Protocol of the Session on May 8, 2019

auf die Funktionsweise der Natur. Es hat gravierende Auswirkungen auf die Ernährung der Menschen, denn große Teile der Landwirtschaft können ohne unsere fleißigen natürlichen Helfer nicht funktionieren. Es ist mittlerweile sogar so, dass Vögel ihre Brut nicht mehr hochziehen können, weil sie verhungern, weil sie nicht mehr genügend Insekten finden. Insofern sind in diesem Bereich dringend große Anstrengungen notwendig und diese Vereinbarung zeigt, dass die Initiative und die Regierungsfraktionen diese Herausforderungen annehmen und die notwendigen Maßnahmen einleiten. Deshalb kann ich eigentlich nur jeden in diesem Haus auffordern, sich diesem notwendigen Anliegen nicht zu verschließen, sondern es zu unterstützen.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Denn man muss doch feststellen, dass die landwirtschaftlich geprägten Flächen um Hamburg herum sehr artenarm geworden sind durch die intensive, industriell geprägte Landwirtschaft. Insofern ist Hamburg ein sehr wichtiger Punkt der Artenvielfalt im Naturhaushalt dieser ganzen Region. Dafür braucht es Flächen, die einerseits natürlich einen Wert für die Menschen haben, die sich wohlfühlen in einer grünen Stadt, die aber gleichzeitig auch die Heimat für seltene Tiere, Pflanzen und Insekten sind. Was die Versprechen, die dort abgegeben wurden, angeht, dazu muss ich wirklich sagen, dass ich den Eindruck habe, dass eine Reihe von Abgeordneten, die hier dazu geredet haben, gar nicht verstanden haben, wie weitgehend diese Versprechen sind, die die Bürgerschaft dem Senat auferlegt, und ich will sie Ihnen einfach nur einmal belegen.

Unsere Stadt wächst seit vielen Jahren jedes Jahr netto um 15 000 Bewohnerinnen und Bewohner. In unserer Stadt leben über 100 000 Menschen mehr als vor zehn Jahren, die brauchen Fläche. Wir garantieren, dieser Trend wird auch weitergehen. Dennoch garantieren die Regierungsfraktionen mit dem Abkommen des NABU, dass der Anteil der wertvollen Landesteile, die unter Landschaftsschutz, unter Naturschutz stehen und Teil des Biotopverbundes sind, trotz dieses rasanten Wachstums nicht vermindert werden darf.

(André Trepoll CDU: Auch wenn die nächste Flüchtlingskrise kommt? Sie haben Natur- schutzgebiete bebaut!)

Die Bundesregierung, an der Sie als CDU zum Beispiel beteiligt sind, Herr Trepoll, versucht gerade, den Verbrauch von Flächen auf 50 Hektar pro Jahr zu begrenzen.

Wir werden in dieser Stadt garantieren, dass die heutige Ausstattung der wertvollen Landschaftsteile in dieser Stadt nicht verringert werden darf, und das ist ein Versprechen, das Sie nirgendwo in diesem Land finden. Auch das zeigt, dass das ein

(Senator Jens Kerstan)

Quantensprung ist, der für die Natur und den Grünerhalt geleistet wurde.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Diese Versprechen sind nicht leichtfertig gegeben worden. Im Hintergrund meine Behörde, zusammen mit der Behörde für Stadtentwicklung und Wohnungsbau, aber auch die Behörde für Wirtschaft, Verkehr und Innovation haben sehr sorgfältig geprüft, ob zum Beispiel, wenn an den einzelnen Stellen Flächen in Anspruch genommen werden, wie in dem Vertrag vorgesehen ist, an anderer Stelle überhaupt noch genügend Potenzial vorhanden ist, um unsere Stadt zu begrünen. Das haben wir sehr genau geprüft. Natürlich haben wir auch geprüft, ob damit das künftige Wachstum dieser Stadt, auch das Wirtschaftswachstum, begrenzt wird.

Wir haben einen klugen Weg gefunden. Die Opposition scheint der Auffassung zu sein, dass wir jetzt erst einmal zehn Jahre lang planen, uns jede Fläche anschauen, über jede Fläche reden und am Ende einen Vertrag darüber schließen. Ich kann Ihnen sagen, wenn Sie wollen, dass in diesen zehn Jahren der Grünschwund in dieser Stadt ungebremst weitergeht, dann müsste man das tun. Es ist gut, dass die Regierungsfraktionen und der NABU diesen Weg nicht gegangen sind.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Wir haben stattdessen einen klugen und pragmatischen Ansatz gewählt. Es wird auch weiterhin so sein, dass an der einen oder anderen Stelle in dieser Stadt Grünflächen in Anspruch genommen werden.

(Karl-Heinz Warnholz CDU: Landschafts- schutzgebiete!)

Das wird auch nach diesem Vertrag weiterhin der Fall sein, aber innerhalb des 2. Grünen Rings, in der verdichteten Stadt, wo das Grün rar ist, wird eine Bebauung nur dann möglich sein, wenn man an anderer Stelle diese Fläche als Grünfläche wiederherstellt. Ein Eins-zu-eins-Ausgleich der Flächen. Das ist ein wirksamer Schutz der Grünflächen in dem 2. Grünen Ring und ist gleichzeitig aber auch ein Versprechen an die Bewohnerinnen und Bewohner, dass sie eine angemessene Grünversorgung selbst in der inneren Stadt behalten. Auch diese Garantie werden Sie in keiner anderen Stadt in diesem Land finden. Das ist eine große Aufgabe, und man sollte sie nicht so geringschätzen, wie manche Redner es eben getan haben.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Auch außerhalb des 2. Grünen Rings wird das Grün geschützt. Was glauben Sie denn eigentlich, wo Landschaftsschutzgebiete und der Biotopverbund sind? Die sind doch nicht um die Alster angeordnet, sondern die sind in den Randbereichen unserer Stadt angesiedelt. Wenn dort Landschafts

schutzgebiete in Anspruch genommen werden, dann müssen wir die an anderer Stelle wiederherstellen, auch außerhalb des 2. Grünen Rings. Insofern habe ich auch hier den Eindruck, dass manche Rednerinnen und Redner diesen Antrag und diese Vereinbarungen noch nicht verstanden haben. Insofern wäre es sehr gut, darüber noch einmal zu sprechen, das sind alles wichtige Punkte.

Insofern stellen wir, wie in der Vergangenheit, sicher, dass Menschen in dieser Stadt auch weiterhin die Möglichkeit haben, bezahlbaren Wohnraum zu finden, und stellen mit diesem Vertrag gleichzeitig sicher, dass Grün und Artenvielfalt gleichrangige Rechte sind. Insofern kann ich die Verhandlungspartner nur noch einmal beglückwünschen und mich bedanken.

Wir als Umweltbehörde haben jetzt ordentlich viel Arbeit bekommen. Wir freuen uns, dass das hier nicht nur unverbindliche Versprechen sind, sondern dass eben ein Monitoring und eine angemessene Finanzausstattung damit verbunden werden, sodass sichergestellt wird, das sind keine frommen Wünsche, die hier verabredet wurden, sondern das sind konkrete Zusagen, die mit Geld, Planungen, Ressourcen und Personal hinterlegt sind, sodass wir guten Gewissens behaupten können, diese Stadt wird eine grüne Stadt bleiben und die Artenvielfalt wird gewahrt. – Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Vielen Dank, Herr Senator. Sie haben die fünf Minuten Redezeit um über 80 Prozent überschritten, das wollte ich nur festgestellt haben. – Das Wort hat jetzt Frau Dr. Schaal für die SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Der NABU hat in der Tat die Sorgen vieler Bürgerinnen und Bürger in dieser Stadt über den Verlust an Grün auf die politische Agenda gehoben. In sehr konstruktiven Gesprächen war es dann möglich, mit dem NABU zu einer Vereinbarung zu kommen, die den Bürgerinnen und Bürgern die Sicherheit gibt, dass Hamburgs Grün bei der Entwicklung der Stadt künftig besser geschützt ist. Ich gehe davon aus, dass dadurch auch die Akzeptanz für den Wohnungsbau wächst, der doch dringend erforderlich ist. Ich glaube, um den Wohnungsbau, aber auch mehr Grün zu schaffen in dieser Stadt, ist es notwendig, dass es einen großen Zusammenhalt in der Stadt gibt. Es ist eben nicht förderlich, wie es vonseiten der CDU und der LINKEN passiert, dass hier die Bevölkerung noch gespalten wird.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Dafür, dass der Konsens mit dem NABU möglich wurde, möchte ich mich bei den Verhandlungspart

(Senator Jens Kerstan)

nern sehr herzlich bedanken. Auch möchte ich mich bedanken für die konstruktive Zusammenarbeit mit den Fachbehörden und dem Senat, die wirklich sehr zugearbeitet haben, denn die Materie ist nicht einfach, wie schon vielfach deutlich wurde.

Ohne Einigung mit dem NABU hätte die Entwicklung der Stadt auf dem Stand von Mitte des letzten Jahres eingefroren werden müssen, so wäre es die Logik der Volksinitiative gewesen. Für den Wohnungsbau wäre es dadurch viel schwieriger geworden, aber für Hamburgs Grün wäre nichts besser geworden. Mit dem vorliegenden Verhandlungsergebnis werden jetzt NABU und die Stadt zu Partnern bei der Stadtentwicklung und dem Schutz der Natur; das ist etwas Besonderes, weil die Naturschutzverbände oft eher als Gegner denn als Partner in dieser Stadt wahrgenommen werden.

Die Ergebnisse der langen Gespräche wurden nicht nur von der Volksinitiative sowie von den Spitzen der rot-grünen Koalitionsfraktionen präsentiert, wie sonst üblich, sondern gemeinsam mit dem Bürgermeister, dem zuständigen Senator Kerstan und Senatorin Dr. Stapelfeldt. Das unterstreicht zusätzlich, welchen Stellenwert das Abkommen für die Stadt hat.

Nach dem Beschluss der Bürgerschaft wird der NABU seine Volksinitiative zurückziehen, so ist es vereinbart. Darum wäre es wirklich gut, wenn sich alle Fraktionen dem Antrag anschließen. Ich verstehe insbesondere nicht die CDU-Fraktion, die sich vor zwei oder drei Jahren hier hingestellt hat mit einem anderen großen Naturschutzverband in der Stadt und dafür geworben hat, dass Grün und Bauen unter einen Hut gebracht werden. Davon wollen Sie offensichtlich nichts mehr wissen, sondern Sie haben es nur darauf angelegt zu spalten.

(Beifall bei der SPD – Dirk Kienscherf SPD: So sind Sie! – Gegenruf von André Trepoll CDU: Dafür schämt ihr euch selber!)

Bei dem Antrag, den wir hier vorgelegt haben, kauft keiner die Katze im Sack, Herr Trepoll, denn der Antrag wurde schon Ende April in der gemeinsamen Sitzung von Umwelt- und Stadtentwicklungsausschuss zusammen mit dem NABU besprochen und erörtert. Das ist keine Hinterzimmerpolitik, und wenn man jetzt fordert, wir brauchen einen Flächennutzungsplan, dann will man all das nicht, man will nicht zehn Jahre nutzen, um die Natur zu verbessern und Wohnungsbau voranzubringen, sondern man will zehn Jahre in Planung stecken, damit man hier wieder nörgeln kann, dass alles nicht zusammenpasst.

(Beifall bei Dirk Kienscherf SPD)

Für die Steigerung der Naturqualität werden wir auch richtig Geld in die Hand nehmen, 5 Millionen Euro mehr werden aufgebracht, denn auch die Naturqualität ist nicht zum Nulltarif zu verbessern. Die Landschaftsschutzverordnung wird modernisiert,

für Ersatzmaßnahmen wird es ein Andienungsgebot an das Sondervermögen für Naturschutz und Landschaftspflege geben, und der Senat wird ein Vorkaufsrecht auch beim Landschaftsschutz haben.

Am wichtigsten ist aber, dass die Naturschutzgebiete, die mindestens 10 Prozent der Landesfläche ausmachen sollen, geschützt sind. Sie sind für Bebauung tabu, aber das Wichtigste ist, dass ihre Qualität auch in den nächsten Jahren noch gesteigert werden kann. Die Fläche des Landschaftsschutzes und des Biotopverbundes werden festgeschrieben, das wurde schon gesagt, das ist auch ein sehr wichtiger Punkt.

Was auch noch nicht erwähnt wurde und sich als problematisch erwiesen hat: Wir wissen gar nicht, wie versiegelt unsere Stadt ist. Hier wird ein neues Handwerkszeug entwickelt, damit wir künftig wissen, wie die Bodenversiegelung ist. All das wird transparent dargestellt, der Senat wird uns jedes Jahr berichten. Auch das ist etwas Neues, das schafft Transparenz und Vertrauen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Dr. Schaal. – Herr Gamm, Sie haben nun das Wort für die CDU-Fraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Herr Dr. Tjarks, ich muss insbesondere auf das eingehen, was Sie gesagt haben. Das war nämlich der typische Trick, mit dem speziell die GRÜNEN immer argumentieren. Sie nehmen sich ein umweltund artenschutzrechtliches oder klimapolitisches Ziel, verknüpfen das mit einem Konzept, und wenn wir sagen, das Konzept und den Weg, den Sie einschlagen, halten wir für falsch, dann sagen Sie, die CDU sei gegen Umweltschutz, die CDU sei gegen Klimaschutz. Das ist ein völlig durchschaubares Manöver, das teilweise wohl funktionieren mag, aber das muss hier einfach einmal ausgesprochen werden.

(Beifall bei der CDU und der AfD)

Ich verwehre mich sehr klar dagegen, dass die CDU gegen den Grünerhalt in dieser Stadt argumentieren würde, im Gegenteil.

(Beifall bei der CDU und der AfD – Glocke)

Vizepräsidentin Christiane Schneider (unterbre- chend): Herr Gamm, gestatten Sie eine Zwischenfrage oder Zwischenbemerkung des Abgeordneten Dr. Tjarks?

Wir sind seit Jahren dabei, und das wissen Sie auch, unzählige Anträge und Initiativen in die Bür

(Dr. Monika Schaal)

gerschaft einzureichen, um das eben deutlich zu machen. Wir sind einfach nur unzufrieden mit dem Ergebnis, das Sie uns jetzt verkaufen wollen. Eines ist völlig klar, die Debatte, die hier geführt werden muss und die Sie doch letzten Endes durch die Geheimverhandlungen abgewürgt haben, ist natürlich essenziell für die Stadt, nämlich die Frage, wie können wir es schaffen, den Grünerhalt zu gewährleisten und gleichzeitig Wohnungen zu bauen. Das ist ein Thema, das die Menschen natürlich und zu Recht intensiv bewegt. Diesen öffentlichen Diskurs haben Sie mit dieser Art der Politik komplett abgewürgt.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der FDP)

Ich hatte gedacht, dass ich im Laufe dieser Debatte noch einen Moment der Erhellung und Erleuchtung bekomme, dass irgendetwas Konkretes gebracht wird. Aber Fakt ist, wenn man sich diesen Antrag anschaut – bei den Wortbeiträgen gab es für mich auch keine neuen Erkenntnisse –, da werden drei Kenngrößen genannt: 10 Prozent Naturschutzgebiete, 18,9 Prozent Landschaftsschutzgebiete, und dann gibt es noch eine Kenngröße zu den Biotopverbunden.