Protocol of the Session on November 14, 2018

(Antje Möller)

Wenn ich Ihren Antrag lese und Ihre Rede höre, sage ich: Doch, das hat es.

(Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und der SPD)

Das Wort erhält nun der Abgeordnete Jarchow für die FDP-Fraktion.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es ist wie immer eine besondere Freude, als letzter Redner in einer AfD-Debatte zu reden.

(Dirk Nockemann AfD: Sie sind nicht der letzte Redner! Ich komme auch noch!)

Das freut mich, Herr Nockemann, dass Sie auch noch kommen. Das hatte ich sogar vermutet.

Meine Vorredner haben sehr viel Richtiges gesagt. Ich möchte darauf verzichten, alles zu wiederholen. Lassen Sie mich nur zwei, drei Sachen zusammenfassen.

Erst einmal zum einen, damit wir wissen, worüber wir reden: Hauptzweck der Polizeilichen Kriminalstatistik ist die Ressourcensteuerung bei der Polizei und die Entwicklungsdarstellung der verschiedenen Deliktbereiche. Das ist vielleicht gut zu wissen. Herr Nockemann hat sehr häufig den Beschluss der IMK, der Innenministerkonferenz aus dem Jahre 2007 erwähnt. Der ist nie umgesetzt worden – das stimmt, Herr Nockemann –, weil man bei einer genaueren Prüfung festgestellt hat, welch absurden Aufwands die Realisierung bedurft hätte, der in keinem Verhältnis zum Ertrag und dem wenigen praktischen Nutzwert stehen würde; das war der Grund.

(Beifall bei der FDP, der CDU, vereinzelt bei der SPD und bei Farid Müller GRÜNE)

Worum geht es Ihnen bei Ihrem Antrag eigentlich, um die Sache oder um Propaganda? Sie selbst stellen im Antrag richtigerweise fest, dass die PKS kein Abbild der Realität, sondern lediglich eine Beschreibung des Hellfeldes ist, also dessen, was bekannt geworden ist. Bekanntlich ereignet sich ein Großteil der Taten in Dunkelfeldern. Zu diesem hinsichtlich der Prävention wichtigsten Bereich würde die PKS also gar keine Daten liefern. Dass die Staatsbürgerschaft von Tatverdächtigen oft wenig erhellend ist, haben Sie auch schon gemerkt; das ist erfreulich. Diese kann aber ohne unnötigen Aufwand bei der Identitätsfeststellung von Tatverdächtigen mit erfasst werden und wird es auch im Gegensatz zum hohen Aufwand zur Untersuchung von biografischen Tätermerkmalen, die diese auch nur sehr eingeschränkt offenbaren müssen.

Aber schon bei der Erfassung von Migrationshintergründen gibt es bekanntlich ein großes Definitionsproblem. Sie reden zwischendurch auch einmal

von Staatsangehörigkeit, dann wieder von Migrationshintergrund. Der Großteil der Bevölkerung in Hamburg hat schließlich einen direkten oder mittelbaren Migrationshintergrund. Das ist nach den Migrationswellen im späten 19. Jahrhundert, den Flüchtlingswellen nach den Weltkriegen und in einem freizügigen Europa zwangsläufig so, ob es Ihnen gefällt oder nicht.

(Beifall bei der FDP, der SPD, den GRÜNEN und bei Nebahat Güçlü fraktionslos)

Hinzu kommt noch – das wird Ihnen wahrscheinlich auch nicht gefallen –, dass sich die Hamburger in einem geeinten Europa auch bei ihrer Partnerwahl und Fortpflanzung sehr international verhalten, was immer mehr zu Migrationshintergründen führt.

(Beifall bei der FDP, den GRÜNEN und bei Kazim Abaci SPD)

Ihrem Antrag liegt also ein Weltbild zugrunde, das schon vor über hundert Jahren der realen Welt immer weniger entsprochen hat und in einer globalisierten Welt des 21. Jahrhunderts erst recht nicht. Unterm Strich reiht sich Ihr Antrag also lediglich in die gewohnte Argumentationskette ein, die Ihren Wählern die Rückkehr in die heile Welt des Heimatfilms der Fünfzigerjahre verspricht.

(Beifall und Heiterkeit bei der FDP, der SPD, der CDU, den GRÜNEN und der LINKEN)

Dieses hat mit der Realität von heute wenig zu tun. Es wird Sie wenig überraschen, dass wir Ihren Antrag ablehnen werden. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP, der SPD, der CDU, den GRÜNEN und der LINKEN)

Das Wort erhält nun der fraktionslose Abgeordnete Dr. Flocken.

Sehr verehrter Herr Präsident, sehr verehrte Volksvertreter!

Migrationshintergrund, ein Schwachsinnsbegriff, weil er mit Migration/Wanderung fast nichts zu tun hat.

Beispiel 1: Gözde steigt in Anatolien mit ihrem Besitz in ein Flugzeug, hockt fortan in einer deutschen Stadt, nutzt seit 45 Jahren staatliche Übersetzerdienste, um staatliche Leistungen zu fordern. Kaum Wanderung, aber die Nachkommen haben Migrationshintergrund wegen der nicht deutschen Abstammung.

Beispiel 2: Lothar kommt als Zweijähriger mit seinen Eltern als Schutzsuchender nach Deutschland. Als junger Mann zieht er vorwiegend zu Fuß neun Jahre lang im Ausland umher. Seine Kinder werden wieder in Deutschland geboren. Der Sohn reist für Studium und Arbeit sieben Jahre lang durch sieben europäische Länder. Der Enkel wird

(Christiane Schneider)

im Ausland geboren, wohnt nacheinander in zwei Ländern, ist sechs Monate nicht sesshaft, kommt mit zwei Jahren nach Deutschland. Viel Migration, aber alle drei haben keinen Migrationshintergrund, weil von deutscher Abstammung.

Warum Sie von MiHiGru sprechen, anstatt von Menschen mit nicht deutscher oder teilweise nicht deutscher Abstammung, das klären Sie bitte mit Ihrem Innern, bei Bedarf mithilfe des Seelenheilkundigen Ihres Vertrauens.

Die Ausländer haben damit am wenigsten Probleme.

(Nebahat Güçlü fraktionslos: Woher wollen Sie das wissen?)

Ich kenne keinen Chinesen, der sich seiner Abstammung schämt, geschweige denn einen Türken oder Ne…, also überhaupt … jedenfalls einen Türken oder Maximalpigmentierten.

(Zurufe von allen Fraktionen)

Politiker und Journalisten können trefflich streiten über die PKS. Das Volk erwartet brauchbare Hinweise auf Gefahren. Auch hier ein Beispiel: Eine Frau will von A nach B gehen. Sie muss an zwei Horden von – Herr Schumacher – Kanadiern und Japanern vorbei oder an zwei Horden von Afrikanern und Arabern.

(Zurufe)

Die Gefahr ist offensichtlich.

(Glocke)

Nein …

Sehr geehrter Herr Flocken! Ich weise Sie darauf hin, dass der parlamentarische Sprachgebrauch diesmal nicht gewahrt blieb. Sie können mich hinterher fragen, weshalb ich Ihnen jetzt einen Ordnungsruf erteile. Fahren Sie fort.

Also die Gefahr ist offensichtlich. Nein, nicht Massenvergewaltigung, viel schlimmer, sie könnte sich in ihrer Entscheidung von rassistischen Vorurteilen leiten lassen. Um das zu verhindern, muss man ihr zuverlässige Daten geben, ob in einer Population mit vielfältiger Sozialisation, vielfältigem Phänotyp und vielfältiger Abstammung auch eine vielfältige, differenzierte Neigung zu vielfältigen Straftaten auftritt.

(Zurufe von der SPD, den GRÜNEN und der LINKEN)

Wenn sie diese Information hat, kann sie eine evidenzbasierte Entscheidung treffen und ist nicht anfällig für die Parolen der Rechtspopulisten. – Vielen Dank.

Das Wort erhält nun der Abgeordnete Nockemann für die AfD-Fraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Lieber Herr Kollege Jarchow, Sie werfen mir hier im Rahmen einer Debatte über Migrationspolitik beziehungsweise polizeiliche Kriminalstatistik vor, ich wollte für unsere Wähler die Heimatfilme der Fünfzigerjahre wieder einführen.

(Phyliss Demirel GRÜNE: Der Dreißigerjah- re!)

Wissen Sie, die Heimatfilme der Fünfzigerjahre waren gar nicht so schlecht im Gegensatz zu dem heutigen Trash-Fernsehen oder zu den ewigen Wiederholungen soziologischer Dramen, von denen die Menschen schon längst die Nase voll haben.

(Michael Kruse FDP: Schauen Sie mal Net- flix! Kommen Sie mal im 21. Jahrhundert an!)

Liebe Kollegen, kommen Sie mal wieder runter. Ich bin erstaunt, ich bin wirklich erstaunt, dass es heute in dieser Debatte von allen Seiten unisono immer wieder heißt – jetzt hören Sie einmal zu –, die Straffälligkeit Nichtdeutscher sei nicht signifikant höher als die Straffälligkeit von Deutschen. Wissen Sie, es gibt Untersuchungen darüber, dass gerade in ganz bestimmten, eng definierten Deliktsbereichen die Straffälligkeit von Nichtdeutschen höher ist. Durch diese gesamte Argumentation, die Sie heute hier angebracht haben, zeigen Sie, wie wenig Verständnis Sie für die Sorgen und Nöte der Bevölkerung wirklich haben.

(Dennis Gladiator CDU: Bleiben Sie doch mal bei der Wahrheit!)

Sie wissen doch, dass Ihre Behauptung überhaupt nicht belastbar ist. Dann kam die Frage von Herrn Schumacher: Wie definiert man eigentlich Migrationshintergrund? Das ist ganz einfach, das Statistische Bundesamt macht es doch Tag für Tag. Und der Kollege von der CDU hat Ihnen doch auch gesagt, dass es da so eine Definition gibt. Also einmal genau zuhören. Und wenn es immer wieder aus allen Bereichen heißt, es gebe keine Rechtsgrundlage für etwas – na Gott, wie oft ändern wir denn die Gesetze? Und wie oft wird denn die Verfassung, die eigentlich etwas Grundlegendes sein soll, geändert? Aber nein, die Gesetze zu verändern, um Straftaten zu verhindern, das kommt natürlich nicht infrage.

(Dennis Gladiator CDU: Damit verhindern Sie doch keine Straftaten!)

Sie werfen uns, egal um welches Thema, egal um welche Debatte es geht, immer wieder vor, wir