen alle Behörden abgestimmt haben, wie wir im Ausschuss hörten. Aber wie sind die Vereinbarungen, wie schaffen Sie den Spagat zwischen Wohnungsbau, dazugehöriger Infrastruktur und Grünerhalt? Für uns Abgeordnete ergibt sich nicht einmal, woher die zusätzlichen Geldmittel kommen sollen. Damit hätten Sie doch jeden Antrag der Opposition direkt abgeblockt.

Ja, Sie beerdigen heute eine Volksinitiative. Ein Volksentscheid, obwohl ich eigentlich ein großer Freund davon bin, ist bei einem so komplexen Thema vielleicht nicht immer der beste Weg. Allerdings werden Sie diese Beerdigung ohne die Stimmen der AfD-Fraktion durchführen müssen. Für uns sind zu viele Fragen, auch zur Stadtentwicklung, unbeantwortet. Das Gespräch mit den Bürgern über das Thema, wie Hamburg sich entwickeln soll, darf auch gar nicht beerdigt werden. – Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Vielen Dank, Frau Oelschläger. – Herr Senator Kerstan, Sie haben nun das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen, meine Herren! Als Senator der Behörde für Umwelt und Energie, der den staatlichen Auftrag hat, als Schutzmacht für das städtische Grün und für den Naturschutz zu sorgen, kann ich heute einfach nur feststellen, das Verhandlungsergebnis der Initiative des NABU und der beiden Regierungsfraktionen bedeutet einen Quantensprung für die Sicherung des Hamburger Grüns und für den Naturschutz und die Artenvielfalt in dieser Stadt. Dafür möchte ich mich herzlich bedanken und Sie dafür wirklich beglückwünschen.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Damit ist sichergestellt, dass – obwohl der Senat weiterhin an den Plänen festhält, 10 000 Wohnungen pro Jahr zu bauen und dafür auch die notwendigen Flächen für Gewerbegebiete bereitstellt, weil neue Menschen in dieser Stadt natürlich nicht nur wohnen, sondern auch arbeiten, sich fortbewegen, man also auch Verkehrswege braucht – der Sorge großer Teile unserer Bevölkerung, stückweise verschwinde das Grün in unserer Stadt und am Ende blieben nur noch Beton und Grau übrig, jetzt wirksam entgegengetreten werden kann. Wir garantieren, trotz einer wachsenden Stadt wird Hamburg

grün und lebenswert bleiben und die Artenvielfalt in unserer Stadt gesichert. Das ist ein großes Versprechen, das es in keiner anderen Stadt in diesem Land gibt.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Lassen Sie mich auch noch als Senator für Naturschutz etwas dazu sagen. Das eine ist natürlich, dass sich die Menschen in dieser Stadt wohlfühlen wollen und dass dafür Grün- und Erholungsflächen wichtig sind. Aber natürlich hat das Grün in dieser Stadt auch eine wichtige naturschutzfachliche Funktion, und auf die möchte ich am Anfang meines Redebeitrags eingehen.

(Glocke)

Vizepräsidentin Christiane Schneider (unterbre- chend): Entschuldigen Sie bitte, Herr Senator. Gestatten Sie eine Zwischenfrage oder Zwischenbemerkung des Abgeordneten Dr. Flocken?

Herr Abgeordneter, gern.

Herr Senator Kerstan, ist Ihnen bekannt, Sie haben eben von einem Quantensprung gesprochen … Ein Quantensprung ist die kleinste feststellbare Änderung eines Zustandes zu einem anderen, normalerweise von einem höheren zu einem niedrigen Niveau. Ist Ihnen das bekannt?

Herr Abgeordneter, das ist mir streng physikalisch durchaus bekannt. Wenn Sie sich den üblichen deutschen Sprachgebrauch einmal ansehen, der mit dem Quantensprung verbunden ist, dann werden Sie, wenn Sie der deutschen Sprache und der üblichen Kommunikation mächtig sind, feststellen, dass ein Quantensprung in der Regel als ein großer Fortschritt verwendet wird, und so habe ich das eben auch gemeint.

(Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und bei Anna-Elisabeth von Treuenfels-Frowein FDP)

Es ist eben auch ein Quantensprung für die Artenvielfalt in unserer Stadt, und das ist wirklich eines der drängendsten Probleme, nicht nur in Hamburg, sondern weltweit. Am Montag ist in Paris der Bericht des Weltbiodiversitätsrats vorgestellt worden. Von acht Millionen Arten, die dieser Planet beherbergt, sind eine Million Arten vom Aussterben bedroht. Das bedeutet, der Artenschwund und das Artenaussterben sind so rasant wie noch nie zu Zeiten der Existenz der Menschheit auf diesem Planeten. Insofern sind wir an einem Punkt angekommen, an dem ganze Ökosysteme mittlerweile in ihrer Funktionsweise bedroht sind. Die Stichwörter Insektensterben und Bienensterben sind nur der eine Punkt. Das hat gravierende Auswirkungen

auf die Funktionsweise der Natur. Es hat gravierende Auswirkungen auf die Ernährung der Menschen, denn große Teile der Landwirtschaft können ohne unsere fleißigen natürlichen Helfer nicht funktionieren. Es ist mittlerweile sogar so, dass Vögel ihre Brut nicht mehr hochziehen können, weil sie verhungern, weil sie nicht mehr genügend Insekten finden. Insofern sind in diesem Bereich dringend große Anstrengungen notwendig und diese Vereinbarung zeigt, dass die Initiative und die Regierungsfraktionen diese Herausforderungen annehmen und die notwendigen Maßnahmen einleiten. Deshalb kann ich eigentlich nur jeden in diesem Haus auffordern, sich diesem notwendigen Anliegen nicht zu verschließen, sondern es zu unterstützen.