Protocol of the Session on May 8, 2019

Wir alle wissen, dass dieses Haus in Hamburg viele Jahrzehnte lang bewusst nicht als Täterort behandelt wurde, wie wir uns das vielleicht aus heutiger Sicht gewünscht hätten. Ein paar mutige Behördenmitarbeiter – das ist heute schon genannt worden – haben sich dann erfolgreich getraut, dort am Eingang wenigstens eine Opfergedenktafel zu erstreiten. Seitdem wurde und wird mehr über dieses Haus und seine Geschichte im Dritten Reich diskutiert, und das ist gut so.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

Als Senat und Bürgerschaft 2009 dieses Gebäude an der Stadthausbrücke an einen Investor verkauften – und im Übrigen auch die Links-Fraktion das nicht stoppte –, war noch nicht mit dieser Argumentation dagegen vorgegangen worden. Das hat Herr Hackbusch auch gesagt; das ist damals so nicht erkannt worden, wie wir auch all die Probleme, die wir heute besprechen, nicht gesehen haben. Das, finde ich, gehört zur Ehrlichkeit auch dazu, wenn wir hier Schuldzuweisungen verteilen. Jedenfalls sind die 750 Quadratmeter vertraglich geregelt worden, und es ist sogar in einer Anlage genau beschrieben worden, was man sich darunter vorstellt. Deswegen sind wir in dieser Hamburger Bürgerschaft nicht auf die Idee gekommen, was das am Ende bedeuten kann. Vielleicht nützt es aber all denjenigen, die bei der Anhörung nicht dabei waren, im Ausschussprotokoll nachzulesen, dass das seine Gründe hatte. Denn als man in den Keller dieses Hauses an der Stadthausbrücke ging, in dem man dachte, Arrestzellen und andere Bereiche zu finden, um diesen Gedenkort an authentischen Stätten zu errichten, hat man nicht mehr viel gefunden. Vor diesem Hintergrund hat man dann entschieden, dass sich das für diese Art des Gedenkorts, wie wir ursprünglich gedacht haben, nicht eignet.

Ich bin sehr froh, dass dann ein Beirat mit Experten installiert wurde, der den Senat und den Investor bei der Ausgestaltung dieses Gedenkortes beraten hat und weiterhin berät und vor allen Dingen auch in Bezug auf die Ausstellung weiterhin seine Stimme erhebt, auch auf Basis der Ausstellung, die wir im Rathaus hatten. Ich bin sehr froh, dass diese Ausstellung schon in guter Mache ist und voraussichtlich, wie wir hören konnten, Anfang September eröffnet wird. Ich finde, auch das ist ein guter Schritt, den wir hier im Parlament begrüßen dürfen.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Auch die künstlerische Installation vor dem Stadthaus ist ein großer Punkt. All das ist mitten in der Stadt; das dürfen wir nicht vergessen. Das ist nicht irgendwo versteckt, sondern da, wo schon jetzt und demnächst sehr viele Passanten herumlaufen werden. Der Wettbewerb für diese Installation läuft und soll in diesem Jahr abgeschlossen werden. Die Mittel dafür waren bereitgestellt. Wir von den Regierungsfraktionen meinen es also schon ernst, dass wir uns dort einen ordentlichen Gedenkort wünschen und ihn mit allen gemeinsam errichten wollen.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Auch das individuelle Gedenken muss seinen Raum haben, vielleicht in diesem Seufzergang, der ein bisschen besser erhalten ist als diese ursprünglich angedachten Arrestzellen und in dem möglicherweise Teile der Ausstellung in irgendeiner Form zu sehen sein werden. Aufgrund der begrenzten Flächen, die zur Verfügung stehen, sollen auch digitale Medien eingesetzt werden. Das begrüßen wir als GRÜNE sehr, weil man immer gucken muss, dass jede Darstellung der Geschichte der Zeit entsprechen muss, in der man gerade ist. Der Investor hat angeboten, hierfür die Mehrkosten zu übernehmen. Wir begrüßen es sehr, wenn das dort Einzug hält. Man mag über den Grund dafür, dass es jetzt so wenige Flächen sind, die man nutzen kann, verärgert sein, aber die Tatsache, dass das jetzt passiert, begrüßen wir als GRÜNE sehr.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Auch gut finden wir, dass weitere Täterortinformationen im Arkadengang gegeben werden sollen.

(Glocke)

Herr Müller …

– Am Ende?

Leider sind Sie am Ende Ihrer Redezeit.

Auch im gesamten Stadthausbereich, der noch nicht für alle richtig zugänglich ist, sollen überall Leitinformationen zum Gedenkort installiert werden. Das finden wir gut und auch einen guten Fortschritt.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Vielen Dank, Herr Müller. – Als Nächster erhält das Wort Herr Meyer für die FDP-Fraktion.

(Farid Müller)

Verehrtes Präsidium, meine sehr verehrten Damen und Herren! Nach langer Bauzeit sind die Stadthöfe im Herzen der Stadt und damit auch die Dokumentations- und Gedenkstätte im Stadthaus nun endlich für die Öffentlichkeit begehbar und erlebbar. Dass dieser heute so schön herausgeputzte Ort gleichzeitig ein Ort des Schreckens, der Folter und des Unrechts im dunkelsten Kapitel unserer hamburgischen Geschichte war, dürfte spätestens nach dieser heutigen Debatte jeder und jedem im Hause und auch jeder und jedem unserer Zuschauerinnen und Zuschauer bewusst sein. Die LINKEN haben dieses Thema in den Ausschuss gehoben und dafür danke ich Herrn Hackbusch ausdrücklich.

(Beifall bei Michael Kruse FDP)

Ehre, wem Ehre gebührt.

Aber da ist es mit der Gemeinsamkeit auch schon wieder zu Ende.

In der Anhörung und auch in der Debatte im Kulturausschuss kristallisierte sich letztlich die eine wesentliche Frage heraus, ob der nun durch die Firma Quantum realisierte Gedenkort würdig und angemessen ist und ob die vertraglichen Vereinbarungen zwischen dem damaligen schwarz-grünen Senat und Quantum umgesetzt wurden. Dabei ist die erste Fragestellung angesichts der Verbrechen, die in der damaligen Gestapo-Zentrale verübt wurden, eigentlich nicht beantwortbar. Würdigkeit und Angemessenheit sind nun einmal keine messbaren Zustände, sondern hängen sehr von dem jeweiligen Blickwinkel derjenigen Menschen ab, die diesen Ort mit den unterschiedlichsten Hintergründen besuchen. An Sensibilität gegenüber dem geschichtsträchtigen Ort hat es allerdings mehrfach gemangelt. Die Gestaltung der Schriftzüge hätte so niemals genehmigt werden dürfen, und ob ein Hotel namens Tortue an dieser Stelle, wo Torture – übersetzt: Folter – stattgefunden hat, richtig angesiedelt ist, wage ich doch sehr zu bezweifeln.

Die zweite Fragestellung ist aus meiner Sicht mit Ja zu beantworten. Die vertraglichen Vereinbarungen sind nach allem, was wir in den Anhörungen im Ausschuss erfahren haben, offenbar eingehalten worden. Schließlich beziehen sich die benannten Flächen von rund 750 Quadratmeter BGF, Bruttogeschossfläche, nicht allein auf die Räumlichkeiten im Bereich Buchhandlung, Ausstellung, Café, sondern auch auf umliegende Flächen und Flächen im Außenbereich. Somit halten die Behauptungen, man habe aus 750 Quadratmetern 75 Quadratmeter gemacht, einer sachlichen Überprüfung schlicht nicht stand. Aber ich möchte auch sagen, dass ich die Kritik der Kommerzialisierung dieses Gedenkortes nicht teile. Der Umbau und die entstandene Nutzungsvielfalt haben diesen traurigen Ort in jedem Fall belebt.

Wo waren die heutigen Kritiker in den vergangenen Jahrzehnten, als die Baubehörde diesen Geschichtsort besetzte? Heute ist die Auseinandersetzung mit dem Gedenkort möglich. Sie ist nicht zwingend, aber gerade der zufällige Kontakt von Besucherinnen und Besuchern mit der Geschichte an diesem Ort kann mehr bewirken als mancher ebenso kommerzielle Kulturtourismus an dieser Stelle.

Reden wir deshalb nicht weiter über Quantität, sondern über Qualität und über die Frage, wie die Ziele eines Lernortes verwirklicht werden können, damit über Generationen hinweg niemals vergessen wird, was im Stadthaus zwischen 1933 und 1943 bis zu seiner damaligen Zerstörung geschehen ist. Hierzu besteht weiterer Handlungsbedarf im Senat, dessen Ergebnisse wir weiterhin aufmerksam verfolgen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP – Vizepräsident Dr. Kurt Duwe übernimmt den Vorsitz.)

Das Wort erhält nun der Abgeordnete Dr. Wolf für die AfD-Fraktion.

Sehr geehrtes Präsidium, meine Damen und Herren! Wir hörten schon, dass DIE LINKE die Realisierung einer würdigen Dokumentations- und Gedenkstätte im Stadthaus bereits im Januar 2018 beantragte, Herr Hackbusch. Dieses komplexe, nicht einfache und vielschichtige Thema beschäftigte den Kulturausschuss seither mehrfach, unter anderem in der bereits angesprochenen Sachverständigenanhörung mit mehreren Vertretern des Beirats für die Errichtung der Gedenkstätte und des Lernortes Stadthaus der Kulturbehörde.

Ich habe mir die verschiedenen Protokolle des Kulturausschusses noch einmal durchgesehen. Im Rahmen der Sachverständigenanhörung am 4. Dezember 2018 hatte ich zwei Punkte kritisch aufgeworfen, die ich hier zur Abrundung des Bildes für das Plenum noch einmal wie folgt kurz zusammenfassen möchte.

Voran stelle ich, wie ich das auch damals tat, dass es natürlich richtig und wichtig ist, an die schrecklichen Ereignisse zu erinnern, die im Stadthaus im Dritten Reich vor sich gingen. Da spreche ich natürlich für meine gesamte Fraktion.

Dennoch zwei kritische Punkte. Zum einen: Schauen wir einmal auf die Zusammensetzung des Beirats beziehungsweise der Vertreter, die der Beirat zur Sachverständigenanhörung entsandt hat. Da kann man schon kritisch hinterfragen, denn der Beirat entsandte erstens den Direktor des Museums für Hamburgische Geschichte, klar, zweitens einen Vertreter der Arbeitsgemeinschaft verfolgter Sozialdemokraten, drittens eine Vertreterin des DGB Hamburg und viertens eine Vertreterin der

Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes. Fällt Ihnen da etwas auf? Gerade wenn ich mir die Beteiligung des VVN ansehe, eine vom Verfassungsschutz beobachtete linksextremistische Vereinigung,

(Dr. Monika Schaal SPD: Wie war das mit dem Glashaus?)

so musste und muss ich doch eine starke politische Schlagseite feststellen, die der Sache und dem Erinnern, meine ich, nicht guttut.

(Zurufe)

Lassen Sie uns sachlich sprechen und keine persönlichen Attacken reiten.

Denn da wird nicht ausreichend berücksichtigt, finde ich, dass Leid und Ermordung im Dritten Reich nicht nur die linke Seite betrafen und Widerstand nicht nur von linker Seite, sondern gerade und maßgeblich auch von konservativer Seite ausging.

(Beifall bei Dirk Nockemann AfD)

Man schaue bloß auf die Angehörigen des 20. Juli. Es sei heute, auch und gerade an diesem 8. Mai, erlaubt, an den konservativen Widerstand und an die konservativen Opfer des Dritten Reichs zu erinnern.

Zweitens zu der Kritik am Investor Quantum und zu den Vorwürfen, hier sei zu wenig Quadratmeterfläche zur Verfügung gestellt worden: Wenn jemandem ein Vorwurf zu machen ist, dann doch weniger dem Investor, der sich an einen geschlossenen Vertrag hält, sondern wenn überhaupt, dann der Freien und Hansestadt Hamburg und deren Vertretern, die es in der Hand hatten, beim Verkauf entsprechende vertragliche Regelungen zu treffen. Dabei möchte ich in aller Ruhe nochmals daran erinnern, dass das, was dort vorher war und wie dort das Erinnern gehandhabt wurde, keineswegs ein leuchtendes Vorbild ist. Denn als die Baubehörde noch an der Stadthausbrücke residierte, gab es keine derartige Erinnerungsstätte. Vor diesem Hintergrund erscheint es doch zumindest vermessen, jetzt mit dem moralischen Zeigefinger auf Quantum zu zeigen.

Der Verkauf des Stadthauses an Quantum erfolgte legal und man wusste, was in dem Kaufvertrag steht, wenn man es denn wissen wollte. Dann daherzukommen und ständig neue Forderungen im Nachgang zum geschlossenen Vertrag zu stellen und der Gesellschaft vertragswidriges Verhalten vorzuwerfen, ist eine Unart der LINKEN, die in einem Rechtsstaat nicht Schule machen sollte.

(Beifall bei Dirk Nockemann AfD)

Der Ausschuss lehnte mit großer Mehrheit, auch mit unserer Stimme, den modifizierten Antrag der LINKEN ab. Daher werden wir auch heute der Ausschussempfehlung zustimmen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Das Wort erhält nun der fraktionslose Abgeordnete Dr. Flocken.

Sehr verehrter Herr Präsident, sehr verehrte Volksvertreter! Ich möchte an dieser Stelle am 8. Mai eines der Mitglieder des 20. Juli zu Wort kommen lassen: Eugen Gerstenmaier, später 15 Jahre lang Bundestagspräsident. Er sagt – wobei er sich auf mehrere Aussagen von Winston Churchill beruft –:

"Was wir im deutschen Widerstand nicht wirklich begreifen wollten, haben wir nachträglich vollends gelernt: dass der Krieg schließlich nicht gegen Hitler, sondern gegen Deutschland geführt wurde."

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

Das Wort erhält nun Herr Senator Dr. Brosda.